it. 28. 28. ZahtMg. i. Irilngt des.Armck" Serlim Doilnerstag, 2. Februar l9ll. Keickstag. IIS. Sitzung. Mittwoch, den 1. Februar 1911, mittags 12 Uhr. Sm BundeSratStisch: Mermuth . Die dritte Beratung des Zuwachssteuergesetzes wird fortgesetzt. Eine Reihe von Paragraphen wird teils debatteloS, teils nach unwesentlicher Debatte nacb den Kompromißanträgen Graf Westarp und Genossen angenommen. Bei§ 35a, der als Recktsmittel gegen den Steuerbescheid die Beschwerde und das Verwaltungsstreitverfahren vorsieht, begründet Abg. Trimborn(3) einen Antrag, den ordentlichen Rechtsweg zuzulassen. Reichsschatzsekretär Wcrmirth bittet dringend, in dritter Lesung nicht noch die Rechtsmittel, die nach langen Beratungen beschlossen sind, abzuändern. Abg. Junck(natl.) bekämpft ebenfalls den Antrag Trimborn; der Rechtsweg sei teurer als das Berwaltungsstreitversahren. Abg. Dove(Vp.) bekämpft auch den Antrag Trimborn; er würde eine starke Belastung des Reichsgerichts zur Folge haben. Der Antrag Trimborn Wird abgelehnt. Bei§ 49, der dem Reich 50 Proz., de» Gemeinden 40 Proz. und den Bundesstaaten 10 Proz. des Ertrages der Steuer zusichert, beantragen die Abgg. A l b r e ch t u. Gen.(Soz.>, den G e- meinden 60 Proz., dem Reich nur 30 Proz. zu geben und außerdem soll das Reich aus seinem Anteil jährlich 6 Millionen Mark zur Fürsorge für die KriegSvctcranen verwenden. Abg. Göhre(Soz.): Wir haben unseren Antrag ans der zweiten Beratung wiederholt, weil es unbedingt notwendig ist. den Gemeinden einen größeren Anteil an dem Ertrage der Steuer zu gewähren, und weil es weiter nötig ist, die Unterstützung der Veteranen im Gesetz festzulegen. Die in der zweilen Leiung uns gemachten Einwände erscheinen uns in keiner Weise stichhaltig. Abg. Cuno(®p.) bekämpft den Atltrag Albrecht und bc- gründet einen Antrag, bei der Regelung der Verteilung des gemeindlichen Anteiles zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden durch die Landesgesctzgebung den Gemeinden über 2000 Einwohner 75 Prozent des Anteils zu belassen. Abg. Dr. Weber stiatl.): Der sozialdemokratische Antrag ist g a n z u n l o g i s ch, ea ja die Sozialdemokraten das ganze Gesetz ablehnen wollen. Abg. Göhr«(Soz.): Wenn Sie unsere Anträge annehmen, wird unsere Stellung zum Gesetz eine andere werden. Wir machen jetzt wieder einen Versuch, das Gesetz zu verbessern; nehmen Sie also unseren Antrag an und Warten Sie ab. Wie wir unS dann zum Gesetz stellen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Reichsschatzsekretär Wermuth: Nur durch die Annahme deS Gesetzes ist es möglich, den Umsatzstempel abzubauen. Abg. Dr. Potthoff(Vp.): An den Abbau deS Umsatzstempels glaube ich nicht. Bis zum 1. Juli 1914 werden Verhältniffe eintreten, die seinen Abbau nicht erlauben. Reichsschatzsekretär Mermuth : Ich kann nur auf das bestimmteste versichern, daß der Abbau des UmsatzstempclS so erfolgen soll, wie er nunmehr im Z 56a vorgesehen ist. Die Anträge Albrecht und Cuno werden abgelehnt, § 49 wird unverändert angenommen. Bei Z 49», der den Gemeinden das Recht gibt, Zuschläge zu er- heben, begründet Abg. Cuno(Bp.) einen Antrag, bei dem Satze:.Die Zuschläge dürfen für die verschiedenen Grundstülksarten verschieden festgesetzt werden" hinter.Grundstücksarten" einzuschalten:.und nach der Dauer des für die Steuererhebinig maßgebenden Zeitraums". Abg. Raab(Wirtsch. Bg.) erklärt sich mit diesem Antrag ein- verstanden. Der Antrag wird angenommen. Die Sozialdemokraten beantragen, dem Gesetz einen neuen § 53 zuzufügen:.Mit dem Jnkraslireten dieses Gesetzes tritt das Z ü n d h o lz w are nsteue r ge s e tz vom Id. Juli 1909 außer Kraft." «ag. vrey(Goz.) (mit ostentativer Unruhe vom schwarzblauen Block empfangen): Der Steuerfreiheit der LandeSsürsten haben Sie gestern zwei kleines feuilleton. Rossini bei Beethoven . Trotz seines stark ausgeprägten Selbst- belviißiseins hegte der geniale Schöpler des.Barbiers von Sevilla " eine tiefe, ja grenzenlose Verehrung für den größten Meister deutscher Tonkunst, für Beethoven . Aber Rossini wußie, daß Beethoven schwer zugänglich war. und um den Titanen wenigstens einmal gesehen und gesprochen zu habe», wandle er sich an einen Freund von Beethoven , der eS auch schließlich durchsetzte, daß der italienische Meister empfangen wurde. Die.Stampa" gibt eine fesselnde Schilderung dieser denkwürdigen Zusammenkunft. Als Rossini eintrat, War Beethoven mit der Korrektur einer Partitur beschäftigt und setzte eine Zeitlang ruhig diese Arbeit fort. Dann blickte er auf und sagte zu dem Gaste:.Sie sind der Komponist des Barbiers? Diese komische Oper ist von allererstem Range, ich habe sie mit viel Freude gelesen, und so lange italienische Werke ge- spielt werden, wird Ihre Oper immer gegeben werden. Aber glauben Sie mir eines: Verlassen Sie nie diese Art, in der Sie uuüber- trefflich sind. Versuchen Sie nie, ernste Opern zu komponieren, denn Sie werden darin nicht« Gutes zustande bringen." Hier mischte sich der Freund, der Rossini eingeführt hatte, ins Gespräch und be- merkte:.Aber der Herr Rossini hat bereits ernste Werke ge- schrieben, die ich Ihnen geschickt habe, teurer Meister. Zum Bei- spiel.Othello" und.Tancred"." ,O, die habe ich durchgeblättert: aber die Italiener haben nicht das, was dazu gehört, um das ernste Genre zu pflegen. Ihr Feld ist die komische Oper. Dazu braucht man ein lebhaftes Temperament und alle jene Eigenschaften, die ihnen im Blute liegen. Aber um ernste Werke zu schaffen, bedarf «S einer Gewissenhaftigkeit, die ihnen fehlt. Sehen Sie, Pergolesi k Seine Oper„Serva padrona * ist schlechthin unübertrefflich. Sein.Ltabat mater* wird hochgeschätzt. Und zweifellos ist es aus einem Gefühle tiefer Ergriffenheit hervorgegangen, aber es fehlt ihm die Abwechslung der Form, und das kommt von der Talsache, daß die Forni nicht vom Wissen erneuert worden ist." AIS die Unterredung zu Ende war, schien es, als ob Rossini weine. Aber er weinte nicht über das Urteil Beet- Hovens, der ihm die Fähigkeit absprach, eine ernste Oper zu kompo- nieren; er weinte darüber, daß daS Quartier, in dem Beethoven ihn empfangen hatte, so armselig und verfallen war. daß durch Ritzen und Spalten an der Zimmerdecke der Regen ins Zimmer hinab- träufelte. Er weinte darüber, den großen Mann der schlichtesten Bequemlichkeit entblößt zu sehen, und als er am Abend in eine aristokratische Gesellschaft geladen war, fragte er die Wiener : .Wie ist eS möglich, daß Sie Beethoven in einer so erbärmlichen Hütte schmachten lassen? Warum veranstaltet man nicht eine Samm- lung?" Die Antwort bestand in allerlei Ausflüchte», man ging auf die Frage nicht ein. Nun versuchte Rossini selbst eine Subskription zu organisieren, um dem großen Meister ein anständiges Heim zu bieten. Aber seine Bemühungen blieben erfolglos, er brachte kaum einig« Gulden zusammen. An demselben Abend aber, da die Wiener Stunden gewidmet; dem Versuch, das Elend der Zündholz- arbcitcr zu mildern, suchen Sie sich zu entziehen.(Sehr tvabr l bei den Sozialdemokraten.) Als bei der zweiten Lesung mein Partei- freund Göbre von der Not und dem Elend sprach, das bei den Zündholzarbeitern eingekehrt ist, erschollen rechts und aus der Mitie Rufe des Widerspruchs. Inzwischen haben die F a b r i- kanten der Zündholzwaren auf ihrer Generalversammlung selbst den traurigen Zustand ihrer Industrie geschildert. Wenn ein Steuer- gesetz die Ursache solcher Not ist, haben die gesetzgebenden Faktoren die Pflicht, sobald als möglich eine Aeuderung herbeizuführen. Unser Antrag zeigt den Weg, um aus der Misere herauszukommen. Eine weitere Verschlechterung steht bevor, weil der Auslandsbedars zurückgeht. Die Selbsthilfe der Fabrikanten hat ver- sagt, ebenso die zum Schutz der Industrie in das Gesetz auf- genommenen Bestimmungen. den Schutz der Arbeiter hat man im Gesetz außer acht gelassen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wie gewöhnlich I) Drei Monate vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ließ man die Arbeiter 20 Ueberstnnden pro Woche machen— die alte Geschichte, man läßt die Arbeiter schanzen, um sie dann um so schneller zueilt- lassen. Eine Statistik, welche 34 Betriebe, das ist die Hälfte aller mit der Mehrzahl der Arbeiter, umfaßte, ergab, daß schon im letzten Quartal 1909 22 Betriebe ihren Betrieb einschränken und die Arbeiter mit Aussetzen.beglücken" mußten, die Arbeiter er- litten eine Einbuße von 174 Arbeits st un den und 805 wurden entlassen; im Jahre 1910 stieg die Zahl der Betriebe, welche die Arbeitszeit einschränkten, auf 25, und weitere 978 Ar- bcitcr, also im ganzen 1783. wurden arbeitslos als Opfer der Zünd- warensteucr, eine ganz ungeheure Zahl im Vergleich zu der Zahl der Beschäftigten. Wenn Wir im Interesse der in Not und Elend gestoßenen Arbeiter und im Interesse der Industrie den Versuch machen, die fürchterlichen Folgen dieser Steuer zu beseitigen, so müssen Sie uns das als Verdienst anrechnen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch in diesem Jahre waren mehrere große Fabriken gezwungen, den Betrieb einzustellen. Was will der blauschwarze Block und was will die Negierung tun zur Unter- stützung der Opfer ihrer Finanzreform? Sie sprachen von einer Besteuerung auch der ZündWarenersatzmittel. Das würde aber das Nebel nicht beseitigen, sondern ver- mehren.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Durch die Besteuerung von Feuer und Licht hat Deutschland sich in den Ver- dacht gebracht, ein Land zu sein, wo die Finsternis und die dunkeln Mächte gehegt und gepflegt werden. Es liegt also im Interesse des Reiches, der Industrie und der Arbeiter, Wenn Sie unseren Antrag annehmen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Der Antrag Albrecht u. Gen.(Soz.) Wird abgelehnt. In der Gesamtabstimmung, die namentlich ist. Wird das Gesetz mit 199 gegen 93 Stinmien bei 20 Stimmenthaltungen an- genommen. Es folgt die Fortsetzung der vorgestern abgebrochenen Beratung über die Petitionen betr. Abänderung deS Jmpfgesetzes und Aufhebung des Impfzwanges. Abg. Sachse(Soz.): Wenn die Verteidiger de« Impfzwangs sich ihrer Sache so sicher wären, wenn wirklich die Wissenschaft ihr letztes Wort in dieser Sache gesprochen hätte, so brauchten die Herren von der Regierung und der Kollege Dr. A r n i n g nicht den herauSfordeniden, beleidigenden, ja. beschimpfenden Ton gegen die Jmpsgegner anzuschlagen, wie sie ihn neulich angeschlagen haben. Mit Recht protestieren die Jmpsgegner dagegen, daß man fortwährend ihre Bestrebungen ver- dächtsgt.— Herr Kollege Arning tat sich sehr viel zugute auf seine Eigenschaft als Sachverständiger und war mit Zahlen außerordentlich freigebig. Aber er weiß doch, daß man aus Zahlen alles Mögliche herauslesen kann.(Zustimmung.) So muß er denn anderen Leuten schon erlauben, andere Resultate aus seinen Zahlen herauszulesen, als er. Die impsgegnerische Bewegung würde nicht diesen Umfang an- genommen haben, wenn nicht erweislich zahlreiche Fälle schwerer Schädigung durch die Impfung sich ergeben hätten.(Sehr richtig I bei den Jmpfgeguern.) Männer der Wissenschaft, anerkannte medizinische Autoritäten, Stabsärzte, Professoren, Aerzte stehen an der Spitze der imvfgegnerischen Be- wegung. Und da Wagt man es, diese Bewegung als eine ver- brecherische hinzustellen. In die Verurteilung dieser Art der Kamps Aristokratie sich gegen das Unglück Beethovens so gleichgültig zeigte, bejubelte das Volk Wiens das letzte Meisterwerk des Großen. Der Geburtstag des Feuilletons. Am 23. Januar beging, wie ein Mitarbeiler der.Münch. R. N." ausgerechnet hat, das Feuilleton seinen Geburlstag. und zwar seinen 111. Es mag wohl manchem erstaunlich sein, daß man so bis auf den Tag genau die Zeit seines Entstehens bestimmen und von einer förmlichen Gründung dieser Gattung journalistischer Gebilde sprechen kann, die, wie jede Kunst- form, als das Endergebnis jahrzehntelangen Zusammenwirkens, langiam gestaltender Emwickelung anmutet. Und doch ist es so, man kann genau das Geburtsdatum angeben: es ist der 3. Pluviose deS Jahres VIII(der 23. Januar 1300). An dieieni Tage erschien das.Journal deS DebatS " in Paris zum ersten Male abgeteilt, die Rubrik unter dem Strich mit der neuen imS seither so vertraut gewordenen Ueberswrift.Feuilleton" bezeichnet. Freilich, damals sah diese Rubrik noch erheblich ander? aus als heute; aber die reinliche Scheidung zwischen Oben und Unten war damit bereit? gegeben und das Feuilleton dank der Findigkeit des ZeitungSbesitzerS Bertin gegründet. Zunächst bezweckte dieser nichts anderes als eine räumliche Trennung verschieden gearteter und ver- schieden gestimmter Dinge. Politik und alles, was dazu ge- hörte, literarische Besprechungen ernsthaften Inhaltes, Theaterkritiken gelehrter Fassung gehörten damals noch über den Strich, alles übrige jedoch, was der Tag brachte, kleinere Notizen aus den Theatern, Modeberichte, Kochrezepte, Charadcn, ja sogar Reklamen und Annoncen standen unter dem Strich. Was man also damals zum ersten Male mit.Feuilleton"(von lsuillv, das Blatt— kleines Blatt) bezeichnete, stellte zunächst noch nichts anderes dar, als ein jahrmarktähnlickes Kunterbunt, in das allerdings gar bald eine um vieles ernstere Physiognomie kam durch die Ankündigung, die Bertin am 19. Februar, also schon drei Wocken nach der Gründung der neuen Rubrik, von dieser Stelle aus seinen Abonnenten mitteilte: .In diesem Feuilleton wird über die neuen Aufführungen der ver- schiedenen Bühnen und die Debüts der Schauspieler Bericht erstattet Werden." Bis dahin war dies nicht geschehen. Die erste Leichenverbrennung in Deutschland . Die erste Leichen- Verbrennung in Teutschland fand, was jetzt namentlich anläßlich der bevorstehenden Verhandlungen über dieses Thema im preußischen Landtag interessieren dürfte, vor bereits nahezu vierzig Jahren in Dresden statt, und zwar in der Glasfabrik von Friedrich Siemens , in einem eigens dafür konstruierten Ofen mittels erhitzter Luft. Am 2. und 3. Juni 1374 Wurden dort— in Gegenwart von Professoren und Aerzten— zuerst Versuche mit der Verbrennung von Tier- kadavern unternommen, wobei man mit Befriedigung konstatierte, daß diese Einäscherungen ohne üblen Geruch vor sich gingen. Be- sonders am zweiten Tage war diese? Resultat günstig, als ein halbes Pferd von 202 Pfund Gewicht durch Heißluft ohne Anwendung von Flammen binnen zwei Stunden zu einem Aschenrückstand von lö Pfund verbrannt wurde. Die erste Verbrennung einer mensch- lichen Leiche, und zwar der 23 Jahre alten verstorbenen Gattin eines Stuttgarter Arztes, fand dann in Dresden Freitag, den weise können doch auch Anhänger des Impfzwanges einstimmen, wenn der Fanatismus sie nicht völlig verblendet.(Lebhaste Zu- stimmung auf verschiedenen Seiten.) Ein volles Fiasko hat die Impfung z. B. in I a p a n er- zielt. Das gibt den Aerzten recht, die darauf hinweisen, daß die Besserung der Wohnungsverhältnisse, die Ver« breitung besserer hygienischer Grundsätze, wie sie in erster Linie den Nalurheilvereinen verdankt wird, jedenfalls mehr zur Verhütung der Pocken beigetragen haben, als die Impfung. Wohl ver- standen, es sind selbst Jmpfauhänger, die unter dem erdrückenden Gewicht des vorliegenden Materials zu dieser Folgerung gelangt sind.(Hört I hört I) Die Naturheilvereine, will ich bei dieser Gelegenheit nicht vergessen zu erwähnen, haben sich ganz be- sondere Verdienste um die Vermehrung der Bäder erworben. Sie sind es vielfach gewesen, die es erreicht haben, daß auch in sehr kleinen Gemeinden öffentliche Bäder errichtet wurden. Schon dies große Berdicust sollte sie vor Verdächtigungen und Verleumdungen bewahren.(Lebhaftes Sehr richtig!) Die Abnahme der Pocken ist wie die Abnahme der Pest im wesentlichen auf die Fortschritte zurückzuführen. die die Reinlichkeit gemacht hat. Daß Europa so lange von der Pest verschont geblieben ist, ist ebenfalls hierauf zurückzuiühren. Es wird jetzt in Hinblick auf das Auftreten der Pest in Ostasien auch die Schutzimpfung gegen die Pest gefordert. Hoffentlich verfällt man nicht wieder in den Fehler, eine» neuen Impfzwang einzuführen. Aus allen diesen Gründen bitten wir um Annahme unseres Antrages, daß wenigstens die Teile der einschlägigen Petitionen. die uiu Aushebung des Impfzwanges bitten, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen werden. Wir Wollen selbstredend kein Verbot der Impfung, Wir Wollen nur die Beseitigung des Gewissenszwanges.(Sehr richtig I bei den Impf- getziiern.) Wir akzeptieren auch den Zusatzantrag des Herrn von Dam m und Genossen, wonach auch die Petitionen zur Berücksichti« gung überwiesen werden sollen, welche eine staatliche Entschädigung der durch die Impfung Geschädigten verlangen. Der Kollege Pfeiffer hat hier von einem Beamten des Polizeipräsidiums gesprochen, der geäußert habe, die Eltern müßten in Kette n gelegt werden, die ihre Kinder der Impfung entziehen.(Lebhaftes Hört! hört!) Ich kenne den Herrn nicht, der so gesprochen haben soll. Das aber muß ich sagen, wenn sich wirk- lich Polizisten finden sollten, die Leute aus diesem Gnmde in Ketten legen. so stehen diese Polizisten beinahe auf gleicher Stufe mit de« Gendarmen Müntcr, der, wie sich jetzt unzweifelhaft herausstellt, unschuldige Leute ins Zuchthaus gebracht hat(Lebhaftes Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten) und den man deshalb ohne Uebertreibung einen der größten Lumpen nennen darf, die je existiert haben.(Leb- hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)— Ich bitte noch- molS, unserem Antrage stattzugeben, der einen unerträglichen Ge- wissenSdruck beseitigen Will.(Lebhafter Beifall bei den Impf« gegnern.) Ein Regieruiigskoinmissar erklärt, daß nach wiederholten Ge- richtseulscheidungen unstreitig der Polizei daS Recht zusteht, eventuell physischen Zwang anzuwenden. Es sei aber durchaus nicht glaubhaft, daß ein Beamter des Polizeipräsidiums gedroht habe, Ketten anzuwenden.(Abg. Pfeiffer(Z.) ruft erregt: Und das Wort ist doch gefallen!— Vielfaches Hört! hört I) Abg. v. Damm(wirtsch. Bg.) tritt für den Antrag Sachse- Severing(Ueberlveisung zur Berücksichtigung) und den von ihm gestellten Zusatzantrag(Entschädigung der durch die Impfung Ge- schädigten) ein. Nach den Reichstagsverhandlungen über diese Frage zu schließen, habe der Reichstag seinerzeit kein Zwangsgesctz schaffen wollen. DaS OberverWalMugsgericht aber hat sich für die Zu« lässigkeit des Zwanges ausgesprochen. Dadurch sind un« erträgliche Gewissenslonflikte herausbeschworen worden.(Lebhafte Zustimmung bei den Jmpfgeguern.) Abg. Honnann(Vp.): Wir sind der Ansicht, daß jedenfalls die hart umstrittene Frage der Impfung einer gründlichen, objektiven Nachprüfung bedarf. Ich persönlich möchte mich für Aufrecht- erhaltung des Impfzwanges aussprechen, aber ich mißbillige oufS allerenlschiedenste die argen polizeilichen Mißgriffe. Jedenfalls muß eingehend geprüft werden, ob nicht den Jmpfgegnern soweit entgegenzukommen ist, daß dem Jmpfgesetz eine Gewiffens- klauiel einzufügen ist. Wonach die Kinder der Personen, die die Impfung nicht vor ihrem Gewissen verantworten zu können erklären, vom Jmpfzivange befreit werden. 6. November desselben JahreS, abends 7 Uhr, in dem SiemenSschen Ofen statt. Seither ist in Dresden noch keine Leichenverbrennung Wieder erfolgt, doch sind innerhalb Sachsens in Leipzig , Chemnitz und Zittau Krematorien seit einigen Jahren in Betiieb. Ein anatomisches Wunder. Zwischen den Erfahrungen der Anatomie und den Borführungen im Panoptikum besteht seit so langer Zeit eine Art von Auslauschverkehr, als eS diese Sorte von Anstalten überhaupt gibt. So wird wahrscheinlich auch ein Mann seinen Weg zu diesen Schaustellungen finden, der von Dr. Max Herz in der letzten Sitzung der Gesellsibalt der Aerzte in Wien vorgeführt wurde. Dies sonderbare Wesen besitzt eine ganz Wundersame Fähigkeit, willkürlich auch solche Muskeln zu be« Wegen, über die der Mensch sonst gar keine Gewalt hat. An- geblich hat er diesen eigenartigen Vorzug nicht von Geburt erhalten, sondern durch mühsame Arbeit erworben. Daß er einige Muskeln an den Gliedmaßen einzeln zu bewegen vermag, mag noch verständlich erscheinen._ Erstaunlicher ist diese Fähigkeit schon bei einigen Teilen der Gedärme. Ans Unglaubliche aber grenzt die Art. wie er mit seinem Herzen umzugehen weiß. Er kann Willkürlich nicht nur eine Verlangsanumg des Pulsschlages, sondern sogar für einige Sekunden einen völligen Stillstand deS Herzens herbeiführen. Außerdem ist er fähig, das Herz nach rechts, nach links und nach unten zu verschieben, wahrscheinlich durch Vermittlung deS Zwerchfells. Ueberhaupt sind seine Leistungen fast unbegrenzt und erstrecken sich auf fast alle möglichen Körperteile. So kann er auch die Pupille seiner Augen beliebig erweitern und verengern. Auch noch andere Phänomene stehen ihm zu Gebot, indem er beispielsweise inistande ist, auf Verlangen eine Gänsehaut auf dem Arm hervorzurufen oder auch an einer bestimmten Stelle der Haut nur durch seine Willenskraft eine Rötung und Schwellung zu erzeugen. Als Erklärung wenigstens einiger dieser Leistungen kann nur die Psychologie dienen. Nach eigener Be« kundung des Mannes ruft er nämlich gewisse Vorstellungen dabei zu Hilfe. Die Gänsehaut z. B. zaubert er dadurch herbei, daß er sich in einen ungeheizten Raum versetzt wähnt. Um eine Hautstelle rot werden zw lassen, stellt er sich vor. daß er an der betreffenden Stelle operiert werden soll. Auch die Verlangsaniung des Herzschlages scheint in einem solchen Zusammenhange begründet zu sein, indem der Mann sich einredet, daß er zu rasch gehe. Notizen. — Theaterchronik. Im Neuen Volkstheater bringt die Neue freie Volksbühne am Sonnabend Sudermanns seit der Berliner Uraufführung hier nicht mehr gespielte Komödie»Die Schmetterlingsschlacht" zur Ausführung. — Vorträge. In der Deutschen naturwissenschaftlichen Gesellschaft sprechen am 3. Februar im Rathause, Zimmer Nr. 109 (Eingang Jüdenstraße). H.Behrens und R. Weisse über:„Das Gold in natur- und kulturgeschichtlicher Be» l e u ch t u n g Eintritt frei. — Die Neue Sezession wird ihre III. Ausstellung(Ge« mälde und Plastik) bereits Mitte Februar bis April abhalten.
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