Kr. 17. 28. ZahrMg.2. Ktilme des Jormitfs" Kerlim öolfoliliitt.fttily, 20. Jnnniit I9ILStadtverordneten-Versammlung.3. Sitzung vom Donnerstag, den 19. Januar,nachmittags 5 Uhr.Der Vorsteher Michelet eröffnet die Sitzung nach!5Z4 Uhr.In die gemischte Deputation für die Errichtung eines Spezial-kvankenhauses für Brusttranke wird an Stelle'des früheren Stadtv.Runge Dr. H e r z b e r g(A. L.); desgleichen für den verstorbenenStadtv. Seeg er(Fr. Fr.) in die Armendirektion Stadtv. Goh-licke(Fr. Fr.), in die Schuldeputation Stadtv. Dr. Ritter(Fr. Fr.) gewählt.Die Ausschüsse zur Vorberatung der Vorlagen betr. die Heran-Ziehung der Anlieger des S ch e u n e n v i e r t e l s zu den Kostender Niederlegung und betr. den Ankauf der Wühl-Heide sind gewählt und haben sich konstitutiert. Im elfteren istdie sozialdemokratische Fraktion durch Manasse, Rosen feld,S t a d t h a g e n. To l k's d o r f, im letzteren u. a. durch H i n tz eund Dr. W e y l vertreten.Mit der Einziehung der. 72.(ehemaligen Hedwigs-Pfarr-schule) und der 14. Ge m e i n d e s ch u l e(Kesselstraste) hat sichder eingesetzte Ausschust einverstanden erklärt.Ohne Debatte nimmt die Versammlung die bezügliche Vorlagedes Magistrats zut Kenntnis.Von der sozialdemokratischen Fraktion ist am 9. d. M. der A n-trag Arons eingereicht worden,eine städtische Arbeitslosen-Unterstützung unter Zugrundelegungdes nachfolgenden Statuts zu gewähren und die erforderlichenMittel in den Etat 1911 einzusetzen.Der Statutenentwurf einer Arbeitslosen-Unterstützungsord-nung, den wir bereits veröffentlicht haben, sieht die Unter-stützungder Vereinigungen von Arbeitern und An-gestellten gegen Arbeitslosigkeit und die Förderung der frei-willigen Mitgliedschaft einzelner Gemeindeglicder bei der von derGemeinde eingerichteten Arbeitslosenunterstützungskasse vor(K 1).Nach§ 2 kann jedes Mitglied eines Berufsvereins zu seiner Ar-beitsloscnunterstützung einen städtischen Zuschutz von 50 Proz. erhalten. Für die gemeindliche Arbeitslosenunterstützung sollenWochenbeiträge von 20 Pf. für die 1. und 2. Lohnklasse und 30 Pf.für die übrigen Lohnklassen entrichtet werden und nach 52 Wochen-beitrügen kann bis zu 60 Wochentagen Unterstützung von mindestens1 M. pro Tag gewährt werden.Ein fernerer Antrag AronS ersucht die Versammlung, zubeschliesten:„Einen städtischen Arbeitsnachweis unter Zugrundelegungdes nachfolgenden Statuts und in enger Angliederung an dieNachbargemeinden zu errichten und die erforderlichen Mittel inden Etat 1911 einzustellen."Nach dem Statutenentwurf soll der Arbeitsnachweis für alleBerufe und Betrieb«(eingeschlossen der kommunalen) und auch fürdie Dienstboten und Lehrlinge in Funktion treten, aus einem Allge-ineinen Arbeitsnachweis und aus Facharbeitsnachweisen bestehenund von einem Hauptvorstand und Kuratorium verwaltet werden.Die Arbeitsvermittelung soll unentgeltlich sein; die Kosten trägtdie Stadt.Die Beratung beider Anträge wird verbunden.Stvdw. Dupont(Soz.): Es ist das erste Mal, dast sich die Ver-sammlung bei einer aufsteigenden Konjunktur mit einem solchenAntrag beschäftigt. Man kann aber bei einer aufsteigenden nochnicht von einer günstigen Konjunktur sprechen; das geht ausden Ziffern des„Reichsarbeitsblattes" unwiderleglich hervor. Inder Eisenindustrie hat nach dieser Quelle im November 1910die Konjunktur nachgelassen, in der Holzindustriein fast allen Fächern sich weiter verschlechtert; im Bäcker.g e w e r b e kann die Lage nicht als g ü n st i g bezeichnet werden;von den Schuhmachern und von der W ä s�che i n d u st r i ewird auch sehr ungünstig berichtet; auch die Tätigkeit im Bauge-werbe hatte sehr nachgelassen. Die unglückselige Wirtschafts-Politik drückt ja gerade auf die Massen, und solange müssen wiruns immer wieder mit diesem Problem beschäftigen. Ich sage mitVorbedacht„Problem", denn eine volle Lösung wird auch hier nichtzu schaffen sein, was wir bringen, ist nur ein Weg zu dem ge-dachten Ziele. 1897 brachten meine Freunde zum erstenmal einenAntrag auf Maßnahmen zur Abhilfe der großen Arbeitslosigkeit«in; eine gemischte Deputation wurde eingesetzt und kam zu demErgebnis: Erweiterung des Obdachs um 500 Lagerstellen, Ermäch-tigung zur Erhöhung der Almosen und der Subventionen für Wohl-tatigkeitsvereine; es wurden 400 000 M. zur Verfügung gestellt.Es wurde damals wie später erst dann etwas getan, als das Feuerauf den Nägeln brannte, so dast selbst der Bürgerlichste der Bür-geruchen sich gedrungen fühlte, etwas zu tun; unsere Anträgewahrend der letzten Krise haben Sie meisten? abgelehnt. Darumschlagen wir letzt den Weg der Prophylaxe vor, die wie bei leidendenPersonen auch bei leidenden Gesellschaftskörpern von hoher Be-deutung ist. Von den letzten 20 Jahren waren 9—10 Krisenjahre;und das wird sich wiederholen. Auster dem Hinweis auf die Ar-menpflege hatte man sich bisher begnügt, Nvtstandsarbeiten zuempfehlen. Erfreulicherweise hat neuerdings der Magistrat vonSchöneberg seinen Standpunkt geändert und an die Vertretung derBurgerschaft eine Vorlage gebracht, mit der sich unser Antrag imPrinzip deckt.„Notstandsarbeiten im eigentlichen Sinne desWortes," sagt er.„stehen in diesem Winter nicht annähernd zurDeckung des Bedürfnisses zur Verfügung"; er weist darauf hin,dast Erdarbeiteir auch nicht allen Arbeitern zugemutet werdenkönnen, und auch unwirtschaftlich find, weil sie um 50 Proz.teurer sind als unter normalen Verhältnissen. Diese Anschauun-gen scheinen mir unbedingt richtig; es kommt hinzu, dast immernur ein ganz winziger Teil der Arbeitslosen mit Notstandsarbei-ten beschäftigt werden kann. Mit Armenuntcrstühung und Ver-gröstening des Obdachs ist auch in Berlin der Arbeitslosigkeit nichtmehr beizukommen. Sobald in den Vorstädten Berlins ein andererModus Boden gesaht hat, sind wir verpflichtet, dem unsererseitsnäher zu treten. 1909 waren in Berlin zirka 233 000 freigewerk-fchaftlich organisierte Arbeiter; davon wohnten aber zwei Fünftelin den Vororten und arbeiteten dort, was ich hervorhöbe, damitman mcht sofort wieder einen Schreck kriegt, wie vor zwei Jahrenin der Kommission, wo man von 7 Millionen jährlichen Kostensprach, eine Uebertreibung ohnegleichen. Mit den Hirsch-Duncker-Khen und den christlich Organisierten kommen vielleicht im ganzendoch 200 000 arganisierte Arbeiter in Betracht. Die Organisa-tionen haben für die Arbeitslosigkeit 1909 zwei Millionen geleistet,ousterdem � Rciieunterstutzung 50 000, an Krankenunterstützungüber 1 Million. Sterbegeld 140 000. Jnvalidenunterstützung130 000 und für besondere Notfalle 150 000. insgesamtzirka 4 Millionen Mark in einem Jahre.Das ist doch sehr beachtenswert. Es find vielleicht noch Herrenhier, die gleichwohl in diesen Organisationen nur Streikvereinesehen; für diese bemerke ich. dast die Ausgaben für die Verbesse-rung der Lohnverhältnisse, also für Streiks. Aussperrungen undMastregelungen 745 000 M. betragen.Der Armen etat Berlins war iggg belastet mit zirka10 Millionen, eine gewist beachtenswerte Leistung; aber jene 4 Mil-lionen sind mindestens ebenso beachtenswert. Wir wollen, dastSO Proz. der Gewerkschaftsleistungen als Zuschuß von der Stadtgezahlt werden. Dabei bleibt ein Lokalzuschust der Gewerkschaftallster Betracht, auch eine Vorsicht unsererseits, um Ihnen die An-nähme mindestens zu erleichtern. Bei der jetzigen Wirtschaft-ticken Lage ist eine Erhöhung der Beiträge der Gewerkschaftenausgeschlossen, und da ist es wohl begreiflich, wenn wir an Sie»in Ersuchen stellen.Bon der preustischen Regierung ist nach der Richtung wenigßu erwarten; die Regierung greift ja bei Kulturzwecken nicht gernin den eigenen Säckel, es sind dabei auch keine Geschäfte zu machen.Darum muh Berlin selbst der Frage nähertreten, und es darf nickstauf dem rückschrittlichen StandPunkt stehen, dast deshalb nichts ge-tan werden darf, weil dann vielleicht Elemente zuströmen könnten,die auf die Unterstützung keinen Anspruch hätten. Ich halte einZuströmen tüchtiger Arbeiter für einen Segen, nicht für einUebel. Es ist nur ein Akt der Gerechtigkeit, wenn über den Rahmender Armenuntcrstützung hinaus etwas gewährt wird, was manals ein Recht auf Unterstützung bezeichnen könnte. In Preutzenist von Staats wegen keine Aussicht dafür; ergo müssen die Kom-munen vorangehen. Das bayerische Scherzspiel, dast die Regierungetwas den Gemeinden empfiehlt, diese aber sagen, das sei Sachedes Staates, dieses Spiel, welches die regierende Zentrumsparteimit ihrem Dr. Heim dort treibt, wünschen wir für uns nicht.Vielleicht haben wir sogar im Reiche eher die Arbeitslosenver-sicherung als in Preusten. Darum empfehlen wir Ihnen unsereAnträge zur genauen Würdigung und bitten Sie um Ihre Zu-stimmung. Die von uns eingesetzte gemischte Deputation hatte be-schlössen, dast ein deutscher Städtetag sich mit dieser Frage befassenmöge. Es war das vielleicht ein Verlegenheitsakt; immerhin hatteich Hoffnung, daß ein solcher Städtetag baldigst berufen würde.Inzwischen kam die etwas bessere Konjunktur, und jetzt scheintdas nicht mehr zu eilen. Wenn wir es aber ernst meinen, dürfenwir nicht bis zur nächsten Krise warten. Es sollte auch eine Aus-spräche der Gemeinden Grost-Berlins über die Frage stattfinden.Sie hat stattgefunden, aber herausgekommen ist lediglich, dast mandas Material austauschen will. Vielleicht ist das inzwischen ge-schehen. Schöneberg aber hat nicht gewartet, sondern frischzugegriffen, mit Hilfe der liberalen Mehrheit und angetriebendurch die sozialdemokratische Fraktion. Hier genügt es uns nicht,gewollt zu haben; darum haben wir Ihnen etwas Arbeit ab-genommen und Ihnen eine Vorlage gemacht. Statt Arbeitslosen-Versicherung haben wir absichtlich Arbeitslosenunterstützung gesetzt;es kommt ja faktisch auf dasselbe heraus, bewahrt uns aber vorgewissen staatsanwaltlichen Gelüsten, die Gewerkschaften unter dasVersicherungsgesetz zu stellen und sie daraufhin zu drangsalieren.Die Unterstützung kann geleistet werden; ein klagbares Recht istdamit ausgeschlossen. Aus der gemischten Deputation, die vor zweiJahren eingesetzt wurde, haben wir nur wenig im„Kommunal-blatt" erfahren, u. a., dast Stadtrat Fischbeck sich dort gegen einesolche städtische Einrichtung geäussert hat:„Es sei unmöglich,für Berlin eine solche Versicherung einzuführen. Die Schwierig-keiten seien für Berlin unüberwindbar." Wir sind ja vorwärts ge-kommen, aber nur Schritt für Schritt, und besähe die Sozial-demokratie nicht eine solche Lebenskrast, so hätten wir wohl schonmanchmal die Lust verloren. Deshalb kommen wir auch mit diesemneuen Vorschlag; es ist nicht wahr, dast die Sache für Berlin un-möglich ist.(Beifall bei den Sozialdemokraten.)Stadtv. Wurm(Soz.): Arbeitslosenversicherung und Arbeits-Nachweis bedingen einander; wir müssen bei städtischer Arbeitslosenunterstützung auch einen Arbeitsnachweis haben, auf den dieStadt selbständigen Einflutz hat. Was wir verlangen ist nichtsNeues. Schon vor 86 Jahren ist in Berlin ein städtischer Arbeits-nachsweis verlangt worden; schon 1824 erscholl dieser Ruf, verhallteaber, und trotz vielfacher späterer Anregungen geschah bis 1892in Berlin auf diesem Gebiete nichts. 1893 kam der erste Antragmeiner Fraktion auf Einführung eines städtischen Arbeitsnach-weises. Trotzdem es in der Aera der Hochflut der Sozialreformwar, wanderte der Antrag mit 47 gegen 33 Stimmen auf AntragSpinola in den Papierkorb? 1894 machten die Gcwerkvereine eine Eingabe, gez. Goldschmidt(unser jetziger Kollege), worinder Arbeitsnachweis für die Berufsorganisationen in Anspruch genommen, eventuell verlangt wurde, dast diese in der Verwaltungdes städtischen Arbeitsnachweises vertreten seien. Inzwischen hatman eingesehen, dast sozialpolitische Kämpfe und Arbeitsnachweisforderung nicht verquickt werden sollte. Der inzwischen ein-gerichtete paritätische Zentralarbeitsnachweis hat eine allmählichgesteigerte Subvention von der Stadt erhalten. Wenn wir jetztfordern, diesen Zentralarbeitsnachweis durch die Stadt selbst ver-walten zu lassen, so hat sich auf diesen Standpunkt auch der KollegeNelke gestellt. In seinem letzten Bericht hat nun der Direktor desArbeitsnachweises Dr. Freund bereits gegen unseren Antragpolemisiert; in Uebereinstimmung mit dem Kämmerer führter aus, dast die Verwaltung dann weit teurer und schlechter werdenwürde. Wir glauben letzteres nicht, denn wir wünschen nichteinen bureaukratischen Arbeitsnachweis, sondern einen solchen, derparitätisch unter Hinzuziehung von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern unter städtischer Aufsicht arbeitet. Deswegen haben wireinen Entwurf vorgelegt, der die wesentlichen Grundlinien für einesolche Organisation bieten soll. Eigentlich ist es ja Aufgabe desMagistrats, mit solchem detaillierten Entwurf an uns zu kommen;da das nicht geschehen ist, haben wir zeigen wollen, dast wir schlieh-lich auch den Juristen des Magistrats zeigen können, wie dieseGrundlinien beschaffen sein sollen. In der Ausschutzbera-t u n g werden wir uns darüber einigen können.Die gemischte Deputation war seinerzeit nur eine Veranstaltung für ein Begräbnis erster Klasse. In diesem Sinne hatdie Deputation auch das Vertrauen der Mehrheit gerechtfertigt.Wollen wir ohne Verschleppungstaktik zum Ziele kommen, dannmüssen wir die Frage in einem Ausschuß weiter erörtern. Daßder Zentralarbeitsnachweis 20 Pf. Gebühr erhebt, ist doch ganzungehörig und ein schreiendes Unrecht, denn das verhindertja oft geradezu den Zweck des Nachweises. Wird die Gebühr aus-gehoben, dann must Berlin statt 49 000 M. Subvention