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Da die PlädoherS. hiermit erschöpft waren und die Verteidiger so- wohl wie die Vertreter der Anklage sich in der nächsten Sitzung voraussichtlich auf kurze Bemerkungen beschränken dürsten, darf Wohl an, Montag die Nrteilsfällung erwartet werden. vahlzuilichten des Zentrums im rhelniich-mittMchen Industriegebiet. Aus dem Ruhrgebiet   wird uns geschrieben: Unser neulicher Artikel über die hiesigen Wahlborbereitungen ist von der JndustrtebezirkSpresse verschiedentlich kommintiert worden, besonders hat«in Teil der Zentrumspresse die Aufdeckung der beab- sichligten schwarz« industrieseudalen Wahlmogelei mit dem üblichen Geschimpfe quittiert. Unsere.Tremonia" überschlägt sich geradezu in AuiauSbrüchen über die Roten, und hält immer dringlicher den Na- tionalliberalcn die Schrecknisse einer angeblich nahe bevorstehenden Revolution vor. Das Getue entbehrt nicht der Komik; ist es doch der Besitzer und Chefredakteur derTremonia  ", Herr Lambert L e n s i» g gewesen, der in den 70er und 80er Jahren in der massivsten Weis« die jetzt von ihm Un, wordenen als herzlose AuS- beuter und zynische Verächter der christlichen Ethik hinstellte. Herr Lensing sab mehr als einmal unter der Anklage der Aufreizung oder der schwersten persönlichen Beleidigung auf der Armesünderbank: und inebr als einmal mußte er auch ins Gefängnis wegen schwerer journalistischer Ausschreitungen. Doch wir wollen darüber mit ihm nicht rechten, da er wohl am meisten im Dortmunder   Bezirk den Boden für uns gelockert hat. Man kann hier oft die Bemerkung hören:Daß der Dortmunder   Bezirk so radikal ist, kommt daher, daß hier das schärfste katholische Draufgängerblatt, dieTremonia  ", so gut vor» gearbeitet hat." Doch jetzt ist Herr Lensing bußfertig geworden und heischt Verzeihung von den Zechenltberalen, indem er die ärgsten Schmutzkübel über die Sozialdemokraten ausschüttet: denn mittler- weile ist er dank der Gläubigkeit der katholischen Arbeiter schwer- reich und der Schwiegervater eines Fabrikanten geworden. Solche Verwandtschaft verpflichtet. Auf den Wahlkreis Dortmund-Hörde macht sich das Zentrum gar keine Hoffnung mehr. Das steht fest. Wer auch die Nationalliberalen rechnen mit einem sozialdrmokrattlchen Sieg im ersten Wahlgang. Somit haben die bürgerlichen Parteigötter den Wahlkreis Dortmund-Hörde aus dem Vinnahmekonto gestrichen. Das gleiche dürfte mit H a g e n- S ch w e l m der Fall fein. Und daß das Zentrum H a m m- S o e st nochmals holen sollte, glaubt es wohl selbst nicht. Auch diesen Posten muß es streichen, wodurch «in Bündnis der Zentrümler mit den Nationalliberalen für diese Kreise wertlos wird. Bliebe noch Bochum  -Celsenkirchen in Westfalen   und Essen und Duisburg   im Rheinland  . Doch da kommt nun derchristliche" GewerkvereinSsekretär H ü S k e S her und erklärt in Herne  : Wenn die Nationalliberalen in Bochum   einen dem Zentrum angenehmen Kandidaten aufstellen,«dann find die Tage Otto HueS gezählt!" In diesen Worten liegt der Verzicht deS Zentrums auch auf Bochum  -Geksen» kirchenl Eine Bankrotterklärung des Zentrums in dem Kreise, den eS wiederholt, z. B. durch Schorlemer-Alst. be­sessen hat. In E s s e n ist die Situation für das Zentrum so gefährdet, daß dieKöln  . Volksztg." auch diesen Kreis schon auf ihre Verlustliste gestellt hat. Der Denunziantenfeldzug der ZenttumSpresse gegen die antiliberalen Arbeiter und Beamten in Essen, die bei der engeren Stadtverordnetenwahl sozialistisch gewählt haben, hat die Erbitterung dieser Leute gegen den schwarzen Terrorismus zur Siedehitze ent- facht. ES ist nicht daran zu denken, daß eine hinreichende Zahl nattonalliberaler Wähler einer zentrumsparteilich-nationalliberalen Kompromißvarole Folge leistet. Wenn eS richtig ist, daß der KruppscheWerkverew" solche Mitglieder, die ultramontane   Stadt- verordnete wählten, ausschloß, nicht aber die, welche sozia- listische Stimmzettel abgaben, dann zeugt auch dies nur für die Stimmung in der»ationalliberalen Wähler- Ichast. Daran wird durch noch so fein ausgeklügelte Wahlabkommenvon Hamm   bis Duisburg  " nichts geändert. Was will das Zentrum den Nationalliberalen bieten, nachdem es durch H tt s k e s ruchbar wurde, daß«S sich selbst in Bochum  -Gelsenkirchen  nickt mehr als ernsthaften Konkurrenten um das Mandat betrachtet? Die bei den Stichwahlen 1903 und 1907 in diesem Riesenkrcis er« folgte Gehorsamsverweigerung vieler tausend Zentrumswähler wird sich wiederholen. Außerdem werden die Polen   niemals für einen Kandidaten der hakattstischen Nationalliberalen zu hoben sein. Wenn das Zentrum wirklich den Zechenliberalen die Auslieferung deS Kreises Bochum  -Gelsenkirchen   versprochen hat, so stellte e» einen Wechsel aus. über dessen Einlösung zuguterletzt nicht die Zentrums- bourgeoisie bestimmt. Entscheidend ist, daß daS Zentrum seit der Finanzreform das Vertrauen der breiten Wählerschichten verloren hat, die. ohne ultra- montan gesinnt zu sein, sich doch von den demokrattschen Allüren de» Zentrums täuschen ließen. Nun daS Zentrum als Regierung?- und Junkerschutztruppe ohne Feigenblatt dasteht, ist der»demokratischs' Nimbus verlöre» gegangen. Las ßlutuHdl in lolilo. Nach einer mehrwöchentlichcn grausamen Gerichtsfarce sind die Würfel gefallen: Dr. Kotoku, seine Frau und zwei- undzwanzig Genossen lvuiden zum Tode und zwei andere zu vieljährigcn Gefängnisstrafen verurteilt; nur zwölf von den 2l Todesurteilen sind in lebenslänglichen Kerker umgewandelt worden. Weshalb dieses barbarische Urteil? Welche Misse- tat haben die Angeklagten begangen? Die Oeffentlichkeit weiß mchts Bestimmtes. Kein Mensch außer den direkt Beteiligten kann sagen, was von den Nach- richten über die Anklage und deir Prozeßverhandlungen Wahrheit, was Dichtung ist. Offizielle Berichte liegen nicht vor. Und wem: solche vorhanden wären, wäre tausendfache Vorsicht am Platze, denn die Polizei- und Justiz- schergen des Gottsohnes Mikado verdienen in solchen Dingen noch bedeutend weniger Vertrauen als die des russischen Väterchens. Eine nach westlichen Begriffen unabhängige Presse gibt es in Japan   nicht. Wollte ein Tchreiber sich eine selbständige. von der der herrschenden Clique abweichende Meinung ge- statten, so hätte seine Presse zum letzten Male ein ZeitungS- papicr gedruckt. So weiß die Leffentlichkeit nur eins bestimmt: Daß zwölf Menschen zum Tode verurteilt worden sind. Kotoku und Genossen werden ihr Leben am Galgen beenden oder sind vielleicht schon tot. Kotoku und seine Mitangeklagten wurden nach den spar- lichen Mitteilungen, die durch die Presse sickern, beschuldigt, daß sie Sozialisten und Anarchisten seien und daß sie eine Verschlvörung gegen das Leben des Sohnes des allmächtigen Gottes, gegen den Mikado angezettelt hätten. Das ist alleS. Das eine wie daS andere ist höchst unwahrscheinlich. Trügen nicht alle Anzeichen, so haben vir es hier mit einem In st iztier brechen zu kun. Las Las an Ferrer begangene weit in Schatten stellt. WaS in Japan   gemeinhin als Sozialist und Anarchist gestempelt wiro, würde im zivilisierten Europa   noch gerade w die Nethen der bürgerlichen Reformer rangiert werden. In demKulturstoat" Japan   ist diese Kennzeichnung aber vollauf genügend, die Polizeihunde loszulassen. Das böse Gewissen läßt der Regierung, der blutvergießenden Krieger- baste von gestern, keine Ruhe, heißt sie die so gekennzeichneten Leute bitter verfolgen. Die wenigen Sozialdemokraten, die es in dem Jnselreich gibt, sind sehr gemäßigte, harmlose Leute, viel zu vernünftig, etwas zu wagen, was den in der Anklage gemachten Vorwurf rechtfertigen könnte. Selbst tomi sie sich über den Wahn- Witz eines Unterfangens, wie cs eine Verschwörung gegen das Leben des Staatsoberhauptes darstellt, nicht klar wären, so würden sie von ihren tief eingeimpften monarchischen Gc- fühlen davon zurückgehalten werden. Das gilt auch für die Leute, die man dort Anarchisten nennt. Man kann sich stundenlang mit den radikalsten unter ihnen über ihre An- sichten und Pläne unterhalten, und man wird nur die eine Ansicht gewinnen, daß sie sehr West davon entfernt sind, eine hochverräterische Verschwörung anzuzetteln. Auch bei ihnen ist der Respekt vor Kaiser und Obrigkeit tief eingeimpft, der auch durch die ständigen Drangsalierungen keine merkliche Einbuße erlitten zu haben scheint. Warum diese Verfolgungen, die keinem freidenkenden Manne in Japan   erspart bleiben, keine fühlbare Abschwächung der Untertanentreue zeitigen, kann nur der begreisen, der die geistige Verfassung des kleinen braunen Mannes im allge­meinen, und seine tiefe Verehrung für den Mikado. seinen Gott, kennt. Auf den Mann des gemeinen Volkes drückt noch die ganze Last einer tausendjährigen asiatischen Tradition. Und nicht nur das. Tie herrschende Kaste hat, aus wohlverstandenem Interesse, mst einem Eifer und unleugbarem Geschick die Schule dazu mißbraucht, im Volksgeist den Herrscher alsgöttlichen Kaiser", als den Sohn des Himmels", als den Gott überhaupt einzugraben: die hehrste Aufgabe der fünfundvierzigtausend Volksschul  - lchrer ist, das elend dahin vegetierende, über alle Maßen bigotte und stupide Bauernvolk chauvinistisch zu verblöden und ihm die neue Religion mit dem Mikado als Gott ein- zmmpfen. Wie systematisch dies geschieht, lehrt ein Blick in die Geschichtsbücher der Schulkinder. Diese von Kindesbeinen an vollzogene Vcrkrüppelung der Geister heißt selbst Leute, die jahrelang im aufgeklärten Milieu des Auslandes gelebt haben, ihrer Stimme einen tiefernsten, feierlichen Ton geben, wenn im Zwiegespräch die Rede auf den Mikado kommt. Wie gesagt, haben die Gedanken und Worte der Leute, die in Japan   Sozialisten und Anarchisten genannt werden, keinen fühlbaren Stich ins Antimonarchische oder Mtkadofeindliche, und es läßt sie an keinen Angriff aus das Leben des Kaisers auch nur denken. Und wenn sie wirklich von einem solchen Wahnwitz träumen sollten, ein Blick durch die Spalte der Schiebetür müßte ihnen sofort die Zwecklosigkeit ihrer Träumerei kund tun. Das HauS eines jeden, der als Sozialist oder Anarcksist verschrien ist, oder nur als Op- positionsniann gilt, oder der herrschenden Kaste der Un- freundlichkeit und des Ungehorsams verdächtig ist. wird ständig von einer Polizeikreatur bewacht. Auf Schritt und Tritt folgt ihm der Schatten. Was für die Polizeisrommen Söhne des Mikado gilt, trifft in gleichem Maße bei aus- ländischen Reisenden zu: Die Polizei bewacht den Fremden, kontrolliert seme Korrespondenz, bedroht und belästigt die Leute, die ihn Wohnung geben. Er wird den lästigen Schatten nicht eher wieder ganz los, bis er auf dm Boden des heim­fahrenden Schiffes steht. Was so ein stets nachlaufender Polizeihund für einen harmlosen Touristen, der sich die bizarre Welt in Ruhe und Ungeschorenheit betrachten will, bedeutet, kann nur der ermessen, der am eigenen Leibe er- fahren hat. Die herrschende Clique in Japan   wird von den Nach- kommen der Daymios(Feudalherren) und den ergebenen und schlaucstm Söhnen der Samurais(vufgelöstc Kricgerkaste) gebildet. Im feudalen Japan  , das nominell 1868 abgeschafft wurde, hatten die herrschenden Kasten, die Samurais und die Daymios, dos Recht über Leben und Tod des gemeinen Mannes. Wer sich nicht vor vorüberzieheirden Kriegern, Ehrfurcht bezeugend, in den Staub warf, hatte seine Pflicht- Vergessenheit mit dem Leben zu bezahlen. Der Missionar Gulick sah noch vor wenigen Jahrzehnten in abgelegenen Gegenden Bauern, die sich in den Staub warfen, wenn sie seiner ansichtig wurden, weil sie in ihm, dem Reitenden  . einen der alten Krieger vermuteten. Das Landvolk konnte sich noch erinnern, wiein der Feudalzeit die Köpfe deS Volkes von den Kriegern abgehackt wurden, wie die Bauern die Rettichköpse abhauen". Eine solche Betätigung des Regierungsgeschäftes ist heute zwar nicht mehr gut auszu- führen, denn Japan   will doch den zivilisierten Staaten gleich­stehen. Aber der Geist der Willkür, des feudalen Säbel- regiments. hat sich von den Vätern auf die Söhne vererbt. Jever Verdächtige wird scharf bewacht, jeder Ungehorsame streng bestraft, wenn auch nicht mehr mit dem Säbel, so doch mit Galgen und Kerker. Hinter jedem Andersdenkenken wird ein Sozialist oder Anarchist vermutet, hinter einer harmlosen Zusammenkunft eine Verschwörung. Und wenn von dem Polizeischergentum aus einer derart beschaffenenVerschwö- rung" ein Angriff auf das Leben des Mikado gemacht werden kann, um so besser. Dadurch beweist eL die Notwendigkeit seiner Existenz, und wird noch obendrein belobt und belohnt. Es sollte uns sehr wundern, lvenn der unglückliche Kotoku und seine Genossen nicht das Opfer der Gcspensterfurcht der Regierungsclique oder deS sein organisierten SpitzeltumS sind. Die westliche Welt hatte und hat für Japan   stets viel Freundlichkeit! und Sympathie. Besonders nachdem cS die lange, scheußliche Metzelei m der Mandschurei   glänzend vollendet hatte, wuchs die Bewunderung in nicht vorher- gesehenem Masse. Von den europäischen   Nationen wurde eS nun als ein zivilisiertes Land, als ein Kulturstaat ange- sprocheu. Diese Narretei mußte bei den Kennern bitteres Kopsschütteln hervorrufen. Wenn es bei einem Vergleich ztvischen der Regierung Väterchens und der des Mikado Lichtseiten geben sollte, so stich sie bestimmt auf der ersteren Das will gewiß schon viel sagen. Wenn einmal eine Be- wegung im Lande des Gottsohnes Mikado lsbendig werden würde, wie die jüngste Revolution in Rußland  , so würde die Clique, die in Aapan als Regierung wütet, selbst die blutigsten Orgien die der russischen RegterungSschergen weit in den Schatten stellen. Allerdings ist an eine solche Volks- erhebung, obgleich sie ebenso nötig ist. in dem asiatischen Feudalstaat von gestern aus tausend und einem Grunde nicht zu denken. Die vielen Millionen Danern vegetieren hungernd dahin, sind viel zu elend, zu schwach und zu willenlos, um sich zu erheben: die Industriearbeiter sind geistig weit zurück, numerisch zu unbedeutend, infam geknebelt, schrecklich ausge- beutet und ohne Führer und Hoffnung. Aber selbst wenn beide, Bauern und Arbeiter, die technische Möglichkeit für die Abwerfung des Joches hätten, so würde es dennoch nicht dazu kommen können, weil sie alle bigott und chauvinistisch zu arg verblödet sind. mW die llnterivürfigkeit und den Respekt vor der Obrigkeit mit einer Gründlichkeit eingeimpsr bekommen haben, die nicht leicht zu beschreiben ist. Aller» dings gibt es hie und da einige Ausnahmen. Personen, die von der westlichen Kultur berührt wurden, wagen hie und da schüchterne Opposition. Auf sie fällt die asiatische Bestie mit tierischer Wut. Sie bleiben als Kulturdünger aus dem asiatisch-feudalen Boden liegen, ohne Dank in der Heimat zu finden, ohne Widerhall zu entfachen. Sie werden ausge­hungert, eingekerkert, ,u Tode gehetzt. Noch nicht einmal den Menschenfreunden im Ausland können sich diese Opfer der Verbrecherbaicde, die in Tokio   als konstitutionelle Regierung blutige Henkerarbeit ungestraft verrichtet, ihr Leid klagen, bei ihnen auf Sympathie und moralische Unter- stützung hoffen, weil eben die ganze Welt in denKultur- staat" Japan   heillos vernarrt ist. Warum weiß eigentlich niemand recht zu sagen. Die japanische Regierung kann bis heute keine Tat auf- weisen, die ihr ein Anrecht auf die Sympathie und Achtung der rechtlich denkenden Menschheit gäbe. Sie weiß weiter nichts auszuweisen, als lange, blutige Metzeleien und infame Unterdrückung jeder freien Meinung im eigenen Land und Vergewaltigung aller Rechtsbegriffe im Kampfe gegen wehr- lose Opfer. Es ist höchste Zeit, daß in der gesitteten Welt endlich einmal eine richtige Meinung über die Verhältnisse im Lande der ausgehenden Sonne Platz greift und daß das feudale Regime des Mikado seines Firnisses entkleidet wird. damit es in seiner wahren Gestalt vor den Augen der Welt steht: als eine blutgierige, infame, asiatische Bestie.,--- poUtifcbe öcberlicbt. Berlin  , den 21. Januar 1911. Vergebliche Hoffnungen. In Scharfinacherlreiscn scheint man auf Sonntag einige Hoff- nungen zu setzen. Man spekuliert, daß die Polizei den Wunsch hegen werde, den Ruhm, mit dem sie sich in Moabit   bedcckl hat, durch neue Heldentaten aufzufrischen. Es sind vergebliche Hoffnungen. Ob die Polizei wirklich nach neuen Taten be- gierig ist, wissen wir nicht: daß die Sckarfmacher Zusammenstöße wünschen und nach der Tätigkeit von Lockspitzeln große Sehnsucht empfinden, glauben wir gern. Wohl aber wisien wir, daß weder Polizisten noch Lockspitzel am Sonntag irgend etwas zu tun finden werden. In unseren Versammlungen hat die organisierte Arbeiterschaft die Leitung und das verbürgt. daß sie wie stets in vollkommener Ruhe und Ordnung verlaufen werden. Wenn die Scharfmacher hoffen, daß es zu Straßenkund- gedungen kommen werde, die die ersehnte Gelegenheit zur Provo- zierung von Krawallen geben sollen, so sind sie sehr im Irrtum. Für Lockspitzeleien wird dieser Tag ein verlorener sein. Unsere Versammlungen werden zu einem Protest gegen die Verschleppung der Wahlresorm in Preußen werden, aber keine Gelegenheit für die preußische Reaktion, ihre Moabitereien aufs neue zu wiederholen. Winzernot. Nach den Stürmen der letzten Tage ging es am Sonnabend im Abgeordnetenhause recht ruhig zu. Allerdings war der Bc- rawngSgegenstand auch in keiner Weise auftegend. Auf der TagcS- ordnung stand die Interpellation des Zentrums betreffend Maß­nahmen zur Hebung der Winzernot und eine Reihe von Anträgen, die sich auf der gleichen Bahn bewegen. Trotzdem der Landwirlschaftsminister eine entgegenkommende Erklärung abgegeben hatte, wurden sämtliche Anträge einer besonderen Kommission über- wiesen. Zu großen Debatten hatte daS nur schwach besetzte HauS leine Lust, und so gelangte denn bald ein Schlußantrag zur An- nähme, der unterem Redner da« Wort abschnitt. Der Fall Hoffmann kam nicht mehr zur Sprache, doch hat e« den Anschein, als ob die Mehrheit irgend etwa? plant, um ihrem Präfidenten eine Rechtfertigung zu teil werden zu lasten. Montag: Kleinere Etats und Etat der landwirtschaftlichen Ver- waltung._ Steuerfreiheit der Landesfürsten. DieRordd. Allgem. Ztg." bringt an der Spitze des Wochen- rückblickeS ihrer letzten Nummer folgende halbversteckte Drohung: Der Reichstag   Hai sich in der letzten Woche mit der Wert- zuwackSsteuer beschäftigt und die Vorlage bis zum§ 43 ein- schließlich erledigt. Die Fülle der verbeslerungSbesttebungen, die sich in den drei KommiisionSlesungen gezeigt hatte, führte auch in den Plenarverhandlungen zu zahlreichen neuen Au- trägen materieller und formeller Art. Leider ist noch in der letzten Sitzung ein arger Zwie- spalt wegen der Steuerfreiheit der Landes- fürsten zutage getreten. Vom Bundesraistische au» wurden die schweren staatsrechtlichen Bedenken gegen die von der Kommission beschlosteue Abänderung der Vorlage nachdrücklich hervorgehoben. ES ivird Aufgabe der dritten Lesung sein, dieses Hindernis zu beseitigen. Nunmehr bleibt für die Schlußverhandlung zweiter Lesung vornehmlich die bedeutsame Frage des finanziellen Zwecks des Gesetzes, sowie des Verhältnisses von Umsatz- und Z»wachSsteuer übrig. Die in der Oeffentlichkeit und im Reichstag vorgebrachten Bedenken und Meinungsverschiedenheiten betrafen im Ivesentlichen Prinzip und Technik der Zuwachssteuer selbst. Nachdem diese in ausführlicher Berhaudlimg ausgetragen sind, steht zu hoffe», daß der letzte und wichtigste Punkt, die Deckung des fiiianziellen Be­darfs. die Würdigung findet, welche ihm für die gesainte Etats- gebarung der nächsten Jahre und damit für die EntWickelung uuserer Finanzen überhaupt zukommt." Will die Regierung vielleicht, wenn die in der zweiten Lesung angenommene Besteuerung der Landesfürsten in der dritten Lesung wieder aufgehoben wird, den Reichstag auflösen? Wie wir schon kürzlich erwähnten, ist man in gewissen gouvernementalcn Kreisen der Ansicht, daß, falls der Reichstag die Wertzuwachs- steuer zu knapp bemessen oder ablehnen sollte, die Forderung Besteuerung des unverdienten Wertzuwachses gum Zweck der Durchführung der HeereSver» st ä r k u n g und der V et e ra nen r so rgel" eine zug- kräftige Wahlparole abgeben könnte. Nach der obigen Aeußerung der ..Nord. Allgem. Ztg." sollte man annehmcn. baß auch bei ihren Hintermännern diese Meinung Anklang gefunden hat. Wir haben gegen Neuwahlen im April oder Mai nicht daS geringste cinzu- wenden. Je früher, desto besser; aber glaubt man in den RegierungSkreisen wirtlich, daß das Verlangen:Die Landes- fürstcn müssen um jeden Preis von der Wertzu- wachs st euer verschont bleiben!" iafek£ jHvW be­lasteten VolkSmqsse Begeisterung wecken wilU