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Nr. 66.

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8. Jahra.

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106. ih i dod fu dur dis8 1929

Berliner Bolksblatt.

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node

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Der Klallentaat.

Donnerstag, den 19. März 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

Ob der Landtag sich um diese herzbewegende Bitte Politische Uebersicht.

fümmern und sie einer Erörterung im Plenum für würdig erachten wird? Das muß man abwarten. Wir glauben

Berlin , den 18. März.

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Wir haben immer die Anschauung vertreten, daß der Klassenstaat eine ernsthafte Sozialreform nicht wünschen es indessen kaum, denn namentlich die Herren vom Zen- Die Krisengerüchte, welche wir vor einigen Tagen zu kann und daß er in dieser Beziehung nur so weit Kon- trum haben jetzt Wichtigeres zu thun und haben vor allen registriren hatten, werden jetzt scharf dementirt, am schärfsten zessionen an den Geist der Zeit machen wird, als er zu Dingen die angenehme Aufgabe, ihre Sperrgeld- Millionen das, welches den bevorstehenden Rücktritt des Herrn seiner eigenen Erhaltung für nothwendig erachtet. Die heran zu bugsiren und einzustreichen. Und doch ist der v. Bötticher in Aussicht ſtellte. Bourgeoisnatur, die dem Klassenstaat anhaftet, macht ihn Fall so charakteristisch, wie er nur gedacht werden kann. ebenso profithungrig, wie den Privatunternehmer; dazu Der, christliche Staat", dessen offizielle Vertreter auf den sich die Geschichte mit dem Welfenfonds bezieht. Herr v. Bötticher soll der höhere Staatsbeamte sein, kommt noch das immer anschwellende und schier an den mit so viel Emphase sagen konnten: Liebet die " Nähten plaßende Ausgabenbudget. Wenn das Alles nicht Brüder!" vergißt in diesem Falle ganz, daß Berg - Die Kandidatur des Fürsten Bismarck scheint einen wäre, so müßte der Staat längst mit gutem Beispiel werks- Diätare auch Menschen und folglich" Brüder" sind. neuen 3 w ist in der nationalliberalen Partei Werkstätten Einrichtungen getroffen haben, die der Privat- christlichen" Anwandlungen nicht minder leicht ab, wie datur offiziell von der Fraktion gebilligt und unterstützt vorangegangen sein und in seinen Etablissements und Denn im Produktionsprozesse streift der Klassenstaat die zu entfachen. Während die Einen die Aufstellung eines Gegenkandidaten fordern, wollen Andere, daß die Kandis Industrie als Muster vorgehalten werden könnten. Aber die Privatunternehmer, und indem er einen sogenannten werde. Angeblich soll die letztere Auffassung mehr Aus­davon sind wenig oder gar keine Spuren zu entdecken. freien Arbeitsvertrag zu Stande bringt, ge- fichten haben als die erstere. Der durchaus bureaukratische Geist, der in den Staats- staltet er denselben so, daß alle Vortheile auf der Seite

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industrien vorherrscht, stemmt sich allen zeitgemäßen des Arbeitgebers Staat sind. Der Staatsarbeiter befindet die allergrößte Einigkeit zu herrschen. Das Deutsche Tage­Auch unter den Deutsch- Konservativen scheint nicht Reformen entgegen, so daß der Staat als Arbeit sich in diesem Falle ganz genau in derselben Lage, wie blatt", das bis vor kurzem die Ansichten des Herrn v. Hell­geber sich nur wenig oder gar nicht über das der Arbeiter der Privatindustrie; er unterliegt den dorf vertreten hat, ist durch einen Utas der Partei in Acht Niveau des privaten Arbeitgebers erhebt. Obschon Schwankungen von Angebot und Nachfrage und seine und Bann gethan worden. Diesem Entschlusse sind wohl die Staats- Industrie der Konkurrenz des Waarenmarktes Dienste mögen noch so trefflich, seine sonstigen Eigen- nicht die freundlichsten Erörterungen innerhalb der deutsch­nur in den seltensten Fällen ausgesetzt ist, da sie ja ihren schaften noch so tadellos sein er kann jeden Augenblick konservativen Fraktion vorangegangen. zugewiesenen Absatz hat, so werden doch Löhne gezahlt, überzählig" werden und dann ist-nach Malthus als ob die gewöhnlichen Unternehmer- Interessen maßgebend- der Tisch für ihn nicht mehr gedeckt. Das ganze ultramontane Deutschland beklagt ein­wären, und die Verwaltungen der Staatswerkstätten machen Weise Staatsmänner würden danach gestrebt haben, Pracht und unter außerordentlicher Betheiligung fand heute müthig den Tod seines hervorragendsten Führers. In großer sich die industrielle Reserve- Armee" gerade so zu Nuzen, einen solchen schreienden Widerspruch zwischen Theorie die Leichenfeier in Hannover statt. An der Bahre wie der Privatkapitalist. Daher kommt es auch, daß im und Praxis aus der Welt zu schaffen. Mehr als ein Windthorst's wird viel darüber gesprochen, wem die Nach­Eisenbahnbetriebe bei den niederen Beamten die Ueber- mal haben die sozialpolitischen Knappen des Fürsten folge in der Führerschaft der stärksten parlamentarischen bürdung nicht abgestellt wird; daher die lange Arbeitszeit Bismarck an den grünen Tischen sich gerühmt, sie hätten Partei des Reiches zufallen wird. Heute wird Graf bei der Post, daher die Zurückweisung der Forderungen mit ihren Versicherungsgesehen der sozialistischen Be- Ballestrem als der prädestinirte Führer des Zentrums ge­der fiskalischen Bergarbeiter, daher die vielen Klagen, die wegung den Boden abgegraben. Ein einfacher Blick auf nannt. Wir können nicht glauben, daß der Vizepräsident in einer der letzten Reichstags- Sizungen die Abgg. Ulrich die Thatsachen beweist das Gegentheil. Ganz abgesehen des Reichstages die Partei leiten und zusammenhalten und Bruhns vorzubringen hatten, ganz abgesehen von den von der Inhaltslosigkeit der Bismarck 'schen Sozialreform