einige80 000 M. geben, sonst ist der Verein morgen früh alle.Da die Gemeinde unter allen Umständen schließlichauch bei einem Stzaatsgesetz die Kosten aufgebürdet bekommt, sohalten wir dafür, daß wir so lange nicht warten sollen. Die Zahlder städtischen Arbeitsnachweise ist in stetem Steigen be-griffen. Scheinbar verdient größere Beachtung das Motiv desDr. Freund, es sei dem privaten Nachweis leichter, in den Vor-orten Filialen zu errichten, als diesem Berliner städtischen Ar-beitsnachweise. Charlottenburg, Schöneberg. Rix-d o r f haben aber bereits städtische Nachweise; es ist also eineKleinigkeit für Berlin, mit diesen zusammenzuarbeiten; und dannbleibt doch hoffentlich die EntWickelung nicht stehen, son-dern geht auch auf diesem Gebiet in den anderen Vorortskommunenvorwärts. Unser Antrag wird ja auch gleichzeitig in allenVorortsgemeinden Berlins von meinen Freunden eingebrachtwerden. Ueber Kompetenzstreitigkeiten und über die Aufbringungder Mittel brauchen wir uns den Kopf wirklich nicht zu zerbrechen.In der Auffassung, dast der Ruf nach Kommunalisierung des Ar-beitsnachtveises aus der Forderung der Unentgeltlichkeit entspringt,hat Herr Dr. Freund ganz recht. Nach dem Fall des Sozia-listengesetzes haben die Arbeiter zunächst für nötig und nützlich ge-halten, den Arbeitsnachweis selbst in die Hand zu nehmen;'diese Auffassung hat sich aber modifiziert, und der Gedanke derparitätischen Arbeitsnachweise hat sich durchgesetzt. Die A r b e i-t e r sind bereit, alle ihre Nachweise aufzugeben, sofern ein städti-scher geschaffen wird; ob die Unternehmer ebenso bereit sind, wissenwir nicht; sie benutzen ja ihre Arbeitsnachweise zu ihren besonderenZwecken und haben es dahin gebracht, daß sie den wirtschaftlichenStreit verschärft, die Streiks vermehrt hoben. Auf diesen schwarzen Fleck in unserem heutigen Wirtschaftsleben müssen wir hin-weisen, daß die Unternehmer sich mit ihren Nachweifen öffentlichals Friedensvermittler hinstellen, während sie in Wirk-lichkeit Unfrieden stiften und die Arbeiter quälen.(Unruhe.) Wasfür einen gut geleiteten Arbeitsnachweis ausgegeben wird, wirdan Armenunterstützuug und Berelendung gespart. Ich beantrageUeberweisung unserer Anträge an einen Ausschuß von 15 Personen.(Beifall bei den Soz.)Es geht ein Antrag Rettich ein, die Anträge an die erwähntegemischte Deputation zu verweisen.Stadtv. Goldschmibt(N. L.): Diese überaus wichtige Frage� kann nicht einseitig von der Versammlung entschieden werden. Ichstimme den Begründern der Anträge in vielem bei, must aber dochbekennen, daß der Einfluß der großen Gewerkschaften auf deni Arbeitsnachweis manchmal auch keinen anderen Charakter trägtals den der Ausnutzung zu politischen Zwecken.(Hört! hört? beider Mehrheit.) Redner verweist auf Vorgänge im Berliner Holz-gewerbe und in der Jalousiefabrik von Freese. Er setzt dann aus-einander, daß eine Zentralisation des gesamten Arbeitsnachweisesschon räumlich unmöglich feig würde und man wieder zur Errich-tung von Filialen würde greifen müssen. Zur Arbeitslosenversiche-rung wiederhole ich die Frage, ob der Stadtetag demnächst damitbefaßt werden wird. Ueber die Kosten frage hat sich HerrDupont ausgeschwiegen. Die Leistung der Organisationen dafürdarf gewiß gerühmt werden. Man kann aber nicht ohne weiteresSchöneberg als Beispiel für Berlin anführen. Schönebergmit 175 000 Einwohnern gibt 