DaS Schreiben ist charakteristisch für die Anschauungen der Grubenkapitalisien. Sogar die milde, zaghafte Sozialpolitik eines Posadowsky erfckzeint diesen Herren schon als hyperradikal. Die Arbeiterversicherung kostet Geld, und um dieses Geld werden die Nieseneinkünfte der Donnersmarck und Pleß , der Tiele-Winckler und Ballestrem vermindert.— Aus der„nationalen" Kandidatur des Herrn Hoppstädter ist denn auch nichts geworden. Als ihm die nationale Gesinnung der patriotischen schlesischen Kohlen- und Hüttenmagnaten in ihrer ganzen Schönheit klar geworden war, lehnte Herr Hvppstädter ab. Doch können wir uns nicht versagen, aus einem seiner Briefe noch eine Stelle abzudrucken, die beweist, welche Mittel sich die Schlot- barone die Bekämpfung der sozialdemolratischen Arbeiterschaft kosten lassen. Die Stelle lautet: „Politische Blätter nationalen Charakters sind heute, von verschiedenen Ausnahmen abgesehen, unrentabel; sie erfordern jährliche Zuschüsse in erheblicher Höhe. Für Waldenburg dürfte nach meiner Schätzung dieser Zuickutz jährlich 25 000 Mark betragen, und ich halte eS für fraglich, ob sich dort genügend viele und finanzkräftige Gönner eines solchen Uniernehmens finden. Die nationalliberale Partei des ReichstagswahlkreiseS Bochum hat ei» jährliches Defizit für Parteiorganisation von rund 85 000 M. zu decken." Der Versuch der Aufstelluug solcher„nationalen Ar- beiterkandidaten" wird in anderen Kreisen wiederholt tverden. Der obige Briefwechsel zeigt, welchen sauberen Zwecken das ganze Manöver dient.— Ans einer sozialistischen Stadtverwaltung. In Milwaukee, wo unsere Genossen seit bald Jahres- frist die Mehrheit der Stadtverwaltung bilden, fand kürzlich ein Streik der Schneider statt. Während desselben gab Genosse M e l m s, der Präsident des Stadtrats, den aus- ständigen Schneidern die Versicherung, die städtischen B e Hörden ivürden nicht zugeben, daß die an den verschiedenen Fabriken stationierten Polizisten in den Lohn- kämpfen Partei ergreifen. Wie der„Vorwärts", das Organ der sozialdemokratischen Partei in Wisconsin , berichtet, sagte Melms: „In Milwaukee werden Ausständige nicht mit Polizeiknüppeln bearbeitet, wie es in Chicago der Fall ist. Streiker haben ein gutes Recht, Streikposten auszustellen und von der Waffe des Boykotts Gebrauch zumachen- Ich kann Ihnen gar nicht eindringlich genug den Rat erteilen, vor allen Werkstätten, in denen Sie die Arbeit niederlegen, im Umkreise eines Stratzengeviertes Skreikposten aufzu- stelle». Können Sie nachweisen, daß ein Mann ein Streikbrecher ist, so nennen Sie ihn nur getrost einen Scab(Schwarz- bei», Schimpfname für Streikbrecher). Kein Polizist wird Sie des- halb verhaften, kein Gericht verfolgen." Da aber der Miltvaukeer Polizeichef sich doch nicht neutral verhielt, sondern angefeuert durch die Berichte über die Heldem taten seiner Berufskollegen in Moabit Jagowsche Gelüste der- spürte, forderte Genosse Seidel, der neugewählte s o z i a- l i st i s ch e Bürgermeister von Milwaukee , vom Stadtrat die Absetzung des Polizeichefs und schrieb letzterem folgenden Liebesbrief: „Herrn John T. Jausten, Polizeichef, Milwaukee , Ms.