Hr. 292. 27. Jahrgang.2. KkilM des Jotwörtf ßetlinet öallislilalt.Mittwoch. 14. Dezember 1910.Die ffloabiter Vorgänge 1vor(iericht.Fünfundzwanzigster Tag.Die Erörterung des allgemeinen Teils der Anklage wird gesternfortgesetzt. Ten Fall derMißhandlung eines Mannes mit einem Stelzfußdurch einen Polizeileuinant bestätigt die Zeugin Frau N o a, diein einer vorhergegangenen Sitzung gemachten Angaben ihresMannes: Der Krüppel mit dem Stelzfuß lag am Boden, da kamein Polizeileutnant und schlug auch mit dem Degen auf den Mannein. Dieser kroch unter einen Wagen und der Polizeileutnant stachmit dem Degen unter den Wagen. Die Zeugin rief ihrem Mannezu:.Herr Gott, es sieht ja so aus, als wenn er den Mann nochsti�r."— Frau L o h s e hat den Vorgang von Anfang an beobachtet:Der Mann mit dem Holzbein wurde von Schutzleuten nieder-geschlagen. Tann kam oer Leutnant, schlug den am Boden liegendenKrüppel auch noch. Dieser kroch unter den Wagen, da stach derLeutnant mit dem Degen unter den Wagen.— Ter ZeugeMaurer Weckwerth stellt den Vorgang ebenso dar, nur weichter insofern von den Vorzeugen ab, daß er sagt, der Leutnant schlugden Mann, als er auf dem Boden lag und als er unter den Wagenkroch. In diesem Augenblick wandte der Zeuge seine Aufmerksam-teit anderen Vorgängen zu. Er sah dann den Leutnant erst wieder,als dieser sich entfernte. Gleichzeitig sah er, daß ein Schutzmannunter den Wagen stach. Ueber das, was dem Niederschlagen desKrüppels vorherging, sagt der Zeuge: Die Schutzleute machteneine Zlttacke auf eine Menge von Schuljungens und halbwüchsigenBurschen, welche gepfiffen und gejohlt hatten.— Andere Zeugengeben an, daß sie bestimmt gesehen haben, wie der Leutnant unterden Wagen stach.— Journalist Steinberg, Heraus-geber einer Zeitungskorrespondenz, stellt den Vor-gang mit dem Krüppel genau so dar wie Polizeileutnant Folte:Ein Schutzmann wollte den Mann unter dem Wagen hervorholenund fuchtelte mit dem Säbel unter dem Wagen herum. Da kamLeutnant Folte und zog den Schutzmann zurück.Zu diesem Falle werden noch mehrere Zeugen, darunter aucheinige Schutzleute, vernommen. Es ergibt sich ein gewisser Wider-spruch in den Aussagen, besonders dadurch, daß ein Schutzmannmit Bestimmtheit sagt, der Mann kroch„mit affenartiger Ge-schlvindigkeit" unter den Wagen, er kann also wohl kein Krüppelgewesen sein. Dieser Mann war es, den ein Schutzmann unterdem Wagen herausholen wollte, aber vom Polizeileutnant Folteaber zurückgehalten wurde. Diese Widersprüche in den Zeugen-aussagen lassen darauf schließen, daß es sich um zwei Fälle handelt,wo jemand vor dem Polizeisäbel unter einem Wagen Schutzsuchte.lieber diepolizeiliche Räumung beS Lokals vou Krüger,Sickingenstr. ll), geben mehrere Zeugen folgende Darstellung: AmL6. September abends waren etwa 8— 10 Gäste im Lokal. Es wardrinnen so ruhig, als wenn niemand da wäre. Da stürmten etwa10 Schutzleute mit blanken Säbeln in das Lokal und warfen dieGäste hinaus. Vor dem Lokal standen andere Schutzleute, welche dieHinausgeworfenen mit dem Säbel schlugen. Ein Mann, der voneinem reitenden Schutzmann geschlagen wurde, schrie so laut auf,daß es straßenweit zu hören war. Von den Leuten, die durch dieSchutzleute aus dem Lokal geworfen wurden, ist niemand verhaftetworden, obgleich etwa 60 Schutzleute in unmittelbarer Nähe waren.Die Zeugen schließen daraus, daß die Gäste des Lokals nichts Straf-bares getan haben.— Polizeileutnant Folte gibt imGegensatz zu diesen Zeugen an: Aus dem Krügerschen und demgegenüberliegenden Lokal wurde mit Gläsern auf die draußenstehenden Schutzleute geworfen. Deshalb wurde das KrügerscheLokal geräumt und die Schließung angeordnet. Das gegenüber-liegende Lokal wurde indessen durch den Wirt selbst geschlossen.Daß aus dem Lokal nach den Schutzleuten geworfen wurde, hatPolizeileutnant Folte nicht gesehen. Eine Zivilpersonhat es ihm gesagt. Diese Zivilperson ist, wie sich später heraus-pellte, der Journalist Steinberg.Einen der zu diesem Fall vernommenen Zeugen fragt Rechts-anwalt Rosenfeld, ob es wahr sei, daß in der ersten Klasseder Gemeindeschule, welche die Tochter des Zeugen besucht, Aufsätzeüber die Moabiter Unruhen angefertigt und diejenigen Arbeitenzurückgewiesen wurden, in denen die Polizei belastet erschien. DerVorsitzende lehnt die Frage ab, weil die Schulaufsätzenichts zu tun hätten mit den Handlungen der Angeklagten.—Rechtsanwalt Rosenfeld: Aber es dient zur Beurteilung derGlaubwürdigkeit des Rektors Schröder, der hier vernommen wurde.Rechtsanwalt Heine: Und ist auch von Bedeutung dafür,wie die öffentliche Meinung beeinflußt wurde. Vorsitzender:Auch das geht uns nichts an.Einem Zeugen, der gesagt hatte, die von den Schutzleutenattackierten Gäste des Lokals seien unschuldig, legt der E r st eStaatsanwalt die Frage vor. ob der Zeuge wisse, was dieLeute vor dem Eindringen der Polizei gemacht haben.— TerZeuge antwortet, es sei doch niemand festgenommen worden, alsomußten doch alle unschuldig sein. Rechtsanwalt Heine weistdarauf hin, daß eine Festnahme von etwa Schuldigen leicht mög-lich gewesen wäre, weil doch 60 Schuhleute zur Stelle waren.ilebngenS habe doch die Polizei kein ZüchtignngSrecht gegenüberPersonen, unter denen sie den Verüber einer strafbaren Handlungvermute.— Hier greift der V o r s itz e n d e ein mit der im energi-schen Ton gesprochenen Bemerkung: Ich dulde jetzt nicht mehr, daßAusführungen gemacht werden. Nur Fragen dürfen gestellt werden.— Rechtsanwalt Heine: Die Frage des Ersten Staats-anwalts machte meine Bemerkung notwendig.— PolizeileutnantFolte gibt noch an, von den Gästen des Krügerschen Lokals seideshalb niemand festgenommen, weil derjenige, welcher warf, nichtermittelt werden konnte.Rechtsanwalt R o s e n f e l d fragt den Polizeileutnant Folte,ob es richtig sei, daß er wegen einer von ihm gemachten Aussagenachträglich Bedenken bekam, deshalb mit einem seiner Vor-gesetzten sprach und nach dem Gespräch seine Zeugenaussage er-gänzte.— Polizeileutnant Folte: Ich habe meine Aussage inder Autogeschichte ergänzt, weil es mir erheblich schien.— Rechts-anwalt R o s e n f e l d: Haben Sie mit Ihrem Vorgesetzten dar»über gesprochen?— Polizeileutnant Folte: Was ich mit meinemVorgesetzten gesprochen habe, das ist meine persönliche Angelegen-heit: darüber verweigere ich jede Auskunft.— RechtsanwaltR o s e n f e l d: Die Beantwortung dieser Frage dient zurPrüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Folte. Mir ist mit-geteilt worden, daß Polizeileutnant Folte zu seinem Vorgesetzten— es soll der Polizeioberst sein— gesagt hat. er fürchte einenMeineid geleistet zu haben, denn er habe in seiner Zeugenaussageetwas verschwiegen, was, wenn er es gesagt hätte, die Polizeibelastet haben würde. Der Oberst soll Herrn Folte geraten haben,seine Aussage zu ergänzen, was er dann auch tat. Ich beantrage.beim Polizeipräsidenten die Genehmigung nachzusuchen, daßPolizeileutnant Folte meine Frage beantworten darf.DaS Gericht lehnt den Antrag ab mit der Begründung: DieTatsache, welche die Verteidigung unter Beweis stellt, ist nicht ge-eignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Folte zu erschüttern.sondern sie zu verstärken.Nachdem hierauf einige Zeugen zum Falle des mißhandeltenKrüppels vernommen waren, beantragt Rechtsanwalt Rosen-seid, einen Mann, den er als Zeugen laden müsse, aus demZuhörerraum zu entfernen. Kiefer Rann ist her„Kriminalschutzmann Paduck,der sich unter dem falschen Namen Kuhlmann im sozialdemokrati-schen Wahlverein hat aufnehmen lassen.Auf Anordnung des Vorsitzenden muß Paduck den Saal verlassen.Längere Zeit nimmt dieVernehmung des Journalisten Steinbergin Anspruch, der sich über seine Wahrnehmungen in Moabit aus-läßt. Diese beginnen bei dem mehrfach erwähnten Vorfall am26. September, der sich nach dem von einen: arbeitswilligen Kutscherabgegebenen Revolverschutz ereignete. Nach der Angabc desZeugen Steinberg ist der Begleitmann des Wagens von einemSteinwurf aus der Menge am Kopf getroffen worden und knickteinfolgedessen auf seinem Sitz zusammen. Hierauf zog der Kutscherden Revolver und schoß in die Menge. Nun verlangte die Mengevon der Polizei die Feststellung des jlutschers; dieselbe wurdeverweigert. Dadurch wurde die Menge erregt und es folgte dieAttacke und die Verfolgung der Löweschen Arbeiter auf denFabrikhof. Was der Zeuge weiter über seine Wahrnehmungensagt, deckt sich vollkommen mit den Angaben, die schon an denersten Tagen des Prozesses von den Polizeioffizieren gemachtwurden und deshalb an dieser Stelle nicht wiederholt werdenbrauchen. Der Zeuge ergeht sich in auffallenden Ucbcrtreibungen.Hier nur ein Beispiel davon: Als er erfahren hatte, daß die Re-formationskirche demoliert war, ging ich hin, um mir dasSchlachtfeld anzusehen.— Der Zeuge ist während der un-ruhigen Tage in Moabit gewesen, meist in unmittelbarer Näheder Polizei, teils dicht hinter den Schutzmannsketten. Von un-berechtigtem Vorgehen der Beamten will er nichts bemerkt haben.Dagegen meint er, habe die Menge in jedem Falle durch Rufen,Schreien und Werfen Anlaß zum polizeilichen Einschreiten ge-geben. Am 27. September, abends 7 Uhr, will er in der Bcussel-straße eine Menschenmenge von etwa 3000 Personen gesehenhaben. Von der Kirche bis zum Bahnhof sei alles schwarz vonMenschen gewesen. Die Menge habe die Arbeitermarseillaise ge-sungen, ein Hoch auf die Sozialdemokratie ausgebracht und gleichdarauf sei ein Steinhagel gegen die Schutzleute erfolgt, die dannmit blanker Waffe die Menge vertrieben. Der Zeuge will auchbei anderen Gelegenheiten ein einheitliches Handeln der Mengebemerkt haben, er kann aber keine Tatsachen angeben, auf welchesich diese Zlnnahme stützt.