15 000 M; nach diesem Maststabkämen rund 200 000 M. für Berlin heraus. In Berlin ist dasVerhältnis des Proletariats zur Gesamtzähl aber viel größer alsanderswo und als in Schöneberg; die Sache würde also teurerwerden; aber wäre sie mit einigen hunderttausend Mark durchzu-führen, so würde sich Berlin darum ein großes soziales Verdiensterwerben. Die Unorganisierten sollen mitberücksichtigt werden,aber nach dem Antrag Arons ginge daS nur mit dem Organisa-tionszwang, und ich möchte doch an der Koalitionsfreiheit fest-halten. Die Gemeindekasse würde sich auch kaum halten können.Stadtrat Fischbeck: Die Angriffe gegen die Verschleppungs-taktik des Städtetages sind ungerechtfertigt. Der Antrag bezüglichder Arbeitslosenunterstützung will ja nur denen etwas geben, dieohnehin etwas bekommen, während die große Masse derer, die wirk-lich Not leiden und eventuell der Kommune zur Last fallen, leerausgehen würde. Der Vorstand des Städtetages hat einen Aus-schust für die Frage eingesetzt, dem Herren aus allen TeilenDeutschlands angehören. Die Referenten haben Thesen aufgestellt,die in den nächsten Wochen an den Vorstand kommen werden, sodast dann die Sache für einen Städtetag gründlich vorbereitet seinwird. Die Frage ist austerordentlich kompliziert, und ernste Sozial-Politiker sind der Meinung, dast das Vorgehen von Strastburg undSchöneberg der einheitlichen Regelung, der Regelung von Reichswegen, nur schaden kann.Stadtv. Rettich(A. L.): Es wird zu prüfen sein, ob sich dieVerhältnisse feit 1909 schon so geändert haben, dast man den Vor-schlügen näher treten mutz. Auf die Arbeitgebernachweise find ganzunbegründete Vorwürfe gehäuft worden.(Beifall und Wider-spruch.) Schöneberg kann für uns nicht mast gebend sein.Wenn Sie Schöneberg ein Jahr Karenzzeit bewilligten, warumBerlin nur ein halbes? Berlin geht man eben immer schärferzu Leibe. Im Punkte des Sparens sind wir auch anderer Meinungals die Antragsteller.Stadtv. Mommsen(Fr. Fr.): Neues in der Sache zu sagen, istnicht leicht. Ich schliehe mich dem Antrage Rettich an. Es hatwirklich keinen Zweck, diese so schwierige Frage immer an mehrerenStellen zugleich zu behandeln. Auch aus dem Ausschust würdenichts herauskommen als der Antrag auf Ueberweisung an die ge-mischte Deputation. Die Antragsteller haben sich die Statuten dochgar zu leicht gemacht; auch die Grundgedanken sind nicht rechtakzeptabel. Wieviel Prozent oder Promille der Nichtorganisiertenwerden sich der Sache bedienen? Niemand. Dieser Teil desStatuts ist eben nur Aushängeschild; die Stadt soll nur den freienGewerkschaften dauernd unter die Arme greifen. Eine solche sozialeFrage läßt sich für eine einzelne Stadt wie Berlin nicht lösen,unter den heutigen politischen Verhältnissen in Preutzen am aller-wenigsten. Wie kommen wir dazu, uns zur Erfüllung einer Auf-gäbe zu drängen, die zweifellos keine kommunale, sondern eineAufgabe!>es Reichsganzen ist?Von den Stadtv. Dnpont u. Gen. ist beantragt, die gemischteDeputation um 6 Mitglieder und 3 Magistratsmitglieder zu ver-stärken.Stadtv. Dr. Nathan(Soz.