GewerfefchaftUdtts# SeNnclelpolitik. Die Leitung der christlichen Gewerkschaften macht es' der freien Arbeiterbewegung immer zum Vorwurf, daß sie von ihr bekämpft werde. Bei solchen Gelegenheiten wird dann von jener Seite stets behauptet, daß doch„gleiche Jnter- essen genug" bestünden, oder es wird, wenn man nicht mit- niachen will, darauf hingewiesen, daß die„fortgesetzte Be- kämpfung ein gemeinsames Vorgehen unmöglich" mache. Wie liegen nun die Dinge in Wirklichkeit? Es ist ja eine alte Tatsache, daß die Drahtzieher der christlichen Gewerkvereine verschiedene„Standpunkte" zur Verfügung haben. Aus der Waffen- und Gerätekammer der gewerkschafts-Gladbacher Jesuitenpolitik wird ini gegebenen Arbeiter gestört und die der Unternehmer gestärkt worden! geeignetesten erscheint, die Zentrumsinteressen am sichersten zu wahren. Es ist gut, daß dies hin und wieder dokumentarisch belegt werden kann. Für heut seien zwei Stellen aus Artikeln zitiert, die beide im„Zentralblatt der christlichen Gewerkschaften" erschienen sind, und nur drei Wochen aus- einanderliegen d e x christlichen G e- g. Januar 1911. llever den Kampf in der Pforz- heimer Edelmctallindustrie. „Ein weiterer schwerer Fehler wurde auf sozialdemokratischer Seite dadurch gemacht, daß die Bewegung einseitig in Szene ge- setzt, die christliche Organisation nicht nur ignoriert, sondern noch angegriffen und ohne Grund per- leumdet wurde. Damit wurde die Geschlossenheit der Arbeiter gr stört und die Pofitio» des Ar� beitgeberverbandes bedeutend ge stärkt." Das„Z e n t r a l b l a t t werkschaften" schrieb am 12. Dezember 1910. Die Lohnbewegung im Ruhrgediet. .Der sozialdemokratische Berg- arbeiterverband richtete am 16. No- vember an die übrigen Berg- arbeiterorganisationen den Antrag, eine gemeinsame Sitzung der Ver- treter aller Verbände abzuhalten, weil es an der Zeit sei, Lohn- forderungen zu formulieren. Eine ain 27. November ab- gehaltene Konferenz erklärte dazu: Die heutige Konferenz der Ge- Werkvereinsortsgruppen des Ruhrgebietes erklärt sich gegen das vom alten Verband vorgeschlagene Zusammengehen. Die Konferenz ist der Ansicht, daß es dem alten Verbände gar nicht um ei« Zu- sauimengehcn und um eine ehr- liche und streng gewerkschaftliche, gemeinsame Arbeit zur Erzielung besserer Verhältnisse für die Ar- heiter zu tu» ist. Die Taten der Berbandsführrr beweisen eS." Also innerhalb drei Wochen erklärte die Leitung der christlichen Gewerkschaften einmal, daß sie mit den freien Gewerkschaften nichts zu tun haben wolle, denn diese meinten es ja doch nicht ehrlich mit ihren Forderungen an die Unter- nehmer, und zstm anderen sprach sie sich dahin aus, daß die freie Organisation sie leider gar nicht gefragt hätte, ob sie mitkämpfen wollen, und dadurch sei natürlich die Macht der Arbeiter gestört und die der Unternehmer gestützt worden! In Wirklichkeit handelt es sich darum, daß im Ruhr- gebiet das Zentrumsinteresse es verbot, mit den modernen Arbeiterorganisationen gleiche Sache zu machen. Bei dem Pforzheimer Kampfe kam kein anderes als das rein gewerkschaftliche Moment in Frage, und da beschweren sich die lieben Christen natürlich sofort, daß man sie so behandelt hat, wie sie es im Ruhrgebiet ausdrücklich erzwungen haben. Echte Jesuitentaktik. Zugleich ist dadurch wieder einmal bewiesen, daß der ausschlaggebende Faktor der Tätigkeit der christlichen Gewerkschaften nicht das Wohl der in ihnen organisierten Arbeiter, sondern der politische Vor- teil der Zentrumspartei ist. Und diese fürchtet sich zu sehr vor den kommenden Wahlen, die ihr im Ruhr- gebiet leichtmöglicherweise arg