schritten hat, fieil sachlich SkleS und niemal» Person-l i ch gegen jemand von uns geworden ist. Sein Verlustist ein groher, nicht allein für unsere Versammlung und Stadt,nein, weit darüber hinaus, und so wird sein Tod in vielenKreisen auch außerhalb ebenso wie hier tiefe Klagenund tiefe Trauer wecken.Ich lonnte Ihnen nur mit wenigen kurzen Strichen den Stadt-verordneten Paul Singer zeichnen. So hat er unS jederzeit vorAugen gestanden, so haben wir ihn kennen, achten, schätzen gelernt«und so wird er noch lange uns vor Angen stehen. Wir werden ihnoft noch in den Debatten vermissen, unsere Blickewerden sich oft noch nach dem Platze richten» der jetztverwaist ist.Wir werden auch ihm allezeit ein liebes, treuesGedenken bewahren.Die Versammlung hat die Ansprache des Vorstehers stehendangehört und begleitet sie am Schluß mit allseitigem lebhasten Beifall.An das Schreiben des Magistrats, welches der Versammlungzur Kenntnis bringt, daß die Regierung abgelehnt hat, mit demMagistrat wegen Uebernahme weiterer Zweige der Polizei erneuteVerhandlung zu pflegen, haben die Stadtvv. Bruns u. Gen. sSoz.)folgenden Antrag geknüpft:„Die Versammlung ersucht den Magistrat:«0 mit den Staatsbehörden zwecks Uebertragung sämtlicher Zweigeder Polizei auf die Stadt in Verhandlungen zu treten;b) die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Bürger gegenAusschreitungen von Polizeibeamtcn für dir Zukunft zu schützen."Stadtv. Dr. Rofenfcld(Soz.): Tie Antwort des Lberpräsi-beuten hat meine Freunde in keiner Weise befriedigt und wohlauch nicht die Mehrheit der Versammlung. Fast ein Jahr habenvier Ministerien über die Anfrage beraten und daS Ergebnis ist lediglich, daß von der Einleitung neuer Verhandlungen ab-gesehen wird,„da eine Aendcrung des bestehenden Zustandes zur»zeit nicht in Aussicht genommen werden kann". Schlechter konnteauch der Magistrat der kleinsten Kommune nicht abgespeist werden;nicht einmal Gründe sind angegeben worden. Der Magistrathat doch gewiß seine Anfrage begründet, und es wäre schon An-standspflicht gewesen, mit Gründen zu antworten. Der Beschlutzvon 190g ging nur auf Uebertragung weiterer Zweige der Wohl-fahrtspolizei an die Stadt, die Versammlung wollte ja sehr vor-sichtig sein. Wir fordern heute erneut dieUebertragung sämtlicher Zweige der Polizei.Das heutige Polizeisystem hat sich in Moabit und auf demW e d d i n g als ganz unzulänglich erwiesen und mutz von GrundauS reformiert werden. Es widerspricht der Selbstverwaltung, datzAngelegenheiten der Gemeinde nicht von Selbstverwaltungs-körpern, sondern von einer fremden Behörde wahrgenommen wer-den. Allgemein wird es als ein unwürdiger Zustand empfunden,daß die Gemeinde die K o st e n zu tragen, aber nichts zu sagen hat.Wir wollen mit unserem Antrag zum Ausdruck bringen, daß dieAntwort der Regierung ganz unzureichend ist.�datz gerade mit Rück-ficht auf jene Vorgänge die Polizei in dem Sinne reformiertwerden muß, daß kein Schutzmann mehr sich als Organ gegendie Bürger fühlt. Auch früher gab ja die Regierung nicht einmalGründe für ihre ablehnende Haltung an; da hat die Versammlungmannhafte Worte des Protestes gefunden. Heute heißt es, einewürdige Antwort auf die Haltung der Regierung zu finden.Ueberweisen Sie diesen Teil unseres Antrages einem A u s s ch u tz.Der zweite Teil aber kann heute schon die Zustimmung derVersammlung gewinnen. Er ist zurückzuführen auf die schrecklichenEnthüllungen über Polizeizustände, welche bei den letzten Krawall-Prozessen an den Tag gekommen sind. So schwere Beschuldigungensind noch niemals gegen die Berliner Polizei vorgebracht worden,und das will viel sagen, wenn man sich des Brausewetter-Prozesses und anderer in der Vergangenheit liegender Fest-stellungen, u. a. über das Verhalten der Polizei bei den Wahl-rechtsdemonstrationen, erinnert. Schon 1894 sagte Herrv. Egidy, die Erregung der deutschen Soldaten in Frankreich seinicht so groß gewesen, wie die der Schutzleute auf der Straße.Ganz ähnlich sprach sich im M o a b i t e r Prozeß ein alterVeteran auS; im Kriege hätten die Offiziere die Mannschaften an-gewiesen, Frauen und Kinder zu schonen, in Moabit hätten dieSchutzleute Frauen und Kinder nicht geschont. Wir brauchen abernicht Einzelfälle, wir haben das Gerichtsurteil, welches klarausspricht, daß Mißgriffe von Polizeibcamten vorgekommen sind,Uebergriffe und Mißgriffe, und zwar in größerer Zahl. Diesereine Satz genügt, dem Unbefangenen klar zu zeigen, welche Zu-stände in Moabit geherrscht haben und wie notwendig Borbeugungs-maßregeln für die Zukunft sind. Und das war ein Gericht, welchesdie Angeklagten zweimal wegen des Argwohns der Befangen-heit abgelehnt hatte! Mit diesem Urteil des Landgerichtskleines feuilleton.Polizei und Prostitution. Von dem Verhältnis der Polizei zurProstitution gibt Kurl Wolzendorff eine geschichtliche Ueberficht ineinem Aussatz, besten erster Teil in der„Zeitschrift für die gesamteStaatSwisfenichaft" eben erschienen ist.Im Altertum betrachtete man die Prostitution lediglich unter demGefichtspunkt der öffentlichen Ordnung. Man übt keine Sittenpolizei,sondern Staatsaufficht. Nicht weil die Prostitution„unsittlich" ist,sondern weil ihre Elemente ordnungsfeindlich sind, wird ste über-ivacht. Man sondert die Prostitution von der bürgerlichen Gesell-schast. was niemals hindert, daß diese bürgerliche Gesellschaft vonder Prostitution durchsetzt wird. In der Zeit der Perserkriegewurde die zunftmäßig geordnete Prostitution in drei Klaffen ein-geteilt: Die vomehmen Hetären dursten im besten Stadtteilwohnen, eingeschränkt waren die Flötenbläserinnen, strenger de»auftragt waren die Dikteriaden, die in einem Bordellviertel ein-'gepfercht waren.Auch in Rom wurde die Prostitution lediglich aus Gründen deröffentlichen Sicherheit überwacht: Abschließen, besondere Kleidungwaren die üblichen Mittel. Es gab auch humanere Perioden; sowurde unter Kaiser Justinian die Aussperrung der Prostitution ausder bürgerlichen Gesellschaft aufgehoben, die Heirat mit Prostituiertengestatter.Alle Schrecken und Greuel polizeilicher Willkür begannen erstim Mittelalter, als man unter kirchlichem Einfluß die Prostitutionaus sittlichen Gründen verfolgte, radikale Verbote der Prostitution,grausame Bestrafung unehelichen Geschlechtsverkehrs, zugleich schäm-lose wirtschaftliche Ausbeutung der Prostitution, ihre Begünstigungund Bevorrechtung, und viehische Ausschweifung wucherten auf demgleichen Boden. Man ächtete die teuflische Fleischeslust und frönteihr um so zügelloser. Kirchliche und weltlicde Macht wetteiferten inder Mißhandlung und Benutzung der Prostitution. In Paris bildetdie Prostitution seit dem 8. Jahrhundert ein entwickeltes Zunftlebensamt Prozessionen und Schutzheiligen. Mit dem heiligen Ludwigbeginnt dann die sittliche Hetze. Er verbot zuerst 1254 dieganze Unzucht. Die Dirnen wurden in geistliche Gewänder gesteckt,in denen sie nun erst recht ihr Gewerbe ausübten. Die Verbotewiederholten sich in den nächsten Jahrhunderlen, mit dem Erfolge,daß die Prostitution immer gewaltiger anschwoll.