-Fortschr.) stellt sich auf den Bodender Auffassung, dast diese Aufgabe gerade von den Kommunen inAngriff genommen werden kann und must. Vom Reichstage undvon den Agrariern sei doch ohnehin nichts zu erwarten. Berlinwäre bald im schweren wirtschaftlichen Nachteil, wenn allsterSchöneberg noch andere Vororte mit der Einrichtung vorgingen.Hausbesitzer und Arbeitgeber wären gleichmätzig daran interessiert,dast ein solcher Zustand vermieden werde. Auch höhere Kosten als200 000 M. könnten im Hinblick auf das Endziel nicht vom Ver-suche abschrecken. Eines schönen Tages werde übrigens die Stadtauf den Zcntralarbeitsnachweis die Hand legen; beide Fragen solleman aber nicht verkoppeln. Zur Förderung der Materie empfehlesich doch ein Ausschutz.Stadtv. Bergcr(A. L.) weist die Angriffe Wurms auf die Ar-beitgebernachweise zurück. Die Arbeiter seien damit zufrieden;die Unternehmer mützten sich des Terrorismus der verhetzendenSozialdemokratie erwehren.(Unruhe.)Der Antrag aus Ausschustberatung wird zurückgezogen.Stadtv. Glocke(Soz.): Nach dem Gang der Beratung ergibt sichja bereits die Aussichtslosigkeit unseres Antrages; aus dergemischten Deputation wird nichts herauskommen, als daß manunsere Anträge als undurchführbar bezeichnet. Stadtrat Fischbeckhat sich seine Aufgabe hier ebenso leicht gemacht wie in der ge-mischten Deputation.— Immerhin müssen wir ja mit der Ver-Weisung an diese einverstanden sein. Die Stadt mutz wie für dieKranken, Schwachen und Siechen, die nicht arbeiten können, auchfür diejenigen sorgen, die arbeiten wollen, aber nichtarbeiten können(zunehmende Unruhe). Die ganze Wirt-schaftliche EntWickelung drängt darauf hin. Ueber den Arbeits-Nachweis sind ganz eigenartige Auffassungen von den HerrenRettich, Berger und Goldschmidt vorgetragen worden. Auf demLeipziger Arbeitgeber-Verbandstag ist der Zweck der Arbeitgeber-nachweise wohl genügend beleuchtet worden. In München wurde1908 direkt ausgesprochen, dast sie dem Zweck der Ueberwachungdienen sollen, die das wirksamste Kampfmittel der Arbeitgeberbildet. Der städtische Arbeitsnachweis ist eine Notwendigkeit. DieVerstadtlichung ist schon deshalb notwendig, weil wir bereits jetztzu dem paritätischen den grötzten Teil der Kosten beitragen. WennHerr Goldschmidt auf den HolzarbeiterarbeitSnach»weis zu sprechen kam, so ist dieser Nachweis ein Teil des Ver-träges zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Holzindustrie;er ist ein obligatorischer Arbeitsnachweis und mutz auch die Bestim-mung enthalten, daß auch die Arbeitgeber von diesem Nachweis be-ziehen sollen und von keinem anderen beziehen dürfen, abgesehenvon ganz bestimmten Ausnahmen. Diese letztere Bestimmung istdaher modifiziert, daß. wer durch die Zeitung sucht, nach dem Nach-weis gehen mutz, um sich eine Bescheinigung zu holen; dabeihat auch ein Bertreter der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine mit-gewirkt. Daß jemand, der anderswo angefangen hat. eventuell dortaufhören mutz, ist auch mit Zustimmung des Vertreters der Hirsch-Dunckerschen beschlossen worden. Wenn Goldschmidt auf Freese an-spielt, to hat Freese den Nachweis anerkannt, so lange er im Ver-bände der Jalousiefabrikanten war, dann ist er ausgetreten. DieDifferenz liegt hier in ganz anderen Punkten, als Herr Goldschmidterwähnt hat. Der Arbeitsnachweis für die Holzindustrie hat auchbereits die Zentralisation der Arbeitsvermittelung über Groß-Berlin bis nach Steglitz hin; wir verhandeln auch schon mit denRixdorfer Behörden, um auch dort möglichst diese Zentralisationdurchzuführen.Stadtv. Goldschmidt: Es bleibt bestehen, daß der große Ver-band der Holzarbeiter, der angeblich keinen Terrorismus übt, u»