feine Fassung geeignet ist, diesen ZiveS erreichen. Wir werden daher gegen den Antrag stimmen, behalten unS aber unsere Stellungfür die dritte Lesung vor.Abg. Marx(Z.) wendet sich gegen die Bedenlen des Abg. Arendtund bestreitet gegenüber dem Abg. Südekum, daß es sich um einÄlasseuaesetz handele.Abg. Dr. Südekum(Soz.):Mit Recht hat der Staatssekretär darauf hingewiesen, daßdie Annahme des Antrages Marx den ganzen Zweck desGesetzes vereiteln würde.— Herr Weber hat behauptet, daß vonder Annahme des Antrages Marx bezw. des nationalliberalen Anträges, die Rückbeziehung beim Jahre 1893 statt beim Jahre 1885eintreten zu lassen, auch weite Kreise der Arbeiterschaft Vorteil habenIvürden. Nun, er lege die Arbeiter auf den Tisch des Hauses nieder<Große Heiterkeit), die von dieser Privilegierung des festen Grund-besitzes Vorteil haben würden. Selbst wenn sich einzelneArbeiter finden sollten, die davon Vorteil haben, so würdedas doch unsere Stellung gegenüber diesen Anträgen nichtän d e r n. Es handelt sich hier doch, wie wir immerund immer wieder hervorheben müssen, um keine Vermögens.steuer, sondern um Besteuerung des uuverdieuteu Wert-Zuwachses.— Man spricht von den Wohltaten des.festen" Grund.besitzes. Nun, im Westen unseres Vaterlandes gibt es Großstädtevon mehr als amerikanisch schnellem Wachstum, für die eine schnellereMobilisierung des Grundbesitzes geradezu ein Segen wäre.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Der Privat-besitz an Grund und Boden hat geradezu einenMonopolcharakter angenommen: die Besitzer von Grundund Boden haben sich die übrigen Volksgenossen geradezufronpflichtig gemacht. Darum eben ist die Werl-znwachssteuer eine unbedingte politische wie soziale Notwendig-keit, an deren Einführung die Nichtbesitzenden im hohenMaße beteiligt sind. Ich bitte nochmals um die Ablehnung derAbschwächungsanträge. Ich gebe die Hoffnung nicht ans, daß schließ-lich auch die Spekulation des Zentrums auf die Einsichtslosigkeit derkatholischen Arbeiter fehlschlagen wird.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)Abg. Raab(Wirtsch. Vg.) bittet dringend, doch nicht die Ver.abschiedung des Gesetzes durch unaufhörliche Abänderungs- und Ab.schwächungsanträge aushalten zu wollen.Inzwischen ist ein Antrag Weber(natl.) eingegangen, in demZentrumsantrage 1'/, Proz. statt 2 Proz. zu setzen, also die Schonungdes lange in derselbe» Hand befindlichen Grundbesitzes nicht ganz soweit zu treiben.Abg. Euno(Bp.) bekämpft den Antrag Marx; es sei doch merkwürdig, daß in den Städten, deren Stadtverordnetenversammlrmgennach dein Dreillassemvahlrecht und mit demHausbesitzerprivileg gewähltseien, brauchbare Wertzuwachsstenerordnuugen eingeführt seien, dieSteuer also als gerecht erkannt sei; hier aber solle der Grund-besitz ständig geschont werden. Die Steuer werde dafür das Reich kau in noch 12 Millionen bringen und denStädten, welche bessere Wertzuwachssteuern haben, die Erträge derselben rauben.Der Antrag Marx wird abgelehnt, der Antrag Weber undmit ihm Z 20 wird angenommen.Dann wird Absatz 7 des H 11(Rückbeziehung auf den 1. Ja-nuar 1885) nach Zurückziehung des dazu gestellten Antrages an-genommen, desgleichen§ 21.§ 22 befreit von der Steuerpflicht daS Reich, die Bundesstaatenund Gemeinden, gemeinnützige Vereinigungen, die sich mit innererKolonisation, Arbeiteransiedelung, Gruudcnlschuldung, Wohnungsbaufür die minderbemittelten Klassen befassen.Abg. Korfanty(Pole) begründet den Antrag, die Bundesstaatenzu streichen und den gemeinnützigen Vereinen die Steuerbefreiungnur zu gewähren, ivenn sie ihre Tätigkeit ohne Rücksicht aufdie Abstammung derjenigen, denen sie zugute kommen soll,ausüben. Nur dadurch werde man verhindern, daß die Bestimmungzu einem Ausnah in egesetz gegen die Polen werde.Darauf vertagt das Hans die Weiterberatung aus Freitag11 Uhr. Schluß?z7 Uhr.Hbgeordnetcnbaiiö.7. Sitzung v o m Donnerstag, den 19. Januar,nachmittags 1 Uhr.Am Ministertisch: v. D a l l w i tz.Auf der Tagesordnung steht die Interpellation Aronsohn(Vp.) und Genossen betreffendUebergrifie von Landräten und anderen Regierungs-beamten im einseitigen Parteiinteresse.Abg. Lippmann(Vp.): Im Volke ist die Ansicht allgemein, daßwir in Preußen unter der Herrschaft einer konservativ-agrarischen Minorität stehen.(Sehr wahr! links.) Daszeigt sich vor allem bei dem Wahlrecht zum Landtag, bei ver Zu-sammensetzung der Kreisvertretungen und bei der Auswahl derLandräte und anderer Regierungsbeamten. Der Herr Minister hatuns nun eine Aufstellung vorgelegt, wonach die Landräte nichtausschließlich aus konservativ-agrarischen Kreisen, sondern auchaus Beamten- und anderen Kreisen stammen sollen. Diese Auf-stellung kann uns aber nicht befriedigen. Ich will nicht fragen wieHerr Porsch wie viel Katholiken dabei sind, auch nicht etwa, wieviel Juden!(Sehr gut! links.) Tatsache bleibt, daßvon 481 Landräten 268 adelig sind.Von den anderen hat Herr Wiemer gesagt, sie sind gelernteAdelige und die sind vielleicht noch schlimmer.(Sehr wahr!links.) Aber bei den Landräten ist es ausgeschlossen, daß wie in derJustiz Söhne kleiner Handwerker und Bauern, Söhne von jüdischenBankiers in die höheren Stellen einrücken.(Sehr gut I links.) Wenndie Regierung es ernst meint mit ihrer Beteuerung, daß die Land-räte über den Parteien stehen sollen, möge sie eS machen wie dieJustiz und die Landräte nicht nur aus den Kreisen des Adels nehmenund denen, die gern geadelt werden wollen.(Lachen rechts.) Ichbehaupte nicht, daß alle Landräte einseitig vorgehen, aber wirhaben doch eine große Zahl solcher Uebergrisfe zu ver-zeichnen.Ich erinnere zunächst an denFall des LandratS Schröderin Wit genstein. Einen jüdischen Lehrer beschied er zu sich, weiler ihn nicht richtig gegrüßt habe, von einem Milchhändlerverlangte er, daß er ihn, zuerst die Milch liefere, und alser das ablehnte, entzog er ihm die Milchlieferung fürdas Kreiskrankenhaus: seine Untergebenen behandelteer so, daß verschiedene Selb st mordgedanken äußerten, usw.Das alles ist im Sommer gerichtlich festgestellt, aber ein D i s«ziplinarverfahren gegen den Landrat Schröder ist bishernicht eingeleitet.(Hört! hört! links.) Einem untergebenen Beamten.der sich infolge der Behandlung seitens des Landrats hatte pensio-nieren lassen, versagte der Landrat Schröder die Erlaubnis,darüber vor Gericht auszusagen.(Hört I hört I links.)Dabei ist nach dem Gesetz die Bersagung� einer solchen Ge-nehniigung nur statthaft, wenn das Wohl des Staates Preußen ge-fährdet ist.Das Wohl des Staates Preußen kann aber nicht durch einesolche Aussage gefährdet werden, sondern vielmehr dadurch, daß einAbgrund klafft zwischen Bürgerschaft und Bureaukratie.(Sehrwahr! links.) DerLandrat in Bolkenhainin Schlesien hat einen königstreuen Gastwirt nicht als Schöffenbestätigt,weil er Sozialdemokraten in seinem Lokal duldete.(Hört! hört! links.) Noch schlimmer wird es in Ostpreußen.Dort müssen wir uns über einseitige Wahlbeeinflussungen von feitender Landräte beklagen. Trotz der Anweisung des früheren Ministersdes Innern v. Moltke, daß die Wählerlisten jedermann zur Einsichtstehen müßten, wurde von denLandrätcn in Laviau-Wehla«dies Liberalen wiederholt verweigert. Und der Landratv. Hippel in Labiau ließ sich auch nach dein Eingreifen desRegierungspräsidenten nicht dazu herbei, dem Gesetzentsprechend zu handeln.(Hört! hört! links.) Saal-Verweigerungen an Liberale waren an der Tagesordnung.Gemeindevorsteher wurden von dem Landrat v. Hippel zumVerteilen konservativer Flugblätter veranlaßt: dasKreisautomobil wurde dem konservativen Kandidaten zurVerfügung gestellt usw. Der Landrat von Wehlau HaidasHereinwerfen des sogenannten„dunklen Punktes" im Vorleben desBürgermeisters Wagner in den Wahlkainpf geduldet, obwohl erwußte, daß Bürgermeister Wagner in dem betreffenden Fall voll-kommen korrekt gehandelt hatte.(Hört, hört I links.Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sehr vornehm!) Unerhört warauch der U e b e r r u m p e l u n g s v e r s u ch bei Ansehung des Stich-wahltermins. Nach seiner Wahl als Vertreter der Liberalen in denReichstag, wurde dem Bürgermeister Wagner die Verwaltung des Kreis-armenhauses mit Dienstwohnung auf Beschluß des Kreisausschnssesentzogen.(Zuruf links: Unerhört! Abg. Le inert(Soz.): Es isteine Frechheit!) Sie hören die Stimme des Volkes.(Heiterkeit rechts.)Aehnliche Uebergriffe haben sich die L a n d r ä t e in Rasten-bürg und Darkehmen erlaubt. Was denFall Beckeranlangt, so will ich, da das Verfahren noch schwebt, von der Schuld-frage im juristischen Sinne nicht sprechen. Die Höhe der Strafenhat nicht nur Herr W i e in e r kritisiert, sondern auch Dr. Fried-b e r g und Herr v. Z e d l i tz. An absichtliche Voreingenommenheitder Richter denkt niemand von uns. Aber für das Volksempfindenist die Strafe viel zu hoch zum Beispiel im Verhältnis zu der Be-strafung von Soldatenschindern. Die Verhandlunggegen Becker hat im übrigen klar ergeben, daß der Landrat desKreises Grimmen in einseitig agrar-konservativer Weise vorgegangenist. Diesen Uebergriffe» gegenüber hat Herr Becker ein Rechts-gefllhl gezeigt, daS wir achten und ehren muffen.(Bravo Ilinks.) Redner geht ausführlich auf den Becker-Prozeß ein. Ineinem langen geheimen Bericht an den Regierungspräsidentenvon 1906 legt der Landrat dar, man könne Becker eventuellwieder Gutsvorsteher werden lassen. Denn er halte sichin letzter Zeit von der liberalen Agitationscheinbar fern und könne vielleicht für die Konservativen ge-Wonnen werden.(Hört! hört l links.) Das heißt doch einseitigepolitische Propaganda treiben.(Sehr wahr! links.) Selbst zu-gegeben hat der Landrat. daS liberale„Greifswalder Tageblatt"als„Schweiueblatt" bezeichnet zu haben und einem Oekonomieratabgeraten zu haben, Pferde von Becker zukaufen..(Hört! hört!links) Auch in diesem Prozeß stand die Regierung auf dein Stand-punkt: Nur nichts herauslassen. Das ist der Standpunkt der gemein-samen Interessen des Beomlenkörpers. Den Beweis dafür,daß der Landrat tatsächlich einseitig gegen die LiberalenPropaganda getrieben habe, bat der Minister derVerteidigung dadurch abgeschnitten, daß erdie Herausgabe der Akten verweigerte.(Hört! hört Ilinks.) Ein Lehrer wurde verpflichtet, eine Erklärung zu unter-schreiben, daß er nicht mehr politisch tätig sei» werde, sonst würdeer vom Amte suspendiert werden.(Hört! hört! links.)ist unzulässig, verstößt gegen die Verfassung und fordertschärfsten Widerspruch heraus.(Sehr wahr! links.) Ueber denliberale» Wahlverein sindGeheimakte«geführt worden und über ihn geheime Berichte an die Regierunggesandt worden. Der Minister sagte neulich, Beamte könnte» allenParteien.angehören, nur nicht der Sozialdemokratie.Warum denn nicht? Und übrigens scheint man die Grenze zwischenSozialdemokratie und Freisinn allmählich verwischen zu wollen.Wollen Sie auch die Liberalen außerhalb der Verfassung stellen,die k ö n i g s t r e u sind, die sich als Staatsbürger fühlen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Als Staatsbürger fühlen wir unsauch!) Wir verbitten uns solche Geheimlisten über liberale Vereine ausGrund der Verfassung.(Bravo! links.) Wir verlangen von derRegierung, daß ein Wahlrecht geschaffen wird, das allen Bürgerngleiche Rechte gibt und daß die Vorrechte der Minorität, die unsaugenblicklich beherrscht, beseitigt werden als der Kreisordnung, derProvinzialordnung, bei Besetzung der Landräte und der höherenStellen in der inneren Verwaltung. Wir stehen mit diesen For-derungen auf dem Bode» der Verfassung.(Lebhaftes Bravo! links.)Minister v. Dallwitz: Die Forderung des Interpellanten ist ganzunbegründet, denn solche Vorrechte bestehen nicht.(Lautes Lachenlinks.) Das ergibt sich aus der von mir vorgetragenen Tabelle.Von 481 Landräten stammen nur 152 aus landwirtschaftlichen Kreisen,281 aus Beamtenkreisen usw. Regierungsseitig findet also eineBevorzugung agrarisch- konservativer Kreise nicht statt. � Ichweise diese Behauptung entschieden zurück, die durch nichtsbewiesen i st.(Bravo! rechts. Lachen links.) Das Verfahrenzegen den Landrat Schröder schwebt noch. Ebe eS beendet ist,änn ich meinerseits keine Entschließungen treffen. Im FalleBolkenhain ist Bericht erfordert, aber noch nicht eingegangen. Imübrigen eignen sich Ga st Wirte wenig zu Gemeinde-Vorstehern infolge ihrer Abhängigkeit von der Bevölkerung.Sehr richtig! rechts. Lachen links.) Daß Herr v. Hippel dteAbsicht gehabt hat, die Abschrift der Wählerliste zu erschweren,bestreite ich. Er hat die Abschriftnohme im Gegenteil dem frei-innigen Parteisekretär ausdrücklich auf Verlangen verschafft.(Hört!hört! rechts. Zuruf bei den Sozialdemokraten: Woher denn dieBeschwerden?) Die Festsetzung des S t i ch w a h l t e r m i n S ist sorasch wie möglich erfolgt,damit nicht wieder eine große Agitatiou einsetzeHört! hört I links) bei allen Parteien. Nach dem vorliegenden amt-lichen Bericht kann von einer Ueberrmnpelung keine Rede sein.Auch sonstige Behauptungen liberaler Blätter haben sich nach denamtlichen Ermittelungen als Erfindungen resp. Mißverständnisseherausgestellt. Der Minister widerlegt unter anderem aucheine gar nicht aufge st ellte Behauptung.(Zurufe links:Das ist ja gar nicht behauptet worden. Abg. Hofsmann(Soz.): Aberes steht auf seinem Zettel!(Heiterkeit.) ljnnchtig ist auch, daßdas Kreisautomobil zur Wahlagitation benutzt sei.— Dann ist demLandrat vorgehalten worden, er habe Wagner gegen den Borwurfdes„dunklen Punktes" nicht in Schutz genommen. Tatsächlich hater in der Sitzung des konservativen Wahlvereins, der er als Gastbeiwohnte, daraus hingewiesen, daß die betreffende Sache zugunstenWogners erledigt sei. Von der Preßnotiz darüber hat er keineKenntnis gehabt und sie nachher bedauert.(Hört! hört! rechts.)Die Verbreitung des„Bolksfteund", eines Organs zur Bekämpfungder Sozialdemokratie durch die Landrät«, halte ich für sehr erwünscht.(Bravo! rechts. Hört! hört! links. Zuruf bei den Sozialdemokraten:Wovon wird« bezahlt I)Präs. v. Kröcher: Nach der Verfaffung haben die Minister dasRecht nicht nur zu sprechen, sondern auch gehört zu werden.(Heiler-keit.) Ich bitte, den Herrn Minister nicht zu unterbrechen.Minister V. Dallwitz: Auf den noch schwebenden Becker«prozeß kann ich nicht eingehen. Das Aktenstück über den liberalenWahlverein mußte nach dem Vereinsgesetz angelegt werden.(Zuruflinks: Und warum nicht über den konservativen Verein?) Weiler nicht annähernd soviel Arbeit macht.(Heiterkeitrechts.) Auch im Ministerium des Innern ist ein besonderes Akten-stück über diesen liberalen Wahlverein angelegt worden, weilDutzende von Beschwerven von ihm an das Mtnisteriumeingingen. Es enthält nichts anderes als andere Aktenstückeüber Vereine.— Die Absicht, Herrn Becker geschäftlichzn schädigen, hat nach dem Ergebnis deS ProzeffeS der Landrat nichtgehabt. Ich habe überhaupt aus dem Prozeß den Eindruck ge-Wonnen, daß eigentlich der Landrat der Verfolgte gewesen ist.(GroßeHeiterkeit links.) Er war umgeben von einem Netz von Spionen.Seit zehn Jahren wurde jede seiner Aeußerungen in seinem Hausehinterbracht.— Ich kann nach alledem nur erklären, daß demMinister Tatsachen nicht bekannt geworden sind, welche es wnnschens-wert oder notwendig machen, besondere Maßnahmen zu treffen, umeinseitige» parteipolitischen Uebergriffe» von Landräten entgegen-zutreten.(Hört! hört! links. Lebhaftes Bravo! rechts.)Auf Antrag der Abgg. v. Heydebrand(k.) und Dr. P a ch-nicke(Bp.) wir die Besprechung der Interpellation beschlossen.Abg. v. Hennigs-Techltn(k.): Klagen über Uebergriffe von Land-räten haben wir ja schon oft hier gehört, es ist zu einer ArtS u g g est i o n geworden, daß solche Uebergriffe vorkommen.(Sehrrichtig! rechts, Lachen links.) Es kommt daS ganze Milien in Be-tracht, in dem sie passiert sein sollen, Wahlkämpse nach ameri-konischer Art mit dem Gelds des HansabundeS.(Zuruf: Der Bundder Landwirte mit den Kaligeldern I) Nach meinen Erkundigungenist die Behauptung bezüglich der Kaligelder eine Unwahrheit. DerLandrat ist, wenn er seine Stellung richtig ausfüllt, der Ver-traue ns mann der Einwohner seines Kreises. Er mnßvor allein darauf sehen, daß er seine Autorität wahrt.— Was nundie vorgebrachten Fälle anlangt, so hat der Fall Schröder mitder Interpellation nichts zu"tun. Schröder ist kein Parteimann,auch sind die Vorwürfe gegen ihn noch nicht bewiesen. Der Fall inBolkenhain liegt ganz klar.Gegen die Sozialdemokratie vorzugehen, ist geradezu die Pflichtdes Landrats.