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poUtifcbc üeberRcbt Berlin , den 30. Januar 1911. Petitionen. NuS dem Reichstag , 30. Januar. Bei dem Zu- sammendrängen der Neichstagsgeschäfte auf immer kürzere Perioden, wie sie durch die Regierung in den letzten Jahren betrieben wurde, sind besonders die Petittonen zu kurz ge- kommen. Die Sache war so schlimm geworden, daß die Petitionskommission mit dem Streit drohte, wenn nicht endlich einmal mit der Erörterung der Petitionsberichte im Plenum ein Ansang gemacht würde. Heute waren die fertig gestellten zwei Dutzend Berichte denn auch endlich auf die Tagesordnung gesetzt worden. Weit kam man aber nicht. Schon bei der dritten Pesitton blieb die Debatte stecken. Den Löwenanteil der Debatte der- schlang die Petition eines früheren Jntendanturrats Uhlenbrock betreffend die Dienstverhältnisse der Militärintendanten. Sie war aus einer früheren Debatte zurückgesetzt worden, weil damals keine Regierungsvertreter erschienen waren. Um so mehr waren heute zur Stelle. Zur allgemeinen Ueberraschung benutzte der Kriegsminister v. Heeringen diese Gelegenheit zu einer anderthalbstündigen Rede über die Ge- schäststätigkeit der Jntendanturbeamten. Die ministerielle Redesülle erklärt sich wohl daraus, dast der Herr General früher einmal als Abteilungsdirektor dieses Ressort unter sich gehabt hat und nun zeigen wollte, was er konnte. Er hielt natürlich im Gegensatz zu dem Petenten das Intendantur- Wesen nicht für ernstlich verbessernngsbedürstig. In der Debatte wurde hauptsächlich darüber gekämpft, ob die Vor- schlüge des Petenten berücksichtigt werden sollten, wie Frei- sinnige und Sozialdemokraten forderten, oder nur der Regie- rung zur Envägung zu überweisen seien. Dabei ge- riet Genosse Kunert hart mit dem Herrn Erz- b e r g e r aneinander, weil die eifrige Unterstützung des Regierungsstandpunktes durch den Zentrumsredner von Kunert als die Rede eines freiwilligen Regierungskommissars be­zeichnet wurde. Nach vierstündiger Debatte Herr v. Heeringen nahm zum zweiten Male das Wort wurden die sachlichen Vorschläge der Regierung zur Erwägung überwiesen, über die Forderung des Herrn Uhlenbrock, wieder angestellt zn�werden, ging die Mehrheit zur Tagesordnung über. Eine Petition der Mainfischer und anderer Fluß- tnteresscnten gegen die Verunreinigung des Mains wurde sehr rasch durch Annahme des Antrages auf Ueber- Weisung als Material erledigt. Eine lange Debatte spann sich dann aber auS über eine Petition der Jmpfgegner gegen das Impf - g e s e tz. In dieser Frage, die ja keine politische Parteifrage ist, gehen die Meinungen in allen Fraktionen auseinander. Von einigen Seiten wird die Beseitigung des Impf- zwanges gefordert, von anderen eine gründliche Nachprüfung der Jmpffrage beantragt. Nachdem zwei Redner dazu gesprochen, wurde um 7 Uhr die Debatte wegen der Fülle der Meldungen vertagt. Am Dienstag steht die dritte Lesung der Wert- Zuwachs st euer aus der Tagesordnung. Das koalitionsfreundliche Zentrum. Im preußischen Abgeordnetenhaus» sist ei am Montag gelungen, dein Zentrum daS wertvolle Zugeständnis zu entlocken, daß diese an- geblich für Wahrheit und Recht kämpfende Partei die Koalition»- freiheit schonungslos mit Füßen tritt. Auf der Tagesordnung stand die Beratung des Forstetats, die unserem Genossen Ströbel Veranlassung gab. in einer großzügigen Rede eine Reihe wichtiger Fragen anzuschneiden, darunter auch die Frage des Koalitionsrecht? der Forstarbeiter, deren Lohn- und NrbeitZverhältnifie so viel wie alles zu wünschen übrig lasten. Der neue LandwirtschastSminister Frhr. d. Echorlemer de- nutzte die Gelegenheit, vor dem Lande darzuwn, daß er ein würdiges Mitglied de? reaktionären, arbeiter- und vollsseindlichen Ministeriums Vethmann ist. Rund heraus bestritt eS da« Bedürfnis für eine Organisation der Waldarbeiter und fügte als echter Scharf» macher hinzu, daß Arbeiter, die fich an sozialdemokratischer Agitation beteiligen, in forstfiskalischen Betrieben nicht» zu suchen haben. Ja, er niuulerte die Oberförster sogar auf, organisierte Arbeiter, die den Frieden zwischen Arbeitern und Unternehmern stören, kurzerhand zu entlasten. Daß diese Worte dm Konservativen und Nationalliberalen aus dem Herzen gesprochm waren, versteht fich von selbst. Daß auch daS Zentrum im Grunde seines Herzens durch und durch arbeiter« feindlich ist und mn, um Stimmenfang zu treiben, eine ihm durch- aus fremde Arbeiterfreundlichkeit zur Schau trägt, ist gleich­falls kein Geheimnis. Aber während das Zentrum sich bisher gehütet hat, Redner vorzuschicken, die sein PartetgeheimniS preis« gaben, war eS diesmal so unvorsickNig, den Abg. Busch loszulassen, seines Zeichen« Postverwalter und Vorstandsmitglied des rheinischen Bauernvereins, und dieser Herr plauderte auS der Schule in einer Weise, für die wir ihm unseren aufrichtigen Dank aus« sprechen müssen. Nachdem er vom Minister zunächst da« Zu- geständnis erlangt hatte, daß die Forstarbeiter sich in christlichen Gewerkschaften organisieren dürfen, daß dagegen der Zusammen- schluß in freim Verbänden ihnen verboten sei, dankte er der Re- gierung für ihr Entgegenkommm gegen die christlichm Gewerk- schasten und bezeichnete eS als ganz selbstverständlich, daß frei- organisierte Arbeiter in Staatsbetrieben nicht geduldet werden. Genosse Ströbel gab ihm die gebührende Antwort. Leider konnte unser Redner die Abrechnung mit dem Zentrum nicht vollenden, denn unmittelbar nach einer Erwiderung des Abg. Busch, durch die er fich noch mehr in die Nesteln setzte, kam der obligat? Schlußanttag, für den das Zentrum stimmte, um seinem Vertreter eine neue Niederlage zu ersparen. Jedenfalls ist da«, was Herr Busch gesagt hat, völlig genug, um aller Welt zu beweisen, wie arbeiterfeindlich das Zentrum ist. AuS der übrigen Rede Ströbels fei hervorgehoben sein warme« Eintreten für die Erhaltung der Wälder um Berlin , sein« Befür- wortung der Verpachtung der Jagden in den StaaiSforsten und seine Forderung auf Besserstellung der Forstarbeiter. In bezug auf die Waldverkäufe um Berlin erklärte der Minister, daß die Regierung zwar ihren Besitz nicht zu besonders billigen Preisen ob- geben könne, daß sie aber andererseits daraus Rücksicht nehmen müsse, daß die Wertsteigerung durch die Zunahme der städtischen Bevölkerung herbeigeführt sei und daß er deshalb den Städten ent­gegenkommen und nicht die äußersten Preise fordern werde. Dunkel ist der Rede Sinn. Warten wir ab. was die Regierung fordert! Wir fürchten, daß auf ein Entgegenkommen von ihrer Seite nicht zu rechnen ist. Dienstag: Etat der Domäncnvettvaltung und kleinere Vor- lagen._ Erledigt. Herr o. Jägow, der Polizeigewaltige Berlins , wird selbst fcfin einem Teil seiner einstige� Freunde als ein politisch toter Maiui belrachtet. DasKieme Journal", Las mancherlei Be- Ziehungen zu Berliner Hoflreisen hat, schreibt ihm bereits eine Art Nekrolog. Vor einem Jahre, so meint daS Blatt, habe zwar die