Nr.U 28. Jahrgang. 1. KcilM des Jormätls" Kerlim Polfelilntt. Mittwolh, 18. Inmtar 1911 Keickstag. 109. Sitzung. Dienstag, den 17. Januar 1911, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratßttsch: Mermuth . Die Geschäftsordnungskommission beantragt, die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. Carstens(Vp.) in einer Privat- beleidigungssacke nicht zu erteilen. Abg. Doormann(Vp.) bittet, die Genehmigung im Interesse des Abg. Carstens zu erteilen. Abg. Geyer(Soz.): Das Allgemeininteresie muß dem des ein- zelnen Abgeordneten vorgehen; deswegen ist es angebracht, an der bisherigen Gepflogenheit festzuhalten und die Genehmigung zu versagen. Abg. Bassermann(natl.) und Dr. Gicse(k.) schließen sich dem an. ' Abg. Dr. Junck snatl.) bittet, die Genehmigung zu erteilen z wird in solchen Fällen die Genehmigung versagt, so braucht ein von einem Abgeordneten wegen Beleidigung Verklagter nur Wider- klage zu erbeben, um die Entscheidung zu verzögern. Auch früher hat der Reichstag in solchen Fällen schon die Genehmigung zur Strafverfolgung erteilt. Abg. Dr. Südckum(Soz.): In solchen Fällen ist dem Reichs» tage die Sache genau substantiiert vorgetragen und er konnte über die Notwendigkeit der Strafverfolgung entscheiden. Hier ist das nicht geschehe» und deshalb ist die Genehmigung zu versagen. Abg. Dr. Neumann- Hofer(Vp.j schließt sich diesen Aus- führnngen an, Damit schließt die Diskussion; der Antrag der Kommission wird angenommen, die Genehmigung also versagt. ES folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Reichswertzuwachssteuer. Abg. Dirksen sRp.s: Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und können uns den Ausführungen des Schatzsekrelärs und des Grafen Westarp anschließen. Bestärkt werden wir in der Zustimmung durch die guten Erfahrungen, welche die Kommunen mit dieser Steuer gemacht haben. Die Abänderungsanträge werden wir sämtlich ab lehnen, bis auf den des Abg. C u n o, hinter Wertzuwachs die Worte zu streichen:»der ohne Zutun des Eigentümers entstanden ist"; denn diese Worte stellen die Rechtsprechung vor eine unmögliche Aufgabe.— Notwendig ist die Borlage, um die Kosten für die Heeres Vorlage zu decken. Abg. Seyda(Pole): Meine Freunde stehen der Vorlage mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Dem Gedanken, den unverdienten Wertzuwachs zu besteuern, könnte man zustimme», be- sonders, da die Erwäge zum Ersatz des erhöhten Umsatzstenipels benutzt werden sollten; aber dieser Zweck ist verschwunden, jetzt sollen in erster Linie die Kosten für die neue Heeresvorlage aufgebracht werden. Dies müßte aber durch Ersparnisse im Etat geschehen. Sehr bedenklich ist aber die rück- wirkende Kraft, die der Entwurf an verschiedenen Stellen hat. Dem kleinen Grundbesitzer kommt der Entwurf nicht g e- nügend entgegen; deshalb haben wir beantragt, die Grenzen für die Steuerfreiheit heraufzusetzen.— Im§ 22 werden die Bundesstaaten für steuerfrei erklärt. Wir haben Bedenken, dem Bundesstaat Preußen mit seiner gegen uns gerichteten An- siedelungspolittk die Steuerfreiheit zu gewähren. Von dem Schicksal der von uns einzubringenden Anträge wird unsere endgültige Stellungnahme zu dem Gesetz abhängen. sBravo l bei den Polen.> Abg. Raab lWirtsch. Bg.): Meine Freunde stimmen dem Entwurf zu und bitten, ebenso wie der Schatzsekretär, weitere Abschwächungen nicht mehr vorzunehmen. Abg. Werner sAntisemit) begrüßt die Steuer als populäre Besitz- steuer; ihre Erträgnisse müssen in erster Linie den Veteranen zugute komnien. Abg. Pauly- Cochem (Z.) bittet, die Steuerfreiheit bei Ber - kaufen kleiner Grundstücke zu gewähren, wenn der Vermißter ein Einkommen bis zu 3000 Mark hatte, nicht bis zu 2000. wie die Kommission will; es würde die« den kleinen Landwirten und den kleinen Handwerksmeistern zugute kommen. Abg. Dr. Südekum(Soz.): «u« dem Eteuerges-tz, als das ursprünglich diese Vorlage ge- dacht war, ist unter der Hand ein kleines Feuilleton. Schriftstellerstipendien. Im norwegischen Staatsbudget sind für das laufende Jahr 24 200 Kronen als Stipendien und zur Unterstützung von Künstlern und Schriftstellern bewilligt, wovon 0000 Kronen auf die Schriftsteller kommen. Diese sind nun wie folgt verteilt worden: Johan Falkberget 1500, Olav Hoprekstad 1500, Herman Wildenwey 1000, Regine Normann , Matti Aikio und Alvilde Pryds je 500 Kronen. Die beiden zuerst aufgeführten Stipendien sind zu Studienreisen ins Ausland bestimmt.— Von den genannten Schriftstellern ist unser» Lesern besonders Falk- berget bekannt, von dem im Unterhaltungsblatt einige kleine Er- Zählungen abgedruckt worden sind, ein Proletarier, der noch vor wenigen Jahren als Grubenarbeiter sein Leben fristete. Gut, daß er kein Deutscher ist, denn da hätte sich schwerlich einer um ihn bekümmert oder an seinem Streben Anteil genommen, und an ein Staatsstipendium wäre ja überhaupt nicht zu denkne gewesen, zumal bei einem Proleten, der entsetzlich viel auszusetzen hat an dieser göttlichen Weltordnung. Fußtritte für den Armen, der sich emporzuringen sucht aus der Not des Daseins, der sich erfrecht, in die heiligen Hallen der Literatur und Kunst einzudringen als ein Strebender und Schaffender, die sind zu haben. Aber sonst mag einer die Brosamen fressen, die von der Reichen Tische fallen, und dann im stillen Kämmerlein dem Vaterlande ein Loblied singen! Ter Atem unter dem Mikroskop. Es erscheint bei der ersten lleberlegung als ein Unding, daß man etwas wie den Hauch des Atems, der doch nach der gewöhnlichen Annahme ausschließlich aus Gasen besteht, unter dem Mikroskop sollte besichtigen können. Einer wissenschaftlichen Untersuchung ist er natürlich unterworfen, aber diese kann sich, sollte man meinen, doch nur auf chemische und physikalische Messungen erstrecken. Selbstverständlich ist die chemi- sche Zusammensetzung der ausgeatmeten Luft längst bekannt, und auch über die physiologiichen Kräfte, die bei der Atmung zum Aus- druck kommen, haben Physikalische Methoden Aufklärung gebracht. Nun scheint etwas ganz Neues hinzu zu kommen, und zwar durch den Segen des Ultramikroskops, dieses überaus feinen In- strumcnts, das es dem Forscher ermöglicht hat, seinem Auge eine Schärfe noch über-die Grenze hinaus zu erteilen, die sogar ein Helmholtz als das äußerste bezeichnet, was man von einem Mikro- skop erwarten könnte. Dr. Courtade hat vor der Medizinischen Gesellschaft in Paris die Ergebnisse von Untersuchungen des Atems mit diesem Apparat angezeigt. Sie bringen die erstaunliche Eni- hüllung. daß die ausgeatmete Luft nicht nur aus Gasen wie Stick- stoff. Kohlensäure, Wasserdampf usw. besteht, sondern auch eine Menge von festen Körperchen enthält. Diese sind von mannigfacher Art und Form, bald starr, bald beweglich. In einigen kann man winzige Bakterien in Stäbchen- oder in Kugelform(Kokken) ver- muten, und zweifellos ist t>as Vorkommen von kleinen Hautzellen (Epithel) im Atem. DaS Verfahren, das der Forscher bei diesen Untersuchungen benutzt hat, ist sehr einfach. Man braucht nur ein Agar Tröpfchen hes Atems auf einen Glasstreifen verdunsten zu politisches Gesetz geworden. Die Konservativen haben angesichts des über sie herein- gebrowenen Unwetters bei den Nachwahlen das Bedürfnis gespürt, tili er Steuer zuzustimmen, die nach einer Bcsitzstcuer aussieht. Aber die Steuerscheu, die nun einmal von konservativer Gesinnung untrennbar zu sein scheint(Heiterkeit und Sehr gutl links.) hat nun doch bewirkt, daß die Rechte, und mit ihr das Zentrum, aus der Regierungsvorlage wieder ein agrarisches Gesetz zu machen im besten Zuge sind. Man kommt da mit Anträgen, durch die Ausnahmen angeblich zugunsten Minderbemittelter gemacht werden sollen. Das klingt ganz schön, sieht nach Mitielstandssieundlichkeit aus, ist aber in Wirklichkeit nichts als Demagogie.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Es handelt sich bei dem Gesetz doch um die Besteuerung des unver- dienten Wertzuwachses und da kann nicht in Frage kommen, ob dieser unverdiente Wertzuwachs Bemittelten oder Unbemittelten zufällt. Gegenüber allen AbschwächnngSanträgen beantragen wir die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Alleir falls würden wir uns mit dem Abänderungsantrag Marx-Zehnter befreunden können, der die Befreiung von dem Wert des Grund stücks. nicht von seinem Verkaufspreis abhängig machen will. Der Redner der polnischen Fraktion hat Bedenken politischer Natur vorgebracht, die keineswegs zu unterschätzen sind. Darüber wird sich bei den betreffenden Paragraphen reden lassen. Es ist wiederholt— besonders mich vom Schntzsekretär darauf hingewiesen worden, daß von dem Schicksal dieser Borlage die Fertigstellung des Etats und die Versorgung der Veteranen abhängig sein würde. Diese Art, Vorspann für die Vorlage zu requirieren, hat auf uns rechi wenig Eindruck ge macht.(Sehr gut! bei den Sozialdeinokralen.) Entweder ist die Vorlage gut— dann braucht sie keinen Vorspann, oder sie ist schlecht, dann kann und darf die Rücksicht auf den Etat und die Veteranen nicht zur Annahme einer schlechten Vorlage verführen. Für die Veteranen muß gesorgt werden, einerlei, ob diese Vorlage zustande kommt oder nicht.(Sehr wahr! links.) Von uns zu verlangen, daß wir aus Rücksicht auf die Veteranen für eine schlechte Vorlage stiminen sollen, heißt von uns verlangen, daß wir dem schwarzblaurn Stcucrblock P« spanndienste leisten sollen. Eine etwas sehr starke Zumutung an unsere Gutmütigkeit I(Sehr wahr I bei kraten.) Man sage uns nicht, daß einer schlechten Wertzuwachssteuer einer Vorlage den Weg verbarrikadiert. DaS der Fall. Daß der Gedanke der Zuwachssteuer nicht einschläft, dafür wird der zunehmende Einfluß der Sozialdemokratie in den Kommunen sorgen. Ein Volk von 05 Millionen mit einer jährlichen Bevölkerungszunahme von beinahe einer Million wird und kann eS sich auf die Dauer nicht gefallen lassen, daß die Steigerung des Grundwertes ausschließlich einer kleinen und immer mehr abnehmenden Zahl von Grund- besitzern zugute kommt.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Rechte und das Zentrum daS Be dürfnis verspüren, durch eine wirkliche Besitzsteuer ihre Sünden ver- gessen zu machen, so mögen sie eine solche Steuer beantragen, nicht aber ein neues Gesetz zugunsten der Agrarier machen. Keine Wertzuwachssteuer ist besser als eine schlechte, agrarisch durchlöcherte Wertzuwachssteuer.(Lebh. Beifall b. d. Soz.) Reichsichatziekretär Mermuth bittet dringend, alle Ab schwächungsanträge abzulehnen. Abg. Dr. Neumann-Hofer(Vp.): Ganz besonder? unangenehm ist die Verquickung der Wertzuwachs st euer mit der Militärvorlage. Die Regierungsvorlage müßte erhebliche Bedenken hervorrufen, die aber durch die Koinmission beseitigt sind. Wenn aber uoch weitere Abschwächungen erfolgen, so wird die ganze Vorlage ein L u f t h i e b. die Steuer bringt dann weniger als ihre Erhebungskosten. Abg. Bogel(natl.) warnt davor. daS Prinzip der Besteuerung des Wertzuwachses zu weit zu treiben. Man sollte wirklich allmählich mit der sogenannten.sozialen" Belastung des Besitzes einhalten. Besonders möchte ich gegen die Be- hauptung protestieren, daß der Bergbau eine weitere Belastung ver- trägt. Der Fall kann sehr leicht eintreten, daß ein Bergwerk, für das eben eine Zuwachssteuer bezahlt worden ist, eine Wertvermin- derung aufweist. Abg. Dr. Arendt(Rp.) dankt dem Vorredner für sein warmes Eintreten für die Interessen des Bergbaues.— Den Standpunkt den Sozialdemo die Ablehnung künftigen besseren Gegenteil ist lassen, um dann an diesen Stellen mit dem Ultramikroskop Staub- flecken zu beobachten, die nicht weniger reichlich zusammengesetzt sind als diejenigen, die man bei der Verdunstung von Trinkwasser erhalten kann. Vielleicht wird die weitere Prüfung zum Nachweis von Unterschieden dieses Atemstaubs bei gesunden und kranken Menschen führen. Massenfabrikation von Edelsteinen. Die kostbaren Edelsteine sind bekanntlich gerade deswegen so wertvoll, weil sie außerordent- lich selten sind. Es gibt aber eine Industrie, die Edelsteine zu Millionen verbraucht. Das ist die Uhrmacherei und die Instrumenten- macherei, in deren Edelsteinverbrauch der.American Mawinist" einen interessanten Einblick gewährt. Daß Edelsteine, zum Beispiel Rubine, als Lager für die Zapfen von Taschenuhren zahlreich verwendet werden, weiß wohl jeder; ebenso werden bei anderen Uhren und bei den verschiedensten Instrumenten ähnliche Lager massenhaft verwendet. Einer der wichtigsten Edelsteine hierfür ist der Saphir . Saphire aller Farben, die aus Ceylon, Australien und Montana stammen, werden zii Zapfenlagern verarbeitet. Die Amerikaner behaupten, ihre einheimischen Saphire seien für Instrumente die besten. Die Schnelligkeit, mit der die außerordentlich harten Steine zubereitet werden, ist ziemlich überraschend. Die gewöhnlichen Lager für Uhren haben Durchmesser von Ibis 6 Millimetern, für größere Instrumente kommen jedoch solche mit Durchmesienr bis zu einem Zentimeter zur Verwendung. Von den Durchschnittssteinen kann ein Arbeiter 80 bis 100 in zehnstündiger Arbeitszeit schneiden und polieren, und doppelt soviel kann ein Arbeiter in gleicher Zeit mit den Bohrlöcheru, die die Zapfenlager bilden, versehen. Von den feinsten Saphir- lagern, die für empfindliche Präzisionsinstrumente gebraucht werden. laiin ein Arbeiter jedoch höchstens 40 in zehnstündiger Arbeitszeit herstellen. Wie bestimmt man Farben? Als die Anilinindustrie erstand und eine Unzahl der prachtvollsten Farbenschattierungen lieferte, kam man in Verlegenheit, wie man diese einteilen und einheitlich benennen sollte. Da griff der berühmte Chemiker Chevreul zu folgendem Verfahren. Er ließ Sonnenstrahlen durch ein mit Schwefelkohlenstoff gefülltes Prisma fallen und vereinigte sämtliche durch diese Vorrichtung gebrochenen Farben in einem in 300 Grade geteilten Kreise. An dem einen Pole liegt daS Rot. 120 Grad weiter nach links Blau, in der Mitte zwischen beiden Gelb. Der Raum zwischen Rot und Gelb ist durch Mar- kierungen in vier gleiche Teile geschieden und jede Markierung zeigt eine Bezeichnung, nämtlich Rotorange, Orange, Gelborange. Aehn- lich wird der Abstand zwischen Gelb und Blau eingeteilt durch die Marken Grüngelb. Grün. Blaugrün.' Der Rest de« Kreises zwischen Blau und Rot wird als Blauviolett. Violett und Rotviolett gekennzeichnet. Nun wird jede Abteilung wieder in sechs Felder geteilt und diese werden mit Nummern bezeichnet, man hat also z. B. Rot II oder Gelbarün IV usf. Jede Farbe bildet aber auch noch mit Schwarz Mischfarben, zu denen alle gebrochenen Farben zu zählen sind. Auch diese werden in der gleichen Weise wie die vorigen festgestellt, so daß für eine jede für unsere Sinne überhaupt wahrnehmbare Farbe ein Unterkommen gefunden ist. meiner politischen Freunde hat mein Kollege Doerksen dargelegt; ich habe einen abweichenden Standpunkt, nicht prinzipiell, aber die praktische Durchführbarkeit scheint mir ausgeschlossen. Ich habe seinerzeit für die Forderung einer Wertzuwachsstener gestimmt (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), aber da kannte ich die Einzelheiten dieses Entwurfes noch nicht. Die Be- ratung zeigt die Nichtigkeit meiner Kritik, eine zweite Lesung wie diese habe ich in meiner langen parlamentarischen Praxis noch nicht erlebt.(Hört I hört I links.) Eine Wert« zuwachssteuer müßte auch das mobile Kapital heranziehen, sonst ist es besser, gar keine Wcrtznwachssteuer zu beschließen. Die ganze Materie ist so schwierig, daß noch nicht ein halbes Dutzend Abgeordnete das Gesetz in allen Einzelheiten beherrschen; die meisten haben mir zugestanden, daß sie r i der Lektüre nicht über den§ 4, 5 oder 0 hinausgekommen sind.(Widerspruch.) Die Steuer wird den Umsatz in Grundstücken hintanhalten und dadurch auch den Enrag der Umsatzsteuer beeinträchtigen.— Völlig unannehmbar ist für mich die Bestimmung des§ 11 über die Rückwirkung bis 1885. Wird dieser Paragraph nicht be« seitigt. muß ich gegen das ganze GJesetz stimmen. Es wird, trotz anfänglicher Mindereinnahmen, auf die Dauer vorteil- hafter sein, wenn wir an die Stelle der Rückbeziehung auf 1385 die Schätzung des jetzigen Wertes setzen. Ich bitte daher, meiner An- regung zu folgen, im übrigen aber die Beratung abzukürzen, deren Verlängerung nur immer neue Zweifel und Bedenken schafft. Reichsschatzsekretär Mermuth : Der Umstand, daß Herr Dr. Arendt nur für seine Person, nicht für seine Partei gesprochen hat, erlaubt mir, die Polemik gegen ihn wesentlich einzuschränken und so der Notwendigkeit gerecht zu werden, die er selbst in so warmer Weise betont hat. nämtlich mit der Zeit haushälterisch um- zugehen.(Große Heiterkeit und lebhafte Zustimmung.) Wenn do� Gesetz, das Herr Dr. Arendt in Grund und Boden zu reden sucht, wirklich so volksgefährlich, wirklich so ruinierend für den Grundbesitz ist, so wundert es mich doch, daß bei der ersten Lesung der Wort- führer seiner Fraktion so lebhast für das Gesetz eintrat. (Sehr gut!) Durch genaue Erkundigungen an Ort und Stelle, wo die WertzuwachSsteuer in Kraft ist, haben sich meine Beamten über- zeugt, daß die Schwierigkeiten und Kosten der Erhebung ganz u n- geheuerlich übertrieben worden sind.(Lebhaftes Hört, hört!) Ich bitte nochmals dringend, an die Veteranen zu denken, und muß mich gegen Herrn Dr. Südekums Vorwurf verwahren, daß ich diese Borlage mit der Veteranenfrage vernrenge. Es ist meine Pflicht, für die Deckung neuer Ausgaben zu sorgen. Die Wehr st euer ist undurchführbar; davon habe ich, glaube ich, in privater Unterhaltung ihre Befürworter überzeugt. Abg. Graf Westarp(k.): Meine Freunde in ihrer großen Mehr» hcit halten an der K o m m i s s i o n s f a s s u n g f e st. Die Ge- fahr, daß die BesreiungSvorschrislen von Terrainspekulanten miß- braucht werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Besitzer eines Terrains im Wert von 100 000 M. braucht es nur in zehn Parzellen von je 10 000 M. zu zerschlagen und durch von ihm ab- hängige Strohmänner, die natürlich kein hohes Einkommen besitzen, verkaufen zu lassen, und er wäre bei der Ausdehnung der Befreiungsvorschriften steuerfrei.— Herr Göhre ist gestern auf das Märchen von der niedrigen Einschätzung der Grund- b e s i tz e r zurückgekommen; bei der Vermögenseinschätzung kann gerade der Grundbesitzer nichts verheimlichen. Dan» hat der Ab- geordnete das Wort bergagrarisch gebildet. Agrarisch bedeutet land- wirtschaftlich, die Sozialdemokratie aber bringt damit den Haß gegen die Landwirtschaft zum Ausdruck.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Gegen die Junker!) Das Gesetz läßt aber gar nicht das Vergwerkseigentum frei, beim Verkauf eines Berg- Werks wird es von der Zuwachssteuer erfaßt, frei bleiben sollen nur unbewegliche Bergwerksanteile. Auch sonst ist der Vorwurf des agrarischen Pferdefußes, den Herr Göhre gegen den Entwurf erhob, unberechtigt, aber mit Recht haben wir dafür sorgen wollen, den durch die Arbeit des Landwirts geschaffenen Wert nicht einer besonderen Zuwachssteuer zu unterwerfen.(Sehr richtig I rechts.) Abg. Dr. v. Savigny(Z.) befürwortet die Heraufsetzung der Befreiungsgrenze für bebaute Grundstücke auf den Wert von 30 000, für unbebaute auf den Wert von 10000 M. Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Mitt« woch 1 Uhr. Schluß 6V| Uhr. Humor und Satire. Ein neues Preßgeseh wird von«einem Einsender in der„Kreuzzeitung " vorgeschlagen. Der schwarzblaue Reformator hat ein Mittel gefunden, den beut- schen Zeitungsleuten die Lust zu freier Meinungsäußerung gründ- lich auszutreiben. Natürlich bloß um brave Menschen gegen rohe Beleidigung durch die Presse zu schützen. Von jedem Zeitungs- besitzer soll eine seiner Auflage entsprechende Kaution zu hinter- legen sein und dann sollen bei Preßvergehen(Mdstrafen von dieser, immer wieder auf ihren Normalpegel zu ergänzenden Kau- tion in einer Höhe abgezogen werden,„daß auch dem zahlungs- fähigsten Preßmagnaten die Aussicht auf eine derartige Bestrafung ernstliches Unbehagen erregen müßte". Außerdem Geldbuhe an den Beleidigten,„auch wenn er eine bestimmte materielle Schädigung nicht nachzuweisen vermöchte". Dazu soll ganzen Klassen und Ständen das Klagerccht zugebilligt werden.— Merkste was? Wenn z. B. so ein Preßmagnat— das„abhängige und vor- geschobene" Redakteurzeug kommt gar nicht in Betracht!— die von Gott zur Nutznießung des Deutschen Reiches und insbesondere des Königreichs Preußen eingesetzten konservativen Junker scharf angreift, oder auch die vom selben lieben Gott zu Vorgesetzten der Nation bestimmten Hctzkapläne usw.,— schwupp zieht man ihm 100 000 Emchen von der Kaution ab. Und dann so weiter, bis ihm die�Sache zu dumm wird, oder bis ihm der Pleitegeier auf dem Das Mittel ist probat— aber immer noch viel zu umständlich. Es müßte ganz einfach jeder Angegriffene das Recht haben, einen 'hm passenden Betrag per Nachnahme von dem Beleidiger ein- zuziehen! Das gleiche Recht wäre jedem königlich preußischen Landrat und jeder konservativen Zeitungsredaktion einzuräumen. _(»Jugend".) Notizen. — Eine Vorstandökrise in der Berliner Sezession Von dem bisherigen Vorstande erklärt einer»ach dem andern daß er nicht wieder mittun will. Nach Liebern, ann kamen Kruse und Slevogt und jetzt hat sich ihnen auch Klimsch angeschlossen. Die Hintergründe dieser KrisiS werden nicht bekannt gegeben blöke Personenfragen aber haben kein öffentliches Interesse.' — Ratten-Zensur. In Hauptmanns„Ratten" hat die Zensur eme Stelle im dritten Akt gestrichen, in der der Tbeater. direktor Hassenreuter sagt:(„erleide ich eine Schädigung, so wende ich mich an den Polizeipräsidenten): ich bin'mit ße rm von M a d ai gut bekannt." Bei der Premiere wurde die Stelle trotzdem gesprochen, dann aber auf polizeiliche Reklamation hm weggelassen. Inzwischen wurde Madai in„Baron v. Krawutschke" umgetauft. Da zahlreiche andere bekannte Namen im Stück kwben bleiben dursten, weiß man sich den polizeilichen UkaS gegen den Klage erhoben wurde, nicht recht zu erklären. Wollte die Voli-ei mit der Streichung andeuten, wie unwahrscheinlich es itt h-ife jemand seiner Bekanntschaft mit der Polizei rühmt?'' 6 m
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