zusetzen können, und des- wegen mußten die Führer der christlichen. Organisationen Vorspann leisten! Eine feine Arbeiterpolitik! VerUn und Umgegend. Achtung, Metallformer und(Siestereiarbeiter! Der Streik der Aluniiniumformer des Kabelwerkes Oberspree in Ober-Schöneweide ist beendet. Die Sperre ist hiermit auf« gehoben. Deutscher Metallarbeiterverband. Ortsverwaltung Berlin . Der �ensterputzerstreik bei der Glaserinnung ist auch am gestrigen Tage noch nicht zum Abschluß gekommen. Die Streikenden beharren fortdauernd darauf, daß weitere Zugestand- nisse gemacht werden müssen, ehe sie sich in ihrer Mehrheit zur Wiederaufnahme der Arbeit entschließen können. Sie wurden in dieser Haltung bestärkt durch eine öffentliche Fensterputzerversamm- lung, die am Mittwoch im Anschluß an die Streikversammlung' stattgefunden hatte und eine Resolution annahm, worin den Strei- kenden dringend empfohlen wurde, im Kampfe auszuharren und sich mit den Zugeständnissen nicht zufrieden zu geben.— Die Streiken - den hatten sich gestern vormittag von neuem versammelt, um über die Lage zu beraten. Die Vertreter der Lohnkommission und der Organisationsleitung, unter ihnen auch der Bezirksleiter Werner, sprachen für die Annahme des Angebots, aber wiederum ohne den gewünschten Erfolg. Die Versammlung nahm dann einen Antrag an, wonach man stch zufrieden geben wollte, wenn die Firma statt 24 M. 25 M. ohne Abzug als Anfangslohn bewilligte. Da die Lohn- kommission sich entschieden weigerte, unter diesen Umständen weiter zu fungieren, wurde eine neue Kommission aus der Mitte der Streikenden gewählt, die dann zum Direktor R u b a r t h ging, um ihm die Sache vorzustellen. Das Ergebnis, das in der Nachmittag von neuem eröffneten Versammlung mitgeteilt wurde, war. daß Herr Rubarth nun- mehr darauf bestand, daß die als provisorische, höchstens auf sechs Wochen geltendes Uebereinkommen gedachten Zugeständnisse für den Fall, daß ein General- oder Einheitstarif nicht zustande kommen sollte, von vornherein als Tarifvertrag auf mindestens zwei Jahre festgelegt werden sollten. Wollten die Streikenden darauf nicht ein- gehen, so werde der Betrieb vorläufig geschlossen, und spater werde man sich dann die Leute auswählen, die man vielleicht brauche. Herr Rubarth behauptete der neuen Kommission gegenüber, daß sich die Lohnkommission und die Organisationsvertreter mit dem An- gebot— wie wir es gestern veröffentlichten— einverstanden erklart hatten. Das ist jedoch, wie die Vertreter der Lohnkommisston und des Verbandes in der Versammlung betonten, durchaus nicht richtig. Sie hatten Herrn Rubarth und den betreffenden Jnnungs- meistern ausdrücklich gesagt, daß sie das Angebot den Strei- kenden vorlegen wollten, und dah die Streikenden zu entscheiden hätten.— In der Versammlung wurde nun nochmals über die Vereinbarungen in ihrer ursprünglichen Form, die der Glaserinnung zur Unterschrift vorgelegt werden sollten, ab- gestimmt. Aber das Ergebnis war ungefähr dasselbe wie am Abend vorher. Es wurden 36 Stimmzettel für und 51 gegen die Verein- barungen abgegeben. Daß sich die Streikenden mit dem neuen, ver- schlechterten Angebot zufrieden geben sollten, dafür war auch nicht die mindeste Aussicht vorhanden. Die alte Lohnkommission ging dann nochmals zu Herrn R u» Barth, um ihn von dem Ergebnis und der Stimmung der Ver- fatnmkung In Kennknls zu fetzen. Sie gab der Firma anheim, noch mals zu überlegen, ob es nicht besser sei, einen Tarifvertrag auf Grundlage des Anfangslohnes von 25 M. abzuschließen. Herr R u b a r t h versprach dann, zum Freitag den Aufsichtsrat und Vorstand der