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Hr. 306. 27. Jahrgang. t Knlttt des Jotiuitlä" Lerlim PolKdlM Soltttllbrnd, 3l. Dezember l910. vis Moabiter Vorgänge vor Sericht. Sechsunddreißigster Tag. In der gestrigen Sitzung wurde die allgemeine Situation Wieder durch eine Reihe Von Einzelbeobachtuugen illustriert. Der zuerst vernommene Arbeiter Ramm stand am 27. Sep­tember mit anderen Hausbeivohncrn vor der Tür. Ein junger Mann stellte sich zu ihnen. Als auf der anderen Seite der Slraste ein Trupp Schutzleute vorüberging, rief der junge MannBlut- Hunde". Zwei Schutzleute stürzten sich auf die vor der Tür stehenden Leute, diese flüchteten ins Haus. Der Zeuge kam als letzter hinein. Auf dem Hausflur versetzte ihm ein Schutzmann zwei Säbelhiebe. Der Zeuge fiel zu Beden. Als er sich wieder aufgerafft hatte, bekam er noch einige Stöße mit dem Säbel- griff. Ain 23. stand der Zeuge wieder mit anderen vor der Tür. Die Beamten verlangten, daß die Leute ins Haus geben. Als das nicht sogleich geschah, rief ein Schutzmann:Seid Ihr Bande noch nicht drin?" Die Leute rannten hinein und schloffen die Tür hinter sich. Dann schlug der Schuhmann mit dem Säbel die Tiirscheibeu ein. Erster Staatsanwalt: Warum stellten Sie sich am zweiten Tage wieder vor die Tür, nachdem Sie doch am ersten Tage schon unangenehme Erfahrungen gemacht hatten? Zeuge: Ich wollte sehen, was los ist. Erster Staatsanwalt: Sie hatten doch schon am ersten Tage gesehen, wie die Neugier be- straft wird. Rechtsanwalt Heine: Den Verkehr haben Sie nicht gehindert und auch nicht auf die Polizei geschimpft? Zeuge: Nein. Rechtsanwalt Heine: Wie sah denn der junge Mann aus, der sich zu Ihnen gesellte undBluthunde' rief. Zeuge: Wie ein Arbeiter sah er nicht aus, ich hielt ihn für einen Polizeispitzel. Frau Pflaumbaum schildert mit großer Bestimmtheit und in lebensvoller Darstellung folgende Vorgänge. Am 26. Scp- tember zwischen 6 und 7 Uhr waren viele junge Männer und junge Mädchen, wie man sie aus dem Rummelplatz sieht, in der Rostocker Straße. Sie lärmten und pfiffen und die Schutzleute jagten mit blanken Säbeln hinter ihnen her. Ein Schutzmann, der wohl ärgerlich war, weil er keinen gekriegt hatte, rief sehr laut:Räuberbande, Schweinebande, Euch müßte man anspucken". Am 28. war mein Lokal aus polizeiliche Anordnung geschlossen. Ich stand innen am Fenster. Da hörte ich draußen vor meiner Ladenlür jemand sagen:Ist das hier richtig bei Pflaumbaum?' Als ich meinen Namen hörte, sah ich zum Fenster hinaus. Da standen vor dem Lokale 68 Mann, die ich für Kriminalbeamte hielt. Ein Herr, der oberste von den Kriminalbeamten, gab in schneidigstem Kommandotone Befehle an die Leute. Ich fragte:Was wünschen Sie denn von Pflaumbanm?" Da antwortete der Herr, es soll ja Herr Kuhn gewesen sein:Ja, Tante Pflaumbaum, jetzt sind wir hitr. Wir haben uns hier häuslich niedergelassen. Wir befinde» uns hier im Belagerungszustand. Die uniformierten Schutzleute werden nicht respektiert, die haben nicht ordentlich aufräumen können. Aber jetzt, wo wir da find, wird erst ordentlich aufgeräumt." Dann kommandierte der Herr: Fenster zu, weg vom Fenster!" Auf der Straße sah ich Männer mit langen Blechröhren. Ich dachte, wozu sind denn diese Dinger. Mit einmal waten die Dinger in Funktion. Ein junger Mann ging ganz ruhig auf der Straße. Da fielen 8 10 Mann über ihn her und schlugen ihn mit den Blechröhren. Das war fürchterlich. So was habe ich noch nie gesehen. Ein alter Mann. Er sollte schneller laufen.- Er bat: Lassen Sie mich doch in Ruhe, ich kann ja nicht schnell laufen, ich tue ja niemanden etwas.