Br. 296. 27. Jahrgang. 4. Beilage des„ Vorwärts" Berliner Volksblatt. Soutes, 18. Desember 1910.
Zur Lage der Kleinbauern und Candarbeiter.
I. Allgemeines.
Von den 48 vorhandenen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Deutschlands waren nur 39 Geschäftsberichte für das Jahr 1909 zu erlangen. Manche Genossenschaft braucht zwei bolle Jahre, bis sie das„ Material" zu einem armseligen Bericht ge= jammelt hat. Viele begnügen sich auch mit der Veröffentlichung einiger statistischer Tabellen, welche ja nur vom Reichsversicherungsamt verlangt werden, und brauchen auch hierzu oft neun bis zehn Monate Zeit, diesen Bericht" fertig zu stellen. Einige Berufs= genossenschaften haben sich bis heute noch nicht entschließen können, einen Geschäftsbericht überhaupt drucken zu lassen. Sie ber= weisen auf Anfrage einfach auf das„ Amtsblatt" des Kreises, welches ja den Bericht" veröffentlicht habe. Ganz jämmerliche Berichte verschickten wieder die Berufsgenossenschaften Anhalt", Lippe- Detmold "," Württemberg"," Reuß j. und ält. Linie", " Hamburg ",„ Oldenburg ",„ Schaumburg- Lippe "," Rudolstadt " usw. In französischer Sprache erscheint auch der Bericht für„ Lothringen ". Und trotzdem gewähren diese Berichte vielleicht wider Willen einen gewissen Einblick in die Verhältnisse auf dem platten Lande, der Lage der Kleinbauern und Landarbeiter, deren Flucht" man ja jetzt mit allen Mitteln aufzuhalten sucht.
Alle Versuche, eine nur einigermaßen vergleichende Statistik zu gewinnen, müssen immer wieder scheitern, weil die Zahlen des Vorjahres in fast allen Berichten fehlen und nur auf die veralteten Betriebszählungen verwiesen wird. Sehr oft hat man auch vorsichtig auf" frühere" Zahlen verwiesen, statt die Ziffern des Vorjahres zu nennen.
So berichtet z. B.„ Oberfranfen":
„ Nach der Berufs- und Betriebszählung vom Jahre 1907 beträgt die Zahl der land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe in Oberfranken rund 69 000( nad) der Zählung von 1895: 70 936) und die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Personen 240 000( gegen 167 901 im Jahre 1895). Hiervon sind etwa 43 000 borübergehend beschäftigt."
Hamburg " erwähnt, daß die Zahl der Betriebe gegen das Borjahr wieder um 1 abgenommen habe und bemerkt erläuternd: Die Unternehmerverzeichnisse haben auch im Jahre 1909 infolge der umfangreichen Landverkäufe an den Staat und an private Spekulationsgesellschaften vielfache Veränderungen erfahren; sie erhalten jezt 4335 Betriebe.
Der Abgang betraf meistens die größeren und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe, während die Zahl der kleinen Gemüsebaubetriebe zugenommen hat.
Reuß j. 2. brachte im Vorjahre noch eine genaue Aufstellung Durch das Gesetz betr. Aenderung im Finanzwesen vom 15. der versicherten Betriebe nach ihrer Höhe, in diesem Jahre nur noch| Juli 1909 war die Postbehörde auch ermächtigt, Borschußzahlungen die Gesamtzahl: von der Berufsgenossenschaft Ostpreußen " azu verlangen. Hierzu Die Fläche der beitragspflichtigen Betriebe des Fürstentums fehlte es aber an Geld und die Postbehörde wollte nicht stunden. beträgt: Der Bericht bemerkt nun hierzu: 77 599 ha, und zwar: landwirtschaftl. Fläche forstwirtschaftliche Fläche Gärtnereifläche und Obstplantage 46065 ha= 59,4 Broz. 31450 ha= 40,5 Proz. 84 ha= 0,1 Proz. " Hessen Nassau " führt an:
" Das Reichsversicherungsamt hat daraufhin auch mit den PostBerufsgenossenschaft blieb daher nur übrig, sich an den Provinzialbehörden verhandelt; die Post hat das Gesuch aber abgelehnt. Der verband zu wenden, um mit dessen Hilfe in den Besit der erfor derlichen Mittel zu kommen. Daß dem Provinzialverbande eine Verpflichtung nicht obliegt, für die Berufsgenossenschaft Vorschüsse
Die 237 678 Betriebe der Berufsgenossenschaft setzen sich zu- zu leisten, ist völlig zweifellos. Der Provinzialverband glaubte sammen:
a) aus landwirtschaftl. Betrieben bis zu 2, ha Große
b)
"
"
c)
"
"
d)
"
e)
"
=
von über 22
10 ha
1
"
"
"
10
"
25 ha
"
"
"
"
25 ha Größe.
