Front machen und sich als naiionalistische Parter wie die Jrländer konstituieren werden. Diese mit großer Bestimmtheit ausgesprochenen Be hanptungen klingen mehr als wahrscheinlich. Bisher sind die politisierenden Waliser Pastoren immer auf das nächste Jahr vertröstet worden und es bedarf keiner langen Erklärung um zu verstehen, daß eine wiederholte Aufschiebung der Vor läge, zu deren Erreichung sie ihren großen Einfluß für die Negierung ausgeboten haben, die Aussichten auf eine Trennung der Kirche vom Staat in Wales unter dieser Re gierung fast gänzlich vernichtet. Ob die Regierung die Forderung der Waliser berücksichtigen wird, ist sehr pro blematisch? sie hat sich schon mit Versprechungen an die ver- schiedenen Teile der Mehrheit so überladen, daß sie kaum imstande sein wird, den Arbeitsplan dieses Jahres inne zuhalten. Sollten sich die Waliser von der liberalen Partei trennen, so würden sie damit nur dem Beispiel der irischen Nationalisten folgen, die ja früher auch zu den Liberalen zählten. Aber nicht allein in Wales , sondern auch in Schottland macht die Idee der Selbstverwaltung Fortschritte. Im Monat August des letzten Jahres veröffentlichten 21 schottische Parlamentsmitglieder ein Manifest an das schottische Volk, in dem die Vorteile der schottischen Selbstverwaltung er örtert wurden. Der Hauptcinpcitscher der Regierung, der Master of Elibank, selbst ein Schotte, sagte in einer Rede, die er am 20. September 1910 hielt: „Fahren Sie also fort, ob Schotten oder Waliser, den nationalen Geist zu erhalten und zu pflegen; denn wer weiß, ob nicht in Anbetracht der EntWickelung der Negierung und der beständig wachsenden schweren Verantwortlichkeit des Zentral- Parlaments die Zeit nahe ist, wann wie in den englisch sprechen- den Republiken jenseits des Ozeans an Angelsachsen und Kelten, Schotten und Waliser die Aufforderung ergeht, innerhalb ihrer eigenen Grenzen und unter einem Parteisystem die Fähigkeit der Selbstregierung, mit der sie die Vorsehung so reichlich ge- segnet hat, frei zu üben." Die Iren wittern allerdings— vielleicht mit großem Recht— in diesem von den Negierungsmännern geförderten Gedanken der allgemeinen Selbstverwaltung eine List, durch die man die Homerule noch länger hinausschieben will. Herr Redmond erklärte deshalb im Herbst des vorigen Jahres sofort, daß die Selbstverwaltung für alle Landes- teile seine volle Sympathie habe; daß seine Partei auch ge- willt sei, eine Homerule-Bill anzunehmen, in der für die Angliederung Irlands in ein föderatives Staatsgebilde Vorkehrungen getroffen seien. Aber, so fügte er mit Nach- druck hinzu, man könne natürlich von Irland nicht erwarten, daß es sich gedulde, bis ein Plan über„Lome Rule all round", der allen Landesteilen genehm sei, ausgearbeit sein Würde._ Schließlich suchte sich denn auch der nationalliberale> Lizentiat E v e r I i n g einen Scheinvorwand für seine Ab Nationalmiserables. Als eine politische Partei, die nur ein einziges Prinzip an« stimmung zugunsten des landesfürstlichen Privilegs zu erkennt, nämlich das Prinzip völliger Prinzipienlosigkeit, mutet bc schaffen, indem er so tat, als sei es ihm unbekannt, daß das' Privileg sich nur auf das eigene Land des Fürsten ,»ich auf das ganze Reich beziehe. Herr Mermuth berichtigte ihn worauf der teuere Gottesmann erleichtert hinging, um nun mehr getröstet und reumütigen Herzens für das Privileg zu stimmen. Bei der Abstimmung stimmten die drei konservativen Parteien geschlossen für das Privileg. Auch die große Mehrheit des Zentrums war dafür und eine Minderheit der Nationalliberalen. Dagegen stimmten Sozialdemokratie und Fortschritt. Die Polen zogen nach längerem Zögern aus dem Reichstag hinaus, damit sie sich nicht an der Ab stimmung beteiligen brauchten. Sie befolgen offenbar die Taktik, alles zu vermeiden, was die Machthaber gegen sie reizen könnte. Das mag ihnen als eine sehr vorsichtige Taktik erscheinen, muß aber auf die Dauer lähmend einwirken an' die polnischen Volksmassen. Trotz dieser � polnischen Ab stinenz wurde ober das fürstliche Steuerprivilcg ab-elehu. Jetzt wird eine schöne Zeit anbrechen für die Hintertreppen� Politiker, die bis zur dritten Lesung eine andere Mehrheit zu schaffen haben. Zunächst wurde indes, nach Erledigung der anderen Sätze des§ 22, versucht, sofort noch den eben gefaßten De- schluß umzustoßen, indem eine Abstimmung über den gesamten Z 22 verlangt wurde, trotzdem der Präsident bei Einleitung des Abstimmungsverfahrens erklärt hatte, eine solche Gesamtabstimmung werde sich hierbei erüb'igen Der amtierende Vizepräsident Spahn zeigte nicht iib:l Lust, sich darauf einzulassen. Wiederholte energisc:,e Pro teste des Genossen Singer, dem sich so ziemlich alle Parteien anschlössen, vereitelte indes den schönen Plan. Am Dienstag soll nach Freilassung des Sonnabends und Montags die Debatte beim s 49 weitergehen. politiscbe Qcberficbt. Verlin. den 20. Januar 1911. Die Steuerfreiheit der Landesfürsten abgelehnt. Aus dem Reichstage. 20. Januar. Auch am fünften Tage kam der Reichstag mit der zweiten Lesung des Zuwachssteuergesetzes nicht zu Ende. Nach siebenstündiger Verhandlung blieb der Karren wn§ 49 stecken. Aus der Fülle von Einzelheiken, um die heute gekämpft .wurde, hob sich die Frage hervor, ob den Landesfürstev auch 'G' der Reichswertzuwachssteuer ein Vorrecht, die Steuer- befreiung, zugestanden werden solle. Die Reichsregierung hatte das verlangt und deshalb in den sj 22, der die Steuerbefreiungen festsetzt, als Absatz 1 eingefügt: der Landes» für st und die Landessürst in. Die Kommission hatte diesen Satz gestrichen. Die Konservativen beantragten die W i e d e re i n f ü gung dieses Privilegs in das Gesetz. Ein Unterantrag der F r e i> sinnigen wollte für den Fall der Annahme des low servativen Antrages den Gemeinden die Möglichkeit ge währen, die Steuerfreiheit der Landesfürsten auszuheben. Daß diese finanziell nebensächliche Frage die Reichs� regierung ernstlicher bewegt, als weit wichtigere Fragen, die das Volkswohl betreffen, zeigte das erschienene Aufgebot von Vertretern der Regicrungsgewalt. Der Konservative Gras Carmen- Zieserwitz operierte in der Rechtfertigung des Antrages auf Steuerfreiheit nicht mit sachlichen Gründen, sondern mit dem monarchischen Gefühl. Die Gründe versuchte der Schatzsckretär Mermuth nachl zuliefern: er erfand zu dem Zweck den Begriff der Steuer souveränität der Landesfürsten, verstärkte aber seinen un- gewollten Heiterkeitserfolg nur noch, als er der fröhlichen Stimmung im Hause die Worte entgegenschmetterte, man könne diese hochwichtige Frage gar nicht ernst genug nehmen. Genosse Göhre betonte demgegenüber mit Nachdruck. daß auch nicht eine Silbe von einem solchen Vorrecht auf Steuerfreiheit der Landesfürsten in der Reichsverfassung zu finden sei. Scheuten die Fürsten nicht vor Grundstücks- Verkäufen zurück, so sollten sie sich auch nicht scheuen, Steuern darauf zu zahlen, wie alle anderen Leute, die aus solchen geschäftlichen Transaktionen Vorteil ziehen. Selbst der nationalliberale Dr. Weber kehrte sich gegen die geforderte Steuerbefreiung, indem er darauf hinwies, daß gerade der Wertzuwachs, der landesfürstlichen Grundstücken zuteil würde, ein völlig unverdienter sei. Die günstige Gelegenheit, in unentwegter Untertanen- demut sich für finanzielle Vorrechte der Landesfürsten ins Zeug zu werfen, benutzte dann der neue preußische Finanz. minister Dr. L e n tz e zu einer Reichstagsjungfernrede. Sie blieb wegen ihres trivialen, schlecht stilisierten, mit großer Zungengelöufigkeit und eintönig vorgetragenen Inhalts ganz ohne Eindruck auf die Linke des Hauses. Das wird dem strebsamen Herrn aber weiter nicht schaden. Tie gute Gesinnung bringt in Preußen die Beamten vorwärts. Das Zentrum beging indes die Geschmacklosigkeit, diese Lentze-Rede zum Vorwand für seinen Umfall auf die Re- gicrungsseite zu nehmen. Als Herr Dove(Vp.) meinte, wenn die Fürsten in gleicher Weise wie andere Leute zu den öffentlichen Lasten beitragen würden, so könne das nur von Vorteil für die Stärkung des monarchischen Gefühls sein, entrüstete sich der Konservative Graf Westarp über die..Agitationsreden" Göhres und Doves, und Herr L e n tz e redete nochmals von der staatsrechtlichen Unzulässigkeit der Streichung. Genosse David erwiderte darauf, preußische Minister, die die Ver- fassungsverletzung mit den Schiffahrtsabgaben betreiben, seien die letzten, die sich als Hüter der Verfassung aufspielen dürften. Uebrigens würden die Leute, die das Steuer- Privileg der Fürsten durchsetzen wollten, mächtig für die Aus- breitung des republikanischen Gedankens wirken. i Landrätliche Uebergriffe und Landratskammer«. Eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus. ES nimmt deshalb nicht wunder, daß das preußische Dreiklassenparlament in >iner großen Mehrheit das Verhalten der preußischen Landräte durchaus angemessen findet und nicht sie verurteilt, sondern die Männer, die sich gegen ein derartiges Regiment aufbäumen. Aber mag immerhin der Polizeiminister v. Dallwitz und mit ihm die reak- tionäre Mehrheit deS Abgeordnetenhauses des LobeS voll sein für die Landräte, die Mehrheit deS Abgeordnetenhauses ist nicht die Mehrheit deS Volkes, und wie das preußische Volk darüber denkt. daS unterliegt keinem Zweifel. Würde der Landrat Freiherr v. Maltzahn, der über Grimmen -GreifSwald herrscht, und mit ihm seine Genossen aus Puttkamerun und dem umliegenden Preußen vor ein BolkSgericht gestellt werden, man kann tausend gegen eins wetten: das Volk würde sie schuldig sprechen, und nicht nur sie. sondern auch ihre Beschützer, die Dallwitz und Konsorten zwingen, ihr gemeingefährliches Schalten und Walten einzustellen. Wie die Konservativen, so stehen auch die Freikonservativen, in deren Namen Abg. Re w o l d t sprach, durchaus auf feiten der Land- räte, und ebenso lehnt das Zentrum, wie sein Wortführer Bell betonte. eS ab, irgendein Wort des Tadels gegen die konservativen Schützlinge auszusprechen. Herr Bell gibt zwar zu. daß landrät- liche Uebergrisfe vorkommen, ja sogar, daß sie zahlreich vorkommen, aber einen allgemeinen Schluß auf das Vcrbalten der Landrrite will et daraus nicht ziehen, um sich bei seinen konservativen Freunden nicht in Mißkredit zu bringen. Ja sogar der nationalliberale Ab- geordnete Dr. Friedberg kann sich trotz deS gewaltigen Materials, das gegen die Landräte vorliegt, nicht zu einem unzweideutigen Tadel entschließen; die politische Lage zwingt ihn. die Brücke, die zu den Konservativen führt, nicht abzubrechen, und so setzte er