fürchten mutzte, sonst selber Schläge zu bekommen? Ein Zeuge, Entlastungszeuge natürlich, mutz die Frage über sich ergehen lassen:»Wie lautete die Parole nach Schlutz der Ver- sammlung?" Trotzdem auf Grund von gut ein Dutzend unter E i d abgegebenen Aussagen feststand, datz nichts wie eine„Parole" oder dergleichen ausgegeben war? Aehnliche Momente aus der gestrigen Zeugenvernehmung könnten in großer Menge aufgeführt werden. Wir beschränken uns für heute darauf, den i r a s s e sie n Fall wiederzugeben, der denn auch naturnotwendiger Weise zu einem scharfen Zusammenstoß mit dem Verteidiger des Angeklagten, dem Genossen Dr. Karl Liebknecht , führte. Der wichtigste Entlastungszeuge ist ein gewisser Gerden: ein ruhiger, besonnener, klar denkenixr und scharf beobachtender Mann, der nicht als� Teilnehmer am Zuge, sondern vom Fenster seiner im zweiten Slockwerk liegenden Wohnung aus(das Haus steht unmittelbar am Schauplatz der Handlung) den Polizeikünsten aufmerksamen Auges gefolgt ist. Als Gerden die durchaus ein- wandsfreie Aussage machte, datz einer Frau von einem Polizei- säbcl der Rüden bearbeitet worden sei, und zwar von einem der beiden Polizeisergeanten Freitag oder Hagcmann, da schien dem Vorsitzenden diese Aussage komisch. Nun hat Hagemann zuge- geben, datz er schlug, und der Sergeant Freitag ist eigenartiger Weise von der sonst so ladelustigen Staatsanwaltschaft nicht ge- laden! Herr Landgerichtsdirektor Schmidt glaubte Gerdens Be- lundung mit den Worten glossieren zu müssen: „Na, das ist ja eine schöne Aussage!" Der Zeuge lietz sich durch diese Behandlung nicht beirren und lberichtete weiter: Die Person, die jene liebenswürdigen Polizei- hiebe bekam, sei„eine ziemlich starke Fraul' Da sagte der Vorsitzende, der selber im Laufe der Verhandlung deS öfteren und einmal auch bereits dem Zeugen Gerden gegenüber auf die auch von anderen Zeugen erwähnte, an sich ganz gleichgültige und nebensächliche Dame hingewiesen hatte: „Aha! Jetzt kommt die korpulente Frau!" Der Verteidiger tat nur seine Pflicht und Schuldigkeit, als er gegen diese außergewöhnliche und außerordentliche Behandlung eines Zeugen scharf protestierte. Scharf, aber formell objektiv, vorsichtig, ruhig und sachlich. Dieser Ansicht war sogar der Herr Staatsairwaltschaftsrat Merschberger! Denn obwohl der sich be- leidigt fühlende Präsident jenem nahelegte, gegen den Verteidiger eine— Ungebühr st rafe zu beantragen, erklärte der Staats- anwalt: er habe keinen Antrag zu stellen... Trotzdem zog sich der. Gerichtshof zurüd, und nach knapp einer Viertelstunde war Rechtsanwalt Liebknecht zu 100 Mark Geldstrafe wegen„Ungebühr" verurteilt? Die„Ungebühr" wurde darin erblidt, daß Liebknecht gesagt hatte: Der Vorsitzende habe bei allem Bestreben, objektiv zu bleiben, und ohne Verfolgung einer bestimmten inobjektiven Absicht den B e l a st u n g s z e u g e n durch die Art der Befragung Gelegenheit gegeben, ihre Aussagen hieb« und stichfest zu machen und sie auf festen Boden zu stellen; die Entlastungszeugen dagegen würden durch eine Behandlung wie im Falle Gerden natürlich diskreditiert. Nicht minder verwunderlich als die Verhängung dieser„Un gebühr "«Strafe(über die ja das letzte Wort noch nicht gesprochen ist) mußte es wirken, daß der Vorsitzende den Antrag des Ver» teidigers, die Vorfälle, die zu dem Zusammenstoß geführt hatten, gu protokollieren, ablehnte? Wenn der Prozeßleiter im Verlauf der weiteren Tagung nun auch die Verhandlung in einer Art leitete, die ungefähr auf der vom Verteidiger gewünschten Linie lag, so haftete dem ganzen bis zum Schluß doch ein nicht mehr recht auszumerzender peinlicher Rest an. Heute wird weiter darüber verhandelt werden: ob die Behörde, die der H e i l s- A r m e e Umzüge durch die Stadt mit großen roten Bannern gestattet, beim Anblick von drei kleinen roten Signalfahncn wirklich nervös und direktionSlos geworden ist. Die Verhandlung wird wegen anderweitiger Belegung deS ur- sprünglichen Sitzungszimmers heute nachmittag um 2 Uhr im Zimmer 413 fortgesetzt._ Huö Induftne und ftandel* Industrielle Konzentration. Die rechtlichen Formen der großen industriellen Erwerbsunter- nehimmgen, die als Akliengesellschasten, Gewerlenschaften usw. auf- treten, verhüllen vielfach den Grad der Konzen iration de« in- dustriellen Kapitals. Theoretisch gibt-die Form der Aktiengesellschaft die Möglichkeit der Demokratisierung deS Besitzes, indem man Anteilscheine auf ganz geringe Beträge ausgeben kann, die sich auf eine Unzahl von Erwerbern verteilen könnten. Nach dieser Schablone kann man sich die Arbeiter eines Unternehmens als dessen Aktionäre als dessen Besitzer und als Empfänger der erzielten Gewinne denken. In der Praxis ist es natürlich anders. Speziell in Deutschland hat die Gesellschaftsform der großindustriellen Uniernehmen den Besitz nicht demokratisiert, sie war vielmehr das Mittel zu einer beschleunig ten Konzentration. Die Mehrheit der Aktien eines Unternehmens sind gewöhnlich in wenigen Händen vereinigt und die wenigen Hände haben sich die Herrschaft in einer ganzen Reihe von Unternehmungen gesichert. Ein, wenn auch nicht vollständiges, so doch interessantes Urteil nach dieser Richtung erlaubt eine Aufstellung, die der«Tech- nische Grubenbeamte" kürzlich über die Besitzverhältnisse im Ruhr- revier veröffentlichte. Die Uebersicht umfaßt über 200 Schacht- anlagen mit einer Gesamtbelegschaft von 356 234 Arbeitern. In den Besitz und die Herrschaft teilen sich 42 Unternehinen. 11 von diesen eignen aber allein 171 Anlagen mit 231 742 Arbeitern, gleich 82 Proz. der Gesamtbelegschaft aller von der Aufstellung erfaßten Zechen. Wie sich die 82 Proz. der Arbeiter und die 171 Anlagen auf die einzelnen Besitzergruppen verteilen, veraiischanlicht diese Tabelle: Zahl der Zechen Zahl der Arbeiter 25 33 367 StinneS-Konzern.... 25 Häniel-„.... 2V Waldthausen-Konzeril... 25 Funke-Konzern..... 20 Tbtiffen....... 5 Kruvp........ 6 Gelsenkirchener B.-A.-G... 21 Harpener„.. 2l Hibernia„.. 11 Phönix.... 10 Fiskus........ 7 42 440 44 341 23 636 16 351 12716 36 609 27 782 20 400 18 707 3 563 Die Ausstellung gibt aber noch lange kein klares Bild von den tatsächlichen Machtverhältnissen. Hugo Stinnes besitzt z. B. auch als Aussichlsrat in der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft und in einer Reihe anderer Unternehmen bedeutenden Einfluß; Thyssen ist Be- sitzer eines der größten Stahlwerke—„Deutscher Kaiser"— und Mitbesitzer anderer Hüttenwerke und Erzbergwerke; die Familie Krupp besitzt die Essener Kanonenfabrik, das Grusonwerk in Magde- bürg, die Germamawerft sowie eine Reihe von Eisensteingruben; den, Gelsenkirchener Bergwerksverein sind ebenfalls Hüttenwerke an- geschloffen, der Schalker Gruben- und Hüttenverein sowie der Aachener Hüllenverein; zur Phönix-Gesellschaft gehören die Hüttenwerke Phönix und der Hörher Bergwerks- und Hüttenverein; die Familie Haniel donnniert in der Rhein -Schiffahrt. So erstreckt sich der Einfluß der aufgezählten Unternehmen weit über den Kreis der genannten Zechen hinaus. Allein auf den zugehörigen Eisen- und Stahlwerken sind über 100 000 Personen beschäftigt. Damit steigt das Heer der Arbeitssklaven der 11 Unternehmungen schon auf rund 400 000 Köpfe? Diese Zahlen geben eine Vorstellung von der wirtschaftlichen Macht einiger Magnatenfamilien. Die wirtschaftliche Macht setzt sich aber auch in politische um, und das erklärt die Unterwürfigkeit der Re- gierung gegenüber den Scharfmacherforderungen der rhetnisch-west- fälischen Großindustriellen._ Die Bereinigten Staaten als Exportland von Jndustrieprodukten. Eine bemerkenswerte Verschiebung hat sich in dem Charakter deS amerikanischen Exports in den letzten Jahrzehnten vollzogen, die nunmehr ihren positiven Ausdruck in einer Umkehrung des Verhält- niffeS zwischen dem Export von landwirtschaftlichen und von indu- strielleu Produkten gesunden hat. Nach den über die ersten acht Monate des Jnhres 1310 vorliegenden Berichten hat nämlich in diesem Zeitraum zum e r st e n m a l in den Vereinigten Staate» der Export von Jndustrieprodukten den land- wirtschaftlicher Erzeugnisse übertroffen. Der erste« betrug nämlich 1027 Millionen Dollar----- 52.88 Proz. der Gesamtausfuhr, der letztere dagegen nur 316 Millionen Dollar— 47,17 Proz. Noch im vorhergehenden Jahre blieb der Export von Jndustrieprodukten mit 44,3 Proz. der Gesamtausfuhr"erheblich hinter dem der landwirtschaftlichen zurück. Vor zehn Jahren betrug der Anteil der Industrie an der Aussuhr 34>/z Proz., vor 20 Jahren 21 Proz. und vor 30 Jahren gar nur 15 Proz. Natürlich kann die durch diese Zahlen beleuchtete EntWickelung der Vereinigten Staaten nicht ohne Rückwirkung auf die Wirtichafts- Politik des Landes bleiben und die neuerdings mächtig erstaikenden Bestrebungen, in die Hochschutzpolilik der Vereinigten Staaten Dämme zu reißen, dürften in jener Entivickelung ihre bestimmende Ursache haben. Es ist wohl nicht unintereslanl zu prüfen, welche Produkte hauptsächlich an der so intensiven Steigerung der Jndustrieausfuhr beteiligt sind. Es betrug die Ausfuhr in den ersten acht Monaten deS betreffenden Jahres in Millionen Dollar 1303 1303 1310 Automobile........ 4 ö'/a ö'/a Gummi und Kautschuk.... 4V2 b1/«?>/, Stahlschienen....... 4Vj 43/4 7 Stahlbleche und Platten.... 4 S'/a 9 Eisen- und Stahlwaren aller Art 1053/4 101 130 Lederwaren aller Art..... 18 20'/« 26 Waggons und Wagen.... 13 113/4 17 Aderbaugeräte....... 133/4 21a/4 278/4 Zurückgegangen in der Ausfuhr sind in den letzten Jahren nur Kupfer, Leuchtöl, Baumwollengewebe. Das internationale Stahlschieuen-Kartell. Ueber dieses Thema macht die„New Uorker Handels-Zeitung folgende Mitteilungen: Die neuliche Meldung aus Washington , die Bundesregierung beabsichtige in ihrer Anlitrustkampagiie auch der zwischen den großen Stahlschienen-Fabrikanten bestehenden, den Preis und das Absatzgebiet regulierenden Vereinbarung in das Bereich ihrer Untersuchungen zu ziehen, scheint besonders in Groß- britannicn Aufsehen erregt zu haben. Zumal gleichzeitig dadurch allgemein bekannt geworden ist, zu welchem Anteile an dem Well-Exportgeichäftin Stahlschienen die beteiligten Fabrikanten der ver- schicdenen Länder berechtigt sind, nämlich: die Großbritanniens zu 37,36 Proz., die der Ver. Staaten zu 25,70 Proz., die Deutschlands zu 20,13 Proz., Belgiens zu 12,34 Proz. und Frankreichs zu 4,47 Proz. Die britischen Fabrikanten beanspruchen alles Geschäft, welches den Kolonien des Reiches entstammt, und der Umfang dieses Geschäftes, in welches sie sich mit Fabrikanten anderer Länder teilen müssen, liefert hauptsächlich die Ursache für ihre Unzufriedenheit. Des weiteren wird der Bestand des Syndikates durch die zunehmende Verwendung von Offenherd-Stahtschienen gefährdet. Denn das genannte Fabrikationsverfahren hat die Kosten der Herstellung eine« StahlschienenwerkeS wesentlich reduziert, da auf solche Weise fast jede Stahlhütte, nur durch Beschaffung eines Walzwerkes, in die Stablschienenfabrikation eintreten kann. Notwendiger- weise derniehrt sich dadurch die Zahl der Fabriken, und je mehr Wettbewerber um das internationale Geschäft auf- tauchen, um so schwieriger ist eS, bei notweniger Neuregelung der Verteilung alle Jnieressenten zu befriedigen. Die Unzufriedenheit der britischen Fabrikanten wird natürlich durch den Umstand erhöht, daß ihre Stahlschienenausfuhr in den letzten Jahren stabil geblieben ist, während die Deutschlands sich nahezu verdreifacht und auch die Belgiens sich ansehnlich vermehrt hat. Es dürste mcht überraschen, wenn die von der amerikanischen Regierung jetzt erhobene Beanstandung der Zugehörigkeit der amen- konischen Fabrikanten zu dem Kartell zur Auflösung desselben führen würde._ Soziales* Wie Reichsverdandsnachrichten entstehen. „Sozlaldemokratksche Parteipolitik ist also jetzt auch in der Potsdamer Allgemeinen Orts- krankenkasse Trumpf, eine soziale Einrichtung, die an die Ar- beitgeber bedeutende Anforderungen stellt, wird nach Partei» politischen Interessen fortan vertvaltet werden." So be- hauptet die konservative„Potsdamer Tageszeitung" von einer„sozialdemokratischen Machtprobe" in der Kranken- lasse, und alle Kreisblätter öffnen ihre Spalten. Sucht man doch begierig nach Material zur Neichsversicherungsordnung. Den Beweis für diese Behauptung bleibt natürlich das Paulische Leiborgan schuldig. Sie wird aber dazu ge« z w u n g e n werden, diese Beleidigung zurückzunehmen. Was ist denn tatsächlich überhaupt geschehen? Seit Jahren haben die Arbeitgeber in Gemeinschaft mit ihnen gleichgesinnten Arbeitnehmern die in der Minderheit befindlichen gewerkschaftlichen Arbeitnehmer von den Bor- standsämtern(1. und 2. Borsitzender, Schriftführer) ohne weiteres ausgeschlossen. Das ist einfach selbstverständ- lich in diesen Kreisen! Jetzt haben sich die Gelverkschaftler erdreistet, von diesen drei Posten einen einzigen zu besetzen und sofort entsteht das Märchen von der„sozialdemokra- tischen Machtprobe" und der„sozialdemokratischen Partei- Politik". Als der Schriftsetzer Erich Krüger zum 1. Bor- itzendcn getvählt wurde, legten alle 4 Arbeitgeber ihre Vor- standsmandatc sofort nieder; Schriftführer wurde der Magi- stratskanzlist Rothe, den Posten des 2. Vorsitzenden ließ man vorläufig unbesetzt, bis die Arbeitgeber wieder ihre Posten auszufüllen geruhen werden. Sie wollen eine Neuwahl vornehmen. Durch das Sprachrohr der Potsdamer Kon- servativen werden sie bereits aufgefordert, sich der Wahl zu enthalten, damit die Aufsichtsbehörde eingreifen muß. Die Herren scheinen das Krankenkassengesetz und ihre Pflichten wenig zu keimen. Ten törichten.Unsinn des Potsdanier konservativen Blättchens drucken auch konservative, nationalliberale und Zentrumsblättcr größerer Städte ab, um das„gesetzwidrige Treiben" der— Sozialdemokraten zu illustrieren. Spotten ihrer selbst und wissen nicht wie. Gesetzwidrig haben die Ar- Zeitgeber gehandelt, die ihre Posten niedergelegt haben. Dazu ind sie nach dem Gesetz und der konstanten Rechtsprechung Zes Oberverwaltungsgerichts nicht berechtigt. Die Hetzorgane 'uchen aber die Behörden zu einem Eingreifen nicht gegen die !l r b e i t g e b e r, die gegen Gesetz und Statut durch Niederlegung ihrer Posten ihre Pflicht gröblich verletzt und die Interessen der Kasse geschädigt haben, niobil zu machen, fondern gegen die Arbeiter, die streng und äußerst loyal im Rahinen des Gesetzes die Interessen der Kasse wahrgenommen haben. Wird erst die Aufsichtsbehörde den Arbeitgebern klar- machen, daß sie bei Vermeidung von Ordnungsstrafen ihre Pflicht zu erfüllen haben?_ Unberechtigte polizeiliche Verfügung gegen einen Berufsverrin. Gegen den Vorstand des Knappenvcreins„Gottessegen" zu Lütgendortmund richtete die Polizeiverwaltung eine Verfügung, durch die sie ibm aufgab, den Betrieb der Sterbe- und Kranken- nnterstützuiigskasse des Vereins einzustellen. Die Verfügung rech- nete damit, daß der Verein wegen der Kasse dem Gesetz vom 2. Mai 1301, betreffend die Privatvcrsicherung, unterfalle, und rügte, als mit dem Geletz in Widerspruch stehend, datz das Statut einen Rechtsanspruch der Mitglieder auf die Unterstützung ausschließe. Ferner wurde gerügt, daß die Kasse des Vereins nicht ge- nehmigt sei. Der Bezirksausschuß hob auf die Klage des Vereins die Ver- fügung der Polizei auf. Er ging davon au», datz das genannte Ge- setz auf den Verein und seine Unterstützungseinrichtungen über- Haupt nicht Anwendung finde. Und zwar falle der Verein gerade deshalb nicht unter das Gesetz, weil die Mitglieder statutengemäß keinen Anspruch auf gerichtliche Einklagung von Unterstützungen habe, sondern bei Befriedigung ihrer Wünsche auf das Ermessen der Kassenorgane und die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kasse angewiesen sei. Die Polizeiverwaltung legte Rekurs ein. Das Lber-Brrwaltungsgericht, vor dem Rechtsanwalt Tr. Curt Rosenberg den Verein vertrat, wies am Donnerstag die Berufung ab. Ohne auf die Frage, ob der Verein dem Privatversicherungs- gesteh unterfalle, einzugehen, wieS es die Berufung der Polizei- Verwaltung aus folgenden Gründen zurück: Die Polizei sei nach folgender Bestimmung deS Z 163 des PrivatversicherungSgesetzeS nicht berechtigt gewesen, einzuschreiten:„Auf Vereine, die, ohne die Rechtsfähigkeit erlangt zu haben, zur Zeit des JnkrastretenS dieses Gesetzes die Versicherung ihrer Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben, finden die Vorschriften des Absatz 3 keine Anwendung. Solche Vereine können von der Aufsichtsbehörde auf- gefordert werden, binnen einer bestimmten Frist ihre Zulassung gemäß den Borschriften des Gesetzes nachzusuchen. Die Frist soll wenigstens sechs Monate betragen. Kommt der Verein einer solchen Aufforderung nicht nach, so ist die Aufstchtsbehördc befugt, den weiteren Geschäftsbetrieb zu untersagen."— Nur wenn in dieser Weise vorgegangen sei bei einem dem Gesetz unterfallenden Ver- ein, so führte das Gericht weiter aus. könnte schließlich auch die Polizeibehörde eingreifen. Immer aber müsse die Aufsichtsbehörde, der Regierungspräsident, erst jenen im§ 103 vorgezeichneben Weg gegangen sein. Da das nicht der Fall gewesen sei, so fehle der Polizei die Grundlage für ihr Borgehen schon in formeller Be- ziehung. Nun wäre allerdings noch zwischen der Krankenunter- stützung und der Sterbeunterstützung zu unterscheiden. Für Sterbe- lassen sei nach der Kabinettsorder von 1333 die erforderliche Geneh- migung durch den Oberpräsidenten zu erteilen. Gegen eine Sterbe- lasse, die nicht genehmigt sei, könnte ja die Polizei einschreite». Ob es sich hier aber um eine derartige Sterbekaffe im Sinne der maßgebenden Bestimmungen handele, könne dahingestellt bleiben, weil die polizeiliche Verfügung eine einheitliche sei und keinen Unterschied gemacht habe zwischen Krankenunterstützung und Sterbegeld. So könne auch der Richter die Verfügung nicht in zwei Teile zerlegen. Sie müsse als Ganze? gelten und es müsse darum ihre Aufhebung aus dem vom Senat angeführten Grunde(Z 103 des PrivatversicherungSgesetzeS usw.) bestätigt werden. Der Prozeß zeigt, wenngleich die Polizei abgeblitzt ist, wie nötig eine von unS wiederholt befürwortete Acnderung des Privat» Versicherungsgesetzes dahin ist, daß den Berussvereinen das auS- drückliche Recht eingeräumt wird. UnterstützungSkassen zu schaffen. Bekanntlich will die Regierung unter Aushebung des Hilfskassen- gesetzes alle Unterstützungskassen dem PrivatversicherungSgesetz unterstellen._ Kinderklinik. Göttingen ist auf Grund einer Stiftung des Vaters des in jugendlichem Alter verstorbenen Dr. med. T reger in die Reihe der wenigen Universitätsstädte getreten, die eine Kinderklinik be- sitzen. SMe mit einem Gesamtkostenaufwande von etwa 185 000 Mark erbaute Universitätskinderklinik ist gestern ihrer Bestimmung übergeben worden. Mit der Kinderklinik ist eine SänglingSfiirsorge- stelle(Mütterberatungsstelle und öffentliche Mlchküche zur Abgabe von Säuglingsnahrung) verbunden. Hus der frauenbewegung. Die Mutter und der Alkohol. Die erbliche Belastung der Kinder des Proletariats ist ganz besonder? groß, da in der Regel schon eine Reihe ihrer Borfahren durch ungünstige schlechte Lebensverhältnisse körperlich und geistig geschwächt worden sind, und diese Schwächung naturgesctzlich den Kindern vererbt wird. Diese vererbte Schwäche wird dann häufig durch schlechte Ernährung und schwere Arbeit der Mutter während der Schwangerschaft und Stillungsperiode erhöht, da sie dem sich entwickelnden Kinde nicht die notwendige Lebensenergie zuführen kann. Zu frühe und rasch aufeinander folgende Geburten tragen auch das ihrige dazu bei, die Kinder noch mehr zu schwächen, da durch diese Geburten die kümmerliche mütterliche Kraft rasch auf- gezehrt wird. Daß nun die kümmerlichen Ernährung?« und son- Iiigen schlechten Lebensverhältnisse, unter denen unsere proletarische Jugend aufwachsen muß, sie weiter schwächt und eine gesunde, voll- kommene EntWickelung des Körpers und Geistes vollends unmöglich macht, liegt auf der Hand. Die Arbeiterschaft steht hier Verhält- nissen gegenüber, gegen die sie einfach machtlos ist, solange die kapitalistische Wirtschaftsordnung besteht, und die sie erst mit dem Zusammenbruch dieser Wirtschaftsordnung wirksam bekämpfen und radikal ändern und bessern kann. Um so mehr sollte aber die Ar- beiterschaft sich klar werden über die Schädigungen und Schwächun« gen, die nicht auf das Konto der kapitalistischen Virtsd)aftsordnung zu setzen sind, und deren Bekämpfung allein abhängig ist von der Einsicht der Arbeiterschaft und von ihrem Willen, und die sie des- halb bekämpfen kann und in ihrem Interesse bekämpfen muß, um das ungeheuerliche Elend wenigstens etwas zu mildern und die Kraft des Proletariats zu erhöhen. Und das sind die Schädigungen und Schwächungen, die durch den Alkoholgenuß hervorgerufen werden. Diese Schädigungen find sehr bedeutende, sowohl hin- sichtlich der Erwachsenen, wie hinsichtlich des Kindes. �Hier wollen wir uns nur mit den Schädigungen des Kindes beschäftigen. Zu- nächst wird daS Kind schon vor und während der Zeugung durch den Alkohol, den seine zukünftigen Eltern trinken, geschädigt, da die Keimzellen der Eltern, woraus das Kind sich entwickelt, die Eizelle der Mutter und die Samenzelle des Vaters durch den ge- nossenen Alkohol schon vor der Begattung vergiftet und dadurch minderwertig geworden find. Fast drei Viertel der Säuglinge. häufig mehr, sind rachitisch! Und dafür ist in erster Linie der Alkoholismus der Eltern und anderer Vorfahren verantwortlich zu machen. Sehr viele innerliche Krankheiten der Kinder werden auch durch die Rachitis selbst wieder hervorgerufen, u. a. Krämpfe. Und was für einen Lcbenswert hat ein rachitisches Kind? Gar keinen. Dem Kampf umS Dasein ist es nicht gewachsen, es ist ein wertloses Glied, ein Zuwachs au menschlicher Verkommenheit, sich und andern eine Last. Aehnliche traurige Folgen für das Kind hat das Alkoholtrinken der Mutter während der Schwangerschaft und des Stillens, auch daS mäßige. Der Alkohol, den die Mutter
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