fann.

politischen Maßregelungen, wie sie z. B. in den Werft- wie konnte man glauben, die aufgeklärten Arbeiter Alle bürgerlichen Parteien sehen wir in Zersehung ordnungen vorgesehen sind. Wie der industrielle Bour- würden einer Sozialpolitik Vertrauen entgegen bringen, begriffen, die Ultramontanen fühlen sich führerlos geois nutzt die Staatsgewalt die Ueberlegenheit des Ka- die vorgiebt, sich hilfsbereit zwischen Arbeiter und Unter- und niemandem trauen sie die Fähigkeit zu, Windthorst pitals im Produktionsprozesse aus. Dies geht zur Evidenz nehmer zu stellen, und die sich nicht entschließen kann, liberalen haben sich das Zeugniß für das rasche Fort­auch nur theilweise ersetzen zu können; die National­hervor aus einer Eingabe, welche vier Bergrevier- Diätarien die Praktiken des Unternehmerthums aus ihren eigenen schreiten des Auflösungsprozesses von Herrn Rittershaus aus Nassau an den preußischen Landtag gerichtet haben, Etablissements zu beseitigen! in der sie die Intervention des Landtages gegenüber schriftlich geben lassen; auch unter den Konservativen Der Klassenstaat kann, wie jedes andere Geschöpf, lassen sich, wie der Erlaß betr. das Deutsche Tageblatt" dem Arbeitgeber Staat anrufen. Diese Leute sind nicht aus seiner Haut heraus, und diese Haut ist beweist, Zeichen der Uneinigkeit nicht verheimlichen, und Herr vom Staat so angestellt, daß sie eine dreimonatliche e ben eine Bourgeoishaut. Kündigungsfrist einzuhalten haben, während der Staat, Eugen Richter , der noch vor 14 Tagen auf die ge­Die neue Nera" wird an diesen Dingen so wenig etwas schlossenen Abstimmungen seiner Partei stolz hinwies, mußt wenn er sie entlassen will, an teine Kündigungsfrist ändern, als sie bis jetzt etwas daran geändert hat. Sie eine Reihe getrennter Abstimmungen seiner Parteigengsen gebunden ist. Obwohl schon lange im Dienste, schwebt hat so wenig neue Ideen, wie die Nera Bismarck. Sie bei der Berathung des Marine- Etats miterleben. Neue über den Leuten dennoch unaufhörlich die Befürchtung, würde Alles thun, um die kapitalistische Produktionsform stehen, wenn auch nicht in der allernächsten Be bevor. Parteigruppirungen innerhalb der bürgerlichen arteien daß sie eines Tages auf die Straße gesetzt werden und zu verewigen, wenn eben nicht diese Produktionsform die Einzig unsere Partei steht einig und fest obgleich dem Elend anheimfallen. Sie wollen dauernd als Beamte zerseßenden Stoffe in sich selber trüge und nicht bereits die Gegner sich mühen, Uneinigkeit innerhalb erer Reihen angestellt sein, wie sie vom Landtage mit bittenden in einen Auflösungsprozeß eingetreten wäre. Das wollen zu konstatiren und jede etwas lebhaftere skussion, jede Herzen und Händen" verlangen. freilich die Sozialpolitiker des Klassenstaates nicht begreifen. von der Fraktion abweichende Meinung als den Anfang

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Feuilleton.

Nachdruck verboten.)

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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol

von Robert Sa, weichel.

Meint der Vater?" sah er verwundert von seiner Be­schäftigung auf. Und das hat er zu Dir gemeint?" Ach nein, wie sollt' er? Die Muhme hat mir heut Morgen davon gered't."

ruhig sagte sie:" Nein, Brosi, daran hab' ich nicht gedacht. Wir können schon noch warten, wenn es sein muß." Wie die Juden auf den Messias," spöttelte er. Bum Teixel, Lisei, warum läßt Du den Lechner nicht laufen. Du könntest jeden Tag einen Besseren haben."

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Sie sah ihn traurig an und er murrte unbehaglich: Na, Lisei." Mit einem wehmüthigen Lächeln fuhr sie fort: Als wir zwei Beide noch Kinder waren und Du wolltest den armen Hannes, der sich gegen Dich nicht wehren konnte, Nein, Bruder, einen Besseren nicht," versetzte sie warm. drücken und zausen, da hab ich wohl mit Dir gerungen und Du würdest auch nicht so reden, wenn Du ihn kenntest. gerauft, wann Du im Guten nicht hören wolltest. Jetzt it's mit dem Raufen zwischen uns vorbei, ſonſt that ich's,

Was hat er Dir nur gethan, daß Du ihm so zuwider bist?

Mir thut's weh, Broft."

" Was könnte der mir auch thun?" rief er hochfahrend, indem er das Haar aus der Stirn schüttelte." Aber er ist

ein Fremder, ein verdammter Bayer ist er."

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ES

von wegen des Unrechts, das Du dem Wolf thust."

er, und sie setzte hinzu: Ich geb' Dir auch jetzt keine Ruh, Ja, Muth haft gehabt, das muß wahr sein," lachte bis Du es eingesehen hast, daß der Wolf Lechner der bravste. Mensch ist, und daß Du es weißt, von ihm lassen thu' ich nicht."

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Er hat sich in der Gemeind' eingekauft mit einer Feuerstell' und als Meister," entgegnete Lisei nachdrücklich Da bin ich doch neugierig, in was für einen Rochtopf Darum gehört er zu uns, und er hält auch in allen Stücken zu Meinetwegen. Im Grund geht's mich nichts an," ver die mich stecken will," scherzte er, und Lisei entgegnete mit uns. Seine Schuld ist's doch nicht, daß wir haben bayerisch setzte" er, ihr die Hand reichend." Na, Lisei, ich will Dir dem Anfluge eines Lächelns:" Den Topf haben sie noch werden müssen? Und hat er davon nicht ebenso viel zu nicht entgegen sein." nicht ausgesucht, sie und der Vater. Die Muhme Vefa leiden wie wir? Er hat mir auch oft erzählt, daß in Gar­hat mir aber erzählt, daß der Vater dem Hartwanger, wie misch, wo er daheim ist, in Oberbayern , die Menschen ganz lassen?" rief sie, seine Hand herzlich schüttelnd. Und, gelt, Brofi, allzulang wirst Du uns nicht warten er das letzte Mal ist hier gewesen, den Auftrag gegeben dieselben sind, wie in unserem Tirol. Sie haben denselben hat, sich nach einer Frau für Dich umzusehen." Glauben wie wir, sie reden dieselbe Sprach' wie die Deutsch " Das ist lustig," lachte er laut. Möchte wohl tiroler, und ihr Land schaut aus wie das unsrige. Es sehen, wie die beschaffen ist, von der der Hartwanger könnte Einer weit, weit in das Oberbayern hineinwandern, glaubt, daß sie mir gefallen könnte." sagt er, und würde nimmer glauben, daß er nicht mehr in Wirf's nicht so weit von Dir," mahnte Lisei. unserem Tirol ist. Ich hatt' immer gehofft, daß Du dem Wolf Warum denn?" fragte er, das Schloß, welches er in ein rechter Bruder sein würdest, und er ist Dir gut gesinnt, wenn zwischen eingeölt hatte, wieder an die Büchse schraubend. er auch in seiner Berständigkeit nicht alles loben kann, was " Ja ſo, ich versteh," und er pfiff leiſe. Du willst mich Du anstellſt. Jegt hast Du Dich aber auch zu seinen Wider- die Stafi, das ist eine Gitsche, so lieb, wie es keine zweite Toch unter die Haube bringen, damit Du nicht länger auf fachern gestellt, und Du mußt doch wissen, daß alles, auf der Welt nicht giebt, und ich will Reinem rathen, sie in Deinen Wolf zu passen brauchst." was Du gegen ihn sinnst und thust, auch Deine Schwester den Mund zu nehmen. Auch von Dir leid' ich's nicht." Aber Du selbst bringst sie in das Gered' der Leute",

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Lisei's Wangen rötheten sich ein wenig höher, aber trifft."

Du meinst, weil der Hartwanger auf die Brautschau gegangen ist?" fragte er achselzuckend. Alleweile dent' ich nicht daran." " Und die Stafi Larseit?" fragte die Schwester leise. Er schaute sie mit großen Augen an. " Bruder", bat sie und streckte die Hand gegen ihn aus. " Ich weiß nicht, was Du willst", versetzte er. Ja,