Genossenschaft zu einer Sitzung zusammen zu berufen, um die Sache nochmals zu besprechen. Es soll danach abermals verhandelt werden. Achtung, Töpfer! Ueber die Sperre bei der Firma Krause u. R e u s ch e ist zu berichten, daß auf Wunsch von Krause unser Ver- treter nochmals verhandelt hat zwecks Beilegung der Sperre Krause war auch geneigt, sich zu einigen, jedoch sein Kompagnon Reusche war zu nichts zu bewegen, sondern steckte weiter den Herren- standpunkt heraus. Schuld daran ist hauptsächlich, daß sich wieder jene nützlichen Elemente gefunden haben, um Rausreißerdienste zu leisten. Darunter befinden sich auch mehrere Hirsche, mit ihrem Vorsitzenden August Rhode an der Spitze. Weiteres über jene Ele- mente zu sagen, erübrigt sich. Alles Nähere über die Sperre im „Töpfer". Die Verbandsleitung. Deutkehes Reich. Ei» gelber Bauarbeiterverband. In Bremerhaven hat sich ein„Verein ständiger Arbeitnehmer im Baugewerbe zu Bremerhaven " gegründet, der alle vaterländisch gesinnten Bauarbeiter an der Unterweser unter seiner gelben Flagge sammeln will. Welchen Erfolg diese Krähwinkelei haben wird, ist allerdings eine andere Frage._ Der Streik auf den Norddeutschen Automobilwerken in Hameln dauert unverändert fort, da die Firma durch ihr Verhalten eine Verständigung unmöglich gemacht hat. Wir ersuchen den Zuzug aller Branchen strengstens fernzuhalten. Metallarbeiter-Verband. Zahlstelle Hameln . Lohnbewegung im Lithographiegewerbe Leipzigs . Die Arbeitsverhältnisse im Lithographiegewcrbc in Leipzig haben durch das von den Großunternehmern gezüchtete Zwischen- meistertum bedenklichen Charakter angenommen. Durch die starke Ueberfüllung des Berufs mit Arbeitskräften werden sehr viele. zumeist junge Leute nach Beendigung ihrer Lehrzeit aus dem Berufe herausgedrängt. Die Intensität der Arbeit verschuldet es, daß 31 Prozent der Kranken an schweren nervösen Störungen und 23 Prozent an Erkrankungen der Lungen und Atmungs- organe erwerbsunfähig sind. In umgekehrtem Verhältnis hierzu stehen Entlohnung, Stellungsdauer und die berufliche Aus- bildung. Das hat zu großer Unsicherheit der Existenz und zu schlechter Lebenshaltung geführt.— Die Lithographen ,n Leipzig streben jetzt eine Besserung dieser mißlichen Arbeitsverhältnisse an. Den Privatlithograpben wurden Vereinbarungen unterbreitet und Verhandlungen angeboten. In stark besuchter Versammlung beschlossen die Arbeiter, alle Betriebe zu sperren, die sich einer Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse widersetzen: am 21. Januar soll eventuell das Arbeitsverhältnis gekündigt werden. TiusUnd. frieden im Lütticher Kohlenrevier. Ueber die den Frieden best immenden beiden Ver- s a m m l u n g e n der Vergarbeiterföderatiou Lüttichs wird uns noch von unserem Korrespondenten mitgeteilt: In der Montagversammlung der Föderation wurden die Resultate der Verhandlungen der Grubendirektoren mit den Arbeiterdelegierten bekanntgegeben und die Aussichten des Friedens erwogen. Als Resultat dieser Verhandlungen wurde folgendes bekanntgegeben: 43 Unternehmer hatten die Bedingungen der Bergarbeiter, die im wesentlichen auf die Anerkennung der alten Grubenreglements hin zielten, akzeptiert. Drei Direktoren machten Borbehalte, sechs Direktoren hatten noch keine Autwort erteilt, da sie nicht zu er- reichen waren.