forstwirtschaftlichen Betrieben
•
.
zusammen
151 336 63 628 12 532
2 252 7.930
237 678 Sehr verschieden werden die Beiträge berechnet. So rechnet " Reuß i. 2." 1½ Pf. Beitrag pro Mart Lohnwert und schüßt die Agrarier gegen die Kleinbauern und Gärtner, wie nachstehende Tabelle beweist:
Bewirtschaftung
a) Landwirtschaft.
b) Plantagen
c) Forstwirtschaft
Lohnwert pro ha
1909
Beitrag pro Mark Beitrag Lohnwert pro ha
M.
Pf.
M.
140
11/8
1,87
112
1,49
"
30
0,40
·
"
1700
22,67
"
d) Gärtnerei. Gärtnereien müssen also mehr als 10fachen Beitrag zahlen als Agrarier!
die schwanken die Zahlen der einzelnen Berufsgenossenschaften zwischen In Bayern rechnet man wieder nach der Grundsteuer und 50-80 Pro3. der Grundsteuer. Zu dieser Frage äußert sich auch der Bericht„ Hessen- Nassau " wie folgt:
aber doch trotz der ihm dadurch erwachsenden Unbequemlichkeiten, der Berufsgenossenschaft in ihrer Notlage zu Hilfe kommen zu sollen und erklärte sich deshalb zur Hergabe des Geldes bereit." Alle Berichte jammern natürlich über" starke" und„ über mäßige Belastung" und versuchen krampfhaft, alle Mittel anzumenden, die notleidende" Landwirtschaft wieder zu entlasten. Den Vogel schießt hierbei jedoch der Landeshauptmann der Provinz Sachfen" ab, welcher janmert:
"
" Jm Berichtsjahre sind von den oberen Verwaltungsbehörden in fast allen Kreisen der Provinz, namentlich aber in den Regie rungsbezirken Erfurt und Magdeburg die Jahresarbeitsverdienste land- und forstwirtschaftlicher Arbeiter um 25 bis 33% Prog. erhöht worden. Hand in Hand mit dieser Gr höhung geht selbstverständlich auch eine Erhöhung der Renten. Die neu zu bewilligenden werden also die bisherigen Renten um etwa 25 bis 33% Proz. übersteigen, je nachdem die Erhöhung des Jahres. arbeitsverdienstes in den einzelnen Kreisen erfolgt ist. Die natürliche Folge dieser Erhöhung ist eine weitere Steigerung der ge samten Rentenlast.
So lange noch Herauffehungen des durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes stattfinden, werden alle Mittel, eine Verminde rung der Rentenlast herbeizuführen, einen dauernden Erfolg nicht bieten, wird auch ein Beharrungszustand der Rentenlast nicht eintreten, wenn auch die Zahl der hinzutretenden Rentenempfänger durch die der abgehenden aufgewogen wird."
