ir.297. 37. IahrgWg.1. Anlage des Jonuitts" Kerlim Itollioliliilt.Dltüsillg. 20. ZtMbtt 1910.Die llioabiter Vorgängevor Geriebt.Neunundzwanzigster Tag.Dor Eintritt in die Verhandlung werden don den VerteidigernmehrereBeweiSanträgegestellt.— Rechtsanwalt Heine mann: Das Polizeipräsidium hatden Beamten die Genehmigung erteilt. Auskunft zu geben, wievieleBeamte der 7. Abteilung in Moabit dienstlich beschäftigt waren.Unser Antrag geht weiter, wir wollen wissen, ob auch Beamte derSittenpolizei oder anderer Abteilungen, in welcher Meidung undmit welchem Auftrage sie in Moabit waren. Ichbeantrage, die Genehmigung zur Aussage über diese Punkte nach-zuholen.— Im Falle Gill, wo jemand, der von Beamten mihhandcltwar. unter einen Wagen kroch und weiter mißhandelt wurde, hatsich herausgestellt, daß sich dieser Fall genau so zugetragenhat. wie wir behauptet haben, nur mit dem Unterschiede, daß derMißhandelte nicht Gill, sondern ein anderer ist. Die Verwechselungist zurückzuführen aus das Gespräch Gills mit Frau Noa. Wir habendafür mehrere Zeugen, auch den Mißhandelten.— Erster Staats»anwalt: Der Name des Mannes?— Rechtsanw. Heine-mann: Den nennen wir nicht. Wir laden ihn selbst. Es ist einGelber.RechtSanw. Rosenfeld: In der vorigen Sitzung hatPolizeileutnant Folte und der Zeuge Drekolt Angaben gemacht,aus denen geschlossen werden könnte, daß ein Zusammenhangzwischen der Redaktion des.Vorwärts" und den Unruhen be-stehe. Ich beantrage deshalb: Redakteur Ströbel unddie noch namhaft zu machen de ir anderen Re-dakteure des.Vor w.", Redaktionssekretäre undRedaktionsboten werden bekunden, daß ihnenniemals mitgeteilt worden ist. irgendwelche Personenhätten sich Urlaub genommen und beabsichtigten während desMoabiter Krawalls die Polizei auf einen Haufen zu locken, oderRohrleger seien bestellt, um das Gas abzuschneiden. Diese Zeugenwerden ferner bekunden, daß in den Tagen der Moabiter Unruhenniemand telephonisch, schriftlich oder mündlich in der Redaktion des.Vorwärts" angefragt hat, bis wann am Abend Berichte eingeliefertwerden müßten, daß niemand im.Vorwärts" die Auskunft erteilthat, Berichte würden nur bis 11 Uhr abends aufgenommen unddaß eine solche Auskunft auch falsch gewesen wäre,da auch zu späterer Stunde noch Berichte für den»Vorwärts" aufgenommen werden.Das Gericht behält sich die Beschlußfassung vor.Hierauf wird dieZeugenvernehmungfortgesetzt.Der Dank an Veteranen.Arbeiter Kühl trägt die Kriegsdenkmünzen von 1870/71 aufder Brust. Er sagt: Ich habe in Moabit soviel abbekommen, daßich zeitlebens daran zu tragen habe. Ich fühle heute noch Schmerzen.Ich kam vom Bahnhof Beusselstraße. Auf dem Damm blieb icheinen Augeublick stehen. Da kam eine Reihe reitender Schutzleute,die eine Attacke auf das Publikum mackiten, welckics vom Bahnhofkam. Ich wurde zu Boden gestürzt. Als ich mich erheben wollte,bekam ich einen Stoß mit dem Säbclgriff. Dann wurde ich auch nochmit Füßen getreten. Ich habe mich nach der Unfallstation geschleppt,wo ich verbunden wurde. Am Ellbogen und an der Schulter binich verletzt. Die Schuller schmerzt mich heute noch. An den Ver-lctzzmgen habe ich 8 Tage krank gelegen.Techniker Lönge hat nicht gesehen, daß PolizeibeamteAusschreitungen begangen haben. Das wesentlichste was der Zeugebekundet ist das: In einem Automobil, welches die Polizeikettepassierte, stand ein Mann und schwenkte den Hut gegen die Menschen-menge. Möglich, daß er jemand in der Menge grüßte.Straßenbahn schaffner Graue hat am 28. Septemberfolgende Beobachtungen gemacht: An der Haltestelle Ecke Turm- undBeusselstraße standen Kriminalbeamte. Sie schlugen einen Herrnzu Boden, der eben aus dem Wagen gestiegen war. Als sichder Herr erhob, rief einer der Beamten:„Verfluchtes Aas,bist Du noch nicht weg". Dabei wurde der Herr nochmals mitFäusten geschlagen. An der nächsten Hallestelle stieg ein Herr ein,der von einem uniformierten Schutzmann von hinten geschlagen wurde.Als stcki der Herr umsah, rief ihm der Swutzmann zu:„VerfluchtesAas, ich hole Dich raus". Der Herr erzählte, er wollte eigentlichnach einer ganz anderen Richtung fahren, aber er habe sich inKleines feuilleron.Genie und Warenproduktion. Zu den beliebtesten Argumentender bürgerlichen Kritik der sozialistlschen Ideen gehört der Einwand,daß in der sozialistischen Gesellsckiast den Künstlern und damit derKunst die heute gegebenen Möglichkeiten und Antriebe der Entfaltungverloren gehen würden. Ein charakteristisches Beispiel der Einwirkungder angeblich unentbehrlichen bürgerlichen Produktionsweise auf daskünstlerische Schaffen findet sich in dem Werke Romain Rollandsüber Hektar B e r l i o z. Rolland erzählt: Als Berlioz' Frau einstschwer krank war, erwachte in ihm in einer Nacht plötzlich die Ideeeiner'Sinfonie. Er stand auf, um sie niederzuschreiben, aber da fielihm folgendes ein:„Wenn ich dieses Stück beginne, werde ich dieganze Sinfonie schreibe». Das ist eine bedeutende Arbeit, diemich drei oder vier Monate ganz in Anspruch nehmen wird. Ichwerde kein Feuilleton mehr ichreiben(Berlioz war damals Musik-kritiker und bezog dafür 1500 Fr. jährlich) und nichts mehr ver-dienen. Denn wenn die Sinkonie fertig sein wird, werde ich derVersuchung nicht widerstehen können, sie kopieren zu lasten(macht1000 bis 1200 Fr. Ausgaben), dann sie zur AtiMbrung zubringen. Ich werde ein Konzert geben, dessen Einnahme kaumdie Hälfte der Kosten decken wird, ich werde verlieren, wasich— nicht habe, werde nicht das für die arme Kranke Not-wendige haben, nichts mehr für meine persönlichen Ausgaben....Diese Gedanken machten mich schauern. Ich warf die Feder wegund sagte mir: Ach was, morgen werde ich die Sinfonie vergessenhaben. In der folgende» Nacht hörte ich das Allcgro vollkommenklar. Es schien mir, als ob ich es geschrieben sähe. Ich war fieber-Haft aufgeregt, sang das Thema und wollte schon aufstehen...Aber die Gedanken des Abends hielten mich zurück, ich bot der Ver-führung Trotz und klamnierle mich an die Hoffnung, zu vergessen.Endlich schlief ich ein und am nächsten Morgen, beim Erwachen, warjede Erinnerung in der Tat für immer verschwunden."— Kann esetwas Erschütternderes und Abscheulicheres geben, als diese einemGenie auferlegte bürgerlich-ökouomische Nützlichkeitsrcchnung?Musik.Die„Freie Volksbühne" hatte in früherer Zeit häufigOpernvorstellungen gegeben oder sich vielmehr solche von festenEnsembles geben lassen. Damit konnte sie freilich nicht so Pro-duktives leisten, wie sie es mit dem gesprochenen Drama getan.Denn erstens bedarf dies höherer Mittel, als ihr für gewöhnlich zurVerfügung stehen; zweitens waren nur minderwertige Ensentblesvorhanden; und drittens fehlten neue Werke. Mit der Zeit schliefdas Operninteresse der„Freien" ein. Nun erwacht es zu unsererFreude wieder, und die Aufführung der„Schönen Helena"von I. O f f e n b a ch, die Sonntagnachmittag im Thalia»Theater erfolgte, gab für weitere Versuche' gute Hoffnungen.Man hatte vor allem einem bewährten, geschinackvollen Manne dieRegie übertragen: F. W i t t e- W i l d. Dadurch konnte das Ensemble,diesen Wagen geflüchtet, weil die Schutzleute jeden schlugen, der ander Haltestelle stand und nicht in deu ersten ankommenden Wageneinstieg.A u g u st e B u ch lv a l d, die Frau eines Schutzmanns gibt inlebhaftem Redefluß eine sehr abfällige Charakterisierung des Straßen-Publikums. Die Menge— sagt die Zeugin— schimpfte furchtbarauf die Schutzleute.„Bluthunde",„Lausejungs",„Scharfrichter-knechte" wurde gerufen. Kinder rissen das Straßenpflaster auf. EinMann sagte zu ihnen:„Kinder, buddelt man tüchtig, das könnenwir heut abend brauchen." Wenn die Leute von Schutzleuten ver-trieben wurden, riefen sie:„Bluthunde, was habt Ihr uns zu sagen"und gingen nicht fort und schmissen nach den Schutzleuten mitSteinen. Leute, die von der Polizei vertrieben wurden, liefen indas Haus, wo ich wohne, Sickingenstr. 1. Einer sagte, inimer rein,daß mein Haus voll werde. Ich kam gerade mit einer Milchkannevom Kühstall. Als ich ins Haus wollte, drängten sie mich zurück undeiner sagte:„Du bist ja auch eine blaue Trine." Als ich oben in meinerWohnung war, riefen sie:„Komm mal runter, blaue Trine."Blumentöpfe und Flaschen sind runtergeschmissen worden, daß sogardie arnien Pferde der Schutzleute geschrien haben.— RechtsanwaltRosenfeld: Haben Sie Wasser vom Balkon gegossen?—Zeugin: Ich habe nur die Blumen begossen.— RechtsanwaltRosen feld: Gießen Sie immer im Stockdunkeln die Blumen?—Zeugin: Diesmal hatte ich nickt anders Zeit.— RechtsanwaltRosenfeld: Sie wußten, daß unten Menschen standen und habenWasser hinunter gegossen.— Zeugin: Unten riefen Sie BlutHunde, ich hielt gerade die Kanne über der Ballonbrüstung und da istWasser runtcrgcfallen. Ich war so erregt, wenn ich gekonnthätte, ich hätte noch mehr gemacht. Ich sagte damals:„Manmüßte kochendes Wasser auf die Leute runtergießen.— Vor-sitzender: Na. Sie haben also etwas mehr Wasser auf dieBlumen gegossen wie nötig ist.— Zeugin: Ja. warum schimpfendenn die Menschen auf die Schutzleute, die Schutzleute sind auchFamilienväter, sie müssen ihr Brot sauer verdienen.— Ferner sagtdie Zeugin, weil der Kaufmann Voigt aus die Schutzleute geschimpfthatte, habe sie ihn gefragt, ob er ihr noch etwas verkaufen würde.„Selbstverständlich", habe der Kaufmann gesagt und ihr verkauft,was sie haben ivollte. Auf die Frage, was Vogt geschiinpft habe,antwortet die Zeugin, er habe gesagt, die Schutzleute können machen,was sie wollen, und das Publikum wird geschlagen.Arbeiter K u f a l z hat auf dem Wege nach seiner Arbeitsstätte,der Turbinenfabrik, abends gegen 11 Uhr folgende Beobachtungengemacht: Eine von einem Polizeileutnant geführte Linie von Schutzleuten trieb eine Menge von 40—50 Personen vor sich her. DieMenschen liefen schnell davon. Wen die Schutzleute kriegen konnten,der wurde mit dem Säbel geschlagen, Männer und Frauen ohneUnterschied. Der Leutnant gab ein Zeichen durch einen Signalpfiff.Da hörten die Schutzleute auf mit Schlage» und steckten die Säbelein. Eine Frau, die ruhig an einem Hause stand, wurde von einemSchutzmann zur Seite geschleudert. Sie taumelte, suchte sich aber aufden Beinen zu halten. Da rief der Schutzmann„alte Sau" undgab ihr einen Stoß, daß sie zu Boden fiel. Ein Mannbekam einen Schlag, er sah sich erstannt um, da bekamer noch einen Schlag. Als der Zeuge an einer Straßcnbahnhaltestelle stand, sah er, daß an der Ecke, wo das Warenhaus Deutsch-land ist, Schutzleute stehen, die jeden Vorbeikommenden mit Fäuste»»ud Fußtritten bearbeiteten. Ein junger Mann, der aus diese Weiseverprügelt wurde, verlor den Hut. Ehe er ihn aufheben konnte,trampclte ein Schutzmann den Hut entzwei. An den Prügeleien be-teiligien sich uniformierte Schutzleute und Kriminalbeamte. In derNähe der prügelnden Beamten standen zwei Polizcioffiziere, siewandten ihre Blicke»ach der Stelle, wo die Leute geschlagen wurden,schritten aber nicht dagegen ein. Wenn die Offizieremerkten, daß sie von den an der Haltestellestehenden Personen beobachtet wurden, wandtensie ihre Blicke nach der Seite, wo nichts los war.Kaufmann Stellmacher gibt an, er sah am BahnhofCharlottenbiirg eines Abends gegen 0 Uhr einige Arbeiter mitHämmern. Sie sagten, wir fahren nach Moabit und schlagen de»Blauen die Köpfe ein. Die Arbeiter stiegen in denselben Zug wieder Zeuge, dieser stieg auf dem Bahnhof Beusselstraße aus, sah sichaber nicht um, ob die vermeintliche» Totschläger hier auch aus-stiegen oder weiterfuhren, lieber die Vorgänge auf der Straße sagtder Zeuge, wer sich anständig benahm, wurde von den Schutzleutenauch anständig behandelt. Wer ausrückte, der zeigte dadurch, daß erwas verbrochen hatte. Nur einmal hat der Zeuge gesehen, daßjeniand von einem Schutzmann geschlagen wurde.— Auf eine Fragedes Rechtsanwalts Cohn bemerkt der Zeuge, die Leute mit denHämmern sahen aus wie Handwerker, die von der Arbeit kamen,ihre Redensarten hielt der Zeuge nicht für ernst gemeint-das diesmal eigens für den Zweck zusammengestellt war(zum Teilaus dem genannten Theater), bereits zu einem guten Zusammenspieleingeübt werden; und wohl nur Kenner wissen, was das heißt. Amschwersten wohl war's, dem Graziösen. Sprudelnden und Wirbelndender Operette gerecht zu werden. Wenn dies in der ersten Hälfte desStückes weniger gelang als in der zweiten, so trug dazu vielleichtdazu eine Besorgnis bei, im„höheren Blödsinn" zu weit zu gehen.Allein es verträgt's noch und muß deshalb noch nicht unkünstlerischwerden.— Die Besetzung der Titelrolle durch eine gute Säugerin<M. Schmidt) und der komischen Hauptrolle durch einen Altmeisterder Darstellung des Verdrehten<E. Sondermann) soivie manchesonstige Leistungen trugen viel zur Befriedigung des Publikums bei.Ueber Wesen und Wert des Stückes unterrichtet gut die denBesuchern dargebotene Erläuterung. Nur könnte sie noch auf diemeistens recht oberflächliche Kompositionsart hinweisen, mit der diemelodiöse Anmut des Komponisten durchgeführt ist. Man vergleichedas auf die Dauer eintönige Duett zwischen Helena und Paris imzweiten Akt auch nur mit der reicheren Charakteristik seines Finalesoder weiterhin mit der durchschnittlichen Kompositionsarr einesI. Strauß in der Operette oder gar mit der eines Meyerbeer inder Oper l ez.Die Berliner BolkS-Oper wagt immer noch mehr.Am Sonnabend brachte sie das Werk, das vielleicht da« krassesteBeispiel der widernatürlichen und widerkünstlerischen„Großen Oper"ist:„R o b e r t d e r T e u f e l". von Meyerbeer komponirt aufauf einen von ihm, von Scribe und noch einem Franzosen initaller„Sorgfalt" zusammengestellten Text. Wie da für einen Effekt-zweck von höchster Unechtheit die raffiniertesten Mittel, aber auchsolche von höchster Echtheit, aufgeboten werden: das anzusehen und an-zuhören ist interessant genug, daß es den Ekel am Ganzen ertragen läßt.Nur muß das Werk auch sinngemäß— will sagen: unsinngemäßaufgeführt werden, als die„große", die„Ausstattungsoper", niit alldem ganz genau vorgeschriebenen Brimborium, mit dem vollen,mehrere Dutzend Gefolge mitschleppenden KönigSzug, mit den sichgruselig öffnenden Nonnengräbern und was eben all das Zeug ist,das einer kleineren Bühne nicht zur Verfügung steht. Eine Reduzierungtötet da sozusagen den Tod.Bleibt noch die Möglichkeit, gut zu singen I Das taten dennauch die meisten Mannen und Frauen. Der Koloratursopran vonRachel Frease-Green ist groß