Zeuse: Selbstverständlich. Davon neljine ich kein Wort zurück. Rechtsanwalt Heine(zu den Staatsanwälten): Werden gegen andere Zeugen, die dieselben Beobachtungen wie Herr Pritschau gemacht haben, auch noch Ermittelungen veranstaltet, wodurch diese Zeugen als unglaubwürdig hingestellt werden sollen, dann möchte ich doch bitten, uns beizeiten Mitteilung davon zu machen, dcunit wir uns gegen solche— Ueberraschungen wollen wir mal sagen, rechtzeitig sichern können. Rechtsanwalt Heinemann-..zum Zeugen Pritschau): Wie hoch war die Strafe, die Sie wegen Duldung von Glücksspielen bekom- men haben?— Zeuge: 10 Mark. Es war ein Spiel, welches wohl in allen Restaurants gespielt wird. Es führt den Ramen„Mauscheln". Die Gäste meines Restaurants haben es nicht des Ge- Winnes, sondern lediglich der Unterhaltung wegen gespielt. Rechtsanwalt Hcineuiann: Das Verhalten der Staatsanwalt- schast gegenüber diesem Zeugen ist so überraschend und so wenig üblich, daß ich mich nunmehr auch zur Stellung eines Antrages veranlaßt fühle. Ich beantrage, die Disziplinarakten einzufordern über sämtliche hier vernommenen und noch zu vernehmende» Be- amten. Wir wollen doch mal sehen, ob sich nicht unter den Beamten auch welche befinden, die Geldstrafen von 10 Mark oder mehr er- halten haben. Rechtsanwalt Heine: Vielleicht sind auch Beamte darunter, die wegen Mißhandlung des Publikums disziplinarisch bestraft wurden. Man wird zugeben, daß das auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen gerade im vorliegenden Falle von Bedeutung ist. Wir sind zu diesem Antrage gezwungen, nachdem die Staatsanwaltschaft etwas getan hat, was man, wenn es ein Vertetdiger tun würde, als grob- lichen Mißbrauch der Advokatur bezeichnen würde. Ober-Staatsanwalt Prcnß(in etwas heftigem Tone): Ich habe das Recht, mich über die Zeugen zu erkundigen. Wie ich das tue, ist meine Sache. Darüber lasse ich mir keine Vorschriften machen. Die Beleidigung, die in den Worten des Rechtsanwalts Heine liegt, muß ich entschieden zurückweisen. Ich ziehe Erkundigungen ein, wo ich eS für nötig halte. Erkundigungen über die anderen Zeugen einzuziehen habe ich keine Veranlassung. Den Antrag der Verteidigung ans Vorlegung der Disziplinarakten bitte ich abzulehnen. Rechtsanwalt Heine: Niemand bestreitet der Staatsanwalt- schaft das Recht, Ermittelungen über Zeugen anzustellen. Aber ich bestreite, daß es sachdienlich ist, einem Zeugen eine Vorstraf« von 10 Mark wegen Glücksspiels unter solchen Umständen und in solcher Form vorzuhalten. Bewiesen wird dadurch nichts. Aber es kann die unerwünschte Wirkung haben, daß Zeugen eingeschüchtert und abgeschreckt werden, tvahrheitsgemäß zu sagen, was sie wissen. Schon aus diesem Grunde hätte die Staatsanwaltschaft das, waS sie dem Zeugen Pr'tschau gegenüber tat, unterlassen müssen. Rechtsanwalt Heinemann begründet den Antrag auf Vorlegung der Disziplinarakten. Die Verteidigung würde einen solchen Antrag nie gestellt haben, aber nach dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft befindet sich die Verteidigung in der Notwehr. Nach kurzer Beratung des Gerichts verkündet der Vorsitzende, daß der Antrag abgelehnt ist. Auf eine Frage des Rechtsanwalts Heinemann antwortet der Zeuge Pritschau: Die Spieler waren bürgerliche Leute, sie spielten nicht um hohe Sätze. Weiter teilt der Zeuge mit, daß nach seiner Aussage im Vorprozeß Kriminalbeamte bei seiner Frau erschienen und Erkundigungen über seine Person anstellten.