Nr. 19.
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28. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Sonntag, den 22. Januar 1911.
Wahlrechtskämpfer!
Krawalle.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Mr. 1984.
Erscheint massenhaft heute mittag in den Protest- Versammlungen!
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Tumultuanten befunden hatten. Aber sie erhielten gleichwohl nicht Studenten seien, würde die Tonart ganz nicht eine Geldstrafe, sondern Freiheitsstrafen anders lauten"! von vielen Monaten! Richard Nordhausen , ein tonjer- In Halle verübten erst 1910 Studenten groben Um das Scharfmachergeheul über die Moabiter Erzesse, bativer Publizist, erklärte denn auch im„ Tag", daß die Unfug, wobei sie sich auch mit Revolverknallerei die Rufe nach schwerer Bestrafung proletarischer Erzedenten, 13 Studenten, ungemein glimpflich davongekommen" amüsierten. Ein Schuhmann, der die Ruhestörer höflichst um nach einer Verschärfung der strafgesetzlichen Bestimmungen, seien, müsse doch zugegeben werden, daß der von ihnen ver- ihre Studentenkarten ersuchte, wurde dummer Kerl“,„ Du Als die Erzedenten endlich nach einer Beschleunigung und Abkürzung des gerichtlichen übte unerhört grobe Unfug von Rechts wegen dummer Pferdefnecht" tituliert. Verfahrens, turz die ganze Scharfmacherheze richtig würdigen schwerere Strafe verdient hätte". Nordhausen äußerte zur Wache gebracht waren und ein Schußmann einem zu können, ist es gut, einmal eine Parallele zu ziehen zwischen zugleich die Hoffnung, daß diese milde Strafe wenigstens Studenten den angeblich drohend erhobenen Stock abnehmen der Bestrafung von Tumultuanten und Erzedenten, die der bessernd wirken werde. wollte, wurde er„ Leckarsch" genannt. Einem Polizisten Arbeiterklasse angehören, und solchen, die der be= Wie bessernd Verwarnungen bei dem feudalen Korps wurde von den Studenten die Kleidung förmlich sizenden Klasse zuzurechnen sind. Besonders interessant der Bonner Borussen zu wirken pflegen, beweist das Folgende! vom Leibe gerissen. Urteil: Die Angeklagten erhielten fällt der Vergleid) aus, wenn man die Strafen, die gegen Zwei Tage vor dem Ueberfall der Borussen auf den ein- 5--50. M. Geldstrafe! randalierende und erzedierende Studenten verhängt zu jährig freiwilligen Unteroffizier Veith Und da zetert man über die Erzesse der Proletarier, werden pflegen, den Strafen gegenüberstellt, die über hatten Angehörige dieses Korps nach der ultramontanen da verlangt man schärfere Strafen gegen Arbeiter! Arbeiter verhängt werden, die sich bei Streifunruhen oder„ Bonner Deutsch. Reichsztg." in Mehlem ,, nächtliche Ruhe- Wir Sozialdemokraten verlangen teine Sonder. ähnlichen Anlässen irgendwelche Ausschreitungen zuschulden störung" verübt. Gegen einschreitende Polizeibeamte rechte, wir fordern keine Straffreiheit für Austommen lassen. Kennzeichnend dafür sind zwei Urteile, gingen- immer nach dem genannten 8entrumsblatte- schreitungen! Aber wir verlangen gleiches Recht! Und je öfter und auffälliger unsere Justiz gegen diese die kürzlich durch die Preffe gingen. Es handelte sich die Borussen in einer Weise" vor, daß sie sich des Widerin beiden Fällen um eine Beleidigung, die darin best andes gegen die Staatsgewalt schuldig Forderung, die sich auf Gesetz und Verfassung gründet, verstößt, desto schlimmer für die Justiz, desto stand, daß jemand einen anderen Schwein" tituliert ma djten." schlimmer für das Ansehen des Rechtsstaats", desto besser für die Sozialdemokratie!
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Vor der Enticheidung.
hatte. Im ersten Falle war ein Student der Beleidiger Wären diese Borussen Arbeiter gewesen, so hätten sie und das Dhjett dieser Verbalinjurie war ein Schuhmann. vermutlich mit dem Polizeisäbel Bekanntschaft gemacht. Im anderen Falle hatte ein Arbeiter einen Arbeitswilligen" Wenn Arbeiter so viel Unfug angestiftet hätten, wie die mit dem gleichen Stofenamen belegt. Man sollte nun meinen, feudalen Herrchen in Bonn , so wären die Schußleute wahrdaß man dem Studenten das Schimpfwort schon deshalb scheinlich auch längst mit jenen gelben Revolverhöher angerechnet hätte, weil er sich als Mann von feineren gurten ausgerüstet worden, die man seit einiger Zeit an Die Verhandlung über Moabit wurde am Sonnabend vor dem Umgangsformen und höherer Bildung der Größe des Delifts allen Straßenecken Berlins so einladend blinken sieht! Den Schwurgericht soweit gefördert, daß nunmehr am Montag das Urteil in höherem Maße bewußt sein mußte als der Arbeiter, der Studenten geschah nichts nur der Senat der zu erwarten ist. Noch einmal legten Verteidiger und Staatsanwälte wahrscheinlich nicht gewohnt war, feine Worte so sehr auf der Universität erließ eine Verwarnung an das Korps ihre Auffassung der Vorgänge dar, und auch der objektivste Zeuge Goldwage abzuwägen. Und ferner sollte man doch annehmen, Borussia. Mit welchem Erfolge, zeigt der Umstand, daß zwei des Plädoyers wird nicht behaupten können, daß die Anklage auf daß die Beschimpfung eines Schußmannes mindestens ebenso Tage später eine Anzahl Borussen den schon genannten ein- Aufruhr und Landfriedensbruch durch die Repliken der drei Staatsschwer geahndet werden müßte als die eines Arbeitswilligen. jährigen Unteroffizier Vesth in seiner Wohnung überfiel, anwälte auf eine solidere Basis gestellt worden ist. Und trotzdem erhielt der Student wegen seiner Beleidigung verprügelte, mit Wasser übergoß usw. Wegen dieses Ueber- Besonderes Interesse durften die juristischen Darlegungen des nur 10 Mart Geldstrafe, während der Arbeiter zu falles auf einen„ Stellvertreter Gottes", bei dem die Justizrats Friedmann beanspruchen, der den Geschworenen in einer Woche Gefängnis verurteilt wurde! Exzedenten wie die Vandalen hausten, wurden mehrere überaus lichtvoller Weise auseinandersetzte, daß es ihre Pflicht sei,
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des
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Dieser Fall von geradezu unglaublich verschiedenartiger Borussen, die damals gleichfalls als Einjährige dienten, die Rechtsfrage nach bestem Wissen und Gewissen selbständig zu be Wertung von Deliften ganz der gleichen Art steht aber keines- die also ihren Vorgesezten überfallen hatten, frei- urteilen, da sie an die Auffaffung des Vorsitzenden nicht gebunden wegs vereinzelt, er bildet vielmehr die Regel! Wir könnten gesprochen; mehrere minder aktiv daran Beteiligte, die wären. In den fubtilen Rechtsfragen wichen selbst die höchsten dafür Hunderte von Beweisen bringen, wollen uns aber immatrikuliert waren, erhielten unbeträchtliche Haft- Gerichtsinstanzen außerordentlich von einander ab, differierten die hier mit einigen wenigen Beispielen begnügen, die wir aber strafen! Sie hatten den Ueberfall gegen den Unteroffizier, bedeutendsten Rechtstheoretiker. Zuviel Wissenschaft, zuviel Theorie jederzeit beliebig zu ber mehren erbötig sind! auf den die schneidigen Borussen ihren Haß geworfen hatten, tönne unter Umständen die Findung des wahren Rechts erschweren, Wie hat man sich über sozialdemokratische weil er sich als Statholik nicht hatte duellieren deshalb seien gerade die Laienrichter berufen, die Dinge bon praktischen Lebens statt Krawalle entrüstet, obgleich doch die Kriminalstatistik be- wollen, ja nur mitgemacht, ohne selbst zu prügeln! Bei vom Standpunkt beurteilen. Das sei der ge weist, daß die Zahl der von Proletariern begangenen Aus- Arbeitern heißt es in solchen Fällen mitgegangen, der Schuljuristerei aus schreitungen in den letzten Jahren nicht zugenommen hat. mitgehangen!" wollte Zweck der Institution des Laienrichters. Justizrat Eine fürzlich veröffentlichte a mtliche Statistik über die Und solche Erzeffe, solch milde Strafen kommen, wie Friedmann sowohl wie später Rechtsanwalt Heinemann legten in den Jahren 1904 bis 1909 begangenen Verbrechen und schon erwähnt, bei Studenten durchaus nicht alsdann noch einmal eindringlich dar, daß selbstverständlich keine Nede Vergehen enthält sehr interessante Zahlen über Verurteilung selten vor! davon sein könne, daß die gesamte Tätigkeit der Polizei als eine bon Straftaten, die man als Auflehnungen gegen die So wurde seinerzeit( 1903) in Jena von Studenten nicht berechtigte Ausübung ihres Amtes anzusehen sei, daß Staatsautorität zu charakterisieren pflegt. Wegen ein förmlicher Att von Landfriedensbruch verübt. Storps- indeffen erwiesenermaßen eine so große Zahl von Beamten sich öffentlicher Aufforderung zum Ungehorsam studenten zertrümmerten 400 Biergläser, mit denen sie ein zeitweise nicht in berechtigter Ausübung des Amtes befunden habe, wurden in dieser Zeit verurteilt: 4, 10, 10, 209, 38, 10, Straßenbombardement veranstalteten. Namentlich das Dent daß der Staatsanwaltschaft der Beweis zufalle, daß ihr etwa wegen Aufruhrs 38, 54, 83, 55, 56, 23, wegen Land- mal des Gründers der Universität wurde in sinniger Weise geleisteter Widerstand teine berechtigte Notwehr gefriedensbruchs 83, 193, 119, 160, 182, 125; wegen zum Ziel dieser Wurfgeschosse gemacht. Die Polizei- wesen sei. Aufreizung verschiedener Bevölkerungsklassen gegenein- mannschaft suchte dem wüsten Treiben vergebens Einhalt Natürlich blieb die Staatsanwaltschaft diesen Beweis im vollsten ander 7, 10, 25, 32, 23, 10; wegen Verächtlich machen zu tun; sie waren völlig machtlos. Sein einziger der Umfange schuldig. Vielmehr stellte sich der Oberstaatsanwalt von Staatseinrichtungen oder obrigkeitlichen Anordnungen Erzedenten wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt! auf den ebenso bequemen und originellen wie unhaltbaren Stando
wegen
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wiederholt
1, 1, 8, 8, 0, 0 Personen. Schließlich wurden verurteilt Am schwarzen Brett der Universität Göttingen punkt, daß die Schuyleute sich stets in rechtmäßiger Ausübung der Beeinträchtigung Koalitions- prangten an einem Tage zwei Stundgebungen der ihres Amtes befunden hätten, sofern sie nur einem Befehle ihrer freiheit gewerblicher Arbeiter( Terrorisierung Arbeits- Universitätsbehörde gegen studentische Erzesse. In dem einen Vorgesezten gefolgt feien, ganz einerlei, ob dieser Auftrag an sich williger) 395, 785, 1096, 785, 434, 886 Personen. Diese hieß es: Den Herren Studierenden wird wegen Ueber- ordnungswidrig gewesen sei oder nicht! Der Oberstaatsanwalt Bahlen beweisen deutlich, wie gewissenlos die Scharf- handnahme der nächtlichen Ruhestörungen schloß feine Darlegungen mit der Mahnung an die Geschworenen, macherei ist, die ihre Forderungen nach Ausnahme- bekannt gegeben, daß neben den polizeilichen Ordnungsstrafen die Angeklagten wegen Aufruhrs und Landfriedensbruchs zu verurteilen, gesetzen mit der hartnädigen Behauptung begründet, auch in jedem einzelnen Falle die akademische Behörde da eine Freisprechung nichts anderes bedeute, als jedem Exzedenten daß der Staatsautorität je länger je mehr Gefahr drohe. Disziplinarstrafen verhängen wird." Und in dem zweiten das Verfügungsrecht über die Straße einzuräumen und Leben und Dazu kommt, daß proletarische Erzedenten stets mit drako- Anschlag wurde beflagt, daß Rechts Eigentum jedem Rowdy preiszugeben. In fachlich vortrefflicher nischen Strafen belegt worden sind. Wie aber steht es mit tandidaten, die sich nach Entlassung von der Universität und rednerisch eindrucksvoller Weise zerpflüdte Heine diese Dar den studentischen Ausschreitungen und deren Bestrafung? zum Zwede der Vorbereitung zur Staats- legungen des Oberstaatsanwalts. Er verlange feine Freisprechung Wir erinnern da in erster Linie an den schweren Erzeß prüfung in Celle aufhielten, grobe Erzesse verübt gegen das Recht. Aber eine Verurteilung wegen Aufruhrs bedente, der Bonner Borussen vom 4. Dezember 1909. An hätten! Und da flagt man über die Verrohung der um mit den Worten des Oberstaatsanwalts zu sprechen, die Straße diesem Tage hatten die Borussen in Rüngsdorf bei Bonn eine Arbeiterklasse, da verlangt man härtere Strafen gegen und die friedlich ihrem Gewerbe nachgehenden Bürger der Willkür ihrer Kneipereien veranstaltet, die man bei Arbeitern Sauf- erzedierende Arbeiter! der Schußleute preiszugeben. Es sei lein Kunststück, wenn die gelage nennen würde. Als die Studenten abends den Zug In Marburg ereignete sich gleichfalls eine gröbliche Schußleute in gewöhnlichen Beiten auf eine höfliche Fraae liebensDer Kleinbahn besteigen wollten, unternahmen die bezechten Ausschreitung. Vor dem Rathause, in dem sich die Polizei- würdigen Bescheid gäben. Aber gerade erst in verantwortungsvollen Sneipbrüder einen förmlichen Sturm auf den Bahnzug. wache befindet, verübte eine starke Studentenansammlung Momenten hätten die Sicherheitsbeamten, denen ein so großes Maß Sie versuchten die Lokomotive von den Wagen und die Wagen wüsten Radau. Etliche der Lärmmacher wurden festgenommen. von Macht eingeräumt sei, Selbstbeherrschung zu beweisen. Bahluntereinander abzukoppeln, wodurch sie den Zug in der höchsten Darauf suchten die Studenten die Rathaustür durch Back- reiche Beamte hätten sich aber erwiesenermaßen die unerhörtesten Weise gefährdeten. Gegen die Beamten wurde man tät fteine zu verrammeln. Ein Schußmann ließ sich infolgedessen Ausschreitungen zuschulden kommen lassen und dadurch erst die I ich, einer wurde verlegt, zwei andere tätlich be- zu dem Ausruf hinreißen:" Studenten wollt Ihr fein? Laus- gewaltige Erregung des Publikums hervorgerufen. Er hege das leidigt. Sobald der Zug sich in Bewegung setzte, wurden buben seid Ihr." Die Studenten schimpften darauf die Schutz- Vertrauen zu zu den Geschworenen, daß sie diese Sachlage die Lichter von den Studenten ausgelöscht und 37 Fenster- leute Lausjungen und bedrohten sie mit In die Fresse gebührend berücksichtigen und auf Freisprechung der Angelagten er scheiben zertrümmert. Und was geschah diesen Erzedenten? ich I a gen". Ein Saugmann erhielt auch tatsächlich einen fennen würden.
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Burden Sie wegen 2andfriedenbruchs bestraft? Sie Schlag ins Gesicht. Als abermals mehrere Randalierer Zum Schluß behandelte Rechtsanwalt Rosenfeld nochmals tamen mit Geldstrafen von 50-150 M. davon. Man hatte ins Wachlokal gebracht wurden, rissen die Studenten den das Thema der Lockspipelei. Die Existenz von Polizeivigilanten sei ja die einzelnen Täter nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln" Schußleuten die Notizbücher weg und demolierten das von der Polizei zugestanden. Und da eine ganze Reihe einwandsvermocht. Nun, auch an der Straftammer wurden Wachlota I! Und wie wurden diese Erzesse geahndet? freier Beugen die Lodspigeleien beobachtet hätten, ständen diefe außer im Moabiter Prozeß Personen bestraft, denen nichts Mit Geldstrafen von 5-90 M.! Der Staatsanwalt allem Zweifel. Rosenfeld brandmarkte den Versuch, diese Zeugen nachgewiesen werden konnte, als daß sie sich unter den selbst erklärte bei der Verhandlung, wenn die neun Angeklagten als erregt oder unglaubwürdig hinzustellen, mit aller Schärfe.