und schön, der jugendlich drama-tische von Irma Senberk erfreut schon setzt und' wird wohl beiweiterer EntWickelung noch zu größeren Hoffnungen berechtigen.ez.Humor und Satire.Die Begnadigung.Vorgesetzter? Knopf am Kragen?Nieder mit der Disziplin IKein Pardon I Und zugeschlagen IAlter Herr wohnt in Berlin.Bierabzieher Weiß stieg aus der Straßenbahn. Dakam eine Schutzmannskette vorüber und trieb das an der Haltestellestehende Publikum zum Weitergehen an. Ich bekam— sagt derZeuge— von hinten einen Stoß. Die Mütze fiel mir vom Kopfe.Als ich mich bückte, um sie aufzuheben, bekam ich einenStoß i» das Gesäß. Dadurch fiel ein Paket, welchesich in der Hand hatte, auf die Erde. Als ich mich danach bückte, be-kam ich wieder einen Stoß. Jcy drehte m<ch um undsagte zu den Schutzleuten:„Meine Herren, ich will ja nachHause gehen, lasten Sie mich doch ruhig gehen." In diesem Augen-blick sprang ein Schutzmann auf mich zu, rief: Du Strolch,Dir werde ich laufen lehren" und versetzte mir einen scharfen Säbel-hieb über den Kopf. Ich brach besininingSlos zusammen. Als ichwieder erwacht war, brachte inich ein Droschkenkutscher nach derUnfallstation. Ich hatte eine 8 Zentimeter lange Kopfivunde. DerArzt entfernte ein Stück Knochen aus der Wunde. Als ich mit ver-bundenem Kopf von der Unfallstation nach Haufe ging und aneinigen Schutzleuten vorbeikam, rief mir ein Schutzmann nach:„Na,Du Schweinekerl, hast wohl ordentlich was abgekriegt." Drei Wochenbin ich ärztlich behandelt worden und habe infolge der Ver-letzung jetzt noch Kopfschmerzen.— Der Zeuge zeigt seine Mützevor, die er bei der Säbclei auf dem Kopf halte und sagt:„Wennich die Mütze nicht aufgehabt hätte, wäre ich wohl totgeschlagenworden".— Wie der Augenschein zeigt, ist ein Stahlreifen imoberen Rande der Mütze von dem Säbelhieb glatt durchschlagen.Kaufmann Niel sagt, er sei am 26. in der Erasmus«straße von Leuten umringt worden, die er für Kohlenarbeiter hielt.Die Leute behaupteten, der Zeuge sei Kriminalbeamter. Er habedas bestritten, da sei ein Mann von hünenhafter Gestalt an ihnherangetreten und habe des Zeugen Hände besehen, um danach zubeurteilen, ob er Kriminalbeamter sei. Der Zeuge habe sich legitimiert,dann habe man ihn gehen lassen mit der Bemerkung, ivenn erKriminalbeamter wäre, dann würde er massakriert worden sein.Robert Unverzagt, der Bruder eines schon früher ver»nommene» Zeugen gleichen Namens. Er stand an der Ecke derHutten- und Waldstraße und wartete aus seinen Bruder, der in eineBedürfnisanstalt getreten wor. Da faßte mich— sagt der Zeuge—ein Schutzmann von hinten und sagte:„Du Strolch, willst Dumachen, daß Du fortkommst." Ich entgegnete, daß ich auf meinenBruder warte. Da zog der Schutzmaim den Säbel halb aus derScheide, steckte ihn aber wieder ein und schlug mich uiit der Faustin den Rücken. Ich stieg auf die Straßenbahn. Da sah ich einenjungen Mann, dem ein Schutzmann zurief:„Du Strolch, kannst Dunicht schneller gehen." An jeder Haltestelle der Straßenbahn standen15 bis 20 Kriminalbeamte. Ein junger Mann, der an einer solchenGruppe vorbeigehen wollte, wurde geschlagen. Er rannte auf dieandere Seite der Straße. Da empfingen ihn andere Beamte mitPrügel».— In einem anderen Falle wurden einige Straßen-Passanten von einer Anzahl von Schutzleuten andere» Schutzleutenzugetrieben nnd von diesen verhauen. Diese Passanten be-sanden sich zwischen zwei Schutzmannsketten und hatte» keineMöglichkeit zu entweichen. Fürchterlich wurden die Leute geschlagen.Bei einer anderen Gelegenheit sah der Zeuge, daß Leute, die aneiner Gruppe von Kriminalbeamten ruhig vorübergingen, von diesenangeredet ivurden:„Du Strolch, kannst D» nicht machen, daß Dufortkommst". Dabei teilten die Kriminalbeamten Schläge mit Stöckenaus. die sich stark bogen. Uniformierte Schntzleute standen in nächsterNähe und sahen die Prügelei ruhig mit an.— Wieder bei eineranderen Gelegenheit sah der Zeuge Männer, die in der Menge aufdie Polizei schimpften. Der Zeuge meint, diese Männer müssenKriminalbeamtegewesen sein, denn während die Menge von den uniformierten Schutz-leuten vertrieben wurde, blieben diese Männer unbehelligt stehen.Gegenüberstellung mit Polizeihauptmann v. Hceringen.Polizeihauptmann v. Heeringen von der Char-lottenburaer Polizei ist auf Veranlassung der Staatsanwaltschafttelephonisch geladen, um dem Zeugen Kui'atz gegenübergestelltzu werden. Dieser erkennt in dem Hauptmann v. Heeringeneinen der beiden Polizeiosfiziere, welche nach Angabe des ZeugenKusatz aus einer Entfernung von 70 Schritt die Prügelei amWarenhause Deutschland mit ansahen.— PolizeihauptmannV. H e e r in g e n erinnert sich nicht, etwas Derartiges gesehe» zu haben.— Rechtsanwalt Heine: Herr Kusatz, erzählen Sie doch denVorgang nochmal. Vielleicht erwacht dann die Erinnerung.— ZeugeKusatz erzählt nochmal ausführlich, was er von der Haltestelle ausbeobachtet hat: daß jeder, der an den Schutzleuten beim WarenhauseDeutschland vorbeikam, mit Fäusten geschlagen und mit Füßen ge»stoßen wurde und ein junger Mann, der auf die andere Straßenseiterannte, dort nochmal von Beamten verhauen wurde und daßOhne kleinen BudenzauberWär' dies Leben gar so schwerFlattert nicht ein weißer Tauber—Mit dem Oelzweig zu uns her,?Wir Borussen, Deutschlands Blüte,(Weiß die Unschuld, schwarz der Mohr)Sonnen uns in Seiner Güte,Teils als Volk und teils als Korp».Ins Gefängnis wir? Kein SchimmerlUnser Band bleibt unbefleckt,Auf der Festung Frauenzinrmer,Männerskat und deutscher Sekt lArmes Korps der Moabiter,Hörst du das Boruslenlied,Das zum sanften Klang der ZitherVon Berlin durch Deutschland zieht?Ist das gleiche Recht für alleDoch bei unS kein leerer Wahn,Darum wird im selben FalleStets das selbige getan.Kommt die Gnade Dir entgegen,Wandelt sie in Lust Dein Weh,O. so danke den Kollegen,Ten Kollegen von S. 0. 1(E. Steiger im„SirnPlicissimuS".)Notizen.— I m Wiener Volkstheater errang Karl Schön-h e r r S neues Drama„Glaube und Heimat", das in derZeit der Gegenreformation in Oesterreich spielt und mit einem Siegeder Toleranz endet, einen außerordentlichen Erfolg.— Wieder ein Kulturfortschritt in Preußen.Daß Preußen ein rückständiges Land sei. ist bekanntlich weiter nichtsals eine böswillige Erfindung von Ausländern, die das Land leiderselber nicht kennen, und deniagogischer Aufwiegler. Unmerklich, so-zusagen unter der Hand, vollziehen sich in diesem verschrienenKulturstaate Reformen(ja man möchte beinahe sagen: Revolutionen,wenn mit dem Worte nicht bereits anderweitig Mißbrauch getriebenwürde), die in anderen Ländern mit lautem Tamtam und Massengebrüllgefeiert würden. Aber in Preußen liebt man das großsprecherische,lärmende Wesen nicht. Man arbeitet und schreitet fort. Pflichtbewußtund ohne Popularitätshaschcrei. Ist doch eben erst wieder eine ganzbedentende Verbesserung im inneren Staatsgetriebe eingeführtworden: der Tinlenstift ist für justizfähig erklärt'worden. Von nunan kann er, der lang verkannte, bei den Justizbehörden für aller«Hand, natürlich gehörig begrenzte Fälle amtlich verwendet werden.—Natürlich wird, wie so vieles andere, auch dieser bedeutsame Fort-schritt von einer übelwollenden Presse totgeschwiegen werden.