„Einer Zeit derDuldung folgt eine Zeit der absoluten Unterdrückung und schonungs-losen Verfolgung: das ist das allgemeine Bild der Mittelalter-liche Prostitutionspolizei, in Frankreich wie in Deutschland, in Italienwie in Spanien."Die zünftlerische Organisation war in den deutschen Städtendurchgeführt. 1492 beschwerten sich die Dirnen beim Rat zu Nürn«berg über die Schinutzkonkurrenz nichtprivilegierter Dirnen, und1503 dursten sie mit Erlaubnis des Rats ein Winkelbordell stürmen.Die Mädchen hatten sogar Ehrenrechte; so durften sie bei Rots-mahlzriten mit Blumensträußen erscheinen, mußten freilich dafürstehen in Uebereinstimmung die Urteile der höchsten Polizeibeamten,so des Polizeimajors Klein, der vor dem Schwurgericht seine Stel-lungnahme vor der Strafkammer wesentlich zu modifizieren ge-zwangen war; die Antwort über die Tätigkeit der Kriminal-beamten bat er, ihm zu erlassen. Ganz ähnlich ließ sich Polizei-Hauptmann Folte aus. Wie muß es da um die Polizei bestellt ge-toesen sein! Das ist ja noch nicht dagewesen, datz die Schutzleutevon ihren höchsten Vorgesetzten so desavouiert worden sind! Diesebeiden Aussagen könnte» ja schon für unseren Antrag genügen;aber eine kurze Uebersicht über die Einzelfeststellungen ist doch er-forderlich. Ganz gewiß hat auch der Mob eine Rolle gespielt. Tat-fache ist aber, daß schmähliche Beschimpfungen von Frauen,selbst durch Polizeioffiziere, erfolgt sind. Kann es etwas Schimpf-lichercs geben als die Beschimpfung von ehrbaren Frauen als„Dirnen" und„Huren"?! Es ist charakteristisch für die ganzeRücksichtslosigkeit des Auftretens der Polizei, datz selbst einer Frau,die eine Hebamme für eine in Kindesnöten sich befindende Frauholen wollte, zugerufen wurde:„Heute wird kein Pardongegeben, tznd wenn Kinder kommen!" Aber es sindauch Frauen geschlagen worden, auch noch als sie schon amBoden lagen, erhielten sie Säbelhiebe. Aber Herr v. Jagowweiß es: Die Polizei hat sich tadellos benommen; sie hat nur threPflicht getan! Männer sind ohne Grund niedergeschlagen und amBoden liegend weiter mit der Waffe mißhandelt worden.Soll ich ferner erinnern an den Ueberfall auf die englischen Jour-nalisten, an den Mann, der inV/j Stunden über 100 Mißhandlungen gesehen hat,an die regelrechten Menschenjagden, die beweisen, daß in Moabitdie Diktatur des Polizeisäbels herrschte, von dem selbst Krimi-nalbeamte getroffen wurden, die sich nicht schnell genuglegitimieren konnten?Das Schlimmste waren die unglaublichen Ucberfälle aufLeute, die sich in Gastwirtschaften befanden. Denken Sie auch anden Fall des völlig unbeteiligten braven Arbeiters Hermann,der infolge des brutalen Vorgehen« der Polizeibeamten zu Todegekommen ist! lRedncr schildert den Fall eingehend.) Dieser FallHermann ist so ungeheuerlich, daß der Vorsitzende desSchwurgerichts erklärte, in diesem Falle wäre als Notwehr selbstein wohlgezielter Revolverschuß zulässig gewesen! Ter Lberstaats-anwalt Preuß selbst sprach von den Roheiten eines Schutzmanns,die in diesem Falle verübt worden seien. Und dieser Schutzmannist bis heute nicht ermittelt!! Dabei steht Ort und Zeit der Tatgenau fest, aber der Polizeipräsident erklärt, der Mörder sei nichtzu ermitteln. Rur Herr v. Jagow kann demgegenübersagen:„Der Ehrenschild der Schutzmannschaft ist rein!" Es kamin Moabit sehr deutlich zum Ausdