Wendungen von Dienstherren an Angestellte. Arbeiter und Dienst-boten Ms auf 2000 Frank sind ebenfalls von der Steuer befreit.der Begriindimg der vorgeschlagene» Erhöhung der Erb-•fchafissteuer wird ausgeführt, daß es weder in der Macht noch imWesen noch im Verfassungsrechte unseres StaatsiveseilS liegt, dieHaupteinnahmeposten der Staatskasse d u r ch indirekte Steuernau beschaffen, und das} bei der Erbschaslssteuer die Leistung desSteuerertrages leichter erfolgt, als bei der direkten Steuer, denn derErbe bezahlt die Steuer von einem Vermögen, dos er ohne eigeneArbeit erworben hat. Ueber solche.sozialistische Theorien" der aus-schlichlich bürgerlich zusammengesetzten Schaffhauser Regierung wirdsich die.Deutsche TageSztg." entsetzen, denn da muh ja der.Familiensinn" vollständig zerstört werden. Diese schauerlicheWirkung befürchten jedoch die Schaffhauser von ihrer höheren Erb-schaflssteuer nicht und sie setzen sie daher schleunigst schon mit dem1. Januar lgll in Mast.DaS Verhängnis der Fannlienzerstörung und der Vermögens-konfislation nimmt also im Kanton Schaffhauscn unaushaltsamseinen Lauf.O wildeS Land lfranhreicb.Die Aktion für Durand.PariS, L9. Dezember. sEig. Ber.) Das Justizverbrechen. dasan D/Sand begangen worden ist, beginnt nun auch Angehörige derbürgerlichen Klassen zu beunruhigen. Die Verwerfung seiner Nichtig-keltSbeschwerde durch den Kassationshof hat dem Gnadengesuch, dasber radikalsozialistische Deputierte Meunier ausgearbeitet hat.rasch 150 Unterschriften von Deputierten aller Parteien verschafft.Wie Meunier in einer Nachschrift zu einer heute vom„Maiin" alsLeitarrikel veröffentlichten klaren und überzeugenden Darlegung derRechtswidrigkeit des Urteils bemerkt, hat er vom Justizminifterdie Autoritaiion zur Einsichtnahme in die Untersuchungsakte»gefordert. Sie befinden sich aber im Augenblick bei der Gnaden-kommijsion. Es ist zweifellos, daß das Todesurteil an Durand nichivollstreckt werden wird. Für die Stimmung de» großen Publikumsist schon die Haltung des.Matin" bezeichnend, der sich keineswegseinen der öffentlichen Meinung zuwiderlaufenden, profitschädigendenFekdzug leisten würde. Aber wie Meunier anerkennt, genügt dieBegnadigung nicht und die Revision des Prozesses ist not-wendig.Mcuiiier will selbst in Hkvre eine Untersuchung deS Falles an-stellen. Die.Humanits" hat ihm trefflich vorgearbeitet. Das vonGenossen L u q u e t veröffentlichte und verarbeitete Material ergänztJauräs Deduktionen in einer die letzten Zweifel tilgenden Weise.Zugleich nimmt die Protestaktion der Arbeiterschaftan Intensität und Leidenschaft zu. Der Borstand der C. G. T. hateinen neuen Aufruf erlassen, der Durands Befreiung mit allenMitteln fordert und als solches auch den General st reik nennt.Das Manifest weist auch auf die Kundgebungen der OrganisationendeS Auslandes hin und ruft mit allen Proletariern alle freienund ehrenhaften Menschen auf. WaS für den HauptmannD r e y f u s möglich gewesen fei, müsse auch für den Arbeiter Durandgetan werden können.Auster diesem Aufruf, der nur durch die Aufforderung zur An-Wendung der Talion(der Vergeltung des Gleichen mit demGleichen) im Fall der Vollstreckung des Todesurteils entstelltwird— eine Ausforderung, die angefichts der sicheren Be-gnadigung als ein zweckloses Bramarbasieren erscheint—sind noch zahllose Kundgebungen von Organisationen in allen Teilendes Landes zu verzeichnen. Einen besonders wichtigen Beschlust aberhat der Vorstand deS Verbandes der Seine-Gewcrkschaften gesternnacht gcfastt. Er beschloß nämlich, dah die Organisationeninnerhalb zehn Tagen alle Mitglieder einzuberufen und den�Generalstreik mit allen seinen Konsequenzen" zur Durchsetzungder Befreiung Durands und der Revision seines Prozesses vor-zubereiten haben.Italien.Wegen Wählervcrgewaltigung im Gefängnis.Rom, den 23. Dezember.(Eig. Ber.) Die Parlamentswahlvon Gioja del Colle. bei der Vito de Bellis durch allerhand Ve»Bewältigungen ein Parlamentsmandat errang, hat eben vor demGericht von Bari ein Nachspiel gehabt. Drei Parteigänger vonde Belli? wurden wegen Vergewaltigung und Bedrohung zu je dreiJahren zwei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie mehrereWähler am Wahltage gezwungen hatten, ihre Wohnung nicht zuverlassen. Allerdings hat dieft Form der..Wahlagitation" dieKammer nicht abgehalten, die Wahl zu konvalidieren..Eue der parteü20 Jahre Parteiblatt.Am 31. Teyember 1610 kann die„BrandenburgerZeitung" ihr 20 jährige» Jubiläum feiern. Im Jahre1890 erschien im fünften Jahre in Brandenburg unter dem Namen„Brandenburger Zeitung" als Ableger eines Potsdamer bürger-liehen Blattes ein kleines Blättchen, das mit finanziellen Sck>wierig°ketten zu kämpfen hatte. Eiwcr Anregung des Genossen Ewaldfolgend, beschloh eine in Brandenburg am 3. November 1890tagende Wahlvereinsversammlung, das Blättchen aufzukaufen undunter eigener Redaktion als Parteiblatt herauszugeben.Für 37S0 Mark wurde das Blatt nebst Druckerei und samt-lichem Inventar gekauft. Die Geschäftsführung und Redaktiondes neuen Parteiblattes übernahm Genosse FerdinandEwald, die Expedition Genosse Otto Sidow.Die Gründung schien damals sehr gewagt und die EntWickelungdeS Blattes ging auch nur sehr langsam bor sich; doch schlangelt«es sich durch alle finanziellen und sonstige Fährnisse glücklich hin«durch. Es gehört zu den wenigen Parteiblättern, die> k e i n e Zu-schüsse vom Parteivor stände erforderten. Bis zumJahre 1903 erfolgte der Druck der Zeitung durch Schnellpressen;jetzt wird er durch eine achtseitige Frankenthaler Notationsmaschinebesorgt. Im Jahre 1900 besah das Blatt noch nicht mehr wie0500 Abonnenten; nun erscheint es in einer Auflage vonIS 000 Exemplaren. Druckerei und Redaktion haben ihr„Heim" in gemieteten Räumen im Laufe der Jahre mehrmalswechseln müssen. Jetzt hat die Zeitung für 90 000 Mark ein sehrgünstig gelegenes Grundstück gekauft, wird also bald ins eigeneHeim übersiedeln körnten.Don gerichtlichen Strafen blieb da? Parteiorgannatürlich nicht verschont. Für die verschiedenen Redakteure fieleninsgesamt 1 Jahr 9 Monate 4 Tage Gefängnis und18 Wochen und 2 Tage Haft ab. Ausserdem waren Geld-strafen in der Höhe von rund 11221 M. zu zahlen.Möge, das Wirken des Brandenburger Parteiorgans von weite-ren Erfolgen im Interesse des Proletariats begleitet seinlGemeindewahlerfolg.In Eppelheim(Badens verbanden sich unsere Genossen mitder bürgerlichen Opposition bei der G e m e i n d« r a t s w a h l. umdie alte Rathaushcrrschaft zu stürzen. Dabei kam in der Persondeö Genossen Schuhmacher der erste Sozialdemokrat in diekommunale Verwaltung.__Ausschluß eines städtischen Beigeordneten.Der Landesvorstand der Partei für Eisast- Lothringen hat denvom Kreisvereiii Gebweiler beantragten Ausschluss des städtischenBeigeordneten Schreinermeistcr August S i e S in Gebweiler aus derPartei beschlossen. SieZ, der als Schre'mermeister vor etlichenWochen sich dazu hergab, für eine» Bauunternehmer in Mülhausen,dessen Schreiner wie die Schreiner in ganz Mülhausen mit Um-gebung seit mehreren Monaten im Streik stehen, Streikarbeitherzustellen, hatte es gar nicht versucht, sich gegen die Anschuldigungzu verteidigen._Opferwilligkeit für die Presse.Für das deutsche sozialdemokratische„Tagblatt" inBöhmen sind in wenigen Monaten durch Widmungen der Organi-sationen im Lande löOOOKrvnen dem Gründun gSf o n d szugeflossen. Es besteht also Hoffnung, dass diese politischeNotivendigkeit für das deutsche Proletariat Böhmens bald verwirklichtwerden kann.Hm Industrie und RandeLDer internationale Arbeitsmarkt im Jahre 1910.Im Jahre 1910 zeigte die Signatur des Arbeitsmarktes inden wichtigsten Industrieländern eine weitgehende Uebereinstim-mung: die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahre hat durchwegweiter abgenommen, überall hat sich aber auch der Grad der Besse-rung im Laufe des Jahres abgeschwächt. In Deutschland blieb derAndrang am kräftigsten im ersten Semester hinter dem vorjährigenzurück, in Grossbritannien wurde der Höhepunkt der Besserung imJuni erreicht, in Frankreich blieb die Arbeitslosigkeit am stärkstenschon im Januar hinter der des Vorjahres zurück und für Belgiengilt genau das gleiche. In Grossbritannien begann dasJahr 1910 mit einer Arbeitslosigkeit von 6,8 Proz., die um 1,9 Proz.hinter der vom Januar 1909 zurückblieb. Ohne jede Unterbrechungging sie dann Monat für Monat zurück, um im Juni mit 3,7 Proz.ihren niedrigsten Stand zu erreichen, der zugleich die kräftigsteAbnahme gegenüber dem Vorjahre bedeutete. Von da ab nahmdie Arbeitslosenzisfer dann wieder unentwegt zu und wies imNovember mit 4.6 Proz. nur noch eine Besserung von 1,9 Proz.gegenüber dem Vorjahre auf. Wenn die Gunst am ArbeitsmarkteGroßbritanniens sich im Laufe des Jahres allmählich etwas verlor,so dürfte dies in erster Linie auf die Ermattung im Bergbau undBaugewerbe zurückzuführen sein. Im Bergbau hielt sich bisJahresmitte die Intensität der Fördertätigkeit noch über der vor-jährigen, von Juli ab blieb aber die Zahl der geleisteten Arbeits-tage hinter der vorjährigen zurück. Für das Baugewerbelätzt sich die Arbeitslosigkeit der Maurer und Zimmerer verfolgen;sie war im ersten Halbjahre beträchtlich niedriger als im Vorjahre,doch brachte das dritte Quartal bereits wieder eine leichte Zu-nähme gegen 1909. Auch in der E i s e n i n d u st r i e ging einegeringe Abschwächung vor sich; die Zahl der in Betrieb befind-lichen Hochöfen ging mit dem Vorrücken des Jahres nicht mehrso erheblich über die des Vorjahres hinaus wie zu Jahresbeginn,und die Arbeitslosigkeit in der M a s ch i n e n i n d u st r i e, die imJuni um 7,7 Proz. hinter der des Vorjahres zurückblieb, wies imNovember nur noch eine Erleichterung von 3,7 Proz. auf. In derWollindustrie, wo das Lohnniveau im Januar noch um 14.6und im Februar um 14,9 Proz. höher war als 1909, war im No-vember nur noch eine Lohnerhöhung um 7,0 Proz. gegenüber 1909zu verzeichnen. Besser hat sich das Lohnniveau in der Baum-w o l l i n d u st r i e entwickelt, wo das Minus von 1S.7 Proz. imJanuar sich in ein Plus von 7,6 Proz. im November verwandelte.In Frankreich belief sich die Arbeitslosigkeit im Januar auf7,5 Proz. und blieb damit um 6,0 Proz. hinter der von 1909 zurück.Unter Schwankungen sank die Arbeitslosigkeit bis auf 4,4 Proz.im Juli, wo sie aber nur um 1,9 Proz. niedriger war als imVorjahre. Von August an ging es wieder sscharf aufwärts undim November betrug die Besserung bei einer Arbeitslosigkeit von5,9 Proz. nur noch 1,8 Proz. Von den verschiedenen Gewerbe-zweigen weisen der Bergbau und die Metallinoustrie eine allmäh-liche Abschwächung auf: die Zahl der im Bergbau wöchentlichtzeieijteten Arbeitstage, die im Jahresanfang noch über die vor-jährige hinausging, stellt« sich im Oktober nur aus 5,67 gegen 5,82im vergangenen Jahre. In der Metallindustrie verringertesich das Minus der Arbeitslosigkeit, das im April bis auf 4,9 Proz.gestiegen war, allmählich so, daß es im Oktober nur 2,6 betrug.Auch in der Textilindustrie erfolgte eine Abschwächung: imJanuar stellte sich die Arbeitslosigkeit in der französischen Textil-Industrie ans 3,7 Proz. oder um 3,3 Proz. niedriger als 1909, imOktober ging sie mit 6,3 Proz. um 0,4 über die vorjährige hinaus.Recht kräftig und durchgreifend gebessert hat sich die Lage desArbeitsmarktes im Baugewerbe, wo die Arbeitslosigkeit sichnoch Ende Oktober auf 3,4 Proz. stellte gegen 13,0 Proz. im ver-gangenen Jahre. Für Belgien gibt die amtliche Statistik dieArbeitslosigkeit im Oktober 1910 mit 2,0 Proz. an; sie hatte imJanuar 2,8 Proz. betragen.. Während sie aber im Januar nocheine Besserung von 4,5 Proz. gegenüber dem Vorjahre aufwies,stellt sich die Erleichterung im Oktober nur noch auf 0,4 Proz. Fürdie einzelnen Gewerbe wird eine amtliche Arbeitslosen.statistik, wie z. B. in Großbritannien und Frankreich, noch nichtbekanntgegeben; aus den Situationsberichten läßt sich aber sovielschließen, daß in der Montanindustrie der Beschäftigungsgrad zwarreger als im Vorjahre, aber doch auch allmählich ermattend ver-laufen ist.� Tie Textilindustrie war im allgemeinen nicht befriedi-gend beschäftigt. Auffallend ist, daß in Oesterreich ebenfallsdie nämliche Tendenz vorherrscht: bis zum Juni bleibt der An-drang hinter dem vorjährigen zurück, wenn auch das Minus von11,7 im Februar schon auf 0,1 im Mai sinkt— von Juni bis Oktober aber bringt jeder Monat eine Verstärkung des Andrangesgegenüber dem Vorjahre, die sich im Oktober auf 5,3 stellte. DerAndrang, der im Vorjahre von 76.3 im Januar auf 81,3 im Okto-ber, also um 5,0 stieg, ist in derselben Zeit d. I. von 69,5 auf86,6 oder um 17,1 in die Höhe gegangen. In den VereinigtenStaaten von Amerika endlich verlief das erste Semestergenau wie in den übrigen Ländern: die Arbeitslosigkeit.die z. B. im Staate New Dork während des Monats Januar mit16,5 Proz. noch um 9,9 Proz. hinter der des Vorjahres zurückblieb,hatte im Juni mit 11,7 Proz. nur noch eine Besserung um 0,4 Proz.gegenüber dem Borjahre auszuweisen. Vornehmlich im Bau- undEisengewerbe blieb die Arbeitslosigkeit hinter der vorjährigenzurück. Da aber in diesen beiden