fahte und die Anklage CiS in alle Schlupfwinkel mit spitzer, kritischerSonde verfolgte. Der Verteidiger zeigte die viele» Unwahrschcin-lichkeiten und Unmöglichkeiten der Wellschmidtschen Darstellung undwies mit scharfer Logik nach, daß es auch um die Glaubwürdigkeitder anderen Zeugen, die zwar- nicht die zur Anklage gestellte Tat.aber andere belastende Nebeuuiomente bekundet haben, sehr schlechtsteht. Er erhob sich dabei zu einer allgemeinen schneidenden Kritikder Aussagen jener an Zahl nicht geringen polizeilichen Zeugen, dieeine auffallriider Gedächtnisschwäche befallen hatte, soweit eS sichum Ausschreitungen der Polizei handelt, während sie mit aller Be-stiinmlheit wissen. waS an Ausschreitungen der Menschenmengen undeinzelner Angeklagten vorgekommen ist. Sehr wirkungsvoll hober die klaffenden Differenzen hervor, die zwischen den Dar-stellungen der beiden Schutzleute Lehmann und Mouze be-stehen. Und den scharfmacherischen Uebertreibungen in denstaatsanwaltschaftlichen Behauptungen über die Vorgänge im Pilz-sche» Lokal und den Terrorismus der Streikenden setzte er treffenddie Tatsachen entgegen, datz die Streikleitung und die älterenVerbandsangehörigen stets gewalttätigem Vorgehen gegen die Arbeits-willigen gewehrt haben, dah die Ausschreitungen daher offenbar vonLeuten herrühren, die noch nicht lange genug in der Schule der Orga-nisation waren und die zudem durch die tags zuvor erfolgte Ver-öffentlichung der schamlosen Hiiitzeschen Bekenntnisse aufs höchste gereiztwaren. Sehr eingehend wies er nach, datz die Behauptungen der Anklagedem Gastwirt Pilz eine Dummheit über die andere zumuten. Unterseinen sicheren Streichen blieb von dieser Anklage kein Stein auf demanderen. Der Fall Pilz ist eine der Säulen der Anklage sie istgeborsten durch und durch.Eine andere Säule ist der Fall Sattler. Auf ihn legte dieStaatsanwallschaft ein ganz besonderes Gewicht, weil, wie sie inder Anklageschrift ausdrücklich hervorhob. Frau Sattler Mitglied dersozialdemokratischen Organisation ist und sich bei den Wahlen fürihre Partei eifrig betätigt hat. Hier meinte die Anklagebehördeauch eine der Spuren gesunden zu haben, die von den Unruhen zurSozialdemokratie führen sollte. Aber die sensationelle Ausputzungder Anklage hinderte nicht, dah sie in der Beweisaufnahme ebensozusammenbrach, so sehr, daß Herr Steinbrecht selbst sichder Empfindung nicht zu erwehren vermochte, das Gerichtwerde zur Freisprechung kommen. Trotzdem beantragte er dieungeheuerliche Strafe von zwei Monaten Gefängnis gegendie Frau, der nichts, aber auch gar nichts nachgewiesen ist. Er willsie auf Grund der Aussagen in der Voruntersuchung verurteiltwissen und er schreckt nicht davor zurück, ohne jede tatsächlicheUnterlage von dunklen Einflüssen zu sprechen, die die Zeugen be-wogen haben sollen, ihre Bekundungen in der Hauptverhandlungseiner Meinung nach einzuschränken, anstatt anzuerkennen, daß dieeinseitigen Vernehmungen in der Voruntersuchung wenig geeignetsind, die voll« Wahrheit an den Tag zu bringen. Mit feiner Ironiehat Verteidiger Dr. Cohn in seinem trefflichen Plädoyer die Nichtig-keil dieser beweislosen Behauptungen des Herrn Steinbrecht nach-gewiesen und die Haltlosigkeit seines Antrags auf Verurteilung auf-gezeigt. Auch diese Säule der Anklage ist ebenso zusammengebrochenund eö bleibt nur das Staunen darüber, wie angesichts der Beweis-aufnähme der Antrag de? Staatsanwalts gestellt werden konnte.Dr. Cohn brachte in seiner Rede reiches historischesMaterial zur Beurteilung des Wesens unserer Polizei bei.Er zeigte schlagend, wie aus der Tatsache, daß die Polizei auf vor-märzlichem Standpunkt stehen geblieben ist, sich natürlicherweise dieAbneigung der Arbeiterschaft gegen die Polizei ergibt. Und in er-greifender Rede, die dem Empfinden des Proletariats getreuen Aus-druck gab, wies er nach, daß die Arbeiter Hundsfötter sein müßten.wenn sie nicht im Gedächtnis bewahrten, wie allezeit, wie besondersunter dem Sozialistengesetz, die Polizei ihre Väter, ihre Klassegehetzt hat. Noch einmal entrollte er die Anklage, in die sich dieBeweisaufnahme gegen die Polizei gewandelt hat. in charakteristischenStrichen zeichnete er daö düstere abstoßende Bild ihrer Taten. DerLockspitzelei widmete er eine eingehende Betrachtung, an der Handgradierender geschichtlicher Parallelen wies er die innere Wahrschein-lickkeit der ungeheuerlich klingenden Bekundungen über die Lockspitzel-tätigkeit bei den Moabiter Unruhen nach. Die Erörterung darüber, ob dieOrdensverleihungen in negativer oder positiver Weise zur Beurteilungder Glaubwürdigkeit der Polizeizeugen heranzuziehen sind, schnittihm ein Gerichtsbeschluß ab. Von tiefem Eindruck war der Schluß,der bittere Hinweis darauf, daß solange der Gerechtigkeit nicht Genügegetan sei. als nicht der Totschlag an Arbeiter Herrmann an denschuldigen Polizeibeamten gesühnt sei, die zornige Anklage, daß dieLeitung der Polizei nicht mehr Eifer bei der Suche nach den Täterngezeig» hat.Zu Beginn der Sitzung hatte Verteidiger Dr. Rosenberg fürseine Klienten gesprochen, wobei er zum allgemeinen Teil der An-klage bemerkenswerte Ausführungen machte und zur Kritik desPolizeivorgehens mehrere wertvolle Beiträge lieferte. Auch der imbürgerlichen Lager stehende Rechtsanwalt Bahn wandte sichin seinem Plädoyer gegen die von der Staatsanwaltschaftversuchte Ausschlachuing der Unruhen gegen die Arbeiterbewegung.Den Schluß machte Herr Ulrich. Er hielt die Rede, die von ihmzu �erwarten war; wir hätten sie niederschreiben können, ehe er siegehalten. Ueber den Inhalt wollen wir mit Herrn Ulrich nicht rechten.Es wäre ungerecht, ihn dafür verantwortlich zu machen. Er ist ein armerVerführter, der unser Mitleid verdient. Die verderbte reakiionärePresse, die Blätter der Jimkcr und der Scharfmacher haben ihn aufdem Gewissen; in dieser schlechten Schule hat er keinen Respekt vordem Ringen der Arbeiterklasse um Brot und Freiheit bekonimenkönnen. Schärfster Kampf den Verführern, aber verzeihende Mildedem armen verführten Herrn Ulrich.ver flkiarchisteiMei' in Condon.AuS London wird uns geschrieben:Die Londoner Sensationspressa hat sich in den letztenTagen übertroffen. Bei ihrem Appell an die niedrigsten In-stintte der Menschen greift sie zu den schmutzigsten und ge-meiitsten Mitteln, um den Konkurrenten zu übertrumpfen.Dieses anekelnde Produkt des Kapitalismus hat es schließlichso weit getrieben, daß selbst das englische Witzblatt„Punch",das nur höchst selten beißende Satiren bringt, sich vor kurzemveranlaßt sah, Stellung gegen diese Gesellschaft zu nehmen.Es brachte zu der Zeit, als diese Presse gelegentlich des FallesDr. Crippen wie die Säue im Schmutz wühlte, eineKarikatur, die einen in Zeitungen eingehüllten, von obenbis unten mit Unrat bedeckten Menschen in einer Kloake dar-stellte, der zu den Zuschauern hinausrief:„Werfen Sie mirnur noch einen Halfpenny zu, meine Damen und Herren.«nd ich wälze mich in dem Dreck!"Diesmal hat der Mensch den Halfpenny gar nicht ab-gewartet, sondern sich gleich von Anfang an kopfüber inden Kot gestürzt. Alles was zur Verdächtigung und Vcrun-glimpfung der politischen Flüchtlinge herbeigeschafft werdenkonnte, wenn es mich nicht ein Fünkchen Wahrheit enthielt,wurde aufgeputzt und den erschrockenen Londonern aufge-tischt, Der Umstand, datz einer der mutmaßlichen Ver-brecher, Peter der Maler— 5er übrigens nach 5en letztenPolizeiberichten ein ganz harmloser Mensch sein soll, der mitder Schießerei nickfls zu tun hatte—, einmal in einem nichtmehr existierenden anarchistischen Klub Ostlondons eineSzenerie gemalt haben soll, wurde dazu benutzt, aus demUnternehmen eines gewöhnlichen internationalen Einbrecher-konsortiums eine anarchistische Verschwörung zu machen.Zu einer anarchistischen Verschwörung gehören aber auchanarchistische Klubs, und da man in London, wo nach den An-schauungen der ausländischen Polizeipresse die Anarchisten-klubs so zahlreich wie die Brombeeren sind, keinen Klub auf-treiben konnte, dem man eine anarchistische Tendenz nach-sagen kann, so stempelte man einfach sozialistische Klubs zuanarchistischen. Sogar die„Times" entblöden sich nicht, diesenTrick zu benutzen. Londoner Anarchistenklubs sind keinedauerhaften Gebilde: es sollte mich nicht wundern, wennaugenblicklich in London kein einziger besteht. Es ist schwerzu kontrollieren: denn gewöhnlich leben diese Vereine, vondenen man Kunde erhält, nur ein paar Monate; dannzanken sich die Mitglieder wie die Spatzen und fliegen aus-einander. Aber der Anarchistenkoller hatte sich mit den roman-tischen Schilderungen des anarchistischen Treiben-s noch nichtausgetobt. Vor einigen Tagen wurde in einem offenen Londoner Park ein alter Jude ermordet. Die Tat war hö-�st-wahrscheinlich die Tat eines Irrsinnigen. Bei der Unter-suchung der Leiche fand man, daß auf beide Wangen derBuchstabe„K" eingeschnitten werden war. Sogleich hießes, daß der Buchstabe„K" Spion bedeute. Der ermordete„Russe", in Wirklichkeit war es ein Franzose, so meldete dieSensationspresse, sei von Revolutionären als Spion hinge-richtet worden. Man brachte die Tat gar in> Verbindungmit der Schlacht in Sidncy Street. Der schöne Traum zer-rann aber, als man am nächsten Tage auch anderedeutlich eingeschnittene Buchstaben im Gesicht des Toten wahr-nahm, unter anderem auch den Buchstaben„V", der jedenfalls für„verrückt" stand. Dies sei nur als Beispiel fürdie wahnwitzigen Gerüchke angegeben, die von der Lügenpressein die Welt gesetzt werden.Außer der Sensationssucht mögen aber auch die engenBeziehungen mit der Polizei, die die Rinnsteinpresse in allenLändern pflegt, dazu beigetragen Haben, der Mordgeichichteeinen politischen Anstrich zu geben. Die Londoner Polizeihat sich bei dem Versuch, die Verbrecher zu arretieren, Zweifels-ohne höchst ungeschickt benommen und sucht nun der Affäredurch die Mobilisierung des anarchistischen Popanzes einenganz besonderen Charakter zu verleihen. Jedenfalls gehörtes nicht zur Aufgabe der Polizei, Lynckffustiz zu üben. IhrePflicht wäre gewesen, die Verbrecher lebend den Gerichten zuüberweisen. Die Polizei mit Herrn Churchill an der Spitzehatte den Kopf verloren, das ist klar. Sonst ist es ganz un-erklärlich, daß niemand an das einfache Mittel dachte, dieVerbrecher mit Chemikalien aus dem Hause zu treiben. DieAnarchisten sollen nun dafür büßen, daß sich die Polizei durchdas Auffahren von Schnellfeuergeschiitzen gegen zwei Despe-rados unsterblich lächerlich gemacht hat.Ich habe den ganzen, teilweise von der Polizei inspirier-ten Klatsch durchwatet und nicht eine einzige Stelle gefunden,die ernstlich daraus schließen läßt, daß die an dem Embruchs-versuch in Houndsditch beteiligten Verbrecher Anarchistenwaren. Es ist wohl möglich, daß der eine oder der anderevon ihnen einmal einen anarchistischen Klub besucht hat, viel-leicht gar in Begleitung eines russischen Polizeispitzels, dieim Osten Londons recht zahlreich sind. In Ostlondon be-hauptet man sogar, daß russische Polizeispitzel hinter derAffäre in Houndsditchstecken, wie sie vor zwei Jahren hinterder Tottenhamer Affäre gesteckt haben sollen. Dies sindnatürlich nur Gerüchte, die aber nicht unwahrscheinlicherklingen wie die von der Sensationspresse ausgestreuten Mord-geschichten. Das enge Zusammenwirken zwischen der russischen Polizei und dem russischen Verbrechertum ist ja Welt-bekannt, und der Versuch, England durch die Anstiftung vonVerbrechen zur Aufhebung des Asylrechts zu. bewegen, ist''.r Gesellschaft wohl zuzutrauen.Jedenfalls ist die ganze Geschichte noch recht unklar undman tut gut, das Resultat der gerichtlichen Untersuchungabzuwarten und den Berichten der nach Pfennigen haschendenSensationsprcsse keine allzu große Bedeutung beizumessen.politiscbe(leberlidrt.Berlin, den 9. Januar 1911.Zentrum und Gleichberechtigung.In Bayern, wo das Zentrum das Heft in den Händen hat. willes jedem, der sich offen zu den Grundsätzen und Zielen der Sozial-demokratie bekennt, die Aufnahme in den Staatsdienst versagen.Die Sozialdemotraten sollen weder als Beamte, noch als Angestellteund Arbeiter in Staatsbetrieben zugelassen, d. h. bayerische SiaatS-bürger sollen nach dem Willen der ZentrumSpartei ihrer p o l i«tischen Ueberzeugung wegen brotlos gemacht,vergewaltigt oder zur Heuchelei gezwungenwerden.Demgegenüber erinnere man sich, welche Rolle in den Ländern.wo die Klerikalen in der Minderheit sind, wie in Preußen, dieForderung der Parität, d. h. der Gleichberechtigung der Staats-bürger oh»e Rücksicht auf Glauben und Parteistellung, gespielt Hot.Unter dem Rufe nach Parität ist die Zentnimspartei entstanden.und heute noch erschallt diese Forderung überall da, wo sich Zentrums-angebörige zurückgesetzt glauben.Bor wenigen Tagen war in der„Kölnischen Volks-z e i t u n g'<Nr. 12 vom S. Januar) ein langer Arlikel zu lesenüber den„Kulturkampf in den Städten". Darin wurdegejammert über den Schaden, der dem KatfioliziSmuS zugefügt werdedurch systematische BekSmpfung und Zurücksetzung in den Gemeinden,namentlich im Westen. Dieser Zkulturkamps sei viel heftiger und ge-sährlicher als derjenige, der durch die Gesetzgebung und Verwaltungin Reich und Sloat geübt wurde. Namentlich mache sich dieserKulturkampf auf dem Gebiete der Stellenbesetzung durch AuS»schluß katholischer Bewerber, vom Oberbürgermeister biszum Nachtwächterposten, geltend. Dadurch werde ein. u n-erhörter GewissenSdruck" ausgeübt, insofern, als jemand,der eine Stelle erlangen oder behalten wolle, gezwungen sei. liberalzu wählen, auch wenn er anders gesinnt sei. Der Arlikel schließt:Daß eine ist sicher, wenn dieKatboliken nichtzur Klasse der Paria in Preußen herabsinkenwollen, dann genügt es nicht, daß sie Gleich-berechtigung aus staatlichem Gebiete erringen.sondern dann ist noch viel wichtiger, daß sie dieGleichberechtigung aufkomm unalemGebiet, vorallen, in den großen Städten erringen.In Preußen, wo das Zentrum die Minderheit hat, wehrtes sich mit Händen und Füßen dagegen, zur Klaffe der Pariaherabgedrückt zu werden. In Bayern, wo