«ater der Beamten schrie den alten Mann an:Oller Popelfritze, will er machen, daß er fortkommt." Der Oberste von den Kriminalbeamten, Herr Kuhn, rief:Runter vom Balkon, Fenster zu'. Eine Frau rief zum Fenster hinaus:Na. ich werde doch ein bißchen Luft schnappen können'. Da erteilte der Herr einem Beamten die Weisung: Wenn sich die alte schwarze Gau nochmal am Fenster sehen läßt- dann schicken Sie sofort eine blaue Bohne hinauf". Nach einem Fenster wurde auch geschossen. Etwa? später hielt Herr Kuhn eine Zigarrenkiste unter dem Arm und verteilte Zigarren an die Beamten. Da ging ein junger Mann an ihn heran und lüftete die Mütze. In demselben Augenblick bekam er von dem Herrn ein paar schallende Ohrfeigen. Erster Staatsanwalt: kleines feuiUeton. Eine Flugmaschine im 17. Jahrhundert. Es ist alles schon da- geivesen. An dieses Wort des alten Ben Akiba wird man er- innert, wenn man hört, daß schon im 17. Jahrhundert ein Italiener eine Flugmaschine gebaut hat, die im wesentlichen nach denselben Prinzipien konstruiert war, wie unsere heutigen Schwerer-als-Luft- Maschinen. Es war dies der im Jahre I6lb in Venedig geborene Livio Burattini, von dessen merkwürdiger Erfindsing uns Carl von Klinkowström imPrometheus" erzählt. Burattini kam, nachdem er mehrere Reisen nach Aegypten gemacht hatte, im Jahre 1845 an den Hof des Königs von Polen , wo er sich bald einen Ruf als geschickter Mathematiker und Techniker erwarb. Sein Traum war die Erbauung einer Flugmaschine, zu der er auch zweifellos ein Modell angefertigt hat. Nach einem Briefe Pierre de Noyers, des Sekretärs des Königs von Polen , war dieses Modell folgendermaßen konstruiert: Es hatte 4 5 Fuß Länge, einschließlich des Schwanzes, 4 Flügel, die zum Tragen, und 2, die zum Tragen und zur Fortbewegung dienen sollten. Die Flügel waren so gebaut, daß sie beim Aufwärtsschlagen sich zusammen- falteten, und beim Abwärtsschlagen sich ausbreiteten. Ucber dem ganzen war eine Art Aufsatz angebracht, der sich spannte, wenn man eine Feder löste, und bei einem Sturze als Fallschirm fun- gieren sollte. Der Apparat wurde durch eine Schnur, die unter dem Schwanzteil heraustrat, angetrieben. Die Schnur setzte Räder und Federn in Bewegung, durch die das Schiff in die Luft ge- hoben würde. Es trug eine Katze, die man hineinsetzte und blieb 50 lange in der Luft, als man durch die Schnur die Räder in Zewegung setzte. Noyers meinte, wenn die Katze Verstand hätte, so könnte sie dies selbst tun, und sich andauernd in der Luft er- halten. Burattini verlangte nun 566 Taler von dem König von Polen , um das Schiff im großen auszuführen. Ob ihm diese Forderung bewilligt worden ist und ob er seine Maschine wirk- lich im großen ausgeführt hat, darüber wissen wir nichts Be- stimmtes. In seinem WerkeNärrische Weisheit und weise Narr- heit"(Frankfurt 1662) erzählt Joh. Joachim Becher von einem am königlichen Hofe in Polen lebenden Italiener namens Borattini, der ein Schiff oder Maschine aus Stroh oder Rohr an- gefertigt habe, mit der er sich selbst direkt von der Erde geschwungen habe. Es habe aber alle Zeit etwas zur Perfektion gxfehlt, wie- wohl der Erfinder anfangs vorgegeben habe, damit in 12 Stunden von Warschau nach Konstantinopel fliegen zu können. Der Gewährs- mann Bechers, der englische Wachspossierer M. Simon, will die Maschine samt Jnventario in Polen einst gesehen haben. Danach scheint Burattini also in der Tat ein größeres Modell gebaut zu haben, dem aber leider zur Perfektion immer etwas gefehlt hat. Sehr natürlich, denn ohne die heutigen Maschinen würde ja auch der denkbar vollkommen konstruierte Flugapparat sich niemals auf lange in die Luft erheben können. Also alle Leute mußten» vom Fenster fortgehen, aber Sie konnten das alles vom Fenster aus ruhig beobachten? Zeugin: Bei mir war es dunkel, mich konnten die Beamten nicht sehen. Als sie mich bemerkten, wurde auch mir zugerufen: Fenster zu, gehen Sie schlafen." Dann habe ich auch nichts mehr gesehen. Erster Staatsanwalt: Sie sagen, es wurde mit Blechröhren geschlagen? Rechtsanwalt Heine: Das werden die Fackeln der Polizei gewesen sein. Die bestehen aus eisernen Röhren. Zeugin: Ja, damit wurde geschlagen. Polizei- leutnant Götze: Die Fackeln sind nicht Eis enröhre», sondern Zinkröbren, die mit dem Leuchtstoff gefüllt sind. Aui Befragen gibt Frau P f l a u m b a u m noch an, daß der junge Mann erst von wenigstens 8 bis 10 Mann mit den Fackeln und dann noch von zwei nniformierten Schutzleute» mit Säbeln ge- schlagen wurde. Ferner gibt die Zeugin an: Einer der Beamten sagte zu dein Herrn Kuhn:Haben Sie schon gehört? Im kleinen Tiergarten soll das Blut in Strömen fließen." Dann sagte ein anderer: Einen haben sie in den Unterleib ge- stachen. Da sagte der Herr:In den Unterleib? Das ist gut. Das ist gut." Frau Bergmann sagt unter anderem: Am 26. haben die Schutzleute ohne Veranlassung geschossen. Danach kamen Leute von allen Seiten. Sie wurden aufgefordert, auseinanderzugehen. Ehe sie das konnten, hieben die Schutzleute darauf los. Ein Mann wurde niedergeschlagen und als er am Boden lag, von Schutzleuten noch mit Füßen gestoßen. ES wurde furchtbar geschlagen, von Schutz- leuten mit Säbeln und von Kriminalbeamten mit Gummi- knüppeln. Am 28. schlugen Schutzleute im Vorbeigehen mehrere Haustürscheiben ein. Zwei Arbeitswillige auf einem Kohlenwagen schössen gleichzeitig, wie auf Kommando, nach beiden Seiten des Wagens über die Menschen hinweg, in Gegenwart der Schutzleute, die den Wagen begleiteten, aber nicht gegen den Unfug der Arbeits- willigen einschritten. Als abends nach 10 Uhr ein Mann mit einer Frau am Arm über die Straße ging, stieß ein Schutzmann ohne Veranlassung die Frau von hinten. Die Zeugin bestätigt die von Frau Pflaumbaum bekundete Verprügelung eines jungen und eines alten Mannes in der Roftocker Straße. Der alte Mann wurde deS- halb geschlagen, weil er nicht schnell genug laufen konnte. Werkmeister Roloss hat von seiner Wohnung in der Beusselstraße gesehen, daß nach einer Attacke, als die Straße fast menschenleer war, zwei Jungrns von 1314 Jahren ruhig an den Häusern entlang gingen. Da lief ein Kriminalbeamter aus die beiden Jungens zu Und schlug dem einen mit dem Stock derart über den Kopf, daß der Stock zerbrach und das abgebrochene Stück in weitem Bogen fortflog. Dann ging der Beamte, als wenn nichts geschehen wäre, zu den anderen Schutzleuten. Po st böte Schasseburg macht unwesentliche Angaben über Straßenvorgänge. Grünkramhändler Dorn hat am 26. gesehen, daß ein Arbeitswilliger von einem Kohlenwagen schoß. Am 27. abends kam eine Kundin des Zeugen in seinen Laden und sagte, fie wollte für ihre Nachbarin eine Hebamme holen, die notwendig gebraucht werde. Aber sie traue sich doch nicht über die Straße, weil die Schutzleute fortwährend Attacken machten und niemand ohne Lebensgefahr die Straße passieren konnte. Der Zeuge erbot sich, der Frau den Gang zur Hebamme abzunehmen. Er ging an ein SchutzmannSkommando heran. teilte seine Absicht mit und bat um polizeilichen Schutz. Doch der wurde ihm nicht gewährt. Ein Schutzmann fuhr den Zeugen an:Ach was, zur Hebamme gehen. Darauf wird jetzt keine Rück- ficht genommen und daran sind Sie selber schuld." Als der Zeuge noch mit den Schutzleuten parlamentierte, kam ein Samariter hinzu und der erbot sich, den Zeugen unter dem Schutze des Roten Kreuzes zur Hebamme zu begleiten. So kam der Zeuge glücklich zur Hebamme, aber die war nicht zum Mitgehen zu beivegen, weil sie die Gefahr auf der Straße fürchtete. Jetzt bat der Zeuge einen Polizeileutnaut um Schutz für die Frau. Nachdem dieser der Hebamme versichert hatte, sie könne mitgehen und auch der Samariter wieder auf den Schutz des Noten Kreuzes verwiesen hatte, ging die Frau mit. Am 23. abends hatte der Zeuge sein Pserd in den Stall gebracht. Er konnte aber nicht vom Stalle nach seiner Wohnung gehen, weil auf der Straße fortwährend Polizeiattacken gemacht wurden. Nach Die Jahresbilanz der Schiller-Theater. Wie auf der General- Versammlung am Donnerstag mitgeteilt wurde, kann die Schiller- Theater-Akfiengesellschaft auf ein verhältnismäßig befriedigendes Geschäftsjahr zurückblicken. Nach etwa« reichlicheren Abfchreibnngen, als sie die Vorjahre gestatteten, blieb ein Reingewinn von 22 53g M. Es kommt die satzungsgemäße Höchstdividende von 5 Proz. zur Ver- teilung, ferner wurden die Milglieder, die länger als fünf Jahre dem Institut angehören, in gewohnter Weise beteiligt. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachte der Volfitzende des schmerzlichen Ver- lusteS, den die Gesellschaft durch den Tod ihres Mitbegründers und Leiters Raphael Löwenfeld erlitten hat. Der Aufsichtsrat und die Mitglieder des Instituts werden am Sonntag, den 8. Januar, eine Gedenkfeier veranstalten. Der neue Aussichtsrat konstituierte sich sofort nach der Sitzung und ivählte zum Borsitzenden Herrn Pro- fessor Wilhelm Foerster . Des weiteren wurde beschlossen, daß die Leitung der Geschäfte vorläufig in denselben bewährten Händen be- lassen wird, die schon während der langen Erkrankung deS ver­storbenen Direktors die Vertretung übernommen haben, so daß die Fortführung deS Betriebes in der bisherigen Weise stattfindet. Spiiinenscide. Die Kokons der Seidenraupe werden, trotz aller Fortschritte im modernen Maschinenbau, noch immer mit der Hand abgewickelt, waS wegen der großen Länge des seinen Fadens sehr zeilraubend ist und daher auch nur in solchen Ländern lohnend aus- geführt werden kann, in denen die Handarbeit ivohlfeil ist. Hauptsächlich wegen dieser und einiger anderer unumgänglicher Ver- teucrungen der Seidenfabrikation haben sich schon seit längerer Zeit Fachleute und Erfinder mit dem Problem beschäftigt, das Produkt der Seidenraupe durch das eines anderen Insektes zu verdrängen. Erst in neuerer Zeit bot, wie eine englische Wochen- schrift meldet, dieBritische Vereinigung von Seidenfabrikanten" eine Belohnung von 20 006 M. für den aus, der die Spinne als Seidcnproduzenlen nutzbar zu machen verstände. Die Idee an sich ist durchanS keine neue, denn schon Kleopatra besaß ein berühmtes Gewand, das ganz aus Spinnenseide gewebt war. Die Schwierig- keit bestand nur darin, genügend viel des Fadens erlangen und ihn soaufwindcn zu können, daßer wederzerreißen noch sichverwirren konnte. Einen Preis erhielt vor einiger Zeit ein Franzose Cachot, der eine Maschine mit winzigen Röllchen erfunden hatte, die sich fort- während drehten und an die er je eine Spinneangespannt" hatte. Er wand den Faden auf, während ihn die Spinne spann, nicht nach- dem sie ihr Netz fertig halte. Das Ende des Netzes, das noch mit dem Körper der Spinne in Verbindung stand, griff er auf und be- festigte es an einem der Röllchen. Dann setzte er die Maschine in langsame Bewegung. Als die Spinne ihr Gewebe so davongleitcn sah. stemmte sie sich naturgemäß dagegen an, um nicht mitgezogen zu werden. Glücklicherweise zog sie nicht stark genug, um den Faden zum Reißen zu bringen. Durch die Bewegung war sie ge- nötigt, das Gewebe weiter zu spinnen, das nun nach und nach ganz aufgewunden wurde. Nachdem Cachot eine genügende Anzahl Spinnen auf diese Weise ausgebeutet hatte, wurde das erzielte Produkt zu einem Stoffe ver- stundenlangem Warten wagte er es, mit der brennenden Stallaterne in der Hand über die Straße zu gehen. So kam er glücklich nach Hause, während sein Begleiter einen wuchtigen Säbelhieb bekam. Auf der Straße sah der Zeuge, daß ein ruhig daherkommender Mann von einem Schutzmann niedergeschlagen wurde. Als der Mann am Boden lag. bekam er noch einen Fußtritt. Es war furchtbar mitauzusehen sagt der Zeuge das Herz im Leibe bebte mir. Gegen S Uhr forderte ein Kriminalbeamter den Zeugen auf. das Licht zu löschen und seinen Laden zu schließen. Als der Zeuge Einwendungen machte, sagte der Beamte:Wer sich nach 9 Uhr auf der Straße sehen läßt, wird niedergeschossen." Der Zeuge schloß den Laden und hörte nachher auf der Straße das furchtbare Geschrei von Leuten, die von den Kriminalbeamten verhauen wurden, nachdem man sie kurz vorher durch die Absperrungslinie hilldurchgelassen hatte. Kaufmann Helm gibt an, daß die Menschenmenge auf der Straße johlte, daß auf die Schutzleute geschünpst wurde und eine Fran sagie, man müsse einen Nachltopf ans die Schutzleute iverfen. Die Polizei habe sich ziemlich ruhig Verhalten, sie habe nicht gleich geschlagen, sondern iinmer erst, wenn nach erfolgter Aus- forderung die Leute nicht weitergingen, sondern johlten und schrien. Restaurateur Wagner macht folgende Angaben: Am 27. gegen 10 Uhr sah ich, daß Menschen, hinter denen Schutzleute herliefen, an meinem Lokal in der Turmstraße vorbeirannten. Ich trat vor die Tür, um zu sehen, was los ist. Als ich mich mndrehte, um wieder hineinzugehen und schon die Tür in der Hand hatte, be- am ich einen Schlag mit dem Säbel. Am 28. abends sind in der Nähe meines Lokals sehr viele Menschen von uniformierten Schutzleuten und von Kriminalbeamten geschlagen worden. Ein von einem Schutzmann verfolgter Mann fiel hin. Da schlug der Schutzmann auf dem am Boden Liegenden mit dem Säbel ein. Der Mißhandelte raffle sich auf, fiel aber bald wieder nieder und wurde von anderen Schutzleuten nochmals mit dem Säbel geschlagen. Am 29. stand ich vor meinem Lokal, um z>» verhindern, daß zweifelhaste Elemente von der Straße herein- kämen. Schutzleute kamen vorüber. Einer sagte zu einem anderen: Diese Stampc müssen wir auch noch räumen." Gleich darauf kam ein Leutnant und forderte mich auf, das Lokal zu räumen. Ich sagte: Jawohl und meine Gäste gingen sofort hinaus, ohne erst ihr Bier auszutrinken. Einer der Schutzleute sagte:Wir dürfen nicht so kraß vorgehen, die Gäste müssen erst ihr Bi» austrinken." Ein anderer Schutzmann aber rief:Ach was, immer raus, raus." Als die Gäste auf die Straße kamen, wurden sie von den draußen stehenden Kriminalbeamten vcrhnncn. Wer einen Augenblick stehen blieb, um sich umzusehen, nach welcher Richtmig er gehen müsse, be- kam sofort seine Prügel. Die. Kriminalbeamten hatten ihre Stöcke am unteren Ende angefaßt und schlugen mit der Krücke immer auf die Kopfe. Der Zeuge zeigt einen Hut vor, den er nach dieser Prügelei auf der Straße fand. Der Hut ist an zwei Stellen durchlöchert und eingerissen. Die Beschädigungen lassen auf Schläge mit lvuchtigen harten Gegenständen schließen. Auf eine Frage des Rechts« anwalts Rosen selb antwortet der Zeuge, er sei früher Kriminalbeamter gewesen und könne deshalb mit Sicherheit erkennen, wer als Kriminalbeamter anzusehen sei. Erster Staatsanwalt: Warum sind Sie von der Polizei abgegangen? Zeuge: Weil mir die Tätigkeit nicht mehr gefiel. Auf eine Frage des Rechtsanwalts Heine erklärt der Zeuge, es sei ganz unmöglich, daß von seinem Lokal ans irgend welcher Unfug verübt worden sei, der die Polizei zum Einschreiten hätte veranlassen können. Weiter bekundete der Zeuge, daß vor seinen Augen auch ein alter Mann, der gar nichts gemacht hatte, von Schutzleuten unbarmherzig geschlagen wurde. Der alte Mann fffc"*" hin und wurde noch weiter geschlagen. Der Zenge sagt, er ha«/� viele derartige Fälle gesehen. Die Schutzleute standen eine Zeitlang ruhig da, dann bekamen sie plötzlich einen Einfall, zogen blank und schlugen los ans jeden der ihnen vor die Klinge kam. Fahrmeister Schmidt hat den Straßenbahnwagen ge» fahre», in dem Pastor Schwebe! am 26. hineinfuhr. Wie der Zeuße angibt, wurde aus der auf der Beusselstraße versammelten Menge em Stein in den Wagen geworfen, wodurch ein Fahrgast verletzt worden ist. Maschinist Grosser besuchte am 26. ein Schanklokal. Drinnen und auf der Straße war es ruhig. Plötzlich drangen Schutzleute ein. Der Zeuge wurde hcrausgestoßen und draußen von Schutzleuten derart verhauen, daß er vierzehn Tage arbeitsunfähig war und jetzt noch Schnierzen hat. webt, der sich an Feinheit, Elastizität und Festigkeit der gewöhn» lichen Seide stark überlegen erwies. Dennoch ist vorläufig die Spinncnseide noch nicht als kommerziell verwertbar zu betrachten. Sie ist so kostspielig, daß sich höchstens Milliardärsgattinnen den Luxus eines aus ihr gewebten Gewandes leisten könnten. Unsere einheimischen Spinnenarten sind nämlich für diese Art Seiden» Produktion nicht geeignet. Nur eine aus Madagaskar eingeführte Art liefert das richtige Gespinst, das im Verhältnis zäher als Eisen ist. Humor und Satire. Professoren. Tänzerinnen und.. Unter dem TitelGelehrten- Anekdoten" ist eine von Dr. W. Ahrens herausgegebene Sammlung bei Hermann Sack in Berlin erschienen, der wir eine charakteristische, aber auch wahre Anekdote entnehmen: Mit Alexander von Humboldts Befürwortung wurden drei der in Göttingen amtsentsetztenSieben": Dahlmann und die Brüder Grimm , später in Preußen wieder angestellt; deshalb vor- wiegend, so meinte Humboldt, haßte der König Ernst August von Hannover ihn. Einmal sagte er ihm in Potsdam geradezu: Nun, Humboldt, noch immer Republikaner und doch in Sanssouci ? Haben Sich da um die Professoren bemüht. Sind Leute, die immer wohlfeil zu haben sind, wie die deutschen Handwerker und das, was man im Französischen putain(H»re) nennt. Sind wohlfeil zu haben." Humboldt eulgegnete:Das ist nicht so. Sie haben Sich außer« ordemlich bemüht und doch mit allem Gelde lange nichts erhalten." Bei einer anderen Gelegenheit, als der frivole Hannoveraner seinen oft wiederholten Spruch von den wohlfeilen Professoren, Tänzerinnen und putains dieses Mal aber deutsch zu Humboldt gewandt an der Tafel des preußischen Königs hersagte, soll dieser (Friedrich Wilhelm IV. ) ihm die Antwort gegeben haben:Sie müssen es ihm(Humboldt) gröber sagen, so fein versteht er cS nicht." Notizen. Vorträge. Im Institut für Meereskunde spricht Dienstag, den 3. Januar, Dr. A. Merz-Berlin : Das Mittelländische Meer und seine Einwirkung auf das Klima seiner Küsten; Freitag. den 6. Januar, Kapitän Wiltmer über die Zusammensetzung und Taktik der Schlachiflotten in Vergangenheit und Gegenwart. DerKönig Lust ick" auf der Bühne. Das Rcsidenztheater zu Kassel hat ein Stück des bekannten Partei» genöisischen Schriftstellers Wilhelm Bios zur Uraufführung an» genommen. Es betitelt sichWilbelmshöhe", historische Komödie in 5 Akten und gibt ein Bild von dem Hofe des Königs Jerome von Westfalen, und behandelt weiter den Zusammenbruch dieses Kölligrei»« Die Groß; Oper, eine der vielen projektierten Opern» gründungen, kommt nicht zu stände. Das Baugesuch war vom Polizeipräsidenten abgelehnt worden. Die dagegen eingelegte Be» schwerde ist vom Munster abschlägig beschieden worden.