Nr. 174.
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Vorwärts
10. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
GeldlacksPatriotismus:
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Donnerstag, den 27. Juli 1893.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
als neulich der Ruf an sie erging, dem National- Heiligen Politische Ueberlicht.
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einen Huldigungsbesuch" in Friedrichsruhe abzustatten, da meldeten sich blos ein paar Hundert, die gerade Lust zu Lust zu einer Sprigtour hatten. Und δας In Geldsachen hört die Gemüthlichkeit auf fagte der große Nationalfest" verhülle Dein Haupt, arme GerGeldsacksmensch Hansemann schon vor einem halben Jahr- mania, und laß Dich begraben, Du entthrouter St. Sedan! hundert. In Geldsachen hört nicht blos die Gemüthlich- die Leipziger Hurrah- Germania! Pfeffer- und Geldfeit auf, sondern auch das Prinzip, die Ehre und Ehrlich säcke wollen das große Nationalfest in diesem Jahre nicht keit, das Ideal und vor Allem der sogenannte" Patriotis am 2. September feiern wo blos einiger offizieller„ Klimmus", den der scheinheilige Geldsack bei jeder möglichen bim" stattfinden soll, sondern erst am 3. September, der und unmöglichen Gelegenheit predigt, den in Erbpacht zu ein Sonntag ist. Und warum? Arme Germania , stoße Dir haben, er sich rühmt, und mit dessen elastischem Mantel er Dein blantes Scharfrichter Schwert nur gleich in den all seine Sünden und Schurkereien zudeckt. Der Geldsack schneeigen Busen, denn Du bist entehrt und das Leben hat hat das Vaterland im Mund, aber nicht im Herzen. Heim- feinen Werth mehr für Dich! Ja warum? Weil der Sedans lich lacht er über die Dummköpfe, die auf seinen patrio- tag an einem Werktag zu theuer ist, und nicht, wie tischen " Leim gehen, ihm für Gott, König und Vaterland bisher, aus der Tasche der Arbeiter, des vaterdie Kastanien aus dem Feuer holen, und ihn mit landslosen Gesindels, bezahlt werden kann von wegen Geld vollstopfen. Ist das Vaterland zahlungsfähig, giebt der neuen Arbeiterschutzgesetz- Bestimmung, die es nicht cr= es fette Prozente, läßt es sich hübsch ausplündern und laubt, daß man den Arbeitern willkürlich Feiertage" giebt liefert es eine reiche Ausbeute dann wird dem Vater und ihnen den Tageslohn vorenthält. land Geld gepumpt, dann bringt der Geldsack Opfer", in- Ein Eingesandt" des Leipziger Tageblatt " von gestern dem er mit der Wurst nach der Speckseite wirft, dann ist Abend, das den über die Verlegung des Nationalfefttages der Geldjack patriotisch. Wenn nicht, nicht. Einem zah- ärgerlichen, des nöthigen Geldsack- Bewußtseins baren Haufen lungsunfähigen Vaterland Geld pumpen? Wahnsinn! Ein zahlungsunfähiges, feine reiche Ausbeute lieferndes Vater land lieben, und gar sein Blut für es versprizen das mag einem Narr einfallen, paßt aber nicht in das Sittengesetz des Geldsacks, das nur ein Gebot tennt:
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Das Gold ist Dein Gott, und Du sollst keine andere Götter haben neben ihm!
Zahlt der Grbfeind" für die Flinte oder irgend ein anderes Mordinstrument eine Mark mehr als das undankbare knauferige Vaterland, so geht die Flinte zum Erbfeind, der des patriotischen Geldsacks Landsmann nach Herzensluft damit todtschießen mag. So macht es der patriotische Geldsack, heiße er Löwe oder Krupp, sei er christlich getanft oder jüdisch geschmattet". Und findet der patriotische Geldsack, daß in Erbfeindes Land überhaupt mehr zu ver dienen ist, so schüttelt er, ohne sich einen Augenblick zu befinnen, den Staub des Vaterlandes von seinen Pantoffeln, und überträgt seinen inbrünstigen Patriotismus im Handumdrehen auf den Erbfeind.
Ubi bene ibi patriamo etwas zu holen ist, wo ich mich mästen tann auf Kosten Anderer, durch die Arbeit Anderer-da ist mein Vaterland! Das ist und war allezeit der Wahlspruch des patriotischen Geldsackes.
Jezt bethätigt er ihn wieder einmal mit urwüchsiger Elementarkraft und enthüllt vor uns vaterlandslosen Sozialdemokraten mit wahrhaft herzerquickender Offenherzigkeit feine innerste Natur.
Die patriotischsten der Geldsacks Patrioten sind, wie männiglich bekannt, die Leipziger Hurrah Germania! Pfeffer- und Geldsäcke. Bismarck ist ihr National- Heiliger, und der Santt Sedanstag ihr National- Feiertag. Wohlan,
Feuilleton.
Nadbrudt verboten.)
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Die Bekehrung André Savenay's.
Sozialistischer Roman
von Georges Renard.
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der Hurrahschreier beschwichtigen soll, befürwortet, daß auch der offizielle Klimbim" am 2. September unterbleiben und die ganze Feier am folgenden Sonntag sein soll. Der offizielle Klimbim" könne doch manchen Geschäftsmann zu unnöthigen Ausgaben verleiten. Es heißt in dem köstlichen Schriftstück:
,, Auf ein en Punkt möchten wir aber doch hinweisen, den erst bie neueste Beit mit sich gebracht hat. Das sind die Bestimmungen des föniglichen Ministeriums vom 28. März 1892 zum Arbeiterschuh- Gesey. In diesen Bestimmungen gilt der 2. September nicht als gesetzlicher Fest- und Feiertag. Vor Einführung dieser Bestimmungen haben viele Fabrikbesizer, Gewerbetreibende 2c. ihren Arbeitern oder Sonstigen Angestellten am 2. September freigegeben, oder, richtiger gesagt, sie haben an diesem Tage nicht arbeiten lassen, aber den Tag bei der Lohnzahlung auch nicht in Abzug gebracht. Nach den neuen geseg lichen Bestimmungen aber, nach denen alle Arbeitgeber ihren Arbeitern anderweit freie Zeit gewähren müssen, welche bei der Lohnzahlung nicht in Abzug gebracht werden darf, kann dem Arbeitgeber nicht zugemuthet werden, auch diesen Tag noch frei zu geben und zu bezahlen."
Nein es kann ihm nicht zugemuthet werden. So lange Sankt Sedan auf Kosten der Arbeiter gefeiert werden konnte, war es der große Nationalfeiertag. Jetzt, da dies nicht geht und der Patriotismus Geld foftet, wird Sankt Sedan in eine Ecke gestellt, wo er nicht im Wege ist. Wo das Geldzahlen aufängt, hört der Geldsackspatriotismus auf.
maine . Ist er nicht hübsch? Und dabei garnicht theuer! Nur achtzig Franks. Wollen Sie die Adresse der Modiftin haben, damit Sie fich einen ähnlichen bestellen können? A propos, man sieht ja Ihren Bruder garnicht. Macht er etwa eine Vergnügungsreise?"
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Berlin , den 26. Juli. Der russische Magimaltarif tritt Deutschland gegenüber am 1. August in Kraft. - Wolff's Telegr.- Bureau meldet aus Petersburg : Der am 25. Juli ausgegebene Regierungsbote" schreibt über den Maximaltarif: Die Maßregel ist hervorgerufen durch die bedeutende Entwickelung des Systems der Diffe renzialtarife in den letzten Jahren im Westen. Infolge dieser Entwickelung wurden seit 1892 die russischen Ausfuhrprodukte, hauptsächlich die landwirthschaftlichen, im Vergleich mit der Zollbelastung derselben Produkte aus den mit Mußland auf den internationalen Märkten konturrirenden Ländern einem Ausnahmszoll unterworfen. Da bei einer solchen Konkurrenz nicht die Höhe des Bolles Bedeutung hat, sondern seine Ungleichheit des= felben, so war die russische Ausfuhr vom Gesichtspunkt der internationalen Beziehungen in eine besonders drückende, völlig ungerechtfertigte Lage gebracht worden. Diese Lage verfekte endlich das Finanzministerium in die unvermeidliche Nothwendigkeit, denselben Weg einzuschlagen, der im Westen gesucht und praktisch durchgeführt wurde, und bei dem die russische Ausfuhr fast 1/2 Jahre lang. einem besonders hohen Zoll in Verhältniß zur Ausfuhr anderer Staaten unterworfen wird. Demnach hat der russische Doppeltarif nur das Ziel, das ökonomische Gleichgewicht im internationalen Handel wieder herzustellen, das durch von Rußland unabhängige Ursachen zu dessen direktem ausschließlichen Schaden erschüttert wurde. Diese Grundlage tommt in dem doppelten Zolltarif mit solcher Genauigkeit zur Geltung, daß die in dem erhöhten Tarif angenommenen 30 und 20prozentigen Erhöhungen vollständig den Bollerhöhungen entsprechen, die die Hauptprodukte der russischen Ausfuhr gegen die gleichen Produkte der konkurrirenden Länder zahlen; folglich sind diese Erhöhungen ohne Reserve aufgestellt und können nur dann eine fernere Steigerung erfahren, wenn im Westen weitere Veränderungen des Bolltarifs zum Schaden der russischen Ausfuhr erfolgen. Das Finanzministerium trifft feinerseits alle in seinem Bereiche liegenden Maßregeln, daß der erhöhte Tarif in möglichst geringem Umfange zur Anwendung gelangt. Dies wird erreicht durch entsprechende Uebereinkommen mit anderen Staaten, wie dies aus der am 5. Juni mit Frankreich abgeschlossenen Konvention ersichtlich ist. Das Finanzministerium ist sogar zit Herabsetzungen des Normalzolltarifs vom 1. Juli 1891 bereit, obgleich dieser Tarif, das Ergebniß vielseitiger und kompetenter Untersuchungen, ausschließlich zum Schuße eingeführt wurde und fistalische Zwecke verfolgt, dagegen allen Kampfabsichten völlig fremd ist. Aber diese Herabsehungen haben natürlich eine vernünftige Grenze. Indem das Finanzministerium die Frage der Vorzüge der einen oder der anderen Zollpolitik bei Seite läßt, vertritt es im gegenwärtigen Falle die Ansicht, daß besonders die Volkswirthschaft Stetigkeit fordert, welche durch Folgerichtigkeit der Maßregeln zu erreichen ist. Dadurch ist die Möglichkeit, beständige wesentliche Schwankungen des Zolltarifs eintreten zu lassen, vollständig ausgeschlossen."
So die amtliche russische Darlegung. Wird man in Berlin noch lange zögern, dem drohenden Zollkrieg ein Halt zu gebieten durch den Abschluß eines zweckmäßigen Handelsvertrages?-
" Das arme Mädchen!" erwidert André. Ich werde Ihr meine aufrichtigen Beileidsbezeugungen übermitteln."
Germaine, der bei dem Gedanken an die beiden Verlobten die Thränen nah waren, lachte jetzt laut darüber, wie ihr Bruder über diese Heirath urtheilte, die in den Augen der Welt sicher eine glänzende Partie war.
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Doch Mrs. Webster hat den Damen noch eine große Neuigkeit zu verkünden. Ihre Tochter wird sich nämlich mit Immer noch Fräulein Ungewitter!" sagte André und Alfred Vernaud, dem Sohne des Banquiers, verheirathen. schloß fie in die Arme. Aber Sie können ihn ja nicht leiden!" ruft Germaine allein im stande, mit den Frauen umzugehen, die er sehr Er war die Sonne des Hauses geblieben. Er war unvorsichtig. Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert . Dabei fehlte es ihm Für die von aller Welt abgeschlossenen Frauen war Gatten doch nicht anzubeten! Der Bater, wissen Sie, wird durchaus nicht an Sorgen. Unaufhörlich war er unterwegs, Bah!" erwiderte Mrs. Webster, man braucht seinen verwickelte Uhrwerke" nannte. es gerade wie eine Rückkehr aus der Verbannung. Sie alles recht hübsch einrichten. Nathen Sie einmal, wo das ſtand er in Unterhandlungen mit Geschäftsleuten. Er gab lebten dabei auf, wurden lebhaft und genossen mit Entzücken junge Baar sein Nest bauen wird. So' ein Zufall sich die denkbar größte Mühe, um noch etwas von ihrem den leichten Reiz der Unterhaltung in guter Gesellschaft. In Ihrem früheren Hause, verehrte Frau! Das ist doch ermögen zu retten. Aber lag es an seinem entschlossenen Wie ein heller Sonnenstrahl fiel dieser Besuch in ihr ödes reizend! Wenn Sie es einmal wieder sehen wollen, so Gab ihm seine Liebe zu denen, deren einzige Stütze er war, Charakter, war es der gesunde Einfluß des thätigen Lebens? Leben. Wenn dieser erste Eindruck nur von Dauer gewesen werden meine Kinder die Ehre haben, Sie zu empfangen die Kraft, fie über seine eigentliche Stimmung hinweg zu wäre! Leider verschwand er nämlich sehr schnell. Die Be- Die Hochzeit findet in der Magdalenen- Kirche statt. Sie die Kraft, sie über seine eigentliche Stimmung hinweg zu sucherinnen waren ja nichts weniger als boshaft, dafür werden doch auch dazu kommen, nicht wahr?" täuschen? Niemals erscheint er muthlos vor ihnen. Wenn aber etwas unbesonnen. Es fehlte ihnen an gesellschaftlichem die beiden Frauen zu lebhaft an den Glanz früherer Zeiten Frau Savenay und Germaine müssen nun noch danken zurück dachten, wies er sie hin auf die Tausende, die kein Feingefühl, und ohne es zu wissen, verlegten ihre Worte wie Nadelstiche diejenigen, welche sie anhören mußten. und Mutter und Tochter beglückwünschen. Aber diese" Zuhause" haben, die keinen Kronleuchter, kein Silbergeräth, Mrs. Webster, die es für nöthig gehalten hatte, eine blendende Döflichkeit wird ihnen schwer. Wenigstens ist nach allem feinen Flügel besitzen. Er erinnerte sie an einen Roman Toilette anzulegen, fragte Frau Savenan, ob sie nicht ihre Freude beim Abschied ebenso groß wie beim Eintritt des von Tolstoi , in dem ein Mann geschildert wird, der reduzirt zum nächsten Longchamps mitkommen wolle, und plößlich Besuchs. All die alten Wunden sind nun wieder aufgerissen, ist, weil er nicht mehr dreißig oder vierzig Pferde in seinen rief sie dabei aus:„ Ach, es ist ja wahr, ich vergaß!" Mit und lange fühlen sich die beiden Frauen noch ganz erschöpft. Ställen zu stehen hat. Er suchte sie zu überzeugen, daß sie Als André am Abend kommt, bemerkt er es wohl und trotz allem immer noch zu den Privilegirten gehörten, und staunender Neugier musterte Weiß May den Salon. es gelang ihm schließlich auch, noch an den Scherben ihres zertrümmerten Glückes eine flüchtige Freude in ihnen zu erwecken.
Wie drollig es bei Ihnen aussieht! Sie werden ja es beunruhigt ihn. Er fragt, was geschehen ist. von Ihren Möbeln rein erdrückt! An Ihrer Stelle würde O nichts," antwortet Germaine. Miß May, Deine ich die Hälfte verkaufen." theure Freundin, verheirathet sich."
Diese legten Zeugen glücklicher Tage verkaufen! Frau Savenay zitterte bei dem Gedanken daran.
Sie sehen meinen Hut an", sagte Miß May zu Ger
Der arme Junge!" sagt André. Kenne ich ihn vielleicht?"
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„ Es ist Dein theurer Freund Alfred."
9. Rapitel.
Die Phosphatgesellschaft war von der Börse verschwunden. Der Verwaltungsrath hatte durch das Handels