(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)(Präs. V. Kröcher:Ich weiß nicht, worüber Sie szu den Sozialdemokraten) sich so auf-regen, der Redner spricht ja bloß gegen die Freisinnigen.)(GroßeHeiterkeit rechts.) Ebenso wenig sind die Vorgänge in Labiau-W e h l a u geeignet, von den Liberalen in der Agitation ausgenutztzu werden. Was den sogenannten„dunklen Punkt" anlangt, so hatder Regiernngspräsident das Verhalten Wagners durchaus nicht fürso korrekt erklärt.(Zuruf links: Ja jetzt, nach der Wahl!) DieSache mit dem Kreisarmenhaus ist ganz ungeklärt, darüber könnenwir hier nicht urteilen. Die Herren der Linken sollten doch dieSelbstverwaltung auf dem Lande,auch nihig arbeiten lassen und sie nicht immer angreifen, wenn sieihnen nickt paßt.— Was nun den Fall Becker anlangt, so ist Herrv. Maltzahn einer der höflichsten und friedfertigsten Menschen, aberHerr Becker hat es ihm äußerst schwer gemacht, mit ihm in Friedenzu leben, indem er sich als Querulant bewiesen hat. Seinerzeit hat ersich beschwert, daß er nicht vom Landrat zum Wahlvorsteher ernannt sei.>907 bei den Blockivahlen wollte der Landrat v. Maltzahn ihm besondersentgegenkommen, ernannte ihn zum Wahlvorsteher und sofort richteteHerr Becker tclegraphische Beschwerde an den Reichskanzler, daß erzum Wahlvorsteher ernannt sei, ohne gefragt zu sein.(GroßeHeiterkeit rechts.)Aeußerst bedauern muß ich eS. daß der Führer einer großenPartei, wie Herr Dr. Friedderg, auf Grund unbewiesenerBehauptungen dem Landrat v. Maltzahn an den Kopf geworfenhat, seine Handlungsweise sei nicht vornehm. Ich halte dies Vorgehenfür unkorrekt und für den Mißbrauch der Immunitäteines Abgeordneten.(Große Unruhe links. Lebhaftes Bravo! rechts.)Bezeichnend für den Charakter des Herrn Becker ist z. B., daß er inEingaben an seine Vorgesetzten geschrieben hat, die Richter imDisziplinarhof hätten sich nicht zusammengefunden, daSSiecht zu finden, sondern das Recht zu beugen. DerStaatsanwalt bat mit Recht gesagt, ein solcher Vorwurf sei ihm inseiner langen Praxis noch nicht vorgekommen. In einer anderenEingabe schreibt Herr Becker: Herr Minister, wenn Sie den Landratnicht erziehen, dann werde ich seine Erziehung indie Hand nehmen.(Große Heiterkeit rechts.) Nicht erwähnt wordenist auch, daß Becker schon einmal wegen Beleidigung deS Regierungs-Präsidenten mit 4 Woche» vorbestraft ist. Die Strafe gegen ihn istjedenfalls so hart ausgefallen, weil Herr Becker mit großer Hart-näckigkeit auch all die Sachen vor Gericht aufrecht erhalten hat,deren Gegenteil bewiesen war. Daß die Akten vom Ministeriumnicht hergegeben worden sind, halten wir für durchausrichtig. Jedes Vertrauen zwischen Untergebenen und Vorgesetztenmüßte völlig untergraben werden, wenn solche Geheimakten demGericht überliefert würden. Landrat v. Maltzahn hat mir gesagt:Meinetwegen kann alle» vorgelegt werden, das würde meine Stellungnur verbessern. Aber aus staatsrechtlichen Gründen können wir nichtzugeben, daß solche vertraulichen Akten der Oeffentlichkeit zur Ver-fügung gestellt werden.(Lebhafte Zustimmung rechts. Abg. Lieb-k n e ch t(Soz.): Lichtscheue Verwaltung I)— Seit langer Zeit istnun von der Linken Material gesammelt worden, um den Vorwurfder einseitigen Parteinahme gegen die Landräte zu begründen. Esist aber bei der ganzen Interpellation nichts herausgekommen.In Labiau-Wehlau ist nichts vorgekommen, was die Interpellationrechtfertigte(Lachen links) und der Prozeß Becker hat eine glän«zende Rechtfertigung des Landrats v. Maltzahngebracht.(Stürmischer Beifall rechts. Zischen links.)Sierauf vertagt sich das Haus.s folgen persönliche Bemerkungen.Abg. Dr. Fricdbcrg(natl.): Herr v. Richthofen hat gesagt, ichhätte meine Immunität gemißbraucht. Ich frage den Herrn Präsi-deuten, ob er mich gegen den beleidigenden Vorwurf in Schutznehmen wird.Piädent v. Kröcher: Ich glaube, der Herr Abgeordnete ist inder Lage, sich s e l b st dagegen in Schutz zu nehmen. Ich kann andem Ausdruck„Mißbrauch der Immunität" ebensowenig eine Be-leidigung sehen, als wenn einer dem andern sagt, er mißbraucheseine geistige Ueberlegenheit ihm gegenüber.(Lachen links.) DaSHauS kann mir höchsten» sagen, ich habe zu Unrecht zur Ordnunggerufen, aber Sie können von mir nicht verlangen, daß ich gegenmeine subjektive Ueberzeugung einen Ordnungsruf erteile.' Abg. Dr. Friedberg: Ich gebe Herrn v. H e n n i g s zu. daß ichvielleicht einen weniger scharfen Ausdnick hätte wählen können.Jedenfalls war sein Angriff gegen mich(zumal er selbst Herr»Becker für nicht ehrenwert erklärt hat) eine Ueberhebung undeine D r e i st i g k e i t, die ich zurückweise.(Bravo I links.)Abg. v. Hcimigs(k.): Ich war zu diesem Angriff auf GrunddeS Prozesses und in der Abwehr gegenüber schweren Vorwürfengegen einen hohen Staatsbeamten berechtigt.(Bravo I rechts.) Aufdas Wort„Ueberhebung" antworte ich nicht, darüber mag das Hausentscheiden.Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr(Fortsetzung der ve»sprechung und Interpellation über die Winzernot).Schluß 6'/, Uhr._Die AMing-ereigniiie vor Geriet.Vierter Tag.Gestern wurde derFall FrieSne»zu Ende gebracht, dessen Erörterung am Mittwoch durch die vomVerteidiger Rechtsanw. Eolrn eingereichten Beweisanträge über dievon Friesner behaupteten Mißhandlungen eine neue Wendung er-halten hatte. Die hierzu geladenen Zeugen waren sämtlich zurStelle, auch der auf der Polizeiwache tätig gewesene TelegraphistZillmann, der dort Friesners Mißhandlung mitangesehenhaben soll.Die Eltern des Angeklagten, der Schriftsetzer Friesner undseine Ehefrau, die beide unvereidigt bleiben, bekunden, am anderenTage sei ihnen an ihrem Sohn aufgefallen, daß sein Gesicht in derGegend der Augen sowie an der Nase und den Lippen geschwollenwar und an der Backe ein paar Verletzungen aufwies. Frau Fr.bezeichnet sie als Kratzwunden, Herr Fr. spricht von zerichundenenStellen. Die Mutter hatte an jenem verhängnisvollen 29. Oktobereigentlich selber veranlaßt, daß ihr Sohn nicht den ganzen Abendin der Wohnung zubrachte, sondern noch ein wenig in die frischeLuft ging. Als sie ihn am nächsten Tage gegen Mittag wiedersah,erzählte er auf Befragen, daß er von Polizcibcamten bei der Fest-nähme und auf der Wache mißhandelt worden sei, und er klagtebesonders über Schmerzen an den Augen. Seine Joppe sei, sagtZeugin, blutig gewesen, aber nur ein bißchen. Herr Fr. sah d«u