eö am Ruder fitzt,nimmt eS keinen Anstand, offen die Regierung aufzusordern, daß sieeinen großen Teil der Bevölkerung vergewaltigt, in die Klaffe derParia hinabstößtlIn derselben„Kölnischen VolkSzeitung"(Nr. 22 vom3. Januar) findet sich eine Zuschrift auS alademischen Kreisen Süd-Westdeutschlands. Darin wird dargelegt, daß es in der Gegenddes Einsenders eine ganze Anzahl katholischer Akademiker gebe, diesich aber scheuten, sich dem Zentrum anzuschließen, weil sie dadurchwirtschaftlicheodergesellschaftlicheSchädigungettfürchteten. Es sei eben ein ungeschriebenes Gesetz, daßdie Zentrumsleute geduckt werden sollten. Der Artikelschließt:Es muß vor allem dafür gesorgt werden, daßwir Beamten unerschrocken in aller Oefsentlich-keit den Zentrumsstandpunkt vertreten können,unddas ist nur möglich, wenn von feiten derAufsichtsbehörde keinerlei Schwierigleiten ge-macht werden.Wir habe» niclits dagegen, daß das Zentrum sich dagegen wehrt,wenn seine Angehörigen ihrer politischen und religiösen Ueber-zniguiig wegen„geduckt" werden. Aber welche» Maß von Heucheleigehört dazu, wenn dieses selbe Zentrum anderswo in brutaler Weisesich anschickt, eine gegnerische Partei in noch viel gemeinerer Weisezu ducken?Und noch ein drittes. Das bayerische Zentrum will mit allenMitteln die sozialdemokratische Agitation unter den Beamten undStaatSarbeitern unterbinden. Und doch macht es auch hier wiederumin der ergiebigsten Weise von einem Rechte Gebrauch, daS eS anderenversagt. Der katholische Volksverein, die bekannteZentrnmsorganisation, kündigt in der klerikalen Presie an, daß imkommenden März an der Zentralstelle des Vereins in M.-Gladbachein„sozialer Kursus für öffentliche Beamte" statt-findet. Die Zentralstelle rechnet auf zahlreiche Teilnahme uud er-sucht die Beamten, ihre Dien st- undUrlaubSverhält-nisse mit der vorgesehenen Zeit in Einklangzu bringen. In dem Kursus werden nach einleitendenVorträgen über die wirtschaftliche Entwickelung und dieheutige Struktur unserer Volkswirtschaft zur Behandlung kommen:Die Eigenart des deutschen BeanilentuinS und Beamtenrechts,die staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte, dieberusliche und wirtschaftliche Selbsthilfe, die Stellung desBeamten innerhalb der Volkswirtschaft, seine soziale undstaatsbürgerlich« Schulung, solvie seine Mitarbeit aufsozialgemeinnützigem Gebiete, in der Armenpflege und Wohltätigkeitund der staatsbürgerlichen Erziehung de» Volkes!Waß sich hier unter dem unverfänglichen Namen„sozialerKursus' präsentiert, ist in Wirklichkeit nichts als ein A g i«tationSuniernehmen zugunsten deS Zentrums.Wehe der Sozialdemokratie, die sich unterfangen würde, Beamtezum Besuch ihrer Parteischule einzuladen l SozialdemokratischeBeamte und SlaatSarbeiter darf es ja, wie das Vorgehen desbayerischen Zentrums beweist, gar nicht geben. AuS alledem ergibtsich, daß daS Zentrum mit derselben Rücksichtslosigkeit, mit der eSRechte und Freiheilen für sich verlangt, sie anderen versagt lBrutalität und Heuchelei--- auS diesem Gemisch besteht daS heutigeZentrum I_Die Dreikönigsparade der württembergische»Voltsparteifand, wie üblich, am 6. Januar, dem DreikönigStag. in S tutt»gart statt. Sie war stärker besucht als je zuvor. Allerdings hatzu dieser„LandeSversainmlmig" nicht nur jeder Parteifreund Zutritt,auch der Partei Fernstehende können sich beteiligen. Bcschlüffe werdenin der tags zuvor staufindenden Zusammenkunst der„Parteifreunde"gefaßt; die Versammlung hat nur das formelle BcstätigungSrecht.Diskutiert wird daher fast gar nicht. Der Hauptzweck der„Parade"ist, den Führern der Partei den Resonanzboden für ihre Reden überdie politische Lage zu schaffen und die Parteifreunde zu neuer Arbeitund insbesondere zum Zahlen zu begeistern, wie daS der Vorsitzendeder Versammlung Dr. E lsaS bei Beratung deS neuen Parteistatutsauch offen aussprach. Do« neue Statut war durch die Verschmelzungder freisinnigen und liberalen Vereine mit der alten BollSparteinotwendig geworden.Der Landtagsabgeordnete Lirsching hielt ein ziemlichbedeutungsloses Referat über den württembergischen Landtag. Wieberichtet, hat sich die Volkspartei bei der Beratung der neuen Bau-ordnuug zum Anwalt der Haus- und Grundbesitzeriniereffen gemacht.Fast jedem Fortschritt auf wohnungShygienischem Gebiet setzte diesePartei wütenden Widerstand entgegen, so daß selbst die Regierungsich gezwungen sah. wiederholt den Verschlechterungsversuchen derVolkspartei energisch entgegenzutreten. Und ein gar zu rapide»fortschrittliches Tempo läßt sich der württembergischen Regierungbeim besten Willen nicht nachsagen. Die Sozialdemokratie fand sichin die eigenartige Lage versetzt, mit den RegierungsvertreternSchulter an Schulter gegen die Lolkspartei ankämpfen zu müsiea.Die Volkspartei kam bei dieser Kampagne arg unter die Räder.Dem Schmerz über diese Niederlage gab Herr Liesching beredtAusdruck. Seine Angriffe auf die Sozialdemokratie verpufften aberwirkungslos.Ein ganz intereffanteS Referat hielt dagegen der ProfefforKautter-Nürtingen über„Die Wirkung der Partei«Verschmelzung im Reich und Land". Der Zusammen«schluß der freisiunigen Parteien mit der Bollspartei müsse weiterzu einer FraltionSge meinschaft mit der national-liberalen Partei im Reichstag führen. Für die kommendenReichStagSwahlen müsse eS auch trotz Bebel und Bassermaiin zueinem„Block" für die Stichwahlen kommen, in dem die Sozial-demokratie eingeschlossen sein müsse. Di« Ausführungen Bebels inMagdeburg über den„großen Block" scheint allerdings der HerrProfessor gründlich mißverstanden zu haben. Gegen die Gewährungvon Stichwahlhilse— bei Gegenseitigkeit--- hat sich Bebel nntkeinem Worte ausgesprochen.Mit großer Spannung wurde daS Referat deS Führer» derVolkspartei Württemberg», deS Reichs- und LandtagSabg. v. Payer überden jetzigen Reichstag entgegengenommen. Ihm lag dieschwierige Aufgabe ob. daS Zusammengehen der Volkspartei mit denpreußischen Junkern im Block als notwendig und segensreich zu ver-leidigen und zugleich die ganze brutale Volksfeindlichkeit der Junkerzu kennzeichnen. Herr Payer löste das Kunststück spielend. Aller-dingS mit der„positiven Arbeit" des BnlowblockS, BereinSgesetz usw.läßt sich großer Staat nicht machen, aber— sagt Herr v. Payer—die„historische Mission dieses Reichstags' war. die Stätte ab-zugeben, aus der in heißem gegenseitigen Ringen der Umschwung sichvorbereiten mußte, der in der inneren demichen Politik notwendigwar und jetzt eingetreten ist. Jetzt endlich hätten die weitestenKreise den Gegner, nämlich die Junker und da« Zentrum, in ihrerganzen volksfeindlichen Gesinnung erkannt. Auch in Württembergsei manchem die vorher trübe Brille geputzt worden. Daß diePayerschc Brille das Putzen am notwendigsten hatte, verschwieg derRedner in angeborener Bescheidenheit. Er beteuerte, daß die Volks-Partei keine Sehnsucht hege nach der Wiederaufrichtung des Blockes.Einmall ruft ein Versammlungsteilnehmer.„Einmal und nichtWiederl' sagte Herr v. Payer. Dieser Reichstag habe klar nach