dem Buche von Göke- Schindler, so finden wir noch JahresarbeitsIst das nicht starter Tabak"? Vergleicht man nun die„ hohen", amtlich festgestellten Jahreslöhne dieser armen Arbeiter nach verdienste von 630 M. für Männer und 360 M. für Frauen im
Schluffe:
" In dem Reisebericht der Berliner Kommissare war außerdem bemängelt, daß bei den Stiagen über die übermäßige Belastung Bezirk Magdeburg , 480 M. und 225 im Bezirk Merseburg , 360 M. der Berufsgenossenschaft durch Unfallasten bisher lediglich das und 240 M. im Kreise Erfurt ( 3iegenrüd). Ob der Herr Landeshauptmann nicht auch inzwischen höheren Verhältnis der Beiträge zu der Grundsteuer herangezogen wäre, Lohn erhalten hat? Das ist aber die Sprache der Junker! daß eine solche Vergleichung lediglich mit der Grundsteuer aber ein irgendwie zuverlässiges Bild nicht gebe, weil die Grundsteuer die Berufsgenossenschaft Unter- Elsaß" aus und meint zum Gegen die Gewährung einer Rente unter 20 Broz. spricht sich in den einzelnen Landesteilen eine ungleiche sei und den heutigen Erwerbsverhältnissen wohl nur selten noch entspreche. Es wurde " Die Erfahrungen des täglichen Lebens zeigen, daß Verlekte, deshalb anheimgestellt, irgendwelche anderweite Berechnungen und welche aus Anlaß eines Unfalles irgendeine Berufsgenossenschaft Auf Grund einer Entscheidung des Reichsversicherungsamtes Vergleichungen anzustellen." find die mit der Unterhaltung und Pflege der an öffentlichen" Soweit die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften den nicht in Anspruch nehmen können, weil sie bei keiner versichert sind, oft sogar bei schweren Verstümmelungen alle Arbeiten verrichten, Straßen stehenden Bäume beschäftigten Arbeiter und Betriebs- Arbeitsbedarf ihrer Umlegung zugrunde legen, geschieht dies zwar welche sie vor dem erlittenen Unfall ausgeführt haben."„ Der beamten in die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf unter Berechnung eines durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes gute Wille und die Angewöhnung spielen bei Wiedererlangung der des Versicherten, allein dieser Jahresarbeitsverdienst beruht nicht Arbeits- und Erwerbsfähigkeit eine große Rolle." Rückschrittlich arbeitet die Berufsgenossenschaft„ Ostpreußen ". auf den wirklich empfangenen Löhnen der Versicherten, sondern Ueber Hungerlöhne berichtet ,, Schlesien ":" Der Jahresarbeits. Jm Bericht wird ausgeführt,„ daß durch das am 1. Januar 1908 auf einer Durchschnittsfestſekung der oberen Verwaltungsbehörde. verdienst für erwachsene männliche Arbeiter beträgt jebt in ben in Kraft getretene neue Statut die Grenze für die Versicherungs. Insofern sind also Angaben über die Löhne bei dieſen landwirt - überwiegend ländlichen Kreisen 400 m. beziv. 420 Mt., Der Jahres= pflicht der Betriebsunternehmer und deren Ehefrauen von 2000 schaftlichen Berufsgenossenschaften zwar vorhanden, aber nicht zu arbeitsverdienst für erwachsene Arbeiterinnen 295 M. bezw. auf 1500 M. herabgesett ist, so daß an Betriebsunternehmer mit verlässig und der durchschnittlich festgestellte Jahresarbeitsverdienst 800 M.; in den größeren Städten und in den Industriekreisen ist einem 1500 M. übersteigenden Einkommen im Berichtsjahr Unfall- bewegt sich wohl auch zweifellos unter dem tatsächlich gezahlten der Jahresarbeitsverdienst entsprechend höher bemessen." entschädigungen nur in den Fällen gewährt worden sind, in denen ohne.(?) Gleichwohl hat der Landeshauptmann mangels anderer es sich um einen vor dem 1. Januar 1908 porgekommenen Unfall besserer Vergleichsunterlagen eine derartige Berechnung aufstellen laffen, obwohl nicht verkannt wird, daß die Vergleichung nach vielen handelte." Richtungen ein zuverlässiges Bild nicht gibt."
genommen."
"
Im Bezirk Gotha " ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe laut Bericht von 21 664 auf 21 593 zurückgegangen. Baden" gibt uns wieder eine Aufstellung über die Größe der Betriebe, wie folgt:
" In Anordnung des§ 8 Biffer 7 des badischen Gesetzes vom 17. Juli 1902 hat die Genossenschaftsversammlung am 27. Juli 1908 beschlossen, Betriebe, zu deren Bewirtschaftung im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 1200 Arbeitstage männlicher Arbeiter erforderlich find, in neun Klaffen einzuteilen.
Hiernach sind einzuschätzen:
Betriebe von
weniger als 75 Tagen in Klaffe
Welch rege Verbindung die Agrarier mit den Invalidenverficherungsanstalten gefunden haben, obschon die Industrie die Hauptmittel hierfür aufbringt, ergibt sich aus manchen Berichten. Roll Neid schreibt z. B. Hessen- Nassau ":
Indessen ist hier zur Erläuterung zu bemerken, daß in Baden die Verwaltung der Berufsgenossenschaft völlig kostenfrei von den staatlichen Organen geführt wird und infolgedessen die Verwal tungskosten nur geringfügig find."
Troßdem:" Die beiden Dezernenten, Rechnungsdirektor Schulz und Hauptkassenrendant Weber waren gleichzeitig mit Angelegenheiten der Landesversicherungsanstalt beschäftigt und hat diese 94 543 Betriebe lettere Anstalt von den Gehaltsbezügen bei Dr. Schroeder%, bei Stöhr ½, bei Schulz und Weber je% der Bezüge zu tragen." Die Versicherungsanstalt zahlt also die Gehälter der höchsten Beamten fast ganz und der nationalliberale Landtagsabgeordnete Dr. Schroeder- Caffel bewirbt sich auch noch um das dortige Reichstagsmandat! Kämen hier Sozialdemokraten in Frage, so würde man nicht laut genug über diesen Mißbrauch" schreien können! Der Bericht für Niederbayern " erwähnt:
75-150
"
150-300
"
42 662 43 319
"
"
"
800-450 450-600
"
30 944
"
"
600-750
"
20 820 12845
"
"
750-900
"
"
900-1050 1050-1200
7845 5271 3489 5662
"
"
"
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„ Die Geschäftsräume der Berufsgenossenschaft befinden sich im Regierungsgebäude( Flügelbau) und werden seitens der K. Kreis267 400 Betriebe regierung famt Beheizung und Beleuchtung unentgeltlich zur Verfügung gestellt."
Amtlicher Marktbericht der städtischen Marktballen- Direktion über den Großhandel in den Zentral- Marktballen. Marktlage: Fleisch: Zufuhr schwach, Geschäft still, Preise unverändert. Wild : Zufuhr ges nügend, Geschäft lebhaft, Breife fast unverändert. Geflügel: Zufuhr genügend, Geicäit etwas belebter, Preise sest. Fische: Zufuhr etwas reichlicher, Geschäft sehr still, Preise wenig verändert. Butter und Käse: Geschäft ruhig, Preise unverändert. Gemüse, Obs und Südfrüte: Zufuhr reichlich, Geschäft in Obst und Südfrüchten etwas lebhafter, sonst still, Breise fast unverändert.
Witterungsübersicht vom 17. Dezember 1910. morgens 8 Ihr.
Stationen
Wien
Better
Stationen
Better
Kemp. n. T.
5.6.= 4°.
5 bedeďt
7 wolfig
9
2 bededt
4 bedeckt
10 berbeen
6 Baris
7 Haparanda 758 SSD Petersburg 768 SD 8 Scilly 751 N 740 NNW 753 S
2 Schnee
2 bedeckt
5 wolfig
5 bedeckt 3 bedeckt
6
1889
2 bedeckt 761 D 1 Nebel Wetterbrognose für Sonntag, den 18. Dezember 1910. Etwas fühler, zeitweise beiter, aber noch veränderlich mit geringen Niederschlägen und abnehmenden südlichen Winden.
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