— Rechtsanwalt Heine fragt denZeugen, ob er die Berichte in die Presse gebracht hat, worin dieRede davon ist, daß die Kirche demoliert sei, die heiligen Gerätegeschändet, der Altar zerstört und die Menge in die Kirche ein-gedrungen sei.— Ter Zeuge antwortet, er glaube nicht, daßdiese Tarstellung von ihm herrühre.— Nachdem er seine Berichtedurchgesehen hatte, scheint er die Frage verneint zu haben. DemZeugen wird der betreffende Zeitungsbericht vorgelegt und Rechts-anwalt Heine fragt, ob er den Verfasser des Berichts kenne.—Der Vorsitzende läßt diese Frage nicht zu.— Rechtsanwalt Heinefragt den Zeugen, ob er Nachrichten von der Polizei bekommenhabe.— Der Zeuge gibt ausweichende Antworten.— Vorsitzender: Zwei Mitglieder des Gerichts beanstanden dieseFrage.— Rechtsanwalr Heine beantragt einen Gerichts-bcschluß und führt zur Begründung des Antrages aus: Es istwichtig, festzustellen, ob die Polizei durch Verbreitung bewußtunwahrer, alarmierender und aufregender Nachrichten die Auf-rcgung gesteigert und dadurch Nnruhen verursacht hat.Der Beschluß wird einstweilen ausgesetzt.In seiner tvciteren Vernehmung gibt der Zeuge Stein-berg an, er habe gesehen, daß vor Schanklokalcn das Mosaik-Pflaster stellenweise aufgerissen war und daß Steine davon in denLokalen lagen.— Daß Kriminalbeamte sich unter das Publikummischten und aufreizende Rufe ausstießen, hat der Zeuge, wie erangibt, nicht bemerkt, auch nicht, daß Kriminalbeamte Leute ausdem Publikum schlugen. Auf eine Frage des RechtsanwaltsHeine gibt der Zeuge zu, daß er sich sehr oft in Begleitung derJournalisten v. Reitzenstein und Moskowski befand. Rechts-anwalt Heine weist darauf hin, daß Herr v. Reitzenstein an-gegeben hat, er habe gesehen, daß Kriminalbeamte barbarisch ausdas Publikum einschlugen. Auffallenderweise habe der Zeuge Stein-berg nichts davon gesehen.— Nach wiederholten Fragen gibt derZepge schließlich an, daß einmal Kriminalbeamte auf das Publi-tum einschlugen, er fiigt aber hinzu, er vermute, die Ge-schlagenen würden wohl vorher Widerstand geleistet haben.— Aufweitere Fragen bekundet der Zeuge nach mehrfachen Versuchen desAusweichens, daß er, der häufig auf dem Polizeipräsidium verkehrt,dort gehört hat, es sei einKriminalbeamter, der sich als Arbeiter verkleidetunter die Menge gemischt hatte,von seinen eigenen Kollegen verhauenworden. Das sei ein allgemeines Gespräch in den Kreisen derPolizeibeamten gewesen.Zeuge V o l I b r e ch t ging aus der Sitzung eines Mäßigkeits-Vereins nach Hause. Plötzlich kam ihm eine Kette von Schutzleutenentgegen. Als sie ihn erreichten, da bekam er— wie er sagt—Dresche. Er wandte sich nach der entgegengesetzten Seite.Da stieß er wieder auf eine Anzahl Schutzleute undbekam nochmals Dresche. Ein Entkommen war nicht möglich, da ersich zwischen zwei Schutzmannsketten befand. Die Folgen derPrügel waren eine Wunde am linken und eine Beule am rechtenArm.Kaufmann Hüart, der ein Geschäft in der RostockerStraße hat, sagt unter anderem: In meinen Laden kamen öfterjunge Leute und wollten Kanonenschläge kaufen. Als iHsagte, die habe ich nicht, meinten die Leute, ich wolle ihnen blogkeine verkaufen. Ich antwortete ihnen, wenn ich Kanonenschlägehätte, so� würde ich in diesen Tagen doch keine verkaufen. Balddarauf hörte ich es auf der Straße mindestens 6 bis 8mal knallen.Ich weiß ganz bestimmt, daß das Kanonenschläge waren, denn ichkenne ihren Knall und kann ihn von dem Knall einer Schußwaffesehr genau unterscheiden. Ich sagte gleich zu meiner Frau: Jetztbaben diese Bengels doch irgendwo Kanonenschläge bekommen.—Ferner teilt der Zeug« eine Beobachtung mit: Ein betrunkeneralter Mann hielt sich an einen Laternenpfahl fest. Futzschutzleutegingen vorbei und ließen ihn unbehelligt. Dann kamen reitendeSchutzleute, die hieben mit Säbeln auf den Mann ein und als erschon am Boden lag, wurde er inimcr noch geschlagen.— Später,die Straße war fast menschenleer, kam ein Polizeileutnant. Diesersagte zu einem Schutzmann, der ihm anscheinend eine Meldungerstattete:„Hauen Sie die Kerls in die Fresse, daß sie stürzen."—Eines Abends sah der Zeuge eine Menschenmenge auf der Straße.Vorn standen junge Bengels— wie der Zeuge sagt— undpfiffen. Sie rissen aus, wenn die Schutzleute vorgingen,und waren nicht zu kriegen. Manchmal haben ja die Kriminal-bcamten einen gekriegt und verhauen. Aber die Schutzleuteschlugen jeden, der ihnen vor die Hand kam. Ans der Straße wares für die Paffanten so gefährlich, daß>der Zeuge, wenn er nachGeschäftsschluß nach Hause ging, stets im bloßen Kops ging, um sichden Polizeibeamten gegenüber als Bewohner� eines Nachbarhauseszu kennzeichnen und sich so vor Prügel zu schützen. Einmal sahder Zeuge zwei Schutzleute mit umgehängten Karabinern über dieStraße gehen. Der eine brüllte mit lauter Stimme, daß sozusagendie Fenster klirrten:„Saubande, Schweinebande, Räuberbande."— Ter Zeuge schließt seine Aussage mit den Worten: Bei allerHochachtung, die ich bisher vor der Polizei hatte, muß ich bedauern,sie nicht schützen zu können. Ja, selbstdie Grundlagen meines christlichen Glaubens sind mir durchdas Verhalten der Polizei in Moabit erschüttertwxrden.Polizeileuinant Folte tritt vor und bittet, ihm zugestatten, die Szene vorzuführen, wie er den Schutzmann von demWagen, unter dem sich der mißhandelte Krüppel verkrochen hatte,zurückgerissen habe.— Der Vorsitzende lehnt das ab mit derBemerkung, daß eine solche Vorführung für das Gericht keine Bc-deutung habe.— Rechtsanwalt Heine: Vielleicht kann derZeuge Grausch nochmal vortreten und dem Herrn Polizeileutnantins Gesicht sagen, daß er, Grausch, gesehen hat, wie der Polizei-lcutnant den Mann geschlagen und unter dem Wagen nach ihmgcstoclicrt hat.— Vors.: Das hat ja der Zeuge schon gesagt.Schrift st eller Kagel kann nichts über Einzelvorgängeangeben. Seine allgemeinen Angaben gehen dahin, daß sich diePolizei, so weit er sehen konnte, sich nichts habe zuschulden kommenlassen.Wie die Polizei Eigentum demolierte.Hauseigentümer Zack gibt an. daß die Scheiben inder Tür seines Hauses in der Wittstocker Straße durch Schutzleuteentzwei geschlagen wurden. Gesehen hat er, daß auch an einemgegenüberliegenden Hause ein vorübergehender Schutzmann mitdem Säbel eine Türscheibe einschlug, einige Schritte weiterging,umkehrte und auch die andere Scheibe zerschlug.Die Straße dient Polizcimißhandlungen.Eines Abends fand der Zeuge auf dem Flur seines Hauseseinen jungen Mann, der auf Befragen angab, er sei Bäcker-geselle, arbeite bei einem in der Nähe wohnenden Bäcker»ineister und habe sich auf dem Wege nach der Arbeit in das Hausgeflüchtet, weil er schon zweimal von Schutzleuten Keile gekriegthabe. Der Zeuge gab dem Manne den Rat, sich an«inen Polizei-leutnant zu wenden. Als der Mann an die Straßenecke kam, woeine Reihe von Schutzleuten stand, wurde er wieder geschlagen.—In anderen Fällen hat der Zeuge gesehen, daß Straßciipassantcnvon Schutzleuten mit dem Säbel geschlagen wurden, und, als sieflüchteten, von anderen Schutzleuten aufs neue Prügel bekamen.Polizeispitzel.Ein Mann in Zivil, der ruhig und von den Schutzleuten un«behelligt stehen blieb, nachdem diese eine Menschenmenge vertriebenhatten, holte einen Revolver aus der Tasche und schoß in eineSchanseiisterscheibe. In demselben Augenblick kamen uniformierteSchutzleute vorbei, kümmerten sich aber gar nicht um den Mannmit dem Revolver. Der Zeuge hat denselben Mann— er trugeinen gelblichen Paletot— vorher in einer Gruppe von Kriminal-beamtcn gesehen, die mit Blendlaternen in der einen und Revolvernin der anderen Hand eine Haustür betrachteten.— Ein andermalhörte der Zeuge einen Polizeileutnant zu Schutzleuten sagen:„Hauen Sie feste drauflos und schießen Sie. Die Halunkenwerden wir schon kriegen."Publikum>var zu dieser Zeit nicht auf der Straße.— Als derZeuge eines Abends von seinem Balkon aus an untenstehendePolizeibeamte die Frage richtete, wann er das Haus schließenmüsse, erhielt er die Antwort:„Gehen Sie vom Balkon oder wirschießen."— Der Zeuge hat auch gesehen, daß der Rohrleger Senfvon 3 bis 4 Schutzleuten mit Säbeln geschlagen wurde. EinMieter des Zeugen, der auf dem Wege von der Arbeit nach Haufenicht durch die Absperrungslinien gelassen wurde, wollte sich einenpolizeilichen Passierschein erwirken und ging deshalb in Begleitungdes Zeugen nach dem Polizeibuveau. Der Polizeileutnant sagte:einen Passierschein könne er nicht geben, iverdahin gehe, wo Tumult sei, der müsse sich ge.fallen lassen, daß er seine Keile kriege. Wenn ich- habe der Leutnant gesagt— in Zivil dahin gehen würde, dannbekäme ich auch Keile.— Auf den Einwand, man müsse doch vonder Arbeit nach Hause gehen, bemerkte der Leutnant, er könnekeinen Passierschein geben.Damit schloß die Sitzung. Heute um W Uhr wird die Vcr-Handlung fortgesetzt._Die Wie von IKieMchin.Zweiter Tag.Unter den für gestern geladenen Zeugen befinden sich aucheinige Fürsorgezöglinge und solche, die es waren. Der Vorsitzendecrmahnt sie in seiner eindringlichen, aber jedes Pathos vermei-denden Art, nur die reine Wahrheit zu sagen, nicht zu übertreiben.sich nicht von Gefühlen des Mißmutes, des AergerS, ja des Hasseshinreißen zu lassen, doch auch nichts zu beschönigen.In der Beweiserhebung wird fortgefahren mit der Verneh-mung des Zeugen Hcntschel, ersten Lehrers der Anstalt Lichtenberg.Er legt zwei Briefe BreithauptS vor, in denen er den InspektorButh um gelegentliche Uebersendung der für Lichtenberg geltendenVorschriften gebeten hat. Ueber das Leben und Treiben in Lichten-berg bekundet Hcntschel unter anderem, daß dort ein regelmäßigerUnterricht von täglich zwei Stunden erteilt wird.— Vorsitzender:Als sie aber Mieltschin besuchten, war in dieser sogenannten Für-sorgeanstalt davon keine Rede. Breithaupt hatte keinen Lehrer zurVerfügung, es war gewissermaßen nur eine Arbeiterkolonie.—Zeuge: Damals war kein Lehrer dort angestellt, aber soviel ich michentsinne, sagte mir Br., eö solle später ein Lehrer zugezogen werden.Die Verwahrlosung ist ja auch größtenteils auf mangelnde Er-kenntnis zurückzuführen, darum ist Unterricht nötig.— Ueber dasPersonal in Lichtenberg sagt Zeuge, es bestehe aus Meistern fürUnterweisung im Handwerk, aus Lehrern für Unterricht und Er-ziehung, aus einigen besonderen Aufsehern zum Schutz der Anstalt.Die letzteren sind bewaffnet, aber Gummiknüppel gibt es in Lichten-berg nicht. Nur Leute mit tadelloser Führung werden angestellt,vorbestraft darf keiner sein.— Vors.(zu Breithaupt): Sie hattenalso die Disziplinarvorschriften nicht, obwohl Sie wußten, daß Siedanach handeln mußten. Wonach handelten Sie denn nun?—Angekl.: Ich habe mir von verschiedenen anderen Anstalten HauS-ordnungen und Vorschriften geben lassen.— Vors.: Was für An-stalten waren denn das?— Angekl.: Hm, das waren keine Für-sorgranstalten.— Vors.: Da gab es aber wohl auch keine Hiebe.Zluf Veranlassung des Nebenklägers Rechtsanw. Dr. Rosenfeldäußert sich Zeuge Hentschel noch über die Notwendigkeit individuellerBehandlung der Zöglinge, die schon deshalb ganz selbstverständlichsei, weil es sich oft um seelisch abnorme Personen handelt.—Rechtsanw. Dr. Rosenfcld: Würden Sie es für angemessen halten,Zöglinge zu fesseln?— Zeuge: Wir tun das nicht.— Rechtsanw.Dr. Rosenfeld: Wie steht es mit der Prügelstrafe in Lichtenberg?Darüber wird doch eine Statistik geführt? In 1907 sollen 7,9 Proz.,in 1908 8,1 Proz. der Zöglinge geprügelt worden sein.— Zeuge:Das kann richtig sein. Im letzten Jahre wurden wohl nur dreiZöglinge geprügelt.�— Auf eine Frage des Verteidigers Rechtsanw.Dr. Hirschseld erklärt Zeuge es für möglich, daß die LichtenbergerZöglinge auf dem Transport nach Mieltschin gefesselt waren. Ge-fesselt babe man sie wohl deswegen, weil die Zeugen sich ungern ansder Nähe von Berlin wegbringen lassen und daher Flucht zufürchten war.Magisiratsrat Voigt und Inspektor Buth werden über einigePunkte noch einmal vernommen, unter anderem darüber, ob Breit-Haupt üver Vorleben und Charakter seiner Zöglinge hinreichenddurch Ueberweisung von Slkten informiert wurde. Das war offen-bar nicht der Fall, aber Voigt konnte mitteilen, daß jetzt in diesemPunkte gewissenhaft verfahren werde.Pastor Matthies, Geschäftsführer der G. m. k>. H.„Fürsorge-stift Mieltschin", bekundet, wie er an Breithaupt geraten ist. Als erdie Anstalt Mieltschin einrichten sollte, sah er sich zunächst andereAnstalten an, auch..Hoffnungstal", und dort lernte er Br. kennen.Dieser schien ihm geeignet zur Leitung der neuen Anstalt, und alsBr. ihm später schrieb, er wünsche sich zu betätigen in einer Arbeit»