sich denn nach echt nationalliberaler Art wieder einmal zwischen zwei Stühle. Den Rednern der Linken, dem Dänen Nissen und den Abgg. Ghßling(Vp.) und Leinert(Soz.). blieb eS vorbehalten, ein Bild landrätlicher Mißwirtschaft zu geben. Ganz besonders gründlich erfüllte diese Aufgabe unser Genosse, der die ganze preußische Verwaltungspraxis schilderte und treffend darauf hin» wies, daß der Landrat die Seele der Reaktion in Preußen ist und daß infolgedessen eine Reform des Wahlrechts allein nicht genügt. wenn nicht Hand in Hand damit eine Demokratisierung der inneren Verwaltung cinhergeht. Die Rechte suchte zuerst in ihrer bekannten Manier durch Lachen und Zurufe die Ausführungen unseres Red nerS abzuschwächen, aber das Lachen verging ihnen, als Leinert an der Hand unanfechtbaren Tatsachenmaterials gesetzwidrige Handlungen von Landräten vorbrachte, die alles bisher dagewesene in den Schatten stellen. Bestreiten konnten sie das nicht, und so fingen sie denn schließlich an zu toben und allerhand mehr oder weniger geistreiche, an das Tierreich erinnernde Laute von sich zu geben. Der„unparteiische" Präsident v. Kröcher hatte daran seine Freude. Um so schärfer ging er gegen unsere Genossen, die dem Chor der Landräte die Antwort nicht schuldig blieben, mit Orb- nungSrufen vor und scheute nicht einmal vor direkten Beleidigungen zurück, die jeder andere Präsident, wenn sie von einem Mitgliede deS HauseS ausgegangen wären, energisch gerügt hätte. Genosse Hoffmann, dem er zurief, er nehme ihn in diesem Falle nicht ernst, mußte wohl oder übel zur Selbsthilfe gegen Herrn v. Kröcher schreiten, dessen Benehmen er in einer Bemerkung zur Geschäfts- ordnung als Unverschämtheit bezeichnete. Am Sonnabend stehen die Interpellation und die Anträge be- treffend die Winzernot auf der Tagesordnung. Ein Sachverständigenurteil über die preußische Polizei. Die guten Menschen, die unsere Polizei und ihr Verhalten bei den jüngsten Moabiter Vorkommnissen nicht genug loben können, möchten wir an ein Sachverständigenurteil erinnern, das auf dem letzten sckleSwig-holsteinichen Städtetage Senator Dr. Rosenkranz au« Altona über unsere Polizei im allgemeinen fällte. Dr. Rosenkranz tadelte vor allem die mangelhaste Borbildung unserer Polizei beamten. die deshalb den ihnen gestellten Aufgaben gar nicht gerecht werden könnten. Dann erklärte er geradezu: .Das Material, au» dein sich unsere Schntzmannschaft rekrutiert, ist im Durchschnitt viel schlechter geworden, als e» noch vor 20 Jahren war. Sogar bei den königlichen Schutzmann- fchaften har sich dieser Uebelstand geltend gemacht, und die städlischen Polizeivcrwaltungen haben es nocki schlechter. Heute glauben die Schutzleute ihre Tlichtiakeit am besten durch große Scbneidigkeir zu erweisen; sie s»lagen dabei oft über die Stränge, erfüllen aber damit ihre Aufgabe gerade meist sehr schlecht, obwohl sie dabei gewöhnlich viel ganz überflüssige« Un» heil anrichten. Daher geht heut durch die Presse immer niehr der Aus„Schutz vor Schutzleuten l" Dr. Rosenkranz schlägt vor. den Pollzeibeamten eine bessere Borbildung durch Errichtung von P o l i z e i s ch u l e n in den einzelnen Provinzen zugeben, wie man sie in einigen bayerischen Städten zum Beispiel in Ludwigshafen mit Erfolg eingerichtet hat, um sie zu einer den Anforderungen entsprechenden OualirätSleistnng zu befähigen. kanntlich die nationalliberale Partei ihren parlamentarischen Ver- tretern keinerlei prinzipielle Haltung zu. Es genügt völlig, wenn sie versichern, sie glaubten nationalliberal zu sein. Trotzdem mußte bei der Beratung der Erbschaftssteuer einigen dieser Nationalliberalen der Stuhl vor die Tür gesetzt werden, denn aus wahltattischc« Gründen sollte bei dieser Gelegenheit die nationalliberale Frattio» ausnahmsweise als völlig homogene? politisches Gebilde ge- zeigt werden. Damals schied der antisemitische Agrarier Lehmann auS der Fraktion aus. und diesem Beispiel folgte der Wormser Leder- könig, der Freiherr Hehl zu Herrnsheim . Seinen bisherigen Fraktion»- kollegen attestierte er kurz darauf, daß ste Aufsichtsratspolitik treiben. Freiherr von Hehl ist also eigentlich kein Nalionalliberaler mehr, trotzdem haben ihn die nationalliberalen Vertrauensleute seines Kreises wieder als nationalliberalen Kandidaten aufgestellt. Nimmt man noch den bekannten früheren nationalliberalcn Abgeordneten Held dazu, so hat man zwei nationalliberale Kandidaten, die nach Ansicht der Nationalliberalen gar keine Nationalliberalen mehr sind. So etwas ist freilich nur in der Partei„Drehscheibe" möglich. Da? kurioseste aber ist, dieser so geartete Liberalismus will Deutschland zu einem liberalen Slaatswesen umformen I !ert» Petitionsschwindel. AuS Köln wird uns geschrieben: Kürzlich ist dem Reichstag eine Petition zur zuwachssteuer zugegangen, die wie folgt schließt: „Wir Ackerbürger von Köln , die wir. wie schon auS unseren Unterschriften zu ersehen ist, von unserer Hände Arbeit leben, sind keine Grundstücksspekulanten und erwarten, daß die Doppclbesteuerung uns erlassen wird." Demnächst wird durch die Beseitigung der zwischen Köln und seinen Vororten liegenden Festungswälle und-grüben ein unge- heures Areal frei, das bisher, als zum Festungsrayon gehörend, nicht bebaut werden konnte. Nun wird das heutige dillige Ackerland wertvolles Baugelände. Die„Kölner Ackerbürger" wollen nun nicht den Unterschied zwischen dem wirklichen damaligen und dem küns- tigen Baulandswert der Zuwachssteuer zugrunde gelegt wissen, andern es soll ein fingierter Baulandswert für die damalige Zeit gefunden werden, um den Zuwachs geringer erscheinen zu lassen. Daß ein solches Ansinnen dem Prinzip der Besteuerung deS u n v e r- dienten Wertzuwachses zuwiderläuft, braucht wohl nicht dar- gelegt zu werden. Die Unterschriften der Petition sollen schon, wie die Petition meint, durch ihre Ungefügigkeit zeigen, daß die Petenten von ihrer Hände Arbeit leben. DaS hätte sich aber viel leichter erweisen lassen, wenn die Petenten einfach ihren Beruf auf der Petition angegeben hätten; serner Hütten sie auch zur weiteren Kontrolle ihre Wohnung angeben können. Das alles haben sie aber nicht getan, und zwar aus gutem Grunde. Neben einer Anzahl wirklicher Ackersleute findet man nämlich auf der Petition der armen", angeblich von ihrer Hände Arbeit lebenden„Ackerbürger" zunächst zwei Rechtsanwälte, die. wie auch alle anderen Unterzeichner, ihren Beruf verheimlichen. Dann findet man darunter einen schwerreichen Sanitätsrat. einen schwerreichen Mühlenwerksbesitzer und Getreideimporteur, einen Kohlengro ßkaufmann. der nicht weniger als sechzehn Häuser besitzt, dann einen Gärtnereibesitzer, dem fünf ä u s e r, und einen Baumschulenbesitzer, dem d r e i H S u s-« r ge. hören. Es folgt ein Holzhändler, Besitzer von fünf H ä u s e.r n. ein reicher Lederhändler, Besitzer mehrerer Häuser, ein Rentner. Besitzer von sechs Häusern, und dessen Bruder, ein Samenhändler mit a ch t H ä u s e r n. ES kommen weiter mehrere reichgewordene Schlächtermeister. Kaufleute, Unternehmer des Bau- Handwerks, eine ganze Anzahl Rentner, alles Besitzer von zum Teil mehreren Häusern, und noch weitere Angehörige anderer Berufe, die mit der»Ackerbürgerei" nicht das mindeste zu tun haben. Dabei muß man bedenken, daß die Mehrzahl der im ganzen etwa hundert Unterschriften wegen der mangelhaften Angaben über die Persönlichkeit des Unterzeichners gar nicht nachzuprüfen ist. Man darf wohl sagen, daß der Reichstag wohl noch nie so angeschwindelt worden ist, wie durch diese Petition der„Kölner Ackerbürger", als deren Urheber man eine vom armen Schreiber durch Bodenspekula- tion zum Multimillionär gewordenen Hauptintereflenten,«ine Kölner Zentrumsgröße, ansieht. Bürgermeisterwahl in Stuttgart . Wie aus Stuttgart gemeldet wird, tritt der Oberbürgermeister v. Gauß zurück. Er ersuchte gestern in nichtöffentlicher Sitzung der bürgerlichen Kollegien unter Vorlage eine« ärztlichen Zeugnin'eS über seinen Gesundheitszustand um seine Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom 1. April d. I. Gauß hat elf Jahre lang das Stuttgarter Gemeinwesen geleitet. Er wurde am lg. Mai 189g von dem volksparteilich-liberalen Teil der Stuttgarter Büraerschast gewählt, hat sich aber während seiner Amtsdauer wegen seiner Uneulschiedenheit nur wenige Freunde zu erwerben gewußt. Um seine Nachfolgerschaft wird voraussichtlich ein heftiger Kampf entbrennen, da die politischen Verhältnisse in Stuttgart sich seit 18gg gründlich geändert haben und heute die Sozialdemokratte die Mehrheit besitzt._____ Ein militärischer Fortschritt. In militärischen Kreisen erwartet man einen Erlaß, der die Verbreiterung und Verlängerung der Achselstück« der Generale an- ordnet. Die vom Kaiser neugeschaffenen Generalobersten mit dem Range eines General -Feldmarschalls tragen nämlich auf den Achsel» stücken vier Sterne. Wenn nun auch noch ein NamenSzug auf den Achselstücken angebracht werden soll, erweisen sie sich als zu klein- Daraus ergab sich die wichtige Frage, wie lassen sich Stern und NamenSzug auf den Achselstücken vereinen? Nach gründlichen Er- wägungen soll man zu einer Verlängerung der Achselsti cke ge- kommen sein, und da diese Verlängerung, wie man fand, die Symmetrie stören würde, wurde schließlich auch eine Verbreiterung für zweckdienlich befunden.__ Pfarrer- uud Lchrergehälter in Mecklenburg . Da« Mindesteinkommen der Geistlichen beträgt w Mecklen- bürg« Streliy seit Ostern 1V10 8000 Mark, steigend in 21 Dienst- jähren auf SöOO Mark und Wohnung. In Mecklenburg ° Schwerin fordert die Regierung vom Landtag mindestens 8600 bis SöOO (in 20 Jahren) und Wohnung, wovon, wie van den Gehältern aller Schweriner Beamten. Wilwenkasienbeittäge in Abzug zu bringen sind. DaS Pfründensystem bleibt in vollem Umfange bestehen. ES gibt also nach wie vor Stellen, die bis zu 10000. 12 000 und 1SOOO M. bringen, und eine stattliche Zahl von solchen, im Schwerinschen über 160, die mehr als 6600 M jährlich eintragen. Das sind Geliätter, die sich unter denen Alldeutschlands mit Ehren sehen lasten lönnen. Wenn auch einige andere Staalen im Höchstgehalt 400 oder 500 M. mehr zahlen, so stehen sie doch im AnfangSgehal» fast alle hinter Mecklenburg zurück, und in der Kürze der Zeit bis zur Erreichung deS EudgehalteS kann sich nur Hamburg mit ihm messen. Um so schkechter stehen sich die AolkSschMlehrer. In Mecklenburg -Slrelitz beträgt das Gehalt der festangestellten großherzoglichen Lehrer, das früher auf dem Lande 1050 bis
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