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fchreltungen von Beamten fragt ver Borfitzende: Haben Beamte auf Verhaftete beim Trausport zur Wache eingeschlagen? Zeuge: Das weiß ich nicht. Vors.: Ob auf der Wache mißhandelt wurde? Zeuge: Nein. Staatsanwalt Brüning erhebt Einspruch gegen dieje Frage. Vors.: Von der Verteidigung wird sie ja doch ge- stellt! Staatsanwalt Brüning: Ich bitte, diese Frage seitens der Verteidigung nur dann zuzulassen, wenn sie für die Beweiserhebung erheblich ist. Vors.: Wir haben uns doch schon gestern darüber geeinigt. Rechtsanwalt Lohn: Wird diese Frage also beanstandet oder nicht? Staatsanwalt Brüning: Ich stehe auf dem Stand- Punkt, daß nur über Vorgänge auf der Straße, nicht über Vorgänge auf der Wache gefragt lverden darf. Im weiteren Verlauf der Sitzung verliest Staatsanwalt Brü- ning, um die Wiederholung solcher Fragen zu verhindern, ein bei der Staatsanwaltschaft eingegmigenes Schreiben des Polizeipräsi- deuten. Danach ist den Polizeibeamten die Genehmigung erteilt worden nur zu Aussagen über Vorgänge, die zu den Unruhen und ihrer Unterdrückung in Beziehung stehen und sich auf den Straßen oder in Häusern ereignet haben. Der Polizeipräsident habe also, fügt der Staatsanwalt hinzu, Aussagen über Vorgänge auf den Wachen nicht genehmigt, auch nicht über cttoaige Misihandlnngen. Die Staatsanwaltschaft sei aber bereit, die Genehmigung auch hier- für nachzusuchen, sobald Beweisanträge von der Verteidigung vor- liegen. Rechtsanwalt Lohn kündigt solche Anträge an. Bei der Vernehmung des Polizeileutnants Harnack wird auch die Frage erörtert, wann die Polizei attackierte, ob das tatsächlich erst nach dreimaliger Aufforderung geschah und ob die Menge diese Aufforderungen gehört haben könne. Dieselbe Frage wird mit den Zeugen Polizeileutnant Maurer  , Polizeileutnant v. Sydow, Polizei- leutnant Kulte umständlich besprochen. Die Offiziere neigen mehr zu der Annahme, daß der Menge nurin freundlicher und licbens- würdiger Weise zugeredet" worden sei, doch nach Hause zu gehen. Dagegen erklären die später vernommenen Zeugen Schutzmann Ernst Schulz, Schutzmann Hoffmüller, Schutzmann Kränier mit großer Bestimmtheit, es sei dreimalige Aufforderung erfolgt. Alle diese Zeugen werden in ihrer Vernehmung ausdrücklich darauf hin­gewiesen, daß eine formelle Aufforderung unter Androhung der Waffengewalt gemeint sei, wie das Strafgesetzbuch sie vorsieht. Auch nach den Mißhandlungen wird von der Verteidigung noch einige Male geforscht. Leutnant Maurer   antwortet, nicht gesehen zu haben, daß bei Attacken auch auf Unbeteiligte eingeschlagen wurde. Derselbe Zeuge bekundet übrigens später, daß er keinen Massenwiderstand, sondern nur den Widerstand einzelner beobachtet habe. Als Rechtsanwalt Cohn den Leutnant v. Sydow fragt, ob auf der Wache Mißhandlungen vorgekommen sind, beanstandet der Vorsitzende diese Frage unter Hinweis auf das von der Staats- anwaltschaft gegebene Versprechen, erweiterte Genehmigung zu Aussagen hierüber zu erwirken. Leutnant v. Shdow erklärt, er wolle schon jetzt antworten. Rechtsanwalt Cohn: Ist Ihnen be- kannt, daß aus Ihrer Wache geschlagen wird? Zeuge: Gestern habe ich diese Behauptung in der Zeitung gelesen, darauf habe ich mich informiert, habe aber nichts ermitteln können. Rechtsanwalt Cohn: Ist Ihnen nicht bekannt geworden, daß die Umwohner Be- schwerde geführt haben über nächtliche Ruhestörungen durch Schläge und Schmerzensschreie? Zeuge: Nein. Rechtsanwalt Cohn: Ihre Wache soll besonders im Ruf stehen, daß dort geschlagen wird. - Zeuge: Davon ist mir nichts bekannt. Daß bei Attacken auf Unbeteiligte eingeschlagen wurde, hat auch Leutnant Kulke nicht gesehen, und er hält das auch nicht für möglich. Auf Befragen gibt er an, er sei immer dabei gewesen, wenn seine Leute die Waffen gebrauchten. Das Einerlei der Aussagen dieser Polizeizeugen wird unter- brechen durch die Vernehmung des Journalisten Freund, der als Berichterstatter desLokalanzeiger" den 29. Oktober mitgemacht hat. Der Herr weiß über ganz merk- würdige Erlebnisse zu berichten. Er schildert die Haltung der Menge in noch schwärzeren Farben, als selbst die Polizeibeamten; das deckt sich ja auch mit den Berichten, die damals derLokal- anzciger" gebracht hat. Ihn selber habe man für einen Polizei- spitzet gehalten, weil er mit Polizeibeamten gesprochen habe. Ihm und einem Wachtmeister, neben dem er ging, seien zwei Leute osten- tativ entgegen getreten. Wir schoben sie, erzählt er, auseinander. Das mag wohl etwas kräftig geschehen sein, wenigstens flog der Betreffende, den ich zur Seite schob, ein ganzes Stück weiter. Es sei dann zu SchmährufenBluthunde! Schlagt sie nieder!" ge- kommen, und man habe mit Sleinen geworfen. Schließlich habe er sich auf die Polizeiwache in der Uferstraße gerettet und von dort aus an seine Redaktion telephoniert. Zu dem Rencontre mit jenen beiden Männern fragt Rechtsanwalt Cohn: Ein Angriff auf Sie war nicht erfolgt? Zeuge: Nein! Rechtsanwalt Cohn: So daß als der aggressive songreifend«) Teil Sie erscheinen mutzten. Auch Zeuge Freund hat die Arbeitermarseillaise gehört, etwa um 1 Uhr an der Reinickendorfer und Schererstraße. Er sah, daß sofort Berittene dorthin stürmten, doch weiß er nicht, was daraus wurde. Er beobachtete nicht, daß Verhaftete auf dem Transport geschlagen wurden; sie ließen, sagt er, sich ruhig abführen. Nur zweimal bemerkte er, daßauf Leute, die Schmährufe ausstießen, oder nicht weiter wollten, geschlagen" wurde. Toll ist eine Geschichte, die der Zeuge Freund dann vom 31. Ok- tober zum besten gibt. Als er nachmittags in der Schererstratze sich fragend an Schutzleute wandte» fiel ihm auf, daß in einem benach- barten Lokal hinter dem Fenster heftig gestikuliert und auf ihn gewiesen wurde. Ihm sei dann ein Mann gefolgt, der ihn fragte: . Sind Sie ein Arbeiter? Höchstwahrscheinlich nicht, sonst würden Sie nicht so mit dem Beamten sprechen!" Ich ging, erzählt Zeuge, ihm und nach und fragte ihn, was er eigentlich von mir wollte. Der Mann antwortete mir:Ach, Sie sind Polizeispitzel, ein Polizei- offizier in Zivil. Sehen Sie sich vor, daß Sie nicht mal ein Paar reinbekommen! Ich bin von meinen Kollegen Ihnen nachgeschickt worden, um Sie zu beobachten!" Darauf zeigte ich ihm meine Karte, aber ich sagte selbstverständlich nicht, von welchem Blatt ich bin. Da wurde der Mann ganz anders. Er streckte mir die Hand entgegen und sagte:Ich bin Gnchpcnführer der Partei. Ich arbeite da drüben in der Fabrik, aber ich habe mich von der Arbeit freigemacht.. Von der Partei bin ich beauftragt, nachzusehen, ob es hier wirklich so schlimm ist." Ich sagte ihm, dann solle er seiner Partei und seinemVorwärts" Bericht erstatten, damit zur Ruhe gemahnt werde. An demselben Nachmittag fand ich dann in einem Extrablatt desBorwärts"*°) eine Mahnung zur Ruhe. Ich will dahingestellt sein lassen, ob das auf unser Gespräch zurückzuführen ist. Das Gericht hört die Erzählung und selbst diesen letzten Satz mit dem unerschütterlichen Ernst an, den jeder Zeuge fordern darf. Die weitere Beweiserhebung bringt unter anderem die Bekun- düngen eines Schutzmanns Nowack, Her am 29. Oktober nicht Dienst hatte, aber ein besonders wichtiger Zeuge sein soll, weil er in seiner Vernommen Kerben bann eine Frau Kreutler, die am 39. Ok tober wegen eines Einkaufs bei Morgenstern auf dem Heimwege be lästigt worden ist, und zwei Zeugen Klose und Granschow, die nach dem 29. Oktober am anderen Morgen aufgerissenes Bürgersteig Pflaster sahen. Granschow, der an der Ecke der Reinickendorfer   und Wiesenstraße wohnt, sagt, etwa 13 Steine seien herausgerissen ge Wesen. Am Abend vorher hat er stundenlang die Vorgänge beob achtet und keine Aufforderung des Hauptmanns Körnich zu hören vermocht. Auch Zeuge Abraham, der im Eckhaus Schererstraße wohnt, hörte keine Aufforderung. Ein Zeuge Weiß, der dann aufgerufen wird, packt sogleich einen arg zerhauenen Hut aus. Er hat ihn an der Ecke der Reinickendorfer  - und Schercrstratze vom Pflaster aufgelesen und legt ihn als Beweisstück vor. Am 29. Oktober war er abends erst um 11 Uhr von der Arbeit heimgekehrt; wir Schuhmacher arbeiten gewöhnlich länger, fügt er erläuternd hinzu. Ins Haus hinein getraute er sich nicht, weil drei Schutzleute mit bloßen Säbeln davor standen. Er ging dann umher und beobachtete, wie in der Schererstraße ein Mann das Pflaster aufriß und Steine verteilte. Als einer sich weigerte, einen Stein zu nehmen, sagte der Mann Habt Ihr Angst vor den Blauen? Ihr Sch...!" Ein älterer Mann trat dazwischen:Laßt Euch nicht provozieren, nicht von den Schutzleute» und nicht von Spitzeln!" Plötzlich rückten Schutz leute an. Der Mann, der Steine verteilt hatte, zeigte auf einen Hier, der ohne Paletot!" und schloß sich dann den in die Anton straße hineinstürmenden Schutzleuten an. Später geriet Weiß au' der Flucht zwischen zwei Schutzmannsketten. Er bat, den Hut lüftend:Herr Wachtmeister, tun Sie mir nichts, ich will nach Hause." Er bekam mit flacher Klinge einen Säbelhieb über den Rücken.Sie Maulaffe, sind Sie noch nicht zu Hause!?" Nachher beobachtete er an der Ecke der Scherer- und Reinickendorferstratze, wie ein junger Mann von vier Kriminalschutzleuten ohne erficht- lichen Grund mit Gummiknüppeln niedergeschlagen wurde. Es werden dann aus demVorwärts" mehrere auf den Streik bei Morgenstern und die sich anschließenden Straßenvorgänge bezügliche Notizen und Artikel verlesen. Darunter sind Bekannt machungen des Zentralverbandes der Fleischer, der vor Zuzug warnt, und Artikel desVorwärts", die die übertreibende Bericht erstattung der bürgerlichen Presse und im besonderen desLokal anzeiger" geißeln. Herrn Freund, den Berichterstatter desLokalanzeiger", fragt hier Rechtsanwalt Cohn noch, wo er sich seine Informationen geholt habe. Zeuge antwortet, er habe sich bei Polizeioffizieren und durch eigene Beobachtungen informiert und halte gegenüber den An griffen desVorwärts" alles aufrecht. Die Frage des Rechts anwalts Cohn, ob vomLokalanzeiger" etwa beim Polizeipräsidium oder beim SNinisterium des Innern auch Informationen über die den Artikeln zu gebende Richtung eingeholt worden seien, wird vom Vorsitzenden beanstandet. Es kommt dann zwischen dem Ver- teidiger Rechtsanwalt Cohn und dem Staatsanwalt Brüning zu einer Auseinandersetzung über die politische Färbung, die auch dieser Anklage wegen der Weddingunruhen wieder gegeben worden sei. Schließlich fragt Rechtsanwalt Cohn noch den Zeugen Freund, was er sich eigentlich unter einemGruppenführer der svzialdem» kratischen Partei" denke. Zeuge antwortet, jener Mann habe ein Arbeiterkontrollbuch" vorgewiesen, um zu zeigen, daß er ein Ehrenamt bekleide. Als Wohnort habe er Pankow   angegeben. Freund fügt hinzu: Wenn ich hier erwähne, daß ein Parteifühver sich über die Unruhen ärgerte, so verteiifige ich doch die Partei. Rechtsanwalt Cohn: Nun, Sie müssen auch die Wahrheit sagen, wenn Sie damit die sozialdemokratische Partei verteidigen. Hiermit schließt die Sitzung. Heute um 9 Uhr ist die nächste Sitzung. In ihr beginnt die Beweiserhebung über die einzelnen Anllagcfälle. parlamentarifcdes. e vom Balkon aus am späten r habe bemerkt, wie unten das Wohnung Ecke Anton- und Maxstra Abend die Vorgänge beobachtet hat. i_ Bürgersteigpflaster aufgerissen wurde, die Leute sich die Taschen mit Steinen vollstopften und dann an dem gegenüberliegenden Bretterzaun die aufprallenden Steine ein Gepolter erzeugten. Da habe Leutnant Maurer   gerufen:Hier ist mit Steinen geworfen worden! Gewehr auf, marsch, marsch!" Leutnant Maurer   selber weiß davon nichts und erklärt es für unulöglich; höchstens werde «r gesagt haben:Chaine, marsch, marsch!" Schutzmann Nowack lenkt ein:Ja, von zwei Stock hoch konnte ich das nicht so genau hören. Vors.: Sahen Sie denn, daß auf das Kommando über- Haupt die Säbel gezogen wurden? Zeuge: Einige zogen sie. Bors.: Einige! Vielleicht geschah das nur im Uebereiser. So endet die Aussage dieses klassischen Polizeizeugen, der von einem gutgelegenen Beobachtungsposten in völliger Ruhe seine Beobach- tungen hat machen können! *) Das von uns herausgegebene Extrablatt ist selbstverständlich nicht auf das vom Zeugen behauptete Gespräch zurückzuführen. von dessen Inhalt wir erst durch diesen Bericht Kenntnis erhalten. Rühren die Märchen desLokalanzeigers" über die Wedding  » Unruhen von demselben Zeugen her? Aus der Reichsversicherungsordnungs-Kommission. Sitzung am Dienstag, den 17. Januar. Freiwillige Weitcrverficherung. Scheidet ein Mitglied, das in den vergangenen 12 Monaten mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen einer Kasse angehört hat, au» der versicherungspflichtigen Beschäf- tigung aus, so kann es in einer Kasse oder Lohnstufe Mitglied bleiben, so lange es sich regelmäßig im Jnlande aufhält. Auf Antrag der Sozialdemokraten wurde hinzugefügt, daß in einem solchen Falle der Versicherte in eine niedere Lohnklasse übertreten kann, was bisher verboten war. Wer Mitglied bleiben will, muß es der Kasse binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden anzeigen. Der Anzeige steht es gleich, wenn in der gleichen Frist die satzungsmäßigen Beiträge voll gezahlt werden. Die Sozialdemokraten machten auf die Schwierigkeit in dem Falle aufmerksam, daß der Versicherte innerhalb der Melde- frist erkrankt. Hat er sich nicht vor seiner Krankheit als freiwilliges Mitglied gemeldet, dann ist in einigen Bundesstaaten vom obersten Gericht der Unterstützungsanspruch zurückgewiesen, in anderen Bundesstaaten anerkannt worden. Die Sozialdemokraten beantragten, daß der Anspruch für solche Fälle im Gesetz ausdrücklich als berechtigt anerkannt werde. Diesen Antrag lehnten die Kon- servativen, Nationalliberalen und das Zentrum zwar ab, nahmen aber den Antrag an, daß der Anspruch für die Erkrankungen innerhalb der ersten Woche nach dem Aus- tritt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung anerkannt wird. Dann kam es zu einer Aussprache über das Selbstvcrwaltungsrccht der Arbeiter in ihren Krankenkassen. Die Sozialdemokraten wendeten sich entschieden gegen die Entrechtung der Arbeiter in bezug auf die Wahl des Kassen­vorsitzenden; wie in erster Lesung angenommen war. Nach lebhafter Diskussion, in der Abg. Becker- Arnsberg allerlei beweislose Be- houptungen über den Terrorismus der Sozialdemokraten in den Krankenkassen vorbrachte, blieb es mit Hilfe der Konservativen, Nationalliberalen und des Zentrums bei der Entrechtung der Arbeiter. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen beantragte Abg. T r i m- b orn, die Fragen, ob die Arbeiter auch in bezug auf die Zusammen- setzung des Vorstandes und des Ausschusses sowie in bezug auf die Anstellung der Kassenbeamten entrechtet werden sollen, bis zum Schlüsse der Beratung zurückzustellen. Inzwischen werde der Ent- wurf des Einführungsgesetzes� dem Reichstage und der Kommission zugehen und dann könnten jene Fragen besser entschieden werden als jetzt. Hiergegen wendeten sich die Sozialdemokraten. da dann auch die Arztfrage und alle weiteren wichtigeren Fragen ver ta gt werden nmßlen und damit die Beendigung der ganzen großen Arbeit in diesem Jahre unmöglich sei. Das Z e n t r u m beschloß aber zusammen mit den.Konser- v a t i v e n und N a t i o n a l l i b e r a l e n, daß jene Fragen zurück- gestellt werden. In dieser Debatte fragte Genosse Hoch den Staatssekretär. ob der Entwurf des VerficherungSgesctzcs für Privatangcstellte auch jetzt noch dem Reichstage zugehen und zusammen mit der Reichsversicherungsordnung erledigt' werden soll. Der Staats- sekretär Dr. Delbrück erklärte: Der Entwurf sei nur eine Vorlage der preußischen Regierung an den Bundesrat. Es sei noch gar nicht zu übersehen, wann der Entwurf an den Reichstag gelangen und welchen Inhalt er haben werde. Vergewaltigung der landwirtschaftlichen Arbeiter. Die Konservativen beantragten von neuem die in der ersten Lesung mit Hilfe des Zentrums abgelehnte Bestimmung, daß bei den Landkrankenkenkassen der Gemeindeverband den Bor  - sitzenden und die anderen Mitglieder des Vorstandes bestellt, darunter einen oder mehrere Stellvertreter de? Vorsitzenden. Das Zentrum war bereits mit einem Ergänzungsantrag bei der Hand: cS hatte sich offenbar schon mit den Konservativen über die Annahme des Antrages verständigt. Demgemäß trat auch der Staatssekretär Dr. Delbrück ganz entschieden auf. Er erklärte, daß die Regierungen das ganze Gesetz ablehnen würden, wenn nicht alle Ausnahmebestimmungen der Vor- lagegegendie landwirtschaftlichen Arbeiter an» genommen würden. Unsere Genossen und der Pole antworteten dem Herrn, daß die Regierungen sich selbst am schlimmsten kennzeichnen würden, wenn sie aus diesem Grunde die Reform der Arbeiterversicherung scheitern lassen würden. Das Zentrum aber war angeblich so zerschmettert durch die Erklärung des Staatssekretärs, daß eS erklärte, es müsse sich die Sache noch einmal gründlich überlegen. Demgemäß mutzte die Sitzung ver- tagt werden. Nächste Sitzung Mittwoch._ Das Zulagewesen bei der Marine. Dis Budgetkommission des Reichstages erörterte am Dienstag das Zulagewesen bei der Marine. Umfang und Mannig- faltigkeit dieser Zulagen werden durch folgendes Musterverzeichnis gekennzeichnet: es gibt Messe- und Tafclgelder, Funktions-, Bord- und Fachzulagen, Seefahrts- und Landzulagen, Dienstalter-, Stellen-, Ministerial-, Orts- und Verpflegungszulagen; ferner Ehrenzulagen und Dienstaufwandsentschädigungen. Für diese Zu- lagen sind im nächsten Etat nichtweniger als 13 315 515 M. eingesetzt. Auf Veranlassung des Reichstages sind an den Tafeln- und Messegeldern im ganzen 459 099 M. gespart worden, nachdem der Reichstag   im vorigen Jahre 271 574 M. vom Etat ab- strich. Aber die Kürzungen sind so erfolgt, daß die höheren Offiziere kaum etwas einbüßen; viel härter, zum Teil skandalös hart, sind die unteren Chargen und die Gemeinen betroffen worden. Ein Flottenchef wird auch in Zukunft jährlich noch etwa 11599 M. Tafel- und Messegelder erhalten; sie sind von 33 W für den Tag auf 32 M. gekürzt worden. Im Aus- lande erhält er auch in Zukunft täglich 69 M. Tafel» gelder. Dagegen sind 19 999 Heizern zum Beispiel die 29 Pfennig-Zulage entzogen worden, obwohl sie die schwere, gesundheitsschädigende Arbeit zu leisten haben. Für die Mann- schaften erhöht sich der Verpflegungssatz im Auslande von 85 Pf. aus 1,93 M., also um 21 Proz., bei den Offizieren um 88 bis 299 Prozent; außerdem beziehen die Herren Offiziere nicht selten mehrere Zulagen nebeneinander, die zusammen oft erheblich höher als das Gehalt sind. Endlich haben die Offiziere noch namhafte andere Vergünstigungen. Ter Staatssekretär meinte, er habe doch das Zulagewesen ganz nach den Wünschen des Reichstages, das heißt seiner bürger- ichen Mehrheit, geregelt. Der Vorschlag der Freisinnigen, zur Prüfung des Zulagewesens eine Subkommission einzusetzen, wurde mit dem Hinweise bekämpft, dabei würden wahrscheinlich wieder höhere Zulagen herauskommen; gerade die Liberalen hätten sich vor einigen Jahren in dieser Richtung betätigt. Von sozialdemokratischer Seite wurde scharf gegen die Abzüge bei den Heizern protestiert; die Abzüge seien um so mehr zu verurteilen, als sich der Reichstag auf sozialdemokratische Anregungen hin für die Erhöhung der Mannschafts löhnung ausgesprochen habe. Wenn sich das Zentrum jetzt einer Reform des ZulagewesenS widersetze, handle es nur aus politischen Gründen; aus gleichen Gründen hätten damals die Liberalen die Wünsche der Verwaltung erfüllt. Direkt gefährlich sei die Subventionierung der nichtamt- lichenMarinerundschau" mit 29 999 M.; außerdem erhalte ein Offizier noch eine Extrazulage als Redakteur; gelegentlich leiste sich gerade diese Zeitschrift politische Extravaganzen, so vor kurzem erst eine kleine Englandhetze. Der Versuch der Verwaltung, die Abzüge für die Heizer damit zu begründen, daß Heizer, die auf Grund der allgemeinen Dienstpflicht dienen, keine Extraentschädigungen zu beanspruchen hätten, wird von sozial» demokratischer Seite scharf zurückgewiesen. Für die Heizer müßten die Zulagen durch Ersparnisse bei höheren Stellen wieder heraus- geholt werden. Einige vorliegende Anträge sollen bei den ent- sprechenden Etatspositionen erledigt werden. Hus der Partei. Gabriel Löwcnstcin l'. Unser Parteiveteran Gabriel Löwen st ein ist Dienstag mittag, 85 Jahre alt, in Nürnberg   an einer Lungenentzündung g e st o r b e n. Löwenstein gchört zu den ältesten Parteimitgliedern und zu den Gründern der Eisenacher Richtung. Schon 1869, auf dem Verbandstage der Arbeiter-Bildungsvereine in Nürnberg  , saß der Bortenmacher Gabriel Löwenstein   neben Bebel im Vorstande des Verbandstages als zweiter Vor- itzender. Er war die Seele der Nürnberger  iozialdemokrat ischen Bewegung und hat als Vertreter der dortigen Genossen die meisten der ersten Partei- tage besucht. Bis in die neunziger Jahre war der alte Löwenstein überall zu sehen, wo die Partei im Kampfe stand oder über schwierige Fragen zu Rate saß. Er widmete sich päter fast ausschließlich der Gemeindepolitik, der er sich schon in jüngeren Jahren mit großem Eifer zugewandt hatte. Auch in den bayerischen Landtag zog er ein, dort wesentlich kommunale Fragen und die Staatsarbciterverhältnisse be» handelnd. In den letzten Jahren wurde er häufiger von Krankheiten heimgesucht, so daß mehr wie einmal das Ge- rücht von seinem Tode auftauchte. Aber immer wieder ge- lang es ihm, die Krankheit zu überwinden und empor- zukommen, und noch vor ein paar Jahren gelegentlich des Nürnberger   Parteitages bewegte er sich frisch und Wohl- gelaunt unter der Schar der Delegierten. Das deutsche Proletariat verliert in dem Verstorbenen einen seiner Besten; weit über die Grenzen Deutschlands   hin- aus wird das Hinscheiden Löwensteins lebhaste Teilnahme und tiefe Trauer erwecken. Die großen Verdienste des alten Löwenstein um die Arbeiterbewegung werden in den Herzen !)er Genossen in dauerndem Andenken bleiben. Fortschritte in der Organisation.» Der Sozialdemokratische Verein für den 13. sächsischen Reichstags Wahlkreis fLeipzig-Land) bat auch im zweiten Halbjahr� 1919 eine weitere erfreuliche Steigerung seiner Mitgliederzahl aufzuweisen. Wäh- rend im vergangenen Gescbästsjahr 1299 Aufnahmen zu verzeichnen waren, wurden allein im vergangenen halben Jahre 1511 neue Mit- glieder aufgenommen, 1175 männliche und 336 weibliche. Die Mit- gliederzahl, die am Schlüsse des vorigen Geschäftsjahres 24 945 be» trug, ist nunmehr auf 26 456 gestiegen. Die Einnahme der 58 OrtS- vereine des KreiSvereinS beliefeu sich auf 57 493,19 M., die der Hauptkasie(einschließlich 33 394.51 M. Beiträge der OrtSvereme) 47 683.74 M. An den Parteivorstand wurden 12 900 M. abgeliefert. der Kassenbestand beträgt 17 635,48 M. Bon der sozialdemokratischen Presse in der Schwei,  . Seit Neujahr erscheint in C h u r ein neues Parteiblatt für die Arbeiterschaft des KaiitonS Graubünden unter dem Titel.Bündner Volkswacht". Das Blatt erscheint wöchentlich und die Redaktion be- orgt Genosse Dr. G a m s e r. Er ist auch der Leiter de« am Januar 1911 eröffneten neuen bündnerischen ArbsitersekretariatS. Das Organ der sozialdemokratischen Jugendorganisation in der Schweiz  Der Jungbursche', hat seinen Namen inDie freie Jugend" umgewandelt. Zugleich wurde das Format des achtseitig erscheinenden Blattes vergrößert._ Verantwortlicher Redakteur: Richard Barth  , Berlin  . Für den Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin  . Druck».Verlag: Vorwärts jöuchdruckerei jp VerlagSanstalt Paul Singer u-Co., Berlin   LW,