in so frischer Form zum Ausdruck gebrachte Energie(Jagows: Ich warne Neugierige!") bei vielen» Freunden des Bürger- friedens Verständnis und Anerkennung gesunden; aber nach denr Fiasko von Treptow hätten die Berliner begonnen, an ihrem neuen Polizeipräsidenten irre zu werden. Nach dieser verheißungsvollen Einleitung heißt es weiter: Heute blicken wir auf eine einjährige Tätigkeit deS Herrn v. Iagow am Alexanderplatz zurück und müssen erlennen, daß wir uns in seiner Persönlichkeit getäuscht haben. Als Mann von wenigen Worten führte er sich ein, nur um in der Folge durch eine ununterbrochene Reihe von Warnungen, Reden und Zuschriften an die Presse diesen guten Ruf wieder völlig zu untergraben. Man hatte von dem Berkünder dcZ Bürgerrechts auf die Straße zwar Tatkraft erwartet, wie sie ein tüchtiger Polizeipräsident unbedingt besitzen mutz, aber gleich- zeitig eine gerechte Objektivität in der Beurteilung aller Fragen, die die Stellung der Polizei zum Publikum berühren. Diese Hoffnung ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Bei den Bor- gängen im Tiergarten wie jüngst während der Moabiter Kra- walle hat Herr v. Jagow kein Verständnis für den Standpunkt und die Wünsche der Bürgerschaft gezeigt. Das schlimmste aber ist, daß er zu jenen gehört, die begangene Fehler nicht eingestehen können, und auch jetzt noch, nachdem drei Gerichtshöfe das Urteil über Moabit und Wedding gesprochen, in seiner Voreingenommenheit gegen daS Publikum und für seine Untergebenen verharrt." lieber den guten Geschmack der KaisergeburtswgSrede des Herrn v. Jagow, die eine Verherrlichung der Polizei als kaiserliche Leibgarde bedeute, lasse sich streiten. Aber i?m Kaiser sei jedenfalls damit kein Dienst erwiesen: Die Redewendung erscheint auch deshalb besonders unglücklich, weil durch sie der Anschein erweckt wird, als wenn die Ereignisse von Moabit sich indirekt gegen die Person des Monarchen gerichtet hätten, was selbst diejenigen, die in ihnen eine keimende Revolution witterten, sich niemals zu behaupten erkühnten. Ebenso bedenklich ist das Lob, das Herr v. Jagow der Berliner Schutzmannschaft in ihrer Gesamtheit in seiner Rede ausstellt. Er folgt dabei zwar nur dem Beispiele deS Reichskanzlers, aber das peinliche Aussehen, das die Worte Herrn v. Bethmann Hollweg » in der Oeffentlichkeit hervor- riefen, hätte ihn darüber belehren sollen, daß er eine ebenso aufreizende wie unhaltbare These aufstellt, wenn er behauptet, daß die Schutzmannschaft ohne Ausnahmetadellose Manneszucht" hielt; fich also auch nicht in Einzelfällen Ueber- griffe zuschulden kommen ließ. Wenigsten? einer der Richter, die über Moabit zu Gericht saßen, und zwar derjenige, der als derschneidigste" im preußischen Sinne galt Landgerichts- direktor Lieber hat gar in seiner Urteilsbegründung so zahl- reiche von der Polizei verübte Mißhandlungen konstatiert, daß man nicht mehr von vereinzelten Fällen sprechen könne. Trotz- dem braucht eS nicht unsympathisch zu berühren, wenn Herr v. Jagow sich mit seiner vollen Autorität für sein« Untergebenen einsetzte, wenn er nur gleichzeitig al« Vorgesetzter auch sein Mißfallen über die vorgekommenen Miß- griffe ausgedrückt und eine ernste Mahnung an alle die unentdeckt gebliebenen Beamten gerichtet hätte, deren Vergehen einwandfrei vor Gericht festgestellt worden sind. Er hat ti nicht getan, sondern die Feststellungen der Gerichte in diesem Punkte als entsprungen ausPhantasie, Suggestion. System" von demEhrenschild der Schutzmannschaft" fortzuwischen ver- sucht. Ein Beginnen, das schon deshalb verkehrt ist, weil es kaum gelingen dürste." Ein objektives Urteil über die Befähigung des'Herrn v. Jagow als Berliner Polizeipräsident könne nur die Form erhalten: ES muß gesagt werden, daß er sich seiner Aufgabe nicht gewachsen gezeigt hat... Die Tat- fache bleibt bestehen, daß er diese Schwierigkeiten, die vielleicht auch seine Borgänger nicht einwandfrei überwunden hätten, fortgesetzt durch provozierendes persön- licheS Eingreifen verschärft und erhöht hat. Selbst in weniger sensationellen Angelegenheiten, als die Unter- drückung von Straßenumzügen und Unruhen, hat der Polizei- Präsident keine glückliche Hand gehabt. Wo immer er in daS öffentliche Leben der Reichshauptstadt mit Polizeiverord- nungen eingriff, entstand Verärgerung und Ver- w i r r n n g. Mochte es fich um das Verbot volkstümlicher Theaterveranstaltungen oder auch nur von Boxkämpfen han- dein, stets erschien sein Eingreifen, auch dann, wenn daS Recht auf sein-r Seite war, brüsk und von reaktionären: Geist diktiert. Es würde zu weit führen, alle die Fälle zu rekapitulieren, in denen sich Herr v. Jagow während seines ersten AmtsjahreS im Widerspruch mit der öffentlichen Meinung in Berlin befunden hat... Aber die Frage drftugi sich auf, ob es der ruhigen und gesunden EntWickelung der Stadt Berlin und ihrer Bevölkerung dienlich ist, wenn dauernd zwischen ihr und dem mit so großen Machtbefugnissen ausgestatteten Polizei- Präsidenten ein gespanntes und verbittertes Verhältnis herrscht." Schon vor längerer Zeit wurde bchauptet, Jagow habe sichunmöglich" gemacht und werde binnen kurzem sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden. Diese Meldung wurde entrüstet dementiert, und Herr v. Jagow dekoriert. Auch jetzt, nach seiner neuesten seltsamen Leistung, seiltet kuriosen Kaiscrfcierrede, wird man ihn nicht sofort gehen heißen; denn das könnte als ein Zugeständnis an die öffent. liche Meinung betrachtet werden, und solche Zugeständnisse verstoßen gegen die Tradition deS Preußischen Kulturstaates. Dennoch ist sicher, daß Herr v. Jagoiv auch in den l>errick)enden Kreisen mehr und mehr als ein Mann betrachtet wird, der den Ansprüchen seiner Stellung nicht genügt: und die neu- liche komische Kaiservcrherrlichung des Herrn Polizei- Präsidenten, in der er die in den Augen deS In- wie dcZ Aus. landes stark diskreditierte Berliner Schutzmannschaft gewisser- maßen als Spezial-Leibgardo des Kaisers aufmarschieren ließ, hat diese schwache Position des Herrn v. Jagow durchaus nicht gestärkt._ Die preußische Regierung und der Vatikan . Die preußische Regierung hat fich zu einer gewaltigen Kraft- leistung aufgeschwungen. Sie hat den preußischen Gesandten beim Vatikan . Herrn v. Miihlberg, beauftragt, gegen den vom Papst an den Erzbischof Fischer von Köln gerichteten Brief in irgend einer Fonn Verwahrung einzulegen; und Herr v. Mühlberg hat sich dieser heiklen Aufgabe dadurch erledigt, daß er am KaiserSgeburtStag in seiner Festrede auf den Brief des Papstes Bezug genommen und an dieses Schreiben einige den Vatikan zur Friedfertigkeit mahnende Worte geknüpft hat. Nach der offiziellen Meldung des.Wölfischen Telegr. BureflUS" spielte sich der Borgang folgendermaßen ab: Bei einer gesiern zur Feier de? Geburtstage? de? Deutschen Kaiser« veranstalteten Tafel wies der preußische Gesandt« beim päpstlichen Stuhl. Dr. V. Mühlberg, in seiner Rede auf die Krisis im vergangenen Jahre hin und betonte, daß der konfessionelle Friede in Deutschland sowie die Beziehungen seiner Regierung zum Vatikan bedroht schienen. Man befände sich in Rom in einem Irrtum, wenn man behaupte, daß die kalho- tische Religion in Dcuischland verfolgt werde. Di« Ansprache deS Kaisers im Kloster Beuron enthalte eine so klare Anerkennung des Wertes de« Glaubens für das deutsche Volk, daß darüber bei jedem Patrioten die trennenden Punkte in beiden Konfessionen verschwänden und nur die Momente hervorträten, die die beiden christlichen Konfessionen einen und zusammenschließen sollen zu einer gemeinsamen Arbeit für das Vaterland und zum Schutz der kulturellen Interessen." Allem Anschein nach nimmt Herr v. Bethmann Hollweg an. daß derartige halbversteckte Mahnungen auf die römische Kurie tiefen Eindruck machen. In Wirklichkeit beweist er nur damit, daß er sich über die Stärke des päpstlichen Stuhles und die Schwäche der preußischen Regierung in einer naiven Selbsttäuschung befindet. In Rom weiß man ganz genau, daß die preußische Regierung in ihrer verzwickten Lage notwendig die Hilfe des Zentrums braucht, und man nutzt dort diese Zwangslage zur Slärkung der eigenen Machtstellung rücksichtslos aus._ Verurteilter Soldatenschinder. Das Oberkriegsgericht der Ostseestatioki hat heute die Strafe gegen den Torpedo-Maschinisten-Maat W o r sch ke. welcher ain'9. Dezember wegenMißhandlung des Torpedoheizers Brand zu 7 Jahren und 1 Monat Zuchthaus verurteilt wurde, auf Jahre 1 Monat Zuchthaus erhöht. Worschke hatte den Brand dermaßen mißhandelt, daß er an den Mißhandlungen starb._ Zam Wahlrechtskampf im Zkreise Gießen-Ridda. Wie das.Bcrl. Tagebl." meldet, sind die Einigungsversuche zwischen Naiionalllberalen und Fortschrittlicher 0o»spartri für die ReichktagSersatzwahl in Gießen -Ridda gescheitert. Die Vertrauens- männer der gorlfchrittlichei, Vollsparte, beschlossen daher gestern. allein in den Wahlkamps einzutreten und ihren Kandidaten in einigen Tagen belaimizugeben. Die Nationalliberalen halten an der Kandidatur deS Professors GiseviuS-Eießen fest; die Bündler und Antisemiten protlamierten gestern Oberlehrer Werner-Butzbach als Kandidaten. _ Bayerische Landtagsersatzwahl in Weistenbnrg. Bei der LandtagSersatzwahl im bayrischen Wahlkreis Weißenburg siegte der vom Zentrum unterstützte konsevvatwe Kantor Walz-Heidcnheim mit Löüv Stimmen. Auf den libe- ralen Kandidaten entfielen 1933, auf den Genossen H a u g e n- st e i n- Nürnberg 1333 Stimmen. In diesem fast rein ländlichen Wahlkreis ist die sozialdemokratische Stimmenzayl seit den allge- meinen Wahlen um 109S Stimmen gestiegen. DaS Schicksal deS Schiffahrtsabgabengesetzes. Abg. Boss ermann erklärte in einer Versammlung der Pariikularschiffer in Ruhrort . daß der gegenwärtige Reichstag das ScknfsahrtSabgabengesetz nicht mehr erledigen werde. Von der Re- gierung müßten neue Unterlage» gefordert werden, die dann erst der öffentlichen Kritik zu unterbreiten sind und dann werde der neue Reichstag hoffentlich zu einer Ablehnung des ganzen Ge- setzes kommen._ Moderne ReligionSkämPfe. AuS Köln wird uns geschrieben: Der Evangelische Lberkirchenrat in Berlin hat gegen den Pfarrer Jatho in Köln das Ermittelungsverfahren wegen.Irrlehre" eröffnet. Als im Herbst 1909 der Entwurf deS sogenannte» Irr- lehregesetzcS erschien, da wurde sofort von einer Lex Jatho- Traub gesprochen. Seit Jahresfrist haben die Blätter der evangelische:: Orlhodoxie unablässig den Oberlirchenrat zu einem Vorgehen gegen den.Jrrgeist am Rhein ' getrieben. Nun scheinen ste ihren Willen zu bekommen. Jedoch so glatt, wie ste eS sich gedacht haben, wird die Sache nicht ablausen. DaS zeigten die großen Protest« kundgebungen am letzten Sonntag. Die Freunde JathoS, der seit zwei Jahrzehnten in Köln wirkt. beriefen eine Kundgebung in den Riesensaal deS städlischen Gürzenich» Gebäude? ein. Innerhalb einer halben Stunde waren sämtliche Zulaßkarten vergriffen. Eine sofort arrangierte Parallelveriamm« lung in, ReichShallen-Theater war eine Stunde vor Beginn bereits überfüllt. Im Gürzenich redete Pfarrer Traub au» Dortmund , in den ReichShalleu Professor Geffken von der Kölner Handels- hochschnle. In beide» Versammlungen wurde einstimmig eine von Geffcken verfaßte Resolution angenoinmen, worin die Versamm- sammlungen als Vertretung einerweitüberwiegenden Mehrheit der Kölner evangelischen Kirchengemeinde" gegen das Verfahr«, Einspruch erheben._ Mißbrauch der Dienstgewalt und Betrug. Da» OberkriegSgericht in Posen verurteilte als BerufungS- instanz den Unteroffizier Georg Dopke zu zehn Wochen Gefäng- niS. Dopke, der beim 37. Jnfanterie-Regiment in Krotoschin steht, hatte einen Gewehrstock gefunden und veranlaßte nun einen Sol- baten, sich bei ihm einen neuen zu lausen, wofür er ihm für zwei Mlark den gefundenen gab. Tarauf pumpte er noch seine Unter, gebenen um zusammen öl M. an, mit dem Versprechen, sie wieder« zugeben was er jedoch vergaß. Das Gericht gahiu Mißbrguch ber Dienstgewalt und Betrug an. Oeftemick-Gngarn. Die auswärtige Politik. Budapest , 39. Januar. In der ungarischen Delegation hielt der Minister des Aeußeren. Graf Aehrenthal erne Rede, in der er sagte: Die Rede des deutschen Reichskanzlers vom 11. Dezember 1919 hat berechtigtes Aufsehen hervorgerufen. Herr v. Vethmann Hollweg war nämlich in der Lage, die Be» Ziehungen Deutschlands zu England und Rußland in einer Weise zu erläutern, welche jeden Freund der Konsij- lidierung der Verhältnisse in Europa mit Genugtuung erfüllen muß. Er sprach von der Geneigtheit Deutschland«, sich mit Eng- l a n d durch eine offene und vertrauensvolle Aussprache über die gegenseitigen Interessen zu verständigen; dies sei das sicherste Mittel zur Beseitigung des Mißtrauens wegen des gegenseitigen Kräfteverhältnisses zu Wasser und zu Lande. Ueber die Beziehungen zu Rußland und insbesondere über die Potsdamer Entrevue war der deutsche Reichskanzler in der Lage zu konstatieren, daß der dort gepflogene MeinungS- austausch zu einer Annäherung beider Ret che geführt, ohne daß jedoch in der allgemeinen Orientierung ihrer Politik eine Aenderung eingetreten wäre. Diese Annäherung vollzog sich auf dem Gebiete allgemeiner Grundsätze, so unter anderem durch die neuerliche Bekräftigung des Grundsatzes der Erhaltung des Status quo im nahen Orient, ferner durch eme Ver, ständigung über die beiderseitigen Interessen in P e r s i e n. Unsere eignen Interessen in Persien sind keine bedeutenden. Ich t laude indes, daß die deutsch -russische Verständigung über persische ierkehrSfragen beitragen dürfte, das Prinzip der offenen Tür in diesem Lande, welches ja die beiden benachbarten Mächte, Rußland und England, vor drei Jahren feierlich verkündeten, dauernd zur Geltung zu dringen. Es ist in unserem Interesse gelegen, die Selbständigkeit und friedliche EntWickelung der Türkei zu fördern, sowie auch die Unabhängigkeit und friedliche Entvickelung der übrigen Balkan ,