— Ein Teil der Delegierten sprach sich dafür aus, daß gegebenenfalls der Streik für jene Grube» aufrecht zuerhalten wäre, deren Direktoren sich den Bedingungen nicht fügen wollen. Indes kam es in dieser Versammlung nicht zur Entscheidung über den Streik, sondern erst in der Dienstag- sitzung der Föderation, die sich dann angesichts der gemachten Zugeständnisse seitens der Unter- n e h m e r endgültig für den Frieden und das Ende des Streiks erklärte. Die mit 21 gegen 2 Stimmen und sechs Stimmenthaltungen angenommene Tagesordnung stellt fest, daß der letzte Brief des Arbeitsministers dieAnerkennung der früheren Situation und die von den Unter- nehmern gemachten Zugeständnisse garantiert. Sie stellt ferner fest, daß sich noch eine weitere Anzahl Unternehmer für die Forderungen erklärt haben.— Was die Arbeiter jener Gruben betrifft, deren Direktoren starrfinnig blieben, so empfiehlt der Verband den betreffenden Arbeitern, ihre Situation zu überprüfen, und sichert ihnen die Unter st ützung des Verbandes für ihre Aktion zu. Mit Rücksicht auf die den Berg- arbeitern gewordene Genugtuung bezüglich ihrer Forderungen erklärt sodann die Tages- ordnung. daß der Streik zu Ende ist. Die Tatsache, daß im ganzen bloß drei Unternehmer die Arbeiterforderungen abgelehnt haben, zeigt den siegreichen Ausgang dieses Streiks und die große m o r a- tische und materielle Tragweite dieses Sieges an. Hoffentlich geht der in der Tagesordnung des Bergarbeilerverbandes aus- gesprochene Wunsch auch in Erfüllung, daß sich für die neuen Kämpfe eine kräftige Organisation findet. Amerikanische und mexikanische Lokomotivführer der südlichen Pacificbahn in Mexico sind auf einer Strecke von 100V Meilen wegen Lohndifferenzen in den Ausstand getreten. Gericdts- Leitung. Der ominöse 133 der Gewerbeordnung sollte nach der Auffassung des Amtsanwalts Anwendung finden in einer Strafsache gegen den Former T.. in der vor dem Schöffen- gericht Köpenick am Mittwoch Termin anstand. Im November v. I. verlangte das Allgemeine Deutsche Metall- werk in Oberschöneweide von den Arbeitern des Betriebes, sie sollten in Zukunft des Sonnabends bis 4 Uhr arbeiten, statt wie bisher bis 3 Uhr. Dies Ansinnen lehnten die Arbeiter ab. Darauf wurden sie sofort entlassen. Die entlassenen Arbeiter hatten nun naturgemäß ein Jnter- esse daran, daß sie nicht durch andere Arbeitskräfte ersetzt wurden. Auch der Angeklagte übte sein gesetzliches Recht, die zur Arbeit Gehenden auf die Differenzen aufmerksam zu machen, aus. Bei Erfüllung seiner Pflicht geriet er an den Streikbrrcheragenten Katzmareck, der als Arbeitswilliger«ingetreten war und noch eine Anzahl anderer angeworben hatte. Der Angeklagte will den Katzmareck und zwei andere Arbeitswillige lediglich auf die Diffe- renzen aufmerksam gemacht haben. Zwei Gendarmen, die ganz in der Nähe standen, hätten feine Aeußerungen nicht beanstandet. Einer der Arbeitswilligen namens Hahn bekundet jedoch, der Angeklagte habe erklärt, daß gestreikt werde und habe hinzugefügt: Wenn Ihr noch mal kommt, sollt Ihr sehen, was passiert. Be- droht habe er sich durch diese Aeußerung nicht gefühlt. Der ebenfalls als Zeuge geladen« Katzmareck war nicht er- schiancn; das Gericht verhängte gegen ihn eine Ordnungsstrafe von 6 M. oder einen Tag Haft. Einer der arbeitswilligen Zeugen erwähnte bei dieser Gelegenheit, Katzmareck werde wohl als Arbeitswilliger unterwegs sein. Nach Angabe des Angeklagten hat Katzmareck ihn gefragt, ob er— der Angeklagte— ihn— Katzmareck— an der Arbeit hindern wolle, worauf der Angeklagte erwidert hat, das falle ihm nicht ein. Der Vertreter der AmtSantwaltschaft hielt die Tatbestands- Merkmale des§ 153 der Gewerbeordnung für vorliegend und b«< anfragte gegen den Angeklagten ekne Gefängnisstrafe von 14 Tagen. Bei dem Amtsanwalt hatte die Scharfmacherrede des Ministers des Innern vom Dienstag bereits Schule gemacht, er bezog sich auf