Gewerbezweigen das zweiteHalbjahr eine merkliche Abschwächung brachte, so dürfte auch dieArbeitslosigkeit hier wieder zugenommen haben.Reichsfinanzreform und Zigarrcnindustrie.Welche Schläge die Reichsfinanzreform des Schnapsblocks derZigarrenindustrie versetzt hat. das schildert die Bremer Handels-kammer in ihrem Jahresbericht u. a. also:Die vor der Steuererhöhung von den meisten Fachleutengeäußerte Ansicht, daß nur ein kleiner Teil der Raucher diedurch die Mehrbelastung erforderlich gewordene Preiserhöhungzahlen würde, ohne seinen Rauchgenutz qualitativ oder quanti-tativ zu beschränken, hat sich als' richtig erwiesen. Namentlichin den billigeren Preislagen ist vorzugsweise der quantitativeRückgang eingetreten. Es dürfte verfrüht sein, schon hevteSchätzungen über dessen Höhe und Dauer anzugeben, da zusicheren Schlüssen die Lage noch zu wenig geklärt ist, doch kannjetzt schon darauf hingewiesen werden, daß auch eine Abwände-rung des Konsums zur Zigarette seit der Verteuerung desZigarrengenusses besonders stark zu beobachten ist. Zum großenSchaden der Industrie hat außerdem ein häufiger Wechsel in oenhergestellten Sorten stattgefunden; die alt eingeführten Stamm-sorten, die das Rückgrat der Fabrikation in gesunden Betriebender Branche bildeten, sind in ihrem Absatz vielfach außerordent-lich zurückgegangen, und die Zigarrenfabrikanten sahen sich indie Notwendigkeit versetzt, ibre Geschäfte zum großen Teile aufeiner den veränderten Verhältnissen entsprechenden Basis voll-itänditz neu aufzubauen. Es ist selbstverständlich, daß dies beiden einzelnen Fabriken mit wechselndem Erfolge geschehen ist,für die Gesamtheit war aber der starke Wechsel der Sorten, dersich noch jetzt fortsetzt, außerordentlich nachteilig für die gesamtenzu treffenden Dispositionen. �Als Folge der geschilderten Zustände Kar namentlich in denFrühjahrs- und Sommermonaten eine sehr starke Arbeitslosig-keit in der Industrie zu beobachten. Einen Anhalt für derenUmfang bilden die Ziffern über die gemäß Art. IIa des Tabak-steuergesetzes vom 15. Juli 1309 ausgezahlten Unterstützungenan geschädigte Tabakarbeiter. Diese erreichten erst im April1910 ihren höchsten Monatsbetrag mit 763 620 M., um dannwieder allmählich zu sinken. Es ergibt sich daraus, daß dieFabrikanten zunächst ihre Arbeiter zu halten versucht und sicherst später unter dem zwingenden Drucke der Verhältnisse zuEntlassungen entschlossen haben. Insgesamt sind nach den unsvorliegenden Zahlen bis zltm 30. September 1910 6 411386 M.an Unterstützungen aus Reichsmitteln ausgezahlt worden. Dieder Arbeiterschaft insgesamt entgangene Lohnsumme ist indesweit höher, weil anfangs nur 75 Proz. deS entgangenen Lohnesund vom 16. Juli ab noch erheblich weniger erstattet wurde.Um die unzufriedenen Arbeiter einzulullen, schwindelt dieultramontane Presse trotzdem, gottesfürchtig und frech, die Finanz-reform habe sich als durchaus segensreich erwiesen,Soziales.Ruhepause in offenen Verkaufsstellen.Den � 139 der Gewerbeordnung sollte der GeschäftsführerKuhlmey übertreten haben, weil eine Verkäuferin in einer BerlinerFiliale von„Kaisers Kaffcegeschäften" an bestimmten Tagen keinellstündige, ununterbrochene Ruhepause hatte. Das Landgerichtverurteilte ihn auch zu einer Geldstrafe wegen Verletzung deS§ 189 c Absatz 2. Danach muß in Gemeinden mit mehr als 29 000Einwohnern für Gehilfen und Lehrlinge in offenen Verkaufsstellendie Ruhezeit mindestens 11 Stunden betragen, wenn dort zwei odermehr Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt werden. Der Angeklagtelegte Revision«in und machte geltend,§ 139 c Absatz 2 der Gewerbeordnung treffe hier gar nicht zu. Er setze nach seiner Auf-fassung voraus, daß die mindestens zwei Personen, von denen dieRede sei, in der offenen Verkaufsstelle voll beschäftigt würden. Dassei aber hier nicht der Fall gewesen. Die eine der beiden Damen,die im Geschäft tätig waren, sei immer nur in den Vormittags-stunden zur Unterstützung der anderen dort gewesen.DaS Kammergericht verwarf dieser Tage die Revision deS An-geklagten. Es erklärte die vom Angeklagten hervorgehobene unvauch vom Landgericht festgestellte Tatsache für unerheblich. Auchwenn die zweite Dame alle Tage nur ein paar Stunden im Geschäftmit tätig war, seien die Voraussetzungen des§ 139 c Absatz 2 derGewerbeordnung erfüllt._Wie man Unfallrenten quetscht!Wird dem Verletzten auS Anlaß eines Unfalles eine Rentegewährt, dann ist derselben der von dem Verletzten erzielte„an rech-nungsfähige" Jahrcsarbeitsverdienst zugrunde zu legen. Danachkommt der persönlich verdiente Lohn nur in Frage, wenn der Ver-letzte selbst vom Tage deS Unfalles ab ein volles Jahr zurückliegendin dem Unfallbetriebe beschäftigt war. War das nicht der Fall,dann kommt der Arbeitsverdienst eines dem Verletzten gleichwer-tigen Arbeiters für die Rentenbcrechnung in Betracht. Beträgtnun der JahreSverdienst 1806 Mk., dann werden zunächst 1560 M.voll, die übrigen 300 M. indes nur mit einem Drittel in Anrech-nung gebracht. Der..anrechnungsfähige" JahresarbeitSverdienstwürde demnach 1600 M. betragen. Hiervon kommen indessen nurzwei Drittel, also 1066,66 M. für die Rentenberechnung in Be-tracht. Der Verletzte erhält somit von seinem 1800 M. wirklichbetragenden JahresarbeitSverdienst— im Falle völliger Erwerbö-Unfähigkeit— nur 1666,66 M. Bollrente als Schadenersatz.Noch weit ungünstiger gestaltet sich die Berechnung des JahreS-arbeitSverdienstes für die liliidlichen Proletarier. Ist der Verletzteein„Facharbeiter", dann wird die Unfallrente gemäß Z 1 Abs. 6deS land- und forstwirtschaftlichen UnfallversicherungsgesctzcS wieoben erwähnt berechnet. Indessen bei allen anderen„gewöhn-lichen" Landarbeitern wird der behördlich„festgesetzte" Jahres-arbeitsvcrdienst der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Dieser.„festgesetzte" JahresarbeitSverdienst schwankt zwischen ganzen 450'bis 550 M. Höher ist er sehr selten. Würde also völlige Erwerbs-Unfähigkeit bestehen, dann würde die Vollrente zwei Drittel von550 gleich 366,66 M. pro Jahr betragen.Dieser„festgesetzte" Jahresarbeitsverdienst könnte nach An-sicht der Agrarier aber dem Landproleten vielleicht ein„Schlem-mer"-Leben ermöglichen. Da muß Vorsorge dagegen getroffenwerden, daß die armen notleidenden Landagraricr und Junker�u sehr mit Rentenlasten bedrückt werden. Wie das geschieht, dar-über gibt ein in den jüngsten Tagen vor dem Reichs-VcrsicherungS-amt verhandelter Fall Aufschluß.Ein Arbeiter K. hatte im Februar 1909 einen Betriebsunfalldadurch erlitten, daß er von einer auf ihn stürzenden