— Ober-TtaatS- auwalt Preuß bemerkt, er habe nicht durch diese Erkundigungen, sondern von dritter Seite Mitteilung über die Vorstrafen des Zeu- gen Pritschau erhalten. Diese Seite zu nennen, weigert sich der Ober-Staatsanwalt. Rechtsanwalt Heine: Sagen wir es doch gerade heraus. Der Zeuge vermutet, daß der Kriminalkommissar in seiner Heimat, der feit Jahren gehässig gegen ihn ist, der Staatsanwaltschaft die An» gaben gemacht hat. Hierauf wird die Vernehmung der Zeugen fortgesetzt. Gerichtsaktuar Schur hörte auf menschenleerer Straße in einiger Entfernung schreien. Da trat ein Schutzmann auf ihn zu niit den Worten:„Warum schreien Sie?" und schlug ihn mit dem Säbel. Ms der Zeuge dagegen Einspruch erheben wollte, bekam er noch einen Säbelhieb und wurde aufgefordert, zu laufen. Kriminalkommissar Kuhn macht über die Verwendung von Kriminalbeamten in Moabit dieselben Angaben, die er vor der Strafkammer gemacht hat. Außer den den Polizeirevieren zu- geteilten sogenannten Weiten Kriminalbeamten waren noch Be- amte der vierten und solche der siebenten(politischen) Abteilung in Moabit . Diese beiden Kategorien unterstanden nicht dem Führer der uniformierten Schutzleute(Major Klein), sondern operierten jede für sich und jede unter besonderer Leitung. Die Charlotten- burger Polizei operierte wieder unabhängig von der Berliner Polizei, so daß also vier Arten von Kriminalbeamten in Moabit »varen, von denen jede auf eigene Hand operierte. Die Kriminal- b samten— sagt der Zeuge— sind mit Browningpistolen bewaffnet. Stöcke werden sie auch wohl gehabt haben. Die Antwort auf die Frage, ob er oder andere Beamte Berichte über die Moabiter Bor- gänge an die Presse geliefert haben, lehnt der Zeuge ab.— Die Verteidigung bemüht sich, von dem Zeugen zu erfahren, ob außer den Kriminalbeamten noch Polizeivigilanten in Moabit tätig waren. Der Zeuge antwortet: Bon unS sind solche Leute in Moabit nicht benutzt worden. Rechtsanw. Rosenfeld: Sie sagten, ein Teil Ihrer Beamten war an den llnfallstationen aufgestellt. Warum geschah das?— Kriminalkommissar Kuhn: Da sich in den Listen der Unfallstationen oft Personen unter falschem Namen eintragen lassen, so sollten sie alle festgestellt werden.— Rechtsanw. Rosen feld: Weshalb denn? — Kriminalkommissar Kuhn: Um zu ermitteln, ob sich die Wer- letzten strafbar gemacht haben, damit eventuell gegen sie ein- geschritten werden könnte.— Auf eine Frage des Rechtsanw. Rosenfeld gibt der Zeuge an. gehSrt zu haben, daß ein Beamter der> politischen Abteilung, der sich in Arbeiter- Neidung unter der Menge befand, von uniformierten Schutzleuten verhauen wurde. Mit Bezug auf die von mehreren Zeugen bekundeten Fälle von Lockspitzelei erklärt Kommissar Kuhn: Für diese Fälle komme keiner von den Beamten der 4. und der 7. Abteilung in Frage. Sämtliche Beamte seien vernommen worden und hätten auf ihren Diensteid erklärt, daß sie so etwas nicht gemacht haben.— Rechtsanwalt Heine: Also die Beschuldigten haben erklärt, fie waren es nickst. TaS beweist doch nichts. Polizeimajor Klein soll vernommen werden über die Ver- Wendung der zweiten Kriminalbeamten und ihre Instruktion.�— Rccktsanw. Heinemann erklärt diese Vernehmung fiir überflüssig. — Oberstaatsanwalt Preuß: Ich kann darauf nur dann verzichten. wenn die Verteidigung die Behauptung, daß Lockspitzel in Moabit tätig waren, fallen läßt.— Rechtsanw. Heine: Wie ttnnen wir etwas fallen lassen, was sechs Zeugen bekundet haben? Aber die Angaben der Vorgesetzten können in diesem Punkte gar nichts nutzen. Wir haben ja nie behauptet, daß die Leute, welche sich als Lockspitzel betätigt haben, dies im Austrage ihrer Vorgesetzten getan haben. So klug sind die Vorgesetzten selbstverständlich, daß sie derartige Aufträge nicht erteilen. Aber ich bin fest überzeugt, daß die Leute, welche von den Zeugen gesehen wurden. Kriminal- beamte sind, die aber auf eigene Faust handelten, um sich hervor. fjutun....... Ariminalwachtmeister Klante von der politischen Abteilung gibt an. er sei mit einer Anzahl von Beamten Dieser Abteilung nach Moabit geschickt worden, um die Vorgänge zu beobachten und seinem Chef Bericht zu erstatten. Bigilanten seien offiziell nicht in Moabit 'Wlizeileutnant Schirmer ist als Gegenzeuge zu den Angaben de» Zeugen Trevor geladen. Wie im Vorprozetz. so gibt Polize,- leutnant Schirmer auch jetzt zu, daß er nach einem jungen Manne mit dem Säbel schlug, in der Absicht, ihn zu treffen. Er wisse aber nicht, ob er ihn getroffen habe. Nach dem Grunde des Schlagen» be- fragt, sagt Polizeileutnant Schirmer: Der Mann kam von dort her, wo eine Menge stand, von der Gewaltfätigkeitm zu erwarten waren. — Nechtsanwakt Helnemann: Also es kommk ein einzelner Mensch aus einer Gegend, wo sie eine Menschenmenge, die Gewalttätigkeiten verüben könnte, vermuten. Mit welchem Recht schlugen Sie ihn?— Polizeileutnant Schirmer: Die Menge hatte vorher der zur Auf- rechterhaltung der Ruhe und Ordnung bestellten Staatsautorität Widerstand geleistet durch Werfen, ja es ist auch ein Schutz gefallen. — Rechtsanwalt Heinemann: Hat denn der junge Mann auch Wider- stand geleistet?— Polizeileutnant Schirmer: Ich weiß es nicht, ich mutzte es annehmen. Ob er zu den Leuten gehörte, welche vorher Widerstand leisteten, weiß ich nicht. Der Zeuge beruft sich auf die in der Gendarmerieordnung enthaltenen Vorschriften über den Waffen- gebrauch.— Rechtsanwalt Heinemann: Wie ist denn Ihr Verhalten mit der Gendarmerieordnung vereinbär?— Polizeileutnant Schirmer: Sie stellen mich vor eine schwere Antwort. Was man im Moment tut, das läßt sich nicht immer begründen.— Rechtsanwalt Heinemann: Auch wenn der junge Mann vorher Widerstand geleistet hätte, warum schlugen Sie ihn nachher, wo kein Widerstand geleistet wurde?— Polizeileutnant Schirmer: Das ist ein seelischer Vorgang, der sich schwer erklären läßt. Wenn man sich in einer Gefechts- stellung befindet, greift man eben zu. Ein Zwischenfall. Der Zeuge wendet sich an den Vorfitzenden und sagt: Einer der Verteidiger hat eben gesagt:„Alle Achtung!" Das ist eine Kränkung für mich. Ich bitte um Schutz.— Justlzrat Friedmann: Ich war es, der zu der Bemerkung des Zeugen von der Gefechtsstellung„alle Achtung" sagte. Das ist doch keine Kränkung.— Rechtsanwalt Heine(zum Zeugen Trevor): War denn die Situation so. daß man von einer Gefechtsstellung reden kann?— Zeuge Trevor: Nein. Außer 10 bis 12 Schutzleuten war nur der einzelne Mann da, der auch nicht aus der Menge, sondern aus entgegengesetzter Richtung kam.— Rechtsanwalt Heine: Und das,� Herr Leutnant Schirmer, nennen Sie eine Gefechtsstellung?(Heiterkeit.)— Vors.: Ich bitte, nicht zu lachen.— Polizeileutnant Schirmer: Die Gefecktsstellung bestand darin, daß ich von der einen und Wachtmeister Thurow von der anderen Seite vorgehen mutzten. Jetzt tut es mir ja leid, daß ich den jungen Mann geschlagen habe, ich bedaurr es. Zeuge Trevor: Der Schuß, von dem der Herr Polizeileutnant sprach, ist 45 Minuten vor dem Falle erfolgt, wo der Leutnant Schirmer den jungen Mann schlug.— Wachtmeister Thurow behauptet, der Mann, welcher von ihm und nachher vom Leutnant ge- schlagen wurde, habe vorher einen Stein aufgehoben.— Zeuge Trevor: Es ist ganz unmöglich» daß der junge Mann, der vor meinen Augen geschlagen wurde, einen Stein aufgehoben haben kann. Hierauf wurden noch mehrere Zeugen vernommen, die alle ihre vor der Strafkammer gemachten Angaben über Mißhand- lungen des Publikums durch Schutzleute und Kriminalbeamte wiederholen.— Der Zeuge Wilhelm Schmidt hat einen Mann ge- sehen, der in auffallender Weise nach den Schutzleuten hinüberrief „Bluthunde", sich mit der von den Schutzleuten vertriebenen Menge entfernte und an anderer Stelle sich wieder aufstellte und „Bluthunde" rief. Am folgenden Abend hat der Zeuge denselben Mann in Gesellschaft eines anderen ManneS gesehen. Ein Polizei- leutnant mit Mantel und Mütze erteilte diesen beiden Männern die Weisung:„Gehen Sie mal dort hinüber und sehen Sie zu, was da los ist." Die Männer folgten dieser Weisung.— Polizeimajor Klein bemerkt: Das könne kein Polizeileutnant gewesen sein; denn diese hätten bei jenen Gelegenheiten stets den Helm getragen. Die Verteidiger zeigen Photographien der Moabiter Ereignisse bor. auf denen Polizrioffiziere mit Mützen zu sehen find. Zeuge Kowalski suchte sich bei einer Attacke in einer Türnische zu sichern. Ein Leutnant zog ihn heraus und von den Schutzleuten bekam der Zeuge mehrere Säbelhiebe, von denen einer Paletot, Rock und Weste durchschlug und eine leichte Wunde verursachte. Kernmacher Westphal sah, daß ein Schutzmann eine einzelne Frau zu Boden warf und sie dann mit dem Säbel schlug. Ein Arbeiter, der zur Nachtschicht ging, wurde von einem Schutzmann geftagt: Wohin? Der Arbeiter gab Antwort. Ein anderer Schutz- mann sagte zu dem ersten: Sprechen Sie doch nicht erst mit ihm, hauen Sie ihn in die Schnauze. Grünkramhändler Dorn bekundet unter anderem: Ich wollte für eine Nachbarin, die in Wehen lag, eine Hebamme holen. Als ich einem Polizeileutnant das sagte und um Durchlaß bat, ant- wartete er:»Was heißt hier Hebamme, jetzt wird keine Rücksicht mehr genommen, ob Kinder kommen oder nicht. An diesen Zustän- den sind Sie selbst schuld."— Dem Zeugen gelang es schließlich, mit Hilfe eines Samariters, der ihm den Schutz des Roten Kreuzes anbot, die Hebamme herbeizuschaffen, die aber schwer zum Mit- gehen zu bewegen war, weil sie sich vor den Schutzleuten fürchtete. Am Abend des 28. Septembers forderte ein Kriminalschutzmann den Zeugen auf. den Laden zu schließen und daS Licht zu löschen und fügte die Drohung hinzu:„Wer sich nach S Uhr noch auf der Straße sehen läßt, wird erschossen."— Als der Zeuge den Laden geschlossen hatte, hörte er furchtbaren Lärm auf der Straße. Tischler Fritsch sah einen Fall, wo ein alleingehendes Ehepaar von Schutzleuten angefallen und die Frau niedergeschlagen wurde mit den Worten:„Dir Sau werden wir helfen." Buchhalter Birkholz, der bei der Firma Kupfer u. Co. ange- stellt ist, wollte vom Bahnhof Beusselstraße nach Hause fahren. Er fand sämtliche Fahrkartenautomaten geschlossen und von den vier Schaltern nur einen geöffnet. Die Reisenden konnten deshalb nicht abgefertigt werden, infolgedessen sammelte sich viel Publikum in der Vorhalle. Dann stürmten Schutzleute herein und trieben das Publikum heraus. Auf der Straße ist der Zeuge von einem Krimi- ualbcamten mit dem Stock geschlagen worden. Zeuge Lindemann war in einem Schanklokal in der Wiclef- straße. Nur wenige Gäste waren da, es ging vollkommen ruhig zu, der Wirt spielte Zither. Da stürmten Schutzleute mit blanke» Säbeln herein und riefen:„Wollt Ihr raus, Schweinehunde!" Die Gäste verließen daS Lokal und wurden draußen von Schutzleuten verhauen. Damit schloß die Sitzung. Heut um 10 Uhr wird die Ver- Handlung fortgesetzt.__ Die Sledding -Erelgniiie vor Gericht. Zweiter Tag. Gestern wurde zum allgemeinen Teil der Anklage die Beweis- rrhebung fortgesetzt. Sie brachte die Vernehmung der Polizei- bramten, die in der Schererftraße und Umgegend sich als Ruhe- stiftcr betätigt haben. Polizcihauptmann Körnich hat die Maßnahmen der Polizei geleitet. Er gibt an, daß es hauptsächlich am 2!1. Oktober zu größeren Ruhestörungen gekommen sei. Im wesentlichen auf den 29. Oktober beschränkt sich dann die Beweiserhebung bei der Ver- nehmung aller Zeugen. Körnich schildert die verschiedenen Versuche, die in der Ugmebung des Geschäfts von Morgenstern sich immer wieder ansammelnde Menge zurückzudrängen und zu zerstreuen. Von der Waffe sei, wenn sie überhaupt angewendet wurde, immer erst nach dreimaliger Aufforderung Gebrauch gemacht worden. Attakiert wurde besonders nach Steinwürfen, aber auch sehr viel harmlosere Dinge waren der Polizei ein Anlaß, vorzugehen. Zeuge bebt hervor, daß er an der Ecke der Schercr- und Reinickendorfer Straße auch ein Arbeiterlied habe singen hören. Er meint, eS sei die Ärbeitrrmarseillaise gewesen, und fügt hinzu: so daß wir gezwungen waren, vorzugchen." Das war nach Mitternacht, wo es zu neuen Ansammlungen in der Schererstraße gekommen war. nachdem Körnick bereits das Gros der Schutzmannschaft— bis auf 7 Mann, die vor dem Morgensternschen Geschäft blieben— zurückgezogen hatte. Zeuge weiß auch über Unterstützung zu berichten, die er aus dem in den Straßen sich bewegenden Publikum erhalten habe. Ein Wann habe gus eine Gastwirtschaft aufmerksam ge- maHjk, in die mehrere Skesntverfer sich zurückgezogen HKken, und die Gäste seien dann herausgeholt worden. Derselbe Mann habe später veranlaßt, daß eine Person wegen Zerstörung einer Laterne sisticrt wurde. Die„dreimalige Aufforderung" näher zu prüfen, bemüht sich der Verteidiger Rechtsanwalt Cohn, und dieses Thema wird dann auch bei den Vernehmungen aller übrigen Polizeizeugen immer wieder erörtert. Dreimal soll Hauptmann Körnich z. B. an der Ecke der Reinickendorfer und Schercr- bezw. Wiesenstraße aufgefor- dert haben, auseinanderzugehen. Rechtsanwalt Cohn: Können die drei Aufforderungen gehört worden sein?— Zeuge Körnich: Sie müssen sicher gehört worden sein, die Leute standen ja um mich herum.— Rechtsanwalt Colin: Aber wer erst nachher auf seinem Wege hineingeriet?— Zeuge: Wenn er die Aufforderungen nicht gehört hatte, so mußte er doch sich über die Situation klar sein.— Rechtsanwalt Cohn: Bemerkten Sie, daß Ihre Leute auf Personen eitlschlugen, die ersichtlich nichts mit den Exzedcnten zu tun hatten? — Zeuge: Ich habe nichts bemerkt. Bezüglich des Arbeiterliedes, das Zeuge gehört hat, fragt Rechstanwalt Karl Liebknecht : Was für ein Lied war das?�— Zeuge wiederholt: Die Arbeitermarseillaise.— Rechtsanwalt Lieb- knecht: Wie viele sangen sie? Wohl nur so zwei Leute?— Zeuge: Nein, nein, es war ein lauter und melodischer Gesang, meiner Ansicht nach von Leuten, die eigentlich einem Gesangverein ange- hören mußten.— Rechtsanwalt" Liebknecht : Na, vielleicht war es ein Gesangverein!(Heiterkeit im Zuhörerraum.) Die Verteidigung steht auf dem Standpunkt, daß polizeilicher Uebercifer die Situation verschärft hat. Hierzu bemerkt Rechtsanwalt Cohn: In einem anderen Prozeß hat sich herausgestellt, daß die Entblößung der Waffen zu sehr ungelegener Zeit erfolgte. — Zeuge Körnich: Nach meiner Meinung geschah das bei uns sehr zweckmäßig.— Rechtsanwalt Cohn: Ich zweifle nicht, daß auf Sie die Situation diesen Eindruck machen konnte. Waren Sie aber darüber unterrichtet, wie an anderen Punkten die Lage war? Ich bin der Meinung, daß die ernsteren Vorfälle durch die Matznahmen der Polizei verschuldet worden sind.— Wie die Schutzleute den Befehl zum Dreinhauen ausführten. daS sah Hauptmann Körnich selber mit an. Rechtsanwalt Cohn: Auf was für Leute wurde denn eingehauen? Auf zusammengerottete oder auch ruhige und einzeln gehende?— Zeuge: Daß aus einzelne eingehaucn wurde, sah ich nicht, und ich halte das auch für ausgeschlossen. Wir hatten uns stundenlang mit Leuten herumgeärgert, da wußte jeder nun Be- scheid.— Rechtsanwalt Cohn: Ist Ihnen bekannt geworden, daß an oder in der Bedürfnisanstalt, die sich an der Ecke der Reinicken- dorfer und Wiesenstraße befindet, Leute mißhandelt wurden?— Zeuge: Mißhandelt wurden sie nicht, es kann aber sein, daß dort die Waffe gebraucht wurde. Dorthin zogen sich nämlich die An» greiser zurück, und die Bedürfnisanstalt war gerammelt voll. Die Staatsanwaltschaft wehrt sich gegen die Ermittelung, ob Lockspitzelei getrieben ist. Den Zeugen Kornich fragt der Angekl. Rudolph: Waren Lock- spitzel tätig?— Zeuge: Ich kenne Lockspitzel überhaupt nicht.--- Angekl.: Es sollen sich welche in der Menge aufgehalten haben; Kriminalbeamte waren da.— Zeuge: Daß die„zweiten Kriminal- beamten" da waren, weiß ich; vielleidjt 15.— Rechtsanw. Cohn: Haben Sie die Instruktion für die Kriminalschutzleute selber au? gegeben?— Zeuge: Ja, ich hatte Austrag gegeben, zu zweien zu gehen und Leute festzunehmen, die„Bluthunde" riefen.— Rechtsanwalt Cohn: Hatten die den Auftrag, sich unter die Menge zu mischen?— Staatsanw. Brüning: Bisher ist den Beamten nur die Genehmigung erteilt worden, über die Vorgänge auf der Straße auszusagen.— Vors.: Wie weit der Zeuge eine Genehmigung zur Aussage hat, wissen wir ja nicht.— Rechtsanw. Karl Liebknecht : Es sollten doch nicht überflüssige Schwierigkeiten gemacht werden, die Wahrheit zu ermitteln? sie zu ermitteln, liegt doch auch im Jntcr- esse der Staatsanwaltschaft.— Staatsanw. Brüning: Ich tue nur meine Pflicht, wenn ich hierauf hinweise. Nur Aussagen über Maßnahmen zur Beruhigung sind genehmigt.— Vors.: Ich selber weiß nicht, wie weit die Genehmigung geht und mutz die Eni- scheidung dem Zeugen überlassen.— Rechtsanwalt Karl Liebknecht : Es handelt sich doch wohl auch bei diesen Maßnahmen nur um solche zur Beruhigung, nicht zur Beunruhigung.— Rechtsanw. Cohn: Ein Recht der Staatsanwaltschaft, den Zeugen auf etwas hinzuweisen, besteht nicht.— Staatsanw. Brüning: Es handelt sich hier um eine Frage der Verteidigung an den Zeugen, da bin ich berechtigt, Bedenken dagegen zu äußern.— Vors.: Möge der Zeuge entscheiden.— Rechtsanw. Cohn: Hier ist doch noch eine all» gemeine Bemerkung nötig. Die Staatsanwaltschaft ist in keiner Weise berechtigt, einen Zeugen über sein Berweigerungsrecht zu belehren.— Staatsanw. Brüning: Diese Zeugen haben wir ge- laden, damit sie über die Maßnahmen der Polizei bekunden. Da bin ich verpflichtet, beim Polizeipräsidium anzufragen, wieweit sie aussagen dürfen.— Rechtsanw. Liebknecht: Es ergibt sich nicht eine Art Eigentums- und Berfügungsrccht über einen Zeugen daraus. ob ihn die eine oder die andere Partei geladen hat.— Vors.: Wir wollen doch einfach die Prozeßordnung befolgen und den Zeugen entscheiden lassen.— Staatsanw. Linde: Gestern hat der Ver- teidigcr gegenüber dem Zeugen Böhlmann dasselbe Recht bean- sprucht, wie wir heute.— Rechtsanw. Cohn: Es ist nur ein Unter- schied; denn da handelte es sich um eine Privatangelegenheit, die für diesen Prozeß ohne Belang war. Hierauf fragt den Zeugen Hauptmann Körnich der RechtSanM. Cohn: Also Sie hatten die„zweiten Kriminalschutzleute" aus der ganzen Hauptmannschaft zusammengezogen. Hatten die von Ihnen eine besondere Instruktion?— Zeuge: Von mir hatten sie die In- struktion, z» patrouillieren und bei strafbaren Handlungen die Täter festzunehmen.— Rcchtsankvalt Cohn: Sollten sie sich auch unter die Menge mischen? Zeuge: Darüber verweigere ich die Aussage. Rechtsanw. Cohn: Dann bitte ich, hierzu die Genehmigung des Polizeipräsidenten einzuholen. Schon aus den Akten ergibt sich ja, daß auch Auftrag gegeben war, sich unter die Menge zu mischen; sonst hätte ich ja gar nicht danach gefragt.— Rechtsanw. Puppe: Hat denn der Polizeipräsident verboten, hierüber aus- zusagen?— Zeuge: Genehmigt ist mir, auszusagen über die Vor- gänge auf der Straße.— Rechtsanw. Cohn: Haben Sie Kriminal- beamte in der Menge gesehen?— Zeuge: In der Menge gesehen!? Das weiß ich nicht.— Rechtsanw. Liebknecht: Welche Kleidung hatten die Kriminalbeamten?— Zeuge: Dieselbe wie sonst.— Rechtsanw. Liebkuecht: Wie ist die? Normale bürgerliche Kleidung oder Arbeitcrtleidung?— Zeuge: Nach meiner Meinung war eS bürgerliche Kleidung. Nur der eine hatte eine etwas auffallende Kleidung, er wurde auch im„Vorwärts" erwähnt, sie nannten ihn da, glaube ich, den„Schah von Persien".— Rechtsanw. Liebknecht: Haben nicht Kriminalbeamte verschiedene Kleidung, etwa so wie die Schauspieler?— Zeuge: Das ist mir nicht bekannt.— Rechts- anwalt Liebknecht : Haben Sie bemerkt, daß ein Kriminalbeamter den„Vorwärts" besonders auffällig in die Tasche steckte und eine rote Krawatte trug?— Zeuge: Nein.— Vors.: Der Zeuge Schreiber soll sich ja als Kriminalbeamter aufgespielt haben.— Rechtsanw. Liebknecht: Wir meinten, das habe so eine Art zweck- dienliche Uniform sein sollen Ob noch andere als die der Polizeihauptmannschaft unter- stellten„zweiten Kriminalbeamten" auf der Straße waren, weiß � Zeuge nicht.— Rechtsanw. Liebknecht hält es für einen unmög- lichen Zustand, daß der verantwortliche Leiter der polizeilichen Maßnahmen hierüber nicht unterrichtet werde.— Zeuge Hauptin. Körnich: Darüber muß ich die Auskunft verweigern, das sind innere Angelegenheiten.— Rechtsanw. Cohn: Waren Kriminal- schutzleute von der politischen Abteilung da?— Zeuge: Das mag wohl sein.— Rechtsanw. Cohn: Dienstlich ist Ihnen nichts darüber bekannt geworden?— Zeuge: Von Offizieren habe ich erst vorhin gehört, zwei Beamte der 7. Abteilung seien auf einer Wache gewesen. Polizeileutnant Harnack äußert sich über die Vorgange vom 29. Oktober ähnlich wie Hauptmann Körnich. Er schildert die wiederholten„Säuberungen" der Straßen und die Ansschreitungen der Menge, die er dabei beobachtet habe. Bezüglich etwaiger AuS»
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