höfischen Firlefanz dieses durch den König vorgenommenen„Staats-altes" drastisch geschildert. Daß trotzdem die sozialdemokratischeFraktion an der ErösfnungSzeremonie teilgenommen hat, wurde da-mit begründet, daß„die Verfassung die Abgeordneten geradezuzwingt, an der LandtagSeröfsnuug teilzunehmen."„Die Zweite Kammer würde nämlich nach dem§ 161 derVerfassung gar nicht in Funktion treten können,wenn nicht bei der Eröffnung Wenigstens zwei, Drittel ihrer Mitglieder erscheinen. Darumi nahm auch die'ozialdemokratische Fraktion, wie vor vier Jahren,� au der Eröffnung teil."Zu diesem LegründungSversuch unseres Stuttgarter Partei-organs bemerkt nun der vollSparteiliche Stuttgarter« B e o b-achter":„Wir halten diese Ausführungen für irrig und möchten ihnengleich entgegentreten, damit sich nicht ein falsches Gewohn-heitsrecht ausbildet.Zuerst muß bemerkt werden, daß mit der Zitierung des161 V.-U. wohl ein Druckfehler vorliegt. Der§ 160 kommthierbei in Betracht. Er bestimmt:„Die Erste Kammer wird durch die Anwesenheit der Hälfte,die Zweite Kammer durch das Erscheinen von zweiDritteln ihrer Glieder als vollständig besetzt angesehen.Der Ständische Ausschuß hat an dem Tage vor demin dem Einberufungsschreiben bestimmtenTermin dem Geheimen Rate von dem Erfolge desItegitimatiouSgeschäfiL Anzeige zu machen.Der König wird hierauf, wenn seine Zahl durchsolche Abgeordnete erfüllt ist. bei deren Legitimationsich kein Anstand gesunden hat, den Landtag in denfür diesen Fall vereinigten Kammern eröffnen."Hieraus ist deutlich ersichtlich, daß die in Absatz 1 angeführtePrSsenzzahl sich ausschließlich auf die tagS vor der Eröffnungrechtlich legitimierten Abgeordneten bezieht. Ist diese Zahl amTag« vor dem Termin des EinberufungSschreibenS vorhanden, erfolgt die Eröffnung der Ständekammer, ohne Rücksicht darauf, wieviele Mitglieder dem Eröffnuugsakt selbst beiwohnen. Hiefürspricht ja auch schon der äußere Umstand, daß eine Auszählungder anwesenden Abgeordneten am Eröffnungstage und vor demEröffnungsakt gar nicht stattfindet.Dies zur Richtigstellung der irrigen Auslegung von sozial-demokratischer Seite."Die vom„Beobachter" zitierte Verfaffungsbestimmung scheintauch uns so unzweideutig gefaßt zu sein, daß es schwer verständlichist, wie die sozialdemokratische Landtags fraktion und unser Stutt-zarter Parteiorgan zu ihrer Auslegung der verfaffungSurkundekommen konnten. DaS führende Organ der württembergischen Volks-Partei hält eZ für notwendig, der Auslegung der Verfassung, wiesie de» Parteigenossen durch die„Schwöb. Tagwacht" geboten wird,entgegenzutreten,„damit sich nicht ein falsches Gewohnheitsrecht aus-bildet". Das bürgerliche Blatt will offenbar verhüten, daß jeneAbgeordnete», die dem höfischen Zwang keinen Geschmack abgewinnenkönnen, durch die irrtümliche Auslegung der Verfaffung durch diesozialdemokratische Fraktion gezwungen werden, solchen über-tarnevalistischen Veranstaltungen beizuwohnen. Vielleicht rechnet daSBlatt auch mit der Möglichkeit, dereinst wieder in OppofitionS-stellung gegen die Negierung einrücken zu müssen.Die Präsidentenwahl mit Hinderniffenhak im Dreiklasienhause zwar bei der zweiten Abstimmung am Mon-tag zur Wiederwahl des Vaters dcS Hausknechtsparagraphen geführt,daß aber der Obcrjunkcr Kröcher trotz der für ihn abgegebenen 301von 306 Stimmen keineswegs das Vertrauen auch nur der b ü r g e r-ilichcn Parteien genießt, beweist das eigenartige Resultat