Erdwandbis zur Brust verschüttet wurde. Die Brnndenburgische landwirt-schaftliche BrrnfSgenossenschaft erkannte den Unfall an und ge-währte dem K. die Vollrente.Bei der Berechnung deS JahresarbcitSverdiensteS entdeckte nutkdie Berufsgenossenschaft, daß der Verletzte schon vor seinem imFebruar 1909 erlittenen Betriebsunfall um 69 Proz. in seinerErwerbsfähigkeit beeinträchtigt gewesen ist. Deshalb, meinte sie.sei der 900 M. für männliche land- und forstwirtschaftliche Ar-beiter betragende JahreSverdienst um 60 Proz., also auf 3'80 M.zu kürzen. Hiervon kommen zwei Drittel gleich 240 M. Vollrentefür die Zeit der völligen Erwerbsunfähigkeit in Betracht. Indessenes kommt noch besser. Die Unfallfolgen sollten am 2. August1909 gehoben sein. Daher war die Vollrente im Betrage von69 M. nur für die Zeit vom 3. Mai bis zum 2. Angnst zu ge-währen.„Nach dem 2. August ist der Zustand wieder derselbe wievor dem Unfall, daher kann nach dem 2. August 1909 Ihnen einsRente nicht mehr gewährt werden," heißt es im Bescheide.Der Verletzte, der bis zum 31. Oktober 1908 in einer Brauerei1alS Heizer zu einem Wochenlohn von 31 M. beschäftigt war unddann, da er in der Rrisenzeit nicht gleich eine passende andere Be-schäftigung farch, bei der städtischen Parkverwaltung in Char»lottenburg Arbeit angenommen hatte zum selben Lohn wie anderedort beschäftigte Arbeiter, konnte nicht glauben, daß er schon vordem Unfalltage— 1. Februar 1909— um mehr als die Hälflein seiner Arbeitsfähigkeit behindert gewesen sein sollte.Er focht den Bescheid der BerufSgenossenschaft ourch Berufungbeim Schiedsgericht für Arbeiterversicherunz für den Regierungsbezirk Potsdam in Berlin an. Aber auch hier wurde er abge-wiese». Das Schiedsgericht nahm in„Uebercinstiminung" mitseinem Vertrauensarzt Dr. H. und dem behandelnden Arzt Dr. L.an, daß die direkten Unfallfolgen bereits am 6. März 1909 bei derAufnahme in daS Krankenhaus W. beseitigt waren. Die indirektenUnfallsolgen— früher schon vorhanden gewesene Hüftgelenks- undKreuzbeschwerden— seien durch die Behandlung im Krankenhausebis zum 2. August 1909 behoben worden. Auch die Kürzung desJahresarbeitsvcrdicnstes war gerechtfertigt. Der Kläger beziehtseit dem 2. August 1909 die JnvalidenrLiite, weil er an chronischdeformierender Hüstgelenkentzündung beiderseits, rechtsseitigerLeistenbruchanlagc, Lmigenblähung und Arteriosklerose leidet. Damuß der BerufSgenossenschaft das Recht zugestandeil werden, denVerletzten um 60 Proz. in seiner ErwerbSfähigkeit schon vor demUnfall geschädigt zu erachten". Der Verletzte legte gegen diesesUrteil beim Neichs-Derstchcrungöamt Rekurs ein. Auch von derhöchsten Instanz wurde der arme Teufel abgewiesen. Der er-kennende Senat konnte, so etwa wurde bei der Verkündigung desUrteils gesagt, bei Erwägung aller Tatsachen doch nicht zu eineranderen Entscheidung gelangen. Denn dadurch, daß der Verletzteden Antrag auf Invalidenrente gestellt bat, sei er selbst über-zeugt gewesen, daß er in seiner ErwerbSfähigkeit schon recht erheb-lich beeinträchtigt gewesen ist. Das dürfe wohl angenommen wer-den, denn auch als Heizer in der Brauerei habe er schwere Arbeitennicht verrichtet und bei den Parkarbeitern würden mehr oderweniger Invaliden beschäftigt. Der Rekurs ist daher zurück,zuweisen.