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Auflehnung gegen die staatliche Bureaukratie. die wir mit lebZaster Freude begrüBt baben.(Lachen rechts.) Das Profesjorenkollegium der Tierärztlichen Hochschule hat Schritte unter- nommen, um vom Landwirtschastsminifter die Zustimmung zur Ein- sührung der Rektoratsverfassung zu erholten. Das hat der Minister abgelehnt, weil der jetzige Direktor Prof. D a m m a n s e i n Ky jähriges Jubiläum«och itls Direktor und nicht als Rektor feiern soll. Den Studenten ist mitgeteilt worden, daß sie kein Recht hätte», sich in die Verfassung der tzochscbule einzumischen. Dabei wurde die Einführung der Rektoratsversassuug schon 1S7S ver­sprochen. Das der Hochschule mittlerweile verliehene PromotionS- recht setzt auch, wenn es eiuen Wert haben soll, eine freie Verfassung der Hochschule voraus. Der Zweck des Streiks, weitere Kreise von der Unzufriedenheit der Studierenden und der Professoren mit den jetzigen Verhältnissen in Kenntnis zu setzen, ist erreicht worden. Ich begriiste es lebhaft, daß die Studenten so ziel­bewußt vorgegangen sind und in der gestern von ihnen an- genommenen Resolution zun, Ausdruck bringen, daß. wem, ihrem Wunsche nicht Rechnung getragen wird, sie im nächsten Semester die Hochschule nicht mehr besuchen werden. Das beweist an- crkennenswerten Mut. Der Minister sollte schleunigst Schritte unter- nehiiie,,. um den Wünschen der Studierenden und der hinter ihnen stehenden Professoren entgegenzukommen. Die Behauptung des Ministers in der Kommission, der Streik sei ein sozialdemokratisches Mittel, ist geradezu absurd. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Streiks gab es schon, ehe die Sozialdemokratie über- Haupt bestand, und es gibt auch Streiks voi, Berufsgruppen, die mit der Sozialdemokratie nichts zu haben. Ich erinnere an die As rz t est r e i ks, die Lebe» und Gesundheit der Krankenkassen - Mitglieder gefährdeten und die von der Regierung lebhaft unterstütz, worden sind.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraien.) Selbst Herr v. Bethmann Hollweg streikt seit Eröffnung dieses Hauses.(Heiterkeit.) Die Studenten haben in ihrer Resolution erklärt,, daß ihr Borgchen diktiert sei vom reinsten JdcalisniuS. Dieser Idealismus ist der Drang nach Freiheit, und wir begrüßen es mit besonderer Genugtuung, daß dieser Drang nach Freiheit die Studenten auch dazu getrieben hat, das moderne Mittel rincS DemonswatioaSzugeö bei ihrem korporativen Spaziergang am letzten Sonntag zur Anwendung zu bringen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten, Lachen rechts.) Wir freuen uns. daß auch Kreise der Intellektuellen zu der Erkenntnis der geeigneten Mittel gekommen sind, um dem preußischen Staate Rechte und Freiheiten abzuringen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, mit denselben Mitteln das gleiche Wahlrecht durchzusetzen.(Lebhaftes Bravo I bei den Sozial- demokratc», Lache» rechts.) Das Kapitel wird bewilligt. Beim Kapitel Förderung der Viehzucht begründet _ Abg. Lüders(fk.) einen Antrag, die Regierung zu ersuchen, im nächsten Etat erhebliche Mittel zur Förderung der Ziegenzucht vorzusehen. Abg. v. Stockhauscn st.) betont die Notwendigkeit der Hebung der einheimischen Fleischproduktion. Minister v. Schorlcmcr stellt die Bereitwilligkeit der Regierung fest, für die Förderung der Ziegenzucht daö Möglichste zu tum Der Antrag wird an die Budgetkommission verwiesen. Abg. Gyßling(Vp.) tritt für eine Förderung der Fischerei ein und hofft auf baldige Vorlegung des Fischerei- gesetzes. Minister v. Schorlemcr sagt diese für die nächste Session zu. . Räch längerer Debatte beim Kapitel der Landesmeliorationen Vtrd der Rest des OrdinariumS bewilligt. Hieraus wird die Weiterberotung aus Sonnabend 11 Uhr vertagt.(Außerdem: Etat der GestütSverwaltung und der F o r st v e r w a l t u n g.) Schluß S Uhr._ IHordprczcß tippe. Die Mordtat des 20jährigen Gärtners Paul Tippe beschäftigte Gestern das Schwurgericht am Landgericht II. ES ist noch frisch in der Erinnerung, welches Entsetzen seinerzeit durch die Nachricht hervorgerufen wurde, daß am 6. November im Hause Potsdamer Straße 33 das Damenschneider Tctzkesche Ehe- paar, welches bei der He, inkehr in ihrer Wohnung einen Einbrecher in voller Arbeit angetroffen hatte, von dem Verbrecher einfach über den Haufen geschossen worden sei. Der Täter war ent- kommen, wurde jedoch bald nach der Tat auf Grund der Anzeige des Gärtners Rems , den Tippe ursprünglich zur Teilnahme an seiner verbrecherischen Tat hatte überreden wollen, festgenommen. Er ist jetzt beschuldigt, durch zwei selbständige Handlungen den Eheleuten Tetzke gehörige Sachen mittels Einbruchs und unter Mitführung eines Revolvers bestohlen und den Damenschneider Robert Tetzke und dessen Ehefrau Gertrud, geborene Reichhold, ermordet zu haben. Der Angeklagte hat in der Voruntersuchung die Tat selbst in ihren Einzelheiten zugegeben, er leugnet aber. die Tötung deS Ehepaare? mit Vorsatz und Ueberlegung ausgeführt zu haben. Er behauptet, daß er durch das plötzliche Zurückkehren der Eheleute in eine furchtbare Erregung versetzt worden sei und ohne jede Ueberlegung losgeschossen habe, um sich freie Bahn zu schaffen. Unter kolossalem Andränge des Publikums, unter welchem die überwiegende Zahl der zum Teil recht elegant gekleideten Damen besonders auffällt, begann gestern die Verhandlung. Den Vor- sitz im Gerichtshof führt Landgerichtsdirektor Dr. Forstmann, die Anklage wird von dem Ersten Staatsanwalt Dr. Hagemann der- treten. Als Verteidiger des Angeklagten fungiert Rechtsanwalt Dr. Walter Joffe. Der Angeklagte ist ein mittelgroßer und schein- bar kräftiger Mensch mit blassem und ausdruckslosem Gesicht. Als bei dem Zeugenaufruf die Namen seines Vaters, eines biederen Bergmannes auS Staßfurt , und seiner Schwester verlesen werden, fängt Tippe an zu weinen. Nach Auslosung der Geschworenen und erfolgter Verlesung des Eröffnungsbeschlusses wird Tippe von dem Vorsitzenden ausführlich vernommen. Es wird festgestellt, daß Tippe in Bremen wegen wiederholten Diebstahls b Monaten und eine Woche Gefängnis vorbeitraft ist. Diese Strafe ist dann mit einer zweiten später gegen ihn erkannten DiebstahlSstrafe zu einer Gesamtstrafe von 7 Monaten zusammengezogen worden. Vors.: Sie haben in der Voruntersuchung zugegeben, eine schwere Bluttat auf sich geladen zu haben. Bleiben Sie jetzt auch noch dabei? Angekl.: Ja. Vors.: Ich will Ihnen den Rat geben, daß Sie das, was Sie getan haben, zugeben und ihr Gewissen erleichtern. Ich will zunächst Ihren Lebenslauf mit Ihnen durchsehen. Der Vorsitzende stellt durch Befragen fest, daß der Angeklagte bis zum 13. Lebensjahre die Stadtschule zu Staßfurt bis zur zweiten Klasse besucht hat. Dann ist er nach Hohenerxleben in die so leicht nicht. Bors.: Ist es richtig, daß Sie zu dem als Zeugen bürg a. Harz gekommen, wo er noch ein Jahr als Lehrling und dann als Gehilfe blieb. Später arbeitete er in Magdeburg und Westfalen in verschiedenen Stellen als Gärtner. Nachdem er noch einige Monate in Harburg gearbeitet hatte, ging er auf Wander» schaft. DammS im Alter von 18 Jahren beging er mit einem Arbeiter Schnöckel mehrere kleinere Diebstähle. In Bremen ver- übte er einen Einbruchsdiebstahl in dem Warenhause von Neu- müller u. Ciu. in Harburg bestahl er mittels Einbruchs seinen früheren Arbeitgeber, in dessen Villa er Bescheid wußte. Im Juni 1203 ging der Angeklagte zu seinen Eltern nach Staßfurt zurück und blieb dort bis zum Winter 1202/10. Im Frühjahr 1310 kam er nach Berlin und wohnte bei seiner verheirateten Schwester, der Frau Strehlau in Schöneberg . Sedanstr. LS. Er arbeitete in verschiedenen Stellungen, zuletzt in dem Konfektions. geschäft von Max Arnsdorfs in Rixdorf, wo er am 27. Oktober entlassen wurde. Am Tage vorher soll er dort Schlüssel gestohlen haben. Bors.: Zu welchem Zwecke? Angelt.: Ich hatte mich nbtz ihn geärgert und wenn man mir etwas sagt, das vergesse ich io leicht jijjch. Kerlff es richtig, fcßfe Sie zu dem als Zeugen geladenen Monteur Knab geäußert haben, Sie hätten die Ahsicht, eines Nachmittags zwischen 4 und 6 Uhr, wenn die Frau Arnsdorfs allein zu Hause sei, in die Wohnung einzudringen? Haben Sie nicht auch gesagt, daß Sie dort Geld holen und auch eine Waffe mitnehmen wollten? Angekl.: ES ist möglich, daß ich so etwas ähnliches gesagt habe. Bors.: Haben Sie nicht auch gesagt, daß «ie willens sind, bis zum äußersten zu gehen? Angekl.: Nein, da» ist nicht wahr, das habe ich nicht gesagt. Bors.: Der Zeuge Knab wird es uns nachher sagen. Sie sollen dann am 4. November in dem Keller des VereinsVollswohr aus einem Koffer, den Sie aufschnitten, LegitimationSpapiere auf den Namen.Thiele" lautend, gestohlen haben. Ist dies richtig? Angekl.: Jawohl. Bors.: Wir wollen nun zu einem Punkt kommen, bei welchem die Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen ist. Die Oeffentlichkeit wird hierauf aus kurze Zeit ausge- schlössen. Dann wird in der Vernehmung öffentlich fortgefahren. Bors.: Sind Sie krank gewesen? Angekl.: Ich habe als Schulkind viel Rückenschmerzen. Darmkatarrh und Leibschmerzen gehabt. Bors.: In: übrigen sind Sie nicht krank gewesen? Angekl.: Nein. Erster Staatsanwalt Hageman«: Sie sind doch auch als Jäger- barsche tätig gewesen? Angekl.: Ja, aber geschossen habe ich nicht, ich war mehr als Treiber tätig. Vors.: Haben Sie nicht auch mal einen Revolver besessen? Angekl.: Ja, aber nur zwei Tage, ich habe mit dem Revolver nach Sperlingen geschossen. Vors.: Haben Sie nicht auch bei dem Stankwirt Grabert geschossen? Angekl.: Ja, freihändig nach der Scheibe. Bors.: Haben Sie häufig das Zentrum getroffen? Angekl.: Nein, nur zweimal. Rechtsanw. Dr. Jafse: Der Angeklagte hat gesagt, daß er sehr leicht in Wut und dann in Streit gerate. Weiß er spezielle Fälle? Angekl.: Herr Dr. Geist in Staßfurt weiß von einem solchen Fall. Bors.: Dann werden wir dies später erörtern. Jetzt kommen wir zur Sache selbst. Ihre Schwester Ida war Dienstmädchen bei den Tetzkeschen Eheleuten. Sie haben sie oft besucht, auch Sonntags nachmittags? Angekl.: Ja. Bors.: Nun haben Sie von Ihrer Schwester Ida gehört, daß die Tetzkeschen Eheleute des Sonntags nach Lichtenrade zu der Mutter der Frau Tetzke zu fahren pflegten und gewöhnlich gegen%11 Uhr zurückkehrten. Angekl.: Jawohl, das wurde mir erzählt. Bors.: Nun war bei Tetzke ein kleines Kind angekommen und da pflegten die Tetzkes stets früher heimzu- kommen. Angekl.: Davon weiß ich nichts. Vors.: Sie baben bei Ihren Besuchen auch volle Kenntnis von den Räumlichkeiten erlangt? Angekl.: Jawohl, ich bin manchmal durch die Zimmer gegangen. Bors.: Also auch durch das Zimmer, in welchem der Geldschrank stand. Was hat Ihnen Ihre Schwester Ida von dem Ehemann Tetzke gesagt? Hat sie Ihnen nicht gesagt, daß er ein sparsamer Mann ist? Angekl.: Das hat sie auch gesagt- Sie hat mir auch erzählt, daß im Schreibtisch immer viel Wirtschaftsgeld liege. Bors.: Haben Sie auch einmal im Schlafzimmer eine goldene Uhr liegen sehen? Angekl.: Ja. Bors.: Wann sind Sie auf den Gedanken gekommen, bei Tetzke einen Diebstahl zu begehen. Angekl.: Ich bin darauf gekommen, weil der Monteur Knab eines Tages fragte, ob ich nicht wüßte, wo etwasau machen" sei. Da bin ich auf den Geoanken gekommen, die Schlüssel zu stehlen. Vors.: DaL muß also vor dem 26. Oktober gewesen fem. Angekl.: Ja, ich habe dann darüber nachgedacht und habe ihm dann die beiden Pläne von Arnsdorfs und von Tetzke erzählt. Er wollte auch mitmachen. Wir wollten die Tat bei Tetzke erst am 23. Okto» ber begehen, es wurde aber nichts daraus. Bors.: Warum nicht? Angekl.: Knab hatte gerade keine Zeit und ich wurde auch miß- trauisch gegen ihn. Bors.: Weshalb wurden Sie mißtrauisch? Angekl.: Er hatte mich gefragt, ob ich ihm nicht ein paar seidene Kleider von Arnsdorfs beschaffen könnte. Da sagte ich mir: er wollte mich überreden, bei Arnsdorfs zu stehlen, um mich dann bielleicht bei Arnsdorfs anzuschwärzen und mich aus der Stelle herauszudrängen. Bors.: Ich will gleich hierbei darauf hinweisen, daß Sie sich nicht in Not, sondern in fester Stellung befanden. Angekl.: Trotzdem hatte ich kein Geld, denn wie ich nach Berlin gekommen war, hatte ich Schulden machen müssen und mußte diese zurückzahlen. Bors.: Da hätte Ihnen doch Ihre verheiratete Schwester gern ausgeholfen? Angekl.: DaS hätte ich aber nicht angenommen. Bors.: Also von Ihrer Schwester wollen Sie kein Geld nehmen, lieber geben Sie stehlen? Der Vorsitzende stellt sodann fest, daß der Angeklagte, dessen Schwester von Tetzke entlassen worden war. schon am 80. Oktober abends an der Tetzkeschen Wohnungstür geklingelt hatte. Tetzke war aber zuhause und öffnete dem Angeklagten. Dieser behauptet, er habe mit Tetzke im Erkerzimmer gesessen und habe mit ihm darüber gesprochen, weshalb die Schwester entlassen werden sollte. Bors.: Ihre Schwester war aber doch schon am 21. Oktober«nt- lassen worden und außerdem mußte doch auffallen, daß Tetzke an diesem Sonntage nicht in Lichtenrade , sondern zu Hause war. Hatten Sie nicht schon an diesem Tage die Absicht, dort einen Ein- bruch zu verüben? Angekl.: Nein. Vors.: Haben Sie nun an Stelle des Knab. dem Sie nicht mehr trauten, einen anderen Genossen zu werben gesucht. Angekl.: Ja. den Gärtner ReinS. den ich im Arbeitsnachweis kennen gelernt hatte. Da habe ich ihm den Plan deS Diebstahls bei Tetzke erzählt. Vors.: Sie sollen mit Reins auch gleich von einem Revolver gesprochen haben? Angekl.: Ich habe nur gesagt, es wäre gut, wenn wir einen Revolver hätten, damit, wenn wir überrascht würden, wir den Betreffenden in Angst setzen könnten. Bors.: Sie haben dem Reins auch gleich die auf den Namen.Thiele" lautenden Papiere gezeigt, die Sie gestohlen hatten. Sie haben ihm aber Ihren richtigen Namen nicht genannt. Weshalb denn nicht? Angekl.: Wenn wir überrascht würden, sollte keiner von uns wissen, wie der andere heißt! Bors.: Am 3. November hatten Sie Ihrer Schwester 20 M. ge- stöhlen. Angekl.: ES war kein Stehlen, das Geld lag immer da. auch wenn ich etwa? sparte, wurde das Geld dort hingelegt. Ich kriegte cS nicht fertig, meinem Schwager zu sagen, daß er mir Geld geben sollte und da habe ich die 20 M. genommen, in der festen Absicht, sie bald wieder hinzulegen. Der Angeklagte erklärt dann weiter: Mit den 20 M. sei er nach dem Bahnhof gefahren in der Absicht, nach Bremen zu fahren. wo er sich Arbeit suchen wollte. Als er aber gesehen, was das Billett kostete, habe er sich überlegt, daß er mit den 20 M. doch nicht reichen werde und sei in Berlin geblieben. Er habe sich dann in der Potsdamer Straße einen Revolver gekauft und habe dabei einen recht billigen verlangt, da erdoch nicht schießen, sondern nur drohen" wollte. Er habe schließlich einen alten Revolver mit 11 Patronen erstanden.Lediglich aus Neugierde, wie er schießt, sei er in die Heide gegangen und habe einen Schutz abgegeben." Dann habe er sich an verschiedenen Stellen herumgetrieben und versucht, noch einen anderen Mann zur Teilnahme an der Tat zu überreden. Erster Staatsanwalt Dr. Hagemann: Der An- geklagte ist in derselben Woche vor der Tat zweimal in dem Tetzke- schen Hause gewesen. Da? eine Mal hat er versucht, ein geschlossenes Treppenfenster aufzuwirbeln. Er ist dabei aber durch eine herab- kommende Frau gestört worden und hat sich dann angeblich im Auf- trage eines Rechtsanwalts nach einem Mieter erkundigt. Ein zweite» Mal hat er bei Tetzke geklingelt, und als Frau Tetzke aufmachte, hat er gefragt, warum den» seine Schwester entlassen worden sei. Vors.: Wir kommen nun zu der Tat selbst. Am Sonntag, den 6. November, zwischen 7 und 8 Uhr, betraten Sie das Haus und gingen die schon erleuchteie Treppe hinauf. Sie brachen von einem dreiteiligen Treppenfcnsler, das zu einer Galerie führt, den einen engen Teil aus und zwängten sich durch diesen schmalen Seitenflügel hindurch auf die Galerie. Angekl.: Ja- wohl. Ich hörte nämlich die Haustür gehen, und da die Frau, die ins Haus trat, mich nicht sehen sollte, kroch ich rasch hindurch, zog das Fenster zu und hielt mich an einer Dachrinne fest, bis die Frau vorbei war. Dann sprang ich erst auf die niedriger gelegene Galerie und kletterte von da an der Dachrinne zu der höher gelegenen Galerie empor, von wo ich in die Tetzkesche Woh» nung kam. Bors.: Sie hatten einen Kerzenstummel mitge- nommcn, ferner allerlei Brechwerkzeuge und ein Brecheisen. Was haben Sie in der Wohnung gemacht? Angekl.: Ich öffnete gewaltsam alle Behältnisse, um nach Geld zu suchen. Ich saui> ßficr cur P{cttnigc( feie ich g» sjjch wHm.«HS eiyige Papiere, ßle IH KsMcht zur SegitlmaNsn gessrsuch-n durchwühlte die Betten, fand aber dort nichts. AuS dem schlaf» zimmer nahm ich die dort Hängends Uhr und Kette sonr.e ermge Kleinigkeiten an mich. Bors.: Wie lange waren Sie m der Wohnung? Sie haben nacheinander in den einzelnen Zimmern, die Sie durchsuchten. Gas angezündet. Dann wollten Sie gehen und löschten das GaS wieder auS. Dann aber wollten toie doch noch einmal sehen, ob wirklich kein Geld da wäre, steckten den Lichtstumpf an und gingen wieder n dag Erkerzimmer. Waqreiid Sie auf dem Fußboden knieten und vor dem Zylinderbureau ,n den herausgerissenen Papieren suchten was geschah da? Angekl.: Ich hörte zu meinem Schrecken, draußen die Tur offnen. Jemand fragte:Wo sind denn die Schlüssel?" Ich bekam einen furchtbaren Schreck, ich überlegte blitzschnell, ob ich nicht nach dem Schlafzimmer durchlaufen, den dortigen Balkon erreichen und m die Nebenwohnung klettern könnte. Da sah ich in der Duntetheit eine Gestalt in unbestimmten Umrissen eintreten. Bors.:«o sehr dunkel war es doch nickt gewesen. Die Frau. d:e erntrat, hatte ein kleine? Kind mit einem weißen Mäntelchen auf dem Arm; letzteres leuchtet doch. Angekl.: Ich denke, daß der Mann das Kind getragen hat und nicht die Frau. Bors.: Und da haben Sie dann auf die Frau geschossen, so daß sie sofort zu Boden sank. Angekl.: Ich sah die Gestalt und schoß l-S, bloss um zu drohen. Ich wußte gar nicht, was ich tat. Vors.? Es wird auch behauptet, daß die Zimmer von der Straße aus ganz hell erleuchtet sind. Anzekl.: Darum bitte ich ja um eiu»a Lokaltermin. Ich habe wrr bei der ganzen Sache nichts überlegt. Aus weitere Fragen erzählt der- Angeklagte: Als dl« Frau am Boden lag. kam der Ehemann und rief:Was ist denn los? Da habe er auch auf diesen geschossen, ohne zu wissen, was er tat. Er sei so aufgeregt gewesen, daß ihm das Blut in den Kopf ge- stiegen sei und er Tränen in den Augen hatte. Er habe dann die Entreetür zu erreichen versucht, da habe Tetzke dort gestanden. der um Hilfe rief und die Sicherheitskette vorgelegt hatte. Er babe da hinausgewollt, den Tetzke beiseite geschoben und dabc, noch einen Schuss abgegeben. Bors.: Der zweite Schuß ging aber in» Genick. Sie müssen also von hinten geschossen haben. Wie sich auS der weiteren Vernehmung des Angeklagten er» gibt, ist dieser nach der Tat auf einen gerade vorüberfahrendcn Straßenbahnwagen gestiegen. Er stieg alsbald wieder ab und ging auf Umwegen in feine Wohnung in der Sedanstraße. Dort langte er um �11 Uhr an. Er ging dann in ein Schanklokak, um ein Glas Bier zu trinken. Bei seiner Rückkehr ging er in das Hofklosett und versteckte dort den Revolver. Die Werkzeuge und die erbeuteten Sachen verbarg er auf dem Abort des Seitenflügels. Dann er- zählt er seinem Schwager, daß er ihm 20 Mark genommen habe und versprach, das Geld ihm wiederzugeben, sobald er Arbeit habe. Am nächsten Mittag ist er infolge der Anzeige des Zeugen ReinS be, der Polizei festgenommen worden. Er wollte erst leugnen, hat dann ein Geständnis abgelegt, aber die Ueberleaung bestritten. Erster Staatsanwalt Dr. Hagemann hält dem Angeklagten vor, es sei doch sehr auffallend, daß er sich scharfe Patronen gekauft habe, wo er doch angeblich nurdrohen" wollte. Der Angeklagte erklärt, daß er neugierig gewesen sei, wie der Revolver schieße. Der Vorsitzende meint, daß der Angeklagte, nachdem er seine Neu» gierde befriedigt hatte, doch den Revolver auf dem Tempelhofer Felde dann nicht nochmals mit scharfen Patronen laden brauchte. Dies sei doch ebenfalls sehr auffällig. Der Angeklagte gibt eine ausweichende Antwort... Die Vernehmung des Angeklagten ist hiermit beendet. Vor Vernehmung der Zeugen bittet der Angeklagte, bei den Aussagen seiner Verwandten aus dem Saal geführt zu werden. Der Vor» sitzende gibt ihm anHeim, sich so zu stellen, daß er seine Verwandten nicht anzusehen brauche. Einige von Rechtsanwalt Dr. Jafse geladene Leumundszeugen schildern den Angeklagten als einen im ganzen ruhigen und guk- mutigen Menschen, der insbesondere auch gut zu Tieren gewesen sei. Er habe z. D. nicht zusehen können, wenn ein Schwein ge» schlachtet wurde. Die Eltern des Angeklagten bekunden auch, daß der Angeklagte in seiner Kinderzeit mehrfach Krankheiten durch- ?umachen gehabt habe. Der Vater. Bergmann Tippe auS Staß- urt, bezeugt, daß sein Sohn gegen Eltern und Geschwister Zimmer nur gut gewesen sei. Er habe früher an epileptischen Ärämpfc» gelitten und gestottert. Von den von seinem Sohn verübten Dieb- stählen und seiner Verurteilung habe er, Zeuge, keine Kenntnis gehabt. Mehrere Leumundszeugen wollen sogar an dem Ange» klagten einweiches Herz" entdeckt haben, er sei allerdings ein bißchen aufgeregt, aber doch immer anständig gewesen, so daß man nach Bekanntwerden der Tat allgemein gesagt habe:Der Mensch muß nicht recht richtig sein!" Nach dem Zeugnis der Mutter sollen in der Familie Geisteskrankheiten vorgekommen sein. Der Kaufmann Arnsdorfs aus Rixdorf, bei welchem her Ange« klagte seinerzeit beschäftigt gewesen war und dem er, wie schon er- wähnt, mehrere Schlüssel gestohlen hatte, bekundete, Tippe habe sich zuerst ganz anständig benommen und sich auch gut geführt, später sei er dagegen wiederholt zu ihm frech geworden. Er habe Tippe schließlich wegen des Schlüsseldiebstahls entlassen, da er be» fürchtete, daß T. bei ihm einen Einbruchsdiebstahl begehen wollte. Die Schwester des Angeklagten, Ida Tippe, war vom Juni bis 23. Oktober bei den Eheleuten Tetzke als Dienstmädchen in Stellung. Ihr Bruder hat sie oft besucht und von ihr erfahren, daß die TetzkeS des Sonntags nach Lichtenrade fuhren und etwa um 9 Uhr zurückkehrten. Ihr Bruder hat es gesprächsweise ge« hört, daß Tetzke im Schreibtisch Geld und Papiere aufbewahrte, Unter den weiteren Zeuge» befindet sich auch die Freundin der ermordeten Frau Tetzke, die Modistin Untucht, welche den Vorgang an dem Sonntag vor dem Morde schildert, an welchem Tippe sich angeblich nur nach dem Grunde der Entlassung seiner Schwester bei Tetzke erkundigen wollte. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er nicht schon an diesem Tage hingegangen sei, um zu stehlen, erklärt der Angeklagte, daß er nur wissen wollte, weshalb seine Schwester entlassen sei, da er seinem Vater Bescheid schreiben wollte. Dr nächste Zeuge. Monteur Knab, war im Nebcnhause be- schäftigt, und ist seinerzeit mit Tippe bekannt geworden. Eine? Tages habe er ihm, wie der Zeuge bekundet, folgende Geschichte erzählt: Er sei, als er Porträtreiscnder war. einmal in der Elek- irischen mit einem eleganten Herrn, der eine BrillantschlipSnadcl und große Brillantringe getragen habe, bekannt geworden. Als der Herr dann am Alexanderplatz ausstieg, sei er. Tippe, diesem un» auffällig gefolgt, bis er in ein Haus hineingegangen sei. Er habe sich dann bei der Portierfrau als Kriminalbeamter ausgegeben unv gefragt, wie der Herr heiße, der eben in das HauS hineingegangen sei. Auf diese Weise habe er erfahren, daß der Mann Mendelsohn heiße. Er habe dann die Absicht gehabt, diesen zu überfallen, sei aber dabei gestört worden und habe die Flucht ergriffen. Er sei über mehrere Dächer gelaufen und schließlich in eine Waschküche hineingeklettert, die aber verschlossen gewesen sei. Er habe dann die Tür aufgebrochen, dabei aber immer daS Brecheisen in der Hand ghabt. Wenn eine Frau nach oben gekommen wäre so habe N-chpe gesagt, hätte er sie einfach zusammengeschlagen. Der Zeuge hat dann, da er neugierig geworden war. gerne wissen wollen, worauf Tippe hinauswolle und hat deshalb weiter gefragt. Tippe erzählte ihm dann, daß er in der Potsdamer Straße bei einem Damenschneider eine gute Sache habe, es sei nur schade, daß er seinen, Revolver nicht mehr habe, der ihm in Hamburg abge» nommen worden sei. Auf seine Frage, was er getan hätte, wenn er überrascht worden wäre, habe Tippe geantwortet, wer ihm in den Weg komme, de» steche er nieder und springe an ihm vorbei. Auf die Frage des Borsitzenden, waS er hierzu zu sagen habe, ant» wartet Tippe: Das ist ja Blödsinn. Bors.: Solche Ausdrücke ge» brauchen Sie hier lieber nicht. Auf eine weitere Frage des Rechts- anwoltö Dr. Jaffa erklärt der Zeuge, daß er nicht bestraft fei, und daß er die ganze Geschichte bald darauf dem Gastwirt Lirabert er, M!t. der fegfeei gesagt Me; Der NUß feerMt teill.