diese Rede und verlangte energischen Schutz des„vornehmsten Rechts des Arbeiters auf Arbeit". Der Verteidiger, Genosse Dr. Siegfried Weinberg, konnte der neuesten ministeriellen Scharfmacherrede Aeußerungen des ehe- maligen Miisters v. Berlepsch und namhafter Kommentatoren der Gewerbeordnung entgegenstellen, die sich dahin auslassen, daß der Z 153 der Gewerbeordnung ein Ausnahmerecht gegen die Arbeiter- klaffe darstelle, das niemals ausdehnend interpretiert werden dürfe. Er wies in interessanten Ausführungen darauf�hin, daß es sich hier bei dem Vorgehen der Arbeiter des Betrieb/s nur darum gehandelt habe, daß der Unternehmer zur Jnnehält�ag der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen angehalten' werden sollte, daß es sich deshalb nicht um..Verabredungen zur Erl ngung günstiger Arbeitsbedingungen"— der Voraussetzung der T.iwend- barkeit des§ 153 der Gewerbeordnung — handele, urch.' baß das Kammergericht sowohl wie das Reichsgericht in solchen Fällen den § 153 der Gewerbeordnung für nicht anwendbar erklärt haba. Der Ukas des Unternehmers, in dessen Betrieb mehr als 20 Arbeiter beschäftigt wurden, sei nach§ 125 des Bürgerlichen Gesetzbuches nichtig. Er entbehre der gesetzlichen Form, da eine Abänderung der Arbeitsbedingungen in Fabriken nur durch Aenderung oder Schaffung einer Arbeitsordnung— die in dem fraglichen Betriebe überhaupt nicht vorhanden war— in rechtswirksamer Weise er- folgen könne.(§ 134 u. f. der Gewerbeordnung.) Der Verteidiger plädierte auf Freisprechung. Aeußerstenfalls könnte der Versuch der Nötigung in Frage kommen. Bei einem solchen Delikt sei Geldstrafe zugelassen und, wenn das Gericht sich auf diesen Stand- punkt stelle, sei nach Lage der Sache auf eine geringfügige Geld- strafe zu erkennen. Das Gericht verkündete nach längerer Beratung, daß die Sache an die Strafkammer zu verweisen sei. Es komme nicht Vergehen gegen Z 153 der Gewerbeordnung in Frage, sondern eventuell Nötigung. _ Die Moabiter Borgänge vor dem Schwurgericht. Der Zigarrenfabrikant Bösenberg, Rostocker Straße 21, ersucht uns um Mitteilung, daß er mit dem Zeugen Bösenberg nicht identisch ist, der am Mittwoch bekundete, das Publikum habe die Polizei gereizt. Diesem Wunsch kommen wir hiermit nach.. Heute beginnen die Plädvhers in diesem Schwurgerichts- Prozeß. Ter Bock als Gärtner. Der Polizeikommissar Schreiber wurde vom Bromberger Schwurgericht wegen Amtsunterschlagung in zwei Fällen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er hatte für inhaftierte Prostituierte asscrvierte Geldbeträge in Höhe von 45 und 100 M. unterschlagen- Die verpönten„Simvlicissimus"-Bilder. Im Sommer 1910, als in der Hamburger Bürgerschaft ein Antrag zur Bekämpfung der Schmutz- und Schundliteratur zur. Verhandlung stand, entrüstete sich der prominente Abgeordnete Dr. Moenkeberg, ein Bruder des verstorbenen hamburgischen Bürgermeisters, über die von der Kunstanstalt von Hulbe im Schau- fenster ihres Ladens am Jungfernstieg ausgestellten„Simplicissi- mus"-Reproduktionen. Die Originale sind von dcm Verstorbenen Künstler Reznicek und stellen die bekannten Entkleidungsszenen mit dem Bett im Hintergrunde dar. Tie Stimme des Herrn Dr. Moenkeberg, der schon bei Beratung der hamburgischen Lex Heinze sich kolossal sittlich entrüstet hatte über den„Schund und Schmutz" in dem genannten Witzblatt, fand bei der Polizei einen Resonanzboden. Die ausgestellten Bilder wurden beschlagnahmt, von der Staatsanwaltschaft zunächst freigegeben, dann aber wieder eingezogen. Dann wurde gegen den Aussteller Anklage /rnS§ 184 des Strafgesetzbuches erhoben. Der Angeklagte, der am Mittwoch vor dem Landgericht Hamburg stand, bemerkt, nicht das Sujet, das er keineswegs für anstößig halte, sondern das künstlerische Moment habe ihn veranlaßt, die Reproduktionen herzustellen. Der Staats- anwalt meint, durch das öffentliche Zurschaustellen an einem so belebten, dem Publikuni zugänglichen Orte könnten selbst Bilder eines Tizian in sittlicher Beziehung Anstoß erregen. Der Antrag lautet auf eine Geldstrafe von 199 M. Ter Verteidiger Dr. Bra- band beantragte die Ladung von Sachverständigen sowie die deS spiritus rector der Sache, damit dieser aussage, was er bei Be- trachtung der Bilder empfunden habe. Außer diesem Herrn habe sich niemand aus dem Publikum über die Bilder beschwert, die übrigens im„Simplicissimus" in etwa 150 000 Exemplaren in Deutschland unbeanstandet öffentlich verkauft und ausgestellt ge» Wesen seien. Das Gericht lehnte diese Anträge ab und verurteilte H. zu 50 M. Geldstrafe und erkannte auf Einziehung der drei be- schlagnahmten Bilder. Den weitergehenden Antrag des Staats- anwalts auf Einziehung der gesamten Bilder lehnt das Gericht ab, da es sich nur um eine relative Unzüchtigkeit handle. Ter Verkauf und die Ausstellung der Bilder an geeigneten Orten solle nicht ge, troffen werden._ Hetzte Nachrichten« Ter Studentcnstreik in Hannover . Hannover , 19. Januar. (W. T. B.) Infolge des Beschlusses der Studenten der tierärztlichen Hochschule, den Besuch der Vorlesungen und Uebungen solange einzustellen, bis die Ein- führnng des Rektorates bewilligt sei, ruhte heute der Unterricht an der Hochschule vollständig. Die Direktion der Hochschule erklärt zu diesem Vorgehen der Studentenschaft, daß sie die Sache, die sie fördern wolle, eher geschädigt habe, weil sich her Minister nicht zwingen lassen könne, ihre Forderung zu erfüllen. In diesem Sinne ist die Studentenschaft auch von der Direktion der Hochschule unterrichtet und vor übereilten Schritten gewarnt worden. Der Direktor, Geheimrat Dammann, der selbst hie Einführung"dcS Rektorates lebhaft befürwortete, steht auf dem Standpunkt, daß der Minister der Hochschule gegenwärtig keine Rektoratsverfassung geben kann, weil dadurch Aenderungen im Etat bedingt sind, zu denen es in diesem Jahre zu spat ist. Der Direktor hat an den ini st er. bei dem die letzte Entscheidung liegt, über die Vor- rge berichtet. M gänge Der wahnsinnige Attentäter Paris , 19. Januar. (W. T. B.) Da Gizolme in seiner Zelle immer heftigere Wahnsinnsanfälle hat. v c r z i ch t e t e der Unter- suchungsrichter auf ein weiteres Verhör und beauftragte drei Irrenärzte mit der Untersuchung des geistigen ZustandeS Der Justizmord in Japan . Tokio , 19. Januar. (W. T. B.) Für zwölf von den v.erundzwanz.g verurte.lten Anarchisten ist die verhängte Todesstrafe in lebenslängliche Gefängnisstrafe umgcwan- delt worden. Kotoku und die verurteilte Frau sollen hin- gerichtet werden. .Unruhen in Port LoniS. . Port Louis (Mauritius ). 18. Januar. (W. T. B.) Ernste Rnhestörungen sind aus Anlaß der Wahlen in Curepipe ausge. krochen. Die Truppen wurden in der letzten Nacht alamicrt. Heute morgen brachen auch in Port Louis Unruhen aus, die bis zum Nachmittage andauerten. Verschiedene Läden und Geschäfts- bureaus wurden geplündert. Die Banken werden von den Posten bewacht. Die Truppen sind im Besitz der Stadt. Die Zahl der Toten ist nicht bekannt. Derantw. Redalt.: Richard Barth , Berlin . Jnsera'enteil verantw.: Th. Glocke, Berlin . Drucku.Verlag:VorwärtSBuchdr.u.VerlagSanstalt PaulSingertCo.,BerlinLW. Hierzu 3 Beilagen u.UuterhaltnngSbl.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten