«nISssen in seiner OSerflen-Uniform zu erscheinen. besonders wenn er den Reichstag beim Kaiser zu repräsentieren hatte. Bekannt ist, dast dieser Präsident der souveränen Volksvertretung einst in einein Schreiben an den Kaiser die Formel gebrauchte:.In Ehrfurcht ersterbe ich." Doch zeigte sich Graf Ballestrem in der Leitung der ReichstagSgeschäfte oft recht gewandt und wußte den Reichstag durch seinen schlagfertigen Witz über manche gespannte Situation hinwegzuhelfen. Auch läßt sich ihm ein gelvisseS RechtSgefiihl und Energie in der Wahrung der Rechte des vtetchötageS nicht absprechen. Der ReichStagSpräsident Graf S ch w e r i n- L ö w i tz hat an die Gräfin Ballestrem folgendes Beileidstelegramm gesandt: .Tief erschüttert durch die soeben erhaltene Nachricht von dem Heimgang Sr. Exellenz, Jhreö von mir so hochverehrten Herrn Gemahls, sende ich Eurer Exellenz, zugleich im Namen des Deutschen Reichstages, den Ausdruck allerherzlichster Anteilnahme. Mit dem gesamten deutschen Volk wird der Deutsche Reichstag seinem langjährigen allverehrten und hochverdienten Präsidenten in unvergänglicher Dankbarkeit ein treues und ehrenvolles An- denken bewahren." Die deutsche sozialdemokratische Parteiprcsse hatte am Schluß des Rechnungsjahres löl» im ganzen 1 160 016 Abonnenten, die sich auf 78 Blätter verteilten.(Die Gewerkschafts- presse bleibt hier außer Betracht.) Da nach dem offiziellen Bericht vom Jahre 1904 die damalige Abonnentenziffer 099 880 betrug, so haben die politischen Blätter der Partei binnen sechs Jahren ihre Leserzahl verdoppelt. Das ist ein guter Erfolg, der um so hoher zu bewerten ist, als er zeigt, daß die politische Presse der Sozialdemokratie auch im Verhältnis zur Anhängerschaft der Partei eine intensive Verbreitung gefunden hat. DaS mag als eine ganz natürliche EntWickelung erscheinen, ist aber doch nicht so selbstverständlich, wie es aussieht; denn es machte sich in dieser Hinsicht Jahrzehnte hindurch eine beachtenswerte Gesetzmäßigkeit geltend. Die ersten authentischen Mitteilungen über die Auflage der sozialdemokratischen Presie stammen aus den Jahren 1376 und 1877. Auf dem Kongreß zu Gotha 1876 teilte Auer mit, daß die 23 politischen Parteiorgane und daS Unterhaltungsblatt„Die Neue Welt" zusammen 100 000 Abonnenten zählten; ein Jahr darauf, im Mai 1877, hatte die Partciprcsie, die auf 41 Zeitungen angewachsen war, nach der offiziellen Meldung, die dem Kongreß erstattet wurde, ohne„Die Neue Welt" über 100 060 Abonnenten. Da bei den NeichstagSwahlen im Januar desselben Jahres 493 000 sozialdemokratische Stimmen abgegeben wurden, so kamen un- gefähr auf 5 Wähler ein Abonnent. Dies Verhältnis änderte sich auch später nicht wesentlich. Die Zeit des Ausnahmezustandes läßt zwar keine Vergleiche zu, aber nach dem Fall des Sozialisten- gesetzes konnte Bebel im Oktober 1890 auf dem Parteitag zu Halle verkünden, daß die 60 politischen Blätter, die damals erschienen, 254100 Abonnenten hatten. Da bei den NeichstagSwahlen, die im Februar 1800 stattfanden. 1 427 000 sozialdemokratische Stimmen abgegeben wurden, so kamen 5,6 Wähler auf einen Abonnenten. Vierzehn Jahre später hatte die auf 72 Blätter an- gewachsene Partcipresse, wie schon erwähnt, 599 880 Abonnenten. Legt man dieser Zahl die Zahl von 3010 777 Wählern zugrunde, die bei den Reichstagswahlen von 1903 sozialdemokratisch stimmten, so entfallen wiederum, wie im Jahre 1877 bereits, K Wähler auf einen Abonnenten der Parteipresse. Da seit den� letzten NeichstagSwahlen an vier Jahre verflossen sind, und erst im Jahre 1911 wieder Wahlen stattfinden, so lassen sich für die Gegenwart nicht gut Vergleichszahlen anführen. Aber an- genommen, daß zurzeit selbst 4 Millionen sozialdemokraiischc Wähler im Reichs vorhanden find, so hätte sich jetzt das Verhältnis der Wähler zu den Abonnenten auf 4 zu 1 verändert. DaS ist ein ganz beträchtlicher Erfolg, der nicht zum wenigsten den großen redaktionellen und technischen Verbesserungen der Parteipresse zu- geschrieben werden muß und der gewiß die organisierte Arbeiter- schaft anspornen wird, energisch in ihrer Agitationstätigkeit für ihre Presse fortzufahren. Die Bremer PolizcikrawaNe. Die Voruntersuchung ist setzt im wesentlichen abgeschlossen. Die Anklageschrift ist den Beschuldigten zugegangen. Beschuldigt sind 17 Personen, von denen zwölf nn Alier von fünfzehn bi« achtzehn Jahren stehen. Die Anklagen lauten ans Beleidigung der Beamten, Beschädigung von Gegenstäudin, die zum öffentlichen Nutzen dienen. Landfriedensbruch und Aufruhr. Bier der jugendlichen„Misse- täter" befinden sich seit über zwei Monaten in Untersuchungshaft. Oelterrdch. Die Folgen eines HerrrnhauSbefchlusses. In anerkennenswerter Weife wird das arbeitende Volk von den Behörden auf die Bedeutung des arbeiterfeindlichen Treibens der Herrenhäusler gegen das Verbot der Nachtarbeit der Frauen in den Fabriken aufmerksam gemacht. Die Wiener Staatsanwalt- schaft, die fett Jahr und Tag die gemeinsten Verleumdungen gegen das Abgeordnetenhaus in der deutschnationalcn Reptilienprcssc duldet, hat die„Arbeiterzeitung" wegen ihrer Kennzeichnung diese? HerrenhäuslerstreichS konfisziert. Am Tage darauf, am Donnerstag, konfiszierte man sie abermals wegen der Be- fprechuiijj der Konfiskation vom Vortage und einigen weiteren dazugehörigen Bemerkungen über daS Herrenhaus. Auch die tschechischen Parteiblätter in Brünn und Prag verfielen den offenbar von Wien „belehrten" Staatsanwälten. Die„Arbeiter» zcitung" kündigt bereits an, daß sich unsere Genossen diesmal nicht mit der üblichen Immunisierung deS konfiszierten Artikels durch eine Interpellation begnügen werden, sondern daß über diese Sistierung der Prcßfreihcit im Parlament gesprochen werden wird. Dabei wird auch etwa? für die Sozialpolitik des Herrenhauses, der Regierung— und wenn nötig, der Parteien des Abge- ordnetenhauscs abfallen. Lelgien. Sabotage eines Arbciterschuhgesetzcs. Unser Brüsseler Korrespondent meldet: Der belgische Grubenkapitalismus zittert um das Privileg seiner schrankenlosen Ausbeutung. Vom 1. Januar 1311 tritt das Bergarbeiter gesetz über den Neun stundentag in Kraft und schon sind die Herren am Werke, mit der Anrufung und Ausnutzung der im Gesetz vorgesehenen„Ausnahmen" den Bissen sozialpolitischen Fortschritt zu verkleinern oder ganz weg- -zuschnappen. Urberflüssig zu sagen, daß sie an der klerikalen Regierung einen willigen Helfer finden. Die Grubenbarone haben ihre Eingaben— gleich 89 an der Zahl— an den Industrie- und ArbeitSrat gemacht, dessen Vorsitzender der Präsident der Kammer ist und dessen Mehrheit natürlich Kapitalistcnvertreter sind. Inder Kammer brachten V a n d e r v e l d e und die sozio- listischen Dergarbcitervcrtretcc die Sache zur Sprache. Die Grubenbarone haben nämlich ein Jahr, das ihnen als UebergangS- frist eingeräumt war, müßig verstreichen lassen, ohne die notwcn- digen technischen Maßnahmen für die Wirksammachung deS Neun- stundengcsetzes vorzubereiten. Zudem haben sie ihre Eingaben an den Jndustrierat um Aufhebung der neuen gesetzlichen Bestim- mungen bis zum Jahre 1314 im letzten Augenblick gemacht, so daß eine ernstere Prüfung unmöglich wurde. Der von Vandcrvclde und den Bergarbeitervertretern eingebrachte Antrag bezweckte, mit Rücksicht auf die letztere Tatsache, daS Ansuchen der Gruvenunternehmer abzulehnen. Der Arbeits- minister Hubert verschanzte sich hinter allerlei Ausreden, daß noch nichts entschieden, die Sache noch nicht spruchreif sei usw. Aber nichts ist ausgemachter, als daß der klerikale Minister die Grubenbarone so wenig rauh anfassen wird wie der Jndustrierat und daß die Regierung der von den Unternehmern begehrten Sabotage an dem Neunstundengcsetz, um ein zeitgemäßes Wort an- zuwenden, keine Schwierigkeiten machen wird. So wurde denn auch der Antrag der Regierung— Ablehnung des Vanderveldc- schen— mit 81 gegen 57 Stimmen angenommen. Womit die„Sozialpolitik" auf der Rechten und auf der Linken wieder einmal triumphierte.... Rußtatid. Zensur und Druckereien iu Finnland . Die obere Zensurbehörde— eine verfassungswidrige Jnstitu- tivn der russischen Reaktion— erhebt Klage gegen 140 Drucke- r c i c n wegen Außerachtlassung einer verfassungswidrigen Vor- fchrift dieser Zensurbehörde betreffend Einsendung von Beleg. cxemplarcn aller Druckerzeugnisse an diese UcberwachungSanstalt. Kulgamti. Eine große Arbeiterkundgebung. Sofia , 20. Dezember. (Etg. Bcr.) Bei der großen De- monstration, über die wir schon kurz berichtet, hielt Genosse S a k a s s o r eine Ansprache an die Versammelten, Angehörige aller Berufe. Nach der Rede begaben sich 28 Arbeiterdelegierte inS Parlament, um dem Mnisterpräsidentcn und Präsidenten der Kammer ein mit 16 000 Unterschriften bedecktes Schriftstück zu überreichen, in dem Protest gegen die Vernachlässigung der sozialen Gesetzgebung erhoben wurde. Htos der parte!* Die Bestattung deS Genossen Fritz Steinfatt, des.Landvogt", wie er von seinen alten Mitkämpen aus sozialisten- gesetzlicher Zeit genannt würde, fand am Freitag im Krematorium zu Hamburg-Ohlsdorf statt. Sie alle hatten sich eingefunden, die mit ihm im Heroenzeitalter der Sozialdemokratie im sogenannten nördlichen Belagerungsgebiet in erster Reihe gestanden und ihre Haut zu Markte getragen haben, im Dienste deS Proletariats er- graute Kämpen, die so oft unter Führung ihres„Landvogts" der Polizei ein Schnippchen schlugen, wenn es galt, die„auf Grund deS Sozialistengesetzes " verbotene geistige Kost auf dem Seewege oder sonstwie ins„Belagerungsgebiet" ein- zuschmuggeln und unter der arbeitenden Bevölkerung zu verbreiten. Ein Sohn des arbeitenden Volkes, hat unser„Landvogt" ein Wechsel- reiches Leben geführt; er war zunächst Gärtner, dann Kranken- Wärter, Aufseher bei einer Hamburger Staatsbehörde, Gastwirt, Stukkateur, nach seiner Ausweisung Zigarrenmacher und dann Jour- nalist. Er war einer von den Unbeugsamen, der überall den Kampf umS Dasein wie mit den behördlichen Gewalten mit gleicher Energie führte. In den beiden letzten Jahrzehnten war er namentlich im 6. schleswig« holsteinischen ReichstagSwahlkreise(Ottensen- Pinne- berg) agitatorisch und organisatorisch tätig, er rief auf noch wenig beackertem Boden Organisationen ins Leben, die in wenigen Jahren zu hoher Blüte gelangten. In der Kapelle hielt Genosse Frohme dem wackeren Kämpen einen tief- empfundenen Nackiruf, die jüngeren Genossen auffordernd, dem Ver- storbenen nachzueifern, in seinem Geiste zu wirken, auch wenn mal wieder ein schärferer Wind wehen sollte. Die Verwirklichung der welterlösenden Idee deS SozaliSmuS erfordere ganze Männer, deren «iner unser„Fritz" war. Dann senkte sich langsam unter Harmonium- spiel der reichbckränzte Sarg in die Gluten. Gozialbcmokratische Kolonialschwllrmer. Was in einer sozialdemokratischen Zeitung alles möglich ist, lehrt uns unser Mannheimer Parteiblatt. In der Freitag- nummer der„Volksstimme" lesen wir folgenden Erguß: „Der zweite Lichtbildervortrag des Herrn Amtsrichter Dr. Kornmayer über unsere Schutzgebiete in der Südsee war wieder außerordentlich gut besucht, ein erfreuliches Zeichen für das große Interesse unserer Be- völkerung an den Kolonien. Der Verein für Volksbildung und die Abteilung der Deutschen Ko l o nia l g e s e l l scha ft können auf einen bollen Erfolg zurückblicken; keiner der zehn Vorträge lvar von weniger, als 1000 Personen besucht. Alle Redner haben es aber auch mei st erhaft verstanden, ans der Fülle ihrer Bcobachtun- gen und Erlebnisse das Eharakteristischsto und Interessanteste herauszugreifen und in populär-wissenschaftlichsr Weife vorzu- tragen, wodurch der immer stärker werdende Besuch erklärlich wirb. Jedenfalls haben die genannten Vereinigungen durch Veranstaltung dieseS Zyklus unserer Bevölkerung e i n c n w e r t- vollen Dienst erwiesen und besonders die Herren Redner den herzlichsten Dank verdient, was der stürmische Beifall jedesmal bewies." Es folgt nun eine Inhaltsangabe der Ausführungen des Dr. K o r n m a y e r, für dessen tiefgründig« ethnologische Studien nur ein Satz als Beweis dienen mag. lieber die Eingeborenen heißt es in her Notiz:„Abergläubisch sind sie überhaupt furchtbar; die einen glauben an böse, die andern nur an gute Geister; an einen Gott alle miteinander nicht". Scheußliche Kerle l Zum Schluß der Notiz heißt es dann mit poetischem Schwung: „Leüder haben wir nur zwei Inseln dieser Grupp�; die meisten hat Amerika . Mit einem hoffnungsvollen Ausblick über die dereinstig« sichere Ren- tabilität dieser Südsee-Besitzungen, deren HauptauSfuhr jetzt in Kokosnüssen und Kakao besteht, schloß die hochinteressante Vor- tragSreihc wirkungsvoll ab. Nochmals herzlichen Dank allen Mitwirkenden l" Der Mannheimer Volksstimme" unser aufrichtiges Beileid! Aus der Partei auSgrschlosseu. Wegen fortgesetzter Slänkerei innerhalb der Partei wurde der Friseur Rebele in Augsburg auf Antrag des dortigen sozial« demokratischen Verein» durch den Ganvorstand der sozialdemo- krntischen Partei SüdbahernS ausgeschlossen� Rebele hat im Verein mit dem nach Südamerika ausgewanderten Werkmeister Greifen- berg den Parleifriedcn in Augsburg seit Jahren in unvcrantwort- lichster Weise gestört und insbesondere den LandtagSabgeordnetrn Genossen Rollwagen in der gehässigsten Weise bekämpft und verleumdet. � Vor Gericht gestellt, konnte er auch nicht de» Schatten eines Beweises für dis von ihm aufgestellten Behauptungen er- bringen._ pollzerHchco, Gcnchtllchce ub». DaS Muster eines Staatsanwalts. Das Landgericht Stendal verurteilte als Beruflingsinsianz den Genossen Haupt» Magdeburg z» einer Geldstrafe von 500 M. wegen Beleidigung des Rittergutsbesitzers Rrick in Gr.-Wudicke (Kreis Jerichow ). Haupt hatte in einer BcrsainmlungSrede Kritik daran geübt, daß der RitiergutSbesitzer angeblich Ve, Strafe der Entlassung seinen Leuten den Besuch der Versammlung verboten batte. Der Staatsanwalt hatte drei Monate Gefängnis beantragt. In seinem Plaidoyer führte er u. a. aus: ES wundere ihn sehr, daß der Angeklagte daS angebliche Vorgehen des Ritter« gntSbejitzer» als TerroriSmuS bezeichnet habe. Selbst wenn man annehme, was aber nicht der Fall fei, daß da» Verbot ergangen wäre, so sei d it sei Terrorismus e in Kinderspiel gegen den Terrorismus, den des Angeklagten Partei erwiesenermaßen auSübel Der Verteidiger, Rechtsanwalt Heine» Berlin , wies diese bcweislose Behauptung mit energischen Worten zurück. Von dem zum Himmel schreienden TerroriSmuS, den die Agrarier alle Tage ausüben, scheint die Stendaler Staatsanwaltschast offenbar noch nichts gehört zu habem_ Soziales* Tie Herrschaft deS Junkertums in der Fcldardcitcrgeutraft. Diese rein agrarische Gründung, die dem Zweck dient, den„nationalen" Junkern billige und willige ausländisckie Arbeitssklaven zuzutreiben, war zunächst rein privater Natur. Das preußische Ministerium des Innern hat aber bekanntlich, unter Verletzung bestehender internationaler Verträge, die ZwangslcgitimationSkartcn für ausländische Arbeitskräfte eingeführt. Die von den Arbeitern für diese Karten beige- triebenen Beträge fließen in die Kasse der Feldarbcitcr» zentrale. Lösen die Arbeiter die Legitimationskärtcn nicht, so werden sie in unseren Junkcrstaat nicht hineingelassen oder sie werden durch die Polizei wieder ausgewiesen. Die Ministerialverordnung garantiert also der agrarischen Ver- mittelungsstelle eine Einnahme, die von den Aermsten der Armen abgepreßt wird. Auch ausländische Industriearbeiter werden zu dem Veitrag an das Junkertum gezwungen. Nicht genug dainit: Auch die Gebühr, die die Zentrale von den Agrariern bei der Ueberweisung von Arbeitskräften erhebt, wird dann wiederum nach den üblichen, von der Feldarbcitcr- zentrale und Landwirtschaftskammern entworfenen, den Arbeitern aufgenötigten Verträgen in vielen Fällen von deren kärglichen Lohn in Abzug gebracht. Dieser moderne Sklovenmarkt wird also lediglich aus abgenötigten Geldern der ärmsten und gedrücktesten ausländischen Arbeiterschichtcn unterhalten. Aus den Legitimationskarten allein hat die Feldarbeiterzentrale eine jährliche Einnahme von 2 Mil- lionen Mark. Der Verbrauch dieser Gelder erfolgt nmi ganz sinngemäß. Uns sind eine Anzahl von Fällen der Unterschlagung oder Vestechuug bekannt gegeben. Ein Teil der Fälle ist leitenden Stellen mitgeteilt worden, ohne daß gegen die Schuldigen etwas veranlaßt ist. Sittliche Verfehlungen und Unter- schlagungen sind keine Hindernisse für das Aufrücken oder das Verbleiben in verantwortlichen Stellungen der Feld- arbeiterzentrale, selbst dann nicht, wenn leitenden Personen unter Angebot von Beweisen Ken-ntnis davon gegeben ist. Günstlings- und Schmarotzerwirtschaft ist an der TugeSord« nung. Die Berliner Geschäftsstelle beschäftigt etwa 200 An- gestellte. Die Bezahlung und Behandlung eines großen Teils derselben, unter denen sich ehemalige Offiziere und Angehörige des hochfcudalcn Adels befinden, spottet scdcr Beschreibung. Gereifte Herren, die durch die vorteilhaftesten! Versprechungen zum Teil aus dein. Ausland, zum Teil aus gefestigten Stellungen herausgeholt worden sind, niiissen sich monate-, ja jahrelang mit Tagesdiäten von 3 bis 4 M. begnügen und haben Aussicht, jeden Tag aufs Pflaster zu fliegen. Akkordarbeit wird so miserabel bezahlt, daß ge- wandte Arbeiter zwölf und mehr Stunden täglich arbeiten müssen, um einen zur Fristung des Daseins nötigen Ver- dienst zu erlangen. Von den etwa 200 Berliner Aligestelltcil sind gegen 80 zum 1. Januar gekündigt. Darunter sind nach Ansicht der Angestellten olle diejenigen, die gegen die Herr« schcnde Mißwirtschaft Front gemacht haben. Die enge Verbindung der �cldarbeiterzentrale mit dein Ministeriuni des Innern ergibt auch die Fassung des formularmäßigen Mahnschreibens, das von der Feldarveiter- zentrale an ihre Mitglieder versandt wird. In diesem wird zum Ausdruck gebracht, daß die Zentrale dem Ministerium verantwortlich ist. Vom Berliner Polizeipräsidium ist ein Polizeirat in eine leitende Stellung bei der Zentrale be- urlaubt. Das Ministerium wie auch das Berliner Polizeiprä- sidium hätten daher allen Anlaß, sich um die angedeuteten Vru-Hältnisse zu kümmern, dies um so mehr, als das Polizei» Präsidium nicht mehr gang uninformiert sein soll. Oder wollen diese Instanzen warten, bis wir mit ins einzelne gehendem Material aufwarten? Auch dem NcichSverband zur Bekämpfung der Sozial- demokratie empfehlen wir, sich der Sack>e anzunehmen. Er würde sich ei» Verdienst erwerben durch Aufdeckung von tat- sächlichen Mißständen in einer unter der Herr'�aft des Junkertums stehenden Institution. Jedenfalls würde er bei dieser einen Institution weit mehr wirkliche Mißstände feststellen können, als sie bei allen Ortskrankeickassen zu- saminouigeiwnimen selbst nach der neuesten Sudelschrift des Reichsvcrbandes bestehen oder bestanden haben sollen. Schabenetsaicansprüche gegen die Provinz bei Glatteis. Der Bureaugehilfe A. in Sulzbach machte gegen den Pro« vinzialverband der Rheinprovinz Ansprüche aus einem Unfall gel- tend, den er in der Nacht vom 27. zum 28. Januar 190? auf dem Rückwege von Dudweiler nach Snlzbach auf der Provinztatstraße erlitte» hat. Er ist daselbst auf einer Etsslciche ausgeglitten, die sich auf dem Bankette der Straße in einer für den Abfluß der Tage« Wässer bestimmten Vertiefung gebildet hatte. Für die aus dem Unfall resultierenden Verletzungen der rechten Brusthälft«, Quetschungen der Wirbelsäule mit Beschädigung des Rückenmarks sucht ,B. den Pcovinzialverband der Rheinprovinz im Klagewegc haftpflichtig zu machen. Da» Landgericht und Obrrlandcdgerlcht Köln haben den Kläger abgewiesen. Da» ObsrlandcSgcricht erklärt zunächst, daß die im Bankett befindlichen Senkungen für den Wasserabfluß kein« mangelhafte Anlage �darstellen. Die Streu- Pflicht der Rheinprovinz verneint cS unter Hinweis auf die Ueber, tvagung der Unterhaltungspflicht der fraglichen Wcgestrecke von der Proding auf die Gemeinde Dudweiler . DaS Reichsgericht hat daS Urteil deS OberlandeSgerichtS Köln anfgchobcn und die Sacke zur Prüfung über die Höhe des Ver- schul den s des beklagten Verbandes an das Oberlandcsgericht zu- rückverlviesen. Di« Entscheidungsgründe legen dar:„Allerdings hat der Vorderrichter den ersten Vorwurf, den der Kläger dcyi ,Ac- klagten macht, daß schon die Anlage des Banketts der Provinzial- straße wegen der den Verkehr gefährdenden, dem Abflüsse des WasserS dieneirden Senkungen feylerhaft sei, ohne RechtSvcrstoß zurückgewiesen, indem«r auf Grund der VeweiSaufnahme feststellt, daß die Senkung an der Unfallstelle nicht so erheblich k-" daß man sie ckis gefährlich erachten könnte. Tatbestandswidrig ist aber die Annahm« des Berufungsgerichts, auf Grund deren dieses eine UnterhaltunaS- und Streupflicht dcS Beklagten hinsichtlich der hier fraglichen Wegestrecke verneint, daß nmulich nach dein orstinstanz- lichen Vorbringen beider Parteien die Pflicht zur Unterhaltung desjenigen Teiles der Provinzialstraße, auf dem sich der Unfall er. eignet hat, von der Provinz auf die Gemeinde Dudiveiler gemäß § 18 Absatz 3 des DotationSgcsctzcS vom S. Juli 1S75 übertragen sei. Nach dem erstinstanzlichen Tatbestand ist dies von keiner Partei behauptet worden. Nicht der Beklagte, sondern der Kläger hat sich auf den zwischen der Provinz und den Gemeinde gemäß tz 18 Ab» atz 3 geschlossenen Vertrag berufen und dargelegt, daß auS der lebertragung der Unterhaltung einer anderen Wcgestrecke von der Provinz auf die Gemeinde die Anerkennung der Reinigungöpflickst der Provinz hinsichtlich der hier fraglichen Wegefirecke zu folgern sei. Der Beklagte hat darauf nur erwidert, durch diesen Vertrag werde die Reinigungspflicht der Gemeinde nicht berührt, er hat also nur den von dem Kläger aus dem Vertrage gezogenen Schluß bekämpft.
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