- Werter Herr I Es sind hier Klagen eingelaufen, daß außer Be schäfligmig gesetzte Bürger in letzter Zeit von Polizisten mit Schimpf warten belegt und roh behandelt worden sind. WaS immer diesen Klagen zugrunde liegen mag, so will ich eS verstanden wissen, daß kein Mann der Polizeimacht das Recht hat, jemanden zu belästigen, der das Gesetz nicht verletzt. Ich erwarte von Ihnen als Polizeichef, daß Sie den Leuten ihres Departements klarmachen, daß niemand belästigt oder beleidigt werden darf, der innerhalb seiner gesetzlichen Rechte bleibt. Vorgesetzte, welche oben ge- rügte Praktiken dulden, und Patrolmänner, die sie praktizieren, werden zur Verantwortung gezogen werden. (Naltdruck verlöten.) Die Arbeiterbewegung in Japan . Von C h a g r i n. In der Literatur, die sich mit den wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Verhältnissen des Mikadoreiches beschäftigt, stößt man allenthalben auf recht erfreuliche Berichte über seine(moderne) Arbeiterbewegung. In der amerikanischen , englischen und französi- scl)en Presse noch mehr als in der deutschen . Wenn es nur bürger- liche Autoren der romanischen und angelsächsischen Welt wären, könnte man ihre Berichte über den Sozialismus in Japan über- gehen, denn sie haben über ihn recht dehnbare Ansichten. Sie sehen zuweilen sozialistische Triebtmft, wo ihr genaues Gegenteil, die Reaktion, das' treibende Agens ist. Aber auch Sozialiston wissen von der prächtigen Entwickelung der modernen Arbeiterbewegung im Lande der aufgehenden Sonne zu berichten. Bei diesen geht das um so leichter, da der Wunsch ihre Federn führt. Auf dem internationalen Kongreß zu Stuttgart proklamierte der ameri- kanische Delegierte Simons: Japan hat sich in kurzer Zeit nicht nur zum Kapitalismus, sondern auch schon zum Sozialismus entwickelt! Glücklich die, die nicht sehen imd doch glauben I Wohl dem, der nicht hinaus zieht, um die wunderbaren Kräfte kennen zu lernen, die in dem versteinerten Feudalstaat von gestern in kurzer Zeit Kapitalismus und Sozialismus entwickelten. Japan hat— leider— noch keine klassenbewußte Arbeiterbewegung, weder eine moderne Gowerlschafts- organisation. noch eine sozialistische Partei. Da sich über ein Nichts nichts sagen läßt, so können diese Zeilen auch eigentlich nicht die Arbeiterbewegung Japans behan- deln, sondern sie sollen die Ursachen darlegen, warum es noch nicht dazu kommen konnte, und auch, warum Persuche, eine zu schaffen, scheitern mutzten und vorderhand auch noch scheitern werden. Aber, höre ich sagen, wie tonnten denn so ermutigende Be- richte geschrieben werden? Abgesehen vom bürgerlichen Schrift- steller Sicad(im Buche Great Japan), der die eifrig geldsuchende japanische Autokratie für das Abendland verschönern mußte, und abgesehen von dem Sozialisten Longuet(in: La Revue), der mit dem Sand baute, den andere geliefert hatten, wie sollten die an- deren Beschreiber Japans zu ihren Ansichten gekommen sein? Vielen von diesen Autoren gehks schon bei der Beschreibung der Industrie Japans wie den Indianern am Mississippi bei der Be- urteilung der Dampfboote. Wie diese die Stärke und Gefährlich- ■feit eines Dampfers nach der Mäste und Schwärze des Qualms fchätzicn, die dem Schlote cntivich, so beurteilen jene die Größe und Konkurrenzfähigkeit der japanischen Industrie nach der Qualität und Quantität des Ausflusses der Fabrikschornsteine. Tie Zahl der Blechkamine macht sie aufmerksam, ihr tief schwarzer Qualm macht sie stutzig, das aus den Werkstätten an ihr Ohr drin- gende Getöse macht sie ängstlich— und im Fluge sind einige Kapitel über die Stärke der japanischen Industrie, über die gewaltigen Hoffend, daß die bereits hier eingelaufenen Berichte sich zum wenigsten als übertrieben erweisen werden, verbleibe ich Achtungsvoll Emil Seidel, Bürgermeister." Der Erfolg ist nicht ausgeblieben I Da die Polizei nicht mehr zugunsten der Unternehmer die Streikenden mißhandeln und an der Ausübung ihres Rechts auf Streikposten und Boykott hindern durfte, konnte der Ausstand durch Leo Mittelung des Bürgermeisters Genossen Seidel sehr bald zugunsten der Arbeiter beigelegt tverden. In Chicago dagegen trieb es die Polizei wie in Moabit . Die„Chicagoer Abendzeitung" berichtet darüber: „Hier wird auf die Streikcr die Polizei loSgelaffen, die offen für die Uuternehmer Partei ergreift und als ihr unbedingtes Werkzeug sich betrachtet. Stceikpostenstehen wird den Ausständigen verboten, die Polizei selber aber steht Posten für die Unternehmer, beschützt die Arbeitswilligen und provoziert Zuscunmenstöße zwischen diesen und den um ihr Recht kämpfenden Streikern. Wo ihrer mehrere zusammen auf der Straße stehen, werden sie auseinander geknüppelt; ins Zentrum der Stadt läßt man die Streiker in geschlostcnen Reihen überhaupt nicht; wie hinter einer chinesischen Mauer werden sie innerhalb einer bestimmten Grenze festgehalten. Menschenrecht und Bürgerrecht der Streiker wird so gleichermaßen von der Stadtverwaltung mit Füßen getreten." Der Vergleich zwischen dem kapitalistisch verwalteten Chicago und dem sozialistischen Milwaukee kann diesseits wie jenseits des großen Wassers vielen Arbeitern die Augen öffnen!_ politische Qebcrficbt Berlin , den 3. Januar 1911. Korrigierte Fleischnot. Nach dem Diktum der preußischen Regierung gibt es in Preußen-Deutschland keine Fleischnot, sondern schlimmstenfalls nur eine Fleischteuerung. Um das zu bciveisen, verfiel man bei der letzten Viehzählung, die mit der Volkszählung zugleich vorgenommen wurde, auf einen„Kunstgriff", und das Ergebnis der schlauen Metbode ist geeignet, das Resultat der Viehzählung im Vergleich zu den Zählungen in den Vorjahren höher erscheinen zu lassen, ohne daß eine Vermehrung des Viehbestandes vorliegt. Im Gegensatz zu den Bestinimungen für die früheren Viehzählungen ist nämlich diesmal angeordnet worden, daß auch das auf Eisenbahntransporten befindliche Vieh mitgezählt werde. Ferner mußte auch das aus dem Auslände eingeführte Vieh mitverzeichnet werden. Der Fehler der Rechnung darf nach der Güterwagenstatistik der preußischen Eisenbahnen für 1909 auf 1—2 Proz. geschätzt werden. Wahlentrechtnng durch die schwarz-blaue Wahlkreis- einteilung. Nach der neuesten Volkszählung wohnen in den 48 Groß städten 13,8 Millionen Personen— 21,4 Proz. der Reichs' bevölkerung. Die großstädtische Bevölkerung hat sich somit um über 2 Millionen vermehrt und nimmt von der Gesaml zunähme allein 42 Proz. in Anspruch. Im Reichstage sind aber die 48 Großstädte nur durch 62 Wahlkreise vertreten, in denen mehr als der dritte Teil der Reichsbcvölkeruug lebt! Es müßten also den Großstädten auch ein Drittel der Abgeordnetenmandate--- 132(statt wie jetzt 62) zustehen! So lange die schwarz-blaue Mehrheit nicht gebrochen wird, ist an eine vernünftige Neueinteilung der Wahlkreise im Reiche und auch in Preußen, wo sie ebenso dringend notwendig ist, nicht zu denken. Hat doch das Zentrum bei der vorjährigen Beratung der preußischen Wahlrechts Vorlage die Forderung der Neueinteilung der Wahlkreise zusammen mit den Konservativen rücksichtslos nieder gestimmt! Für jeden Freund des politischen Fortschritts muß es deshalb immer wieder heißen: Nieder mit dem schwarz-blauen Block der Reaktion! Erfolge des braunen Genius und über die gelbe Gefahr auf dem Weltmarkt fertig. Dann hören sie die Kopfzahl der Fabrik- arbeiterschaft, es wird ihnen von den niedrigen Löhnen berichtet, von dem Elend des Proletariats zeugt der Reistopf�der Rikscha- leute— und nun wird daraus mit unheimlicher Sicherheit geschlossen. daß es eine sozialistische Bewegung geben müsse. Daß deren Stärke oder Erfolgsaussicht der Schwärze des Proletarier- elendes entsprechen muß, ist selbstverständlich. Umfangreiche Ar- tikel über die sozialistische Bewegung sind die unansbleibliche Folge. Hätten diqe federgewandten Leute industrielle Großbetriebe mit den Augen des Fachmannes gesehen, hätten sie eine Ahnung von der Organisation moderner Fabriken, kennten sie die Arbeits- Methoden und die geistigen und beruflichen und moralischen Ouali- täten unserer Fabrikarbeiterschaft, kurzum, verständen sie ettvas von den Notwendigkeiten für den Aufbau einer konkurrenzfähigen Industrie, ihre Berichte über die gelbe Gefahr auf dem Weltmarkt wären vielleicht ungeschrieben geblieben. Und wüßten sie, daß es noch anderer Dinge bedcktf. als qualmende Fabrikschlote, schwarzes Elend und achthunderttausend vegetierender Industriearbeiter, ehe eine klassenbewußte Arbeiterbewegung möglich ist, so hätte sie ein Blick auf die japanischen Verhältnisse gelehrt, daß es heute eine klassenbewußte Arbeiterbewegung im Lande des GottfohneL Mikado nicht geben kann, es sei denn, sie sei ein Helles Wunder. Für das nicht durch sozialistische Erkenntnis und fachmännische Bildung geschärfte Auge mußten naturgemäß Nebensachen zu Hauptsachen, vage Erzählungen zu vollendeten Tatsachen. Halluzi- Nationen und Illusionen zu ernsten Berichten werden. Eine Kon- trolle war kaum möglich, denn in Europa ist die Kenntnis über die sozialen Verhältnisse Japans schloach und der Weg dahin viele tausend Meilen weit. Und die, die berufen wären, einer Legenden- bildung entgegenzutreten, unterließen es, weil sie sich davon einen Vorteil nicht versprachen. Damit ist aber dem llassenbewußten Proletariat schlecht gedient. Es braucht Wahrheit vor allem. Ihm können Täuschungen und Schönfärbereien, so gut sie auch ge° meint sein mögen, nur schaden. Es muß ungeschminkten Bericht über die Stärke oder Schwäche aller seiner Teile haben, damit ihm Enttäuschungen erspart bleiben. Ein in Europa als Sozialist angeschener Japaner, der, da er durch die anglo-amerikanische(Partei-) Schule gegangen»st, nicht die straffe Vorstellung der deutschen Sozialdemokraten von einer Arbeiterorganisation haben kann, gab mir, als ich vor einiger Zeit von ihm schied, unter anderem auch folgende Zeilen mit auf den Weg: „Es muß schon vor dem chinestsch-japanischen Kriege in Japan einige Sozialisten gegeben haben. Aber eine wirkliche sozialistische Bewegung in irgendrner Form gab es niemals vor Beendigung dieses Krieges. Es war am 20. Mai, als sechs Sozialisten eine sozialistische Partei(!?) in Japan gründeten in der stillen Er- Wartung, daß sich nach der Konstituierung(der Partei) die Gc- werkschaft der Lokomotivführer anschlösse." Aus diesem Anschluß wurde es aber nichts, weil von dieser Gewerkschaft, die ein glück- licher Streik(eher eine Uebeitrumpelung der Bahnkompagnie) von ein paar Tagen geboren hatte, nichts mehr zum Anschließen übrig Mandatsmiide. Der fortschrittliche Abgeordnete Enders, der bei den Block« Wahlen im Kreise Sonneberg-Saalfeld gewählt wurde, hat seine Zutage, in dem Kreise wieder zu kandidieren,„mit Rückficht auf die völlig veränderten Verhältnisse im Wahlkreise" zurückgezogen. Diese „völlig veränderten Verhältnisse" bestehen darin, daß der Fortschritt so ziemlich abgewirtschaftet hat und seine Niederlage im kommenden Wahlkainpfe nicht zweifelhaft sei» kann. Enders siegte mit 13 181 Stimmen über den Genossen ReißhauZ, auf den 12 713 Stimmen gefallen waren. Erweiterung der Erbschaftssteuer in Hamburg . Der Ausschuß der Hamburger Bürgerschaft, der über eine M« ändening des Hamburgischen Erbschaslsstcucrgesetzes berät, schlägt dem Senat vor, die in Hamburg längst bestehende Erbschaftssteuer für AbkLmmlinge durch eine Scheiikungssleuer für Abkömmlinge zu erweitern. Die Bedenken, daß dadurch der be- rühmte germanische Fainiliensinn in Gefahr gerate, wurden durch den Hinweis beseitigt, daß die Schenkungsabgabe für Abkömmlinge in Bremen , wo sie seit 1904 besteht, zu keinerlei Unzuträglichkeite» gc- führt habe._ Narrenstreich oder Schurkenstreich? In der„Schwäbischen Tagwacht" lesen wir: „Von genau unterrichteter Seite geht uns die Nachricht zu, daß iln ganzen 1ö. Armeekorps— ob in der gesamten Armee, entzieht sich der Kenntnis unseres Gewährsmannes— ein st r e n g vertrauliches Schreiben im Unilauf ist. nach welchem an die über die Feiertage beurlaubten Soldaten von sozialdemokratischer Seite Flugblätter verbreitet worden sein sollen. Die Militärbehörde setzt nun voraus, daß diese Flugblätter von sozialdemokratisch ge- sinnten Mannschaften mit in die Kasernen gebracht werden, und befiehlt daher, daß die Leute bei ihrer Ankunft aus den Ferien sofort nach den Schriften untersucht werden. ES bedarf nicht erst der Versicherung, daß die Sozialdemokratie mit der Socke nicht das geringste zu tun hat. Sie lehnt entschieden und unter allen Umständen jede Agitation unter den aktiven Sol- baten ab. Zum Ueberfluß beweist aber auch das in Frage kommende Flugblatt, das tatsächlich existiert, daß es sich um einen plumpen Schurkenstreich handelt, der manche jungen Leute im Waffenrock inS Unglück stürzen kann. Den Soldaten wird zugemutet, am 27. Januar (den, Geburtstag des Kaisers) den Gehorsam zu verweigern und den Parademarsch nicht zu machen! l„Rache für 1849 und 1866... Das Volk steht auf unserer Seite!" so lauteten die Tiraden, von denen kaum anzunehmen ist. daß sie dem Gehirn eines Narrenhäuslers entsprungen sind. Viel näher liegt, daß Werk- zeuge deS Reichsverbandes oder einer anderen Gesell- schast, die die Sozialdemokratie ausrotten will, die Hand im Spiel haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach soll mit dem Flugblatt die Gefährlichkeit der Sozialdemokratie fürs stehende Heer bewiesen werden, um so die Regierung zu verschärften Maßnahmen zu ver- anlassen. Um diesen Zweck zu erreichen, schrecken die Urheber vor einem verbrecherischen Mittel nicht zurück. Es bedarf nur dieses Hinweises, um vor dem Schurkenstreich aufs dringendste zu warnen."_ Eine Anerkennung sozialdemokratischer Tätigkeit in de« Kommune«. Die Reichsverbandsblätter wissen oft von„wüster sozialdemo- kratischer Mißwirtschaft" in denjenigen Gemeinden zu fabulieren, in denen unsere Genossen einen gewissen Einfluß auf die Gestaltung der Verwaltung haben. Auf allerlei Erdichlungen kommt es den vom Reichsverband zur Verleumdung der Sozialdemolralie bedienten Blättern dabei nicht an. In nachstehendem sei deshalb ein Urteil über die Tätigkeit sozialdemokratischer Gemeinde« Vertreter mitgeteilt, das die Reichsverbandspresse schwerlich in ihre Spalten ausnehmen dürfte. In den Stadtgemeinden Solingen , Wald, r ä f r a t h und H ö h s ch e i d(oberer Kreis Solingen ) besitzt d i e Sozialdemokratie schon seit Jahren sämtliche Mandate der dritte tt Abteilung. In Höhscheid verfügen unsere Genossen sogar über die Mehrheit im Kollegium. Diese vier Stadtgemeinden liegen eng zusammen und wachsen von Jahr zu Jahr mehr in- einander hinein. Vor Jahresfrist gingen unsere Ge- nossen der Stadtverordnetenkollegien der vier Gemeinden in einer gemeinsamen Konferenz daran, die Frage der Ver« einigung dieser vier Gemeinden zu erörtern. Der Vorschlag wurde vom Oberbürgermeister it. Solingen aufblieb. Es wurde dann versucht, die Arbeiter im allgemeinen für die neue„Partei" zu gewinnen. Die schwachen Kräfte der paar Leute, die sich als Partei aufgetan hatten, mußten für die Erhal-- tung der Zeitung, oder, wenn dahingesiecht, für die Schaffung einer anderen eingesetzt werden. Sozialistische„Parteien" sind dann später oft gegründet wor- den. Beim Durchblättern der Zeitungen stößt man wiederholt auf Notizen, die eine neue„Partei" melden. Das letzte(?) Mal wurde eine von zwei Mann(am 21. Dezember 1908) gegründet. Jetzt bestehen sogar zwei„Parteien", eine„radikale" und eine„ge- mäßigte". Aber weder die Anhänger der einen, noch die der an- deren erkennen die Existenz der konkurrierenden Gründung an. Und eigentlich haben beide recht. Denn die Existenz beider ist die Zragwürdigkeit selbst. Daß das Wort Partei in Japan einen weniger bestimmten Sinn hat als anderswo, läßt die oben mit- geteilte Zahl der Gründer unschwer erkennen. Das nämliche gilt auch von den Kongressen. Sieht man von den„GründungSkon- nr essen" ab, so fanden nach den Berichten noch drei statt. Diese Tagungen waren lose Zusammenlünft« einiger Leute, hinter denen weder eine Organisation, noch sympathisierendes Volk stand, von deren Teilnehmern weder eine Berechtigung zur Teilnahme, noch eine sozialistische Gesinnung gefordert wurde. Wer hätte sie for- dem sollen? Der erste Kongreß, der(am 5. und 6. April 1903) in Osaka tattfand. war eine Veranstaltung für propagandistische Zwecke und ein„Erfolg wurde noch gehoben durch die Anwesenheit eines Mitgliedes der österreichischen sozialistischen Organisation"(Lon- tuet in La Revue). Als nächster„Kongreß" tagten(März 1908) ünfundzwanzig Mann in dem Zimmer des radttalen„Genossen" >!ischikaiva— um den Kameraden Kataya ma auSzu» schließen. Aus was aber Katatzama ausgeschlossen wurde, wird nicht gesagt. Wenn ich die krausen Berichte richtig verstatt- den habe, hat auch dann die weniger radikale Seite einen„Kon- greß" gegen die Ausschlietzer zusammengetrommelt. Der Streit in der ein paar Köpfe starken„Partei" hatte die Spaltung in einen„anaräsistischcn" und einen„sozialistischen " Flügel zur Folge. Diesen Zustand braucht niemand tragisch zu nehmen. Denn diese Parteien sind ein zufälliges Zusammenfinden mehrerer Leute. Das gleiche gilt auch von den„Kongressen". Hinter beiden steht keine Organisation, aus dem einfachen Grunde, weil es keine gibt. Uebrigens wird das Gesagte auch von dem schon zitierten Gc- nassen bestätigt:„Die Sozialisten des Landes haben keine Parteiorganisation, keine andere Verbindung, als es die Zeitung(ein vierseitiges Monatsblatt, daß durch die An» strengung zweier Leute gerade weitergeschleppt werden kann) dar- stellt. Aber wir(müssen) haben eine lose Organisation in Tokio , denn cS gibt cinhundertsiebzig Leute, die bei gewissen Gelegenheiten von der Polizei überwacht werden. Jetzt haben wir eine ge, schlossene Vereinigung von einigen Sozialisten. Sie versammeln sich jeden dritten Mittwoch, um hei X. X. Abendbrot zu essen. ES ist die Veröffentlichung von Flugblättern in nächster Zukunft ge» plant." Dieser Bericht braucht keinen Kommentar. Er läßt die Beschaffenheit der Parteibewegung schrecklich klar erscheinen.
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