dieserAbstiinuiung. Verschiedene konservative Blatter möchten allerdingsdie fünf dissentierten Stimmen den Sozialdemokraten zu-schreiben, um dem Präsidenten, der nur mit der Verknöcherung derGeschäftsordnung das Haus zu regieren vermochte, den Beweis derunentwegten Anhänglichkeit der bürgerlichen Abgeordneten zu er-bringen. ES tut uns jedoch schmerzlich leid, der Preußenkammereinerseits und Herrn Jordan v. Kröcher andererseits den Schmerzzufügen zu müssen, die 6 Stimmen, die der Sozialdemokratie zu-gedacht sind, dankend ablehnen zu müssen. Denn von der So-zialdemokrnti c wurden bei dieser zw ei ten Ab st im m u ngüberhaupt keine Stimmen abgegeben. Unsere Frak-tion hatte durch den Einspruch am Sonnabend ihrer Meinung überden Mann und seine Geschäftsführung derartig klaren Ausdruckgegeben, daß sie bei der zweiten Abstimmung am Montag die bürger-ilichen Parteien völlig unter sich lassen konnte. ES wurde auch nichtc i n sozialdemokratischer Stimmzettel abgegeben, wie ja auch die Ab-stimmungSlistc beweist. Also nicht nur die drei weißen Zettel,lsoudcrn auch die auf den nationallibcralen Herrn Schwabach undunseren Genossen?l d. H o f s in a n n lautenden beiden Stimmzettelsind von bürgerlichen Abgeordneten abgegeben worden. EineFeststellung, die Herrn Jordan v. Kröcher zur Wiederholung seinesberühmten Ausspruches veranlassen wird:„Ja, ja, die infamichtenJesuiten."Parlamentarische Stimmen zur Privatbeamten-Versicherung.Die Korrespondenz Woth hat unter ReichiZtogSabgeordneten eineUmfrage über die Stellungnahme der Parteien zu dem Privat-beamteiiversicheruugSenUvurf veranstaltet. Nach den gewordenenAuskünften habe der Entwurf allgemein enttäuscht; den Wünschender Angestellten werde mit diesen, Gesetz nicht genügend entgegengekommen. Die Beiträge seien für viele zu belastend, die Rentenzu klein. Bedenke» errege auch die hohe Belastimg der Arbeitgeber.Dieser Zwang, 60 Proz. beizusteuern, werde auf die BehaltSgestal-tung einen wesentlichen Einfluß ausüben. In dieser Form habeder' Entwurf schwerlich Aussicht auf Annahme.Oeftemich.Eröffnung des Reichstages. Das neue Ministerium.Wien, 17. Januar. Das Abgeordnetenhaus ist heutenoch den Ferien zum ersten Male zusammengetreten, um die Bor-stellung der neuen Regierung entgegenzunehmen. In seiner Pro-grammrede, die zunächst durch lärmende Zurufe derTschechisch-Radikalen gestört wurde, erbat der Minister-Präsident die Unterstützung des Hauses. Die neue Regierungwerde eine den Interessen der Bevölkerung in jeder Hinsicht ent-sprechende Politik der gewissenhaftesten Objektivität führen, welcheniemand abstoße und es insbesondere unterlasse, einseitig in die Ge-staltung der nationalen Verhältnisse einzugreifen. Die wichtigsteVoraussetzung hierfür sei die Milderung der bestehenden politischenGegensätze in den gemischtsprachigen Provinzen. Insbesondere haltedie Regierung unerschütterlich an dem A u S g l e i ch s g e d a n k c nin Böhmen fest. Der Ministerprästdent betonte, daß eine sachlichgeführte, allen anderen Erwägungen und Einflüssen entrückte V e r-w a l t u n g die erste Bedingung für eine gesunde Entwickelung aufallen Gebieten der Kultur und Volkswirtschaft sei.—- Das HauS be-gann sodann dieersteLesungdesBudgetS.Nene Herrenhäuslerfrechheit.Aus Wien wird uns geschrieben: Nach der Gewerbe-sronung von— 1859(kaiserliches Patent!) wird derKotttraktbruch des Arbeiters noch mit G e s ä n a n i s bedroht,während der des Unternehmers nicht bestrast wird. AufAntrag unsexex Senossey Hat das Abgeordnetenhaus ein-sttmm� die Aushebung dieses Ausnahmegesetzes beschlossen-«»aber die.,volks"wirtschaftliche Kommission des Herrenhauseshat das Eintreten in die Beratung abgelehnt, weilman das erst mit der ganzen Gewerbeordnung neu regelnkönnte. Das hat man aber bei den zünfrlerischenAbänderungen der Gewerbeordnung nicht gesagt.DaS in allm zivilisierten Staaten längst durchgeführteVerbot der Nachtarbeit der Frauen soll nachdeni Beschluß der gleichen Kommission in Oesterreich erstübers Jahr in Kraft treten!Unsere Partei hat in ganz Oesterreich Pxotest-Versammlungen einberufen.Portugal.Die Streikbewegung.Lissabon, 17. Januar. Der gestrige Tag ist ruhigverlaufen. Der Ausstand der Gasarbeiter dauert fort,aber die Herstellung von Gas ist nahezu durch neues Personalvollständig gesichert. Dagegen sind in den Metall-fabriken die Arbeiter gestern der Arbeit ferngeblieben.Die Gasfabrik von Belem sowie deren Umgebung ist voneinem starken Kavallerieaufgebot besetzt. Militärpatrouillendurchzichen die Stadt und Soldaten bewachen die Eingangs-tore der großen Fabriken. Eö scheint, daß dieser großeApparat weniger aus Furcht vor Unruhen aufgeboten ist,als vielmehr um zu zeigen, daß die Regierung entschlossen ist,allen AufstandSgelüsten sofort die Spitze zu bieten. Die re-volutionären Komitees sind gegen die Ausständigenund eS gehört für diese hoher Mut dazu, bei ihrer kleinenAnhängerzahl gegen die Stimmung der Mehrheit der Be-völkerung auf ihren Forderungen zu beharren. Eine Ab-ordnung der Ausständigen hatte gestern eine langeUnterredung mit dem Minister der öffentlichen Arbeitet!.Eine spanische Intervention.Lissabon, 17. Januar. Ministerpräsident CanalejaS er-klärte gegenüber Gerüchten von Absichten Spaniens be-züglich Portugals folgendes: Portugal ist ein unabhängigesLand, das sich diejenigen Einrichtungen gab, die es wünschte.Unsere Haltung darf nur die sein, seine Unabhängikeit zu achtenund im Falle von Ruhestörungen unseren Grenzen Achtung zuverschaffen.Wiederaufnahme des Verkehrs.Madrid, 17. Januar. Die Eisenbahnverbindungensind tviederhergc stellt mit Ausnahme der Linien Segovia— Avila, deren Strecken noch immer durch Schnee und Damm-rutschungen unterbrochen sind. Der aus Paris kommende Siid-expreß liegt immer noch in Avila fest.Scktveäeit.Eröffnung des Parlaments.Stockholm, 17. Januar. Der Reichstag ist heute vom Königmit einer Thronrede eröffnet worden, in der zunächst aufdie schwebenden HandelSvertragSverhandlungen mitDeutschland hingewiesen wird. Die Thronrede betont sodann,daß die Beziehungen Schwedens zu allen Mächten gut sind undhebt den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes imvergangenen Jahre hervor. Der Gesetzentwurf über das Verhält-nis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, der vomletzten Reichstage abgelehnt worden ist, wird dem Reichstag in derbevorstehenden Session in abgeänderter Form wieder zugehen.Ferner kündigt die Thronrede Gesetzentwürfe über bedeutendeöffentliche Arbeiten an.Oergeivaltigimg der Candarbelter.RechtloSmachung der Landarbeiter, Verewigung der aus»nahmerechtlichen Stellung der Landarbeiter, das ist nach der gesternabgegebenen Erklärung des Staatssekretärs Delbrück in der Kam-Mission zur Vorberatung der ReichSvcrsicherungsordnung, überderen Verhandlungen wir im Beiblatt berichten, die Absicht derRegierung. Wiederherstellung der Vorschriften der Regierungs-vorläge über Auslieferung der Landkrankenkassen an die Gemeinde-verioaltung unter Ausschluß des SelbstverivaltungSrechts der Ar-beiter und auch materielle Schlcchterstcllung der Landkranten»kassenmitglieder gegenüber allen anderen Arbeiterkategorien inKrankheitsfällen-» ist die Parole der Regierung, die sie auf Geheißder Konservativen ausgibt, und der sich anzuschließen auch dasZentrum geneigt zu fein scheint. Der Landkrankenkasse sollenbekanntlich Landarbeiter, aber auch andere Arbeiter, unter Um»ständen auch gelverbliche Arbeiter, angehören. Diese ungeheuer-liche Abkehr von jeder Sozialpolitik mag es angebracht erscheinenlassen, auf die Mißhandlung der Rechte des Landarbeiters in derKrankenversicherung durch Regierung und Zentrum seit der Zeitder ersten Vorlage des KrankenverstcherungSgesetzes zurückzublicken.Der KrankenverstcherungSgesetzentwurf vom Jahre 1882 lehntedie r e i ch S gesetzliche Krankenversicherung der ländlichen Arbeiterab und wollte nur die Möglichkeit einer landcSrechtltchenoder einer durch.Statut einer Gemeinde oder einesweiteren Kommunalvcrbandes beschlossenen Krankenversicherungder L a n d a r b e i t er zulassen. D«S Gesinde solltenur daS Recht haben, gegen Zahlung der vollen Bei-träge der Gemeindekrankenversicherung, auf deren Verwaltungdie Arbeiter keinen Einfluß haben, freiwillig beizutreten. Inder Kommission, in die damals das Plenum des Reichstages keinenSozialdemokraten als Mitglied zuließ, beantragte ein etwas weiterals seine Freunde sehender konservativer Abgeordneter, Freiherrv. M a ltz a h n- G ü ltz, die Versicherung« p f l i ch t der Land-arbeiter— mit Ausschluß des Gesindes— auszusprechen. Allerdingsmachte der Antrag, der gegen die Besserstellung der Landarbeiter ge-richteten reaktionären Strömung in konservativen und Zentrums-kreisen die Konzession, daß diese Versicherungspflicht durch Beschlußeiner Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes mit Ge-nehmtgung der höheren Verwaltungsbehörden sollte ausgeschlossenwerden können. Bei der z w e i t e n Beratung im Plenum wurdeder Antrag insbesondere vom Zentrum und der Regierung bekämpft.gelangte aber mit großer Mehrheit zur A n n a h m e. Vorher warder Antrag der Sozialdemokraten abgelehnt, alle Personen,die das 16. Lebensjahr zurückgelegt und ein selbständiges Einkommenbis zu M. pro Tag haben, der Krankenversicherungspfltcht zuunterwerfen. DaSselbc Schicksal teilte ein Antrag der AbgeordnetenA n S f e l d und P a a s ch c, der die Möglichkeit eines statutarischenAusschlusses der Versicherungspflicht beseitigen wollte. In derdritten Lesung erklärte das Zentrum und die Regierung, siemüßten dem Gesetz ihre Zustimmung versagen, wenn nicht der zu-gunsten der Landarbeiter gefaßte Beschluß wieder aufgehoben würde.In namentlicher Abstimmung wurde die VersichernngSpflicht derländlichen Arbeiter darauf am 31. Mai 1883 mit 136 gegen 134 Stim-men bei zwei Stimmenthaltungen(Lohren(fmk.) und Wcdell-Malchow(kons.), die in Zweiter Lesung f ü r die Bersicherungspflichtgestimmt hatten) gestrichen.In einer nicht zur Verabschiedung gelangten Novelle von 1886zum KrankttverfilhexungSgefetz führte die Regierung als Grundgegen eine obligatorische Versicherung Lee Landarbeiter SN,—»„daß der erkrankte Arbeiter, wenn cr neben seinen NaturalicUnoch daS gesetzliche Krankengeld erhalte, besser gestellt sein würdeals der gesunde"! Alle seil der Zeit von der sozialdemokratischenFraktion gestellten Anträge auf Einführung der rcichsgesctzlichenVersicherungspflicht für die Landarbeiter und das Gesinde fielenauf steinigen Boden. Nur einige Resolutionen gelangten zur An-nähme: am 14. Mai 1900 die Resolution zu erwägen, ob eineVersicherungspflicht einzuführen sei, am 30. April 1003 die Nc-solution, die rcichsgcsetzliche KrwnkenversichcrungSpflicht der land-und forstwirtschaftlichen Arbeiter und des Gesindes einzuführen.Für diese Resolution stimmte auch das Zentrum. EineReihe Einzelländer— natürlich nicht Preußen— haben seitlängerer Zeit eine landeSgesctzliche KrankenvcrsicherungSpflichteingeführt. Die Reichsversicherungsordniing schlägt bekanntlich daSZerrbild einer Krankenversichcrungspflicht für Landarbeiter lindGesinde, eine Verschlechtertc Gemeindekrankenversicherung, vor:Ausschluß der Arbeiter von der Vcrtvaltung und völlig unzu-reichende Leistungen— für den Winter soll sogar der Landarbeitervom Bezug des Krankengeldes ausgeschlossen werden können I Undder Staatssekretär erklärt: ohne diese Verhöhnung der ländlichenArbeiter hat die ReichsversicherungSordnun� für die Regierungkeinen Wert. Kam, die Brutalisierung gegenüber der Arbeiterklasseschärfer ausgedrückt, klarer gestellt werden, daß auch bei dieserGesetzgebung einzig maßgebend ist die Rücksicht auf den Geld-beute! der Grundbesitzer und in noch stärkerem Maße der Wunsw.die Lage der ländlichen Arbeiter und der Kleinbesitzer möglichstabhängig von der Gnade des nicht nur im Osten häufig die Aus-Übung der Armenpflege bestimmenden Großdrundbesitzers zu be-lassen? Kann stärker künstlich die Leutenot gezüchtet werden?Es gilt, über diese Pläne die Landbevölkerung aufzuklären.Wer kein Feind der Landarbeiter ist. für den kann die Parole nurlauten: ohne eine wirkliche Krankenversicherung der Landarbeiterist die Reichsversicherungsordnung völlig wertlos. Am Zen-trum liegt es, wenn die Landarbeiter nun aber»malS um ihr Recht geprellt werden sollten. ErklärtdaS Zentrum, daß es diesen Verrat an den ländlichen Arbeiternnicht mitmacht, so kann die Regierung nicht bei ihrer antisozialenStellung beharren._Soziales*Lohn für SonntagSarbeit.Das Versandhaus M. Liemann hat an den beiden Sonniagcn vorWeihnachten, an denen es seine Verkaufsräume offen halten durfte,auch die Packer beschäftigt, diesen aber dafür keinen Lohn gezahlt.Dre, der Packer vermochten nun nicht eiiizusehen, warum die Ar-beit an dem silbernen und goldenen Sonntag gerade für sie keinenSegen haben sollte. Da ihre Forderung auf Bezahlung der Sonn-tagsarbeit mit je 6.40 Mk. nicht bewilligt iourde, wandten sie sichan das GeweiBegericht. In der gestrigen Kammersitzung wendetedie beklagte Firma ein, den Klägern sei gesagt worden, die Arbeitan den beiden Tagen wird nicht bezahlt, wer damit nicht einver-standen ist, kann seine Entlassung erhalten. Das wurde den Klä-gern gejagt, als der Lohn für den ersten Sonntag bereits fälligivar. Widersprochen wurde ihrerseits nicht; sie glaubten jedoch,daß ihnen ihr Anspruch ans Bezahlung ihrer Arbeit sowieso er»halten bliebe. Das Gericht war anderer Ansicht, es hielt nur denAnspruch auf Bezahlung für den ersten Sonntag für berechtigt,empfahl aber der Beklagten, sich mit den Klägern aus je 4 Mk. zueinigen. Dem wurde cntsprochen.Angst vor Lohiiämtern.Der ZcntralauSschuß Berliner kaufmännischer, industriellerund gewerblicher Vereine nahm am Montag zu dem Heimarbeiter-gesetzentwurf und besonders auch zu der Forderung nach Lohn-ämtern Stellung. Generalsekretär Dr. Koppel meinte, die Ein-führung solcher Lohnämter würde ein Eingriff des Staates in denPrivatbetrieb fein; außerdem könne man nicht wissen, ob nicht das,was heute in der Heimarbeit geschehe, morgen einem anderenJndustrieztveig widerfahre. In der einstimmig angenommenenResolution wendet sich der Zentralausschuß nachdrücklich gegen alleüber die Regierungsvorlage sowie die Kommissionsbeschlüsse hinaus-gehenden weiteren Forderungen und erhebt insbesondere schärfstenProtest gegen die Forderung des Heimarbeitertagcs auf Einfüh-rung staatlicher Lohnämter. Der Zentralausschuß hält einerseitsdiese Lohnämter praktisch und technisch für undurchführbar,andererseits aber muß aus prinzipielle» Gründen dieser Protestrhoben werden, da die Festsehung des Lohnes von Staats wegenohne gleichzeitige Garantie der Konkurrenzmilglichkeit, der Preiseund des Absatzes der Produkte eine Neuerung bedeuten würde, diezu unabsehUiren Konsequenzen führen und die ExistenzmöglidVicitder Unternehmerbetricbe in Frage stelle» müßte. Auch diese Sätzesind nur wieder ein Beweis, daß sich die Ausbeuter mit Händenund Füßen zur Wehr setzen, wenn sie eine Begrenzung der bös-artigsten Ausbeutungsmöglichkeiten fürchten.Huö Induftric und Handel»Ueber 33 700 Rinder weniger.Das Jahr 1040 stand wie seine Vorgänger im Zeichen der Vieh-und Fleischleuerung. Auf dem städtischen Viehhofe in Berlin wurdenim Vorjahre(»ach den anulichen Marktberichten) 246 870(1900:280 679) Rinder. 104 716(211011) Kälber, 658 077(601048) Schafeund 1 348 746(1 207 232) Schwein« aufgetrieben. ES waren mithin33 700 Rinder, 16 296 Kälber und 32071 Schafe weniger zum Vor-kauf gestellt als 1909, dagegen 46 613 Schweine mehr. Eine umfang-reicher« Einfuhr von Schlachtvieh oder Fleisch wurde von denStaatsbehörden abgelehnt, und so mußten die Vieh- und Fleisch-preise hinaufschnellen. Die Preise für Rinder, Kälber und Schafesind im versiossenen Jahre gestiegen, und die für Schweine wareneinem ständigen Wechsel unterworfen.Hohe Biehpreise hindern die Viehzucht!Diese von uns aufgestellte Behauptung wird nun auch von NN«zweifelhaft echtagrarischer Seite bestätigt. Die„Wiener land-wirtschaftliche Zeitung' schreibt in ihrer Nummer vom11. d. M.:„Die traurigen Folgen der Futtcrnotjahre 1008 und 1900zwangen die Viehbesitzer, ihre Viehbestände ivegen Mangels audein notwendigen Rauhsulter zu vermindern, und viele derschönsten und melversprechendsten Rinder mußten zu Schleuder-reisen tief unter den GestelmngSwm verkauft werden. Allerdingsrächte das Jahr 1910 entsprechende Futtererträge, aber auchder Liehpreis stieg rasch und dem Landwirt.der nun selbst als Käufer auftreten muß.fehlt in der Regel das Geld... Sicherlich Hot jederViehzüchter, jeder Bauer den Wunsch, seinen Viehstand zuvermehren: unter den gegenwärtigen Umständen bleibt dasaber meist ein frommer Wunsch, der selten zur Tat wird. D i ehohen Preise, die für Schlachtkälber gezahltwerden, sind zu verlockend, als daß der Bauer unterdem Drucke des Geldmangels der Versuchung widerstehen könnte."DaS gilt für Deutschland genau so wie für Oesterreich, dasWirtschafts- und handelspolitische System ist Hüven und drüben dasleiche. Die deutschen Agrarier betonen ja auch bei jeder Gelegen-eit, so erst letzthin bei dem Agrarierdmer in Wien, ihre Solidaritätmit den schwarzgelben VolkSauSwuchern. Was werden sie nun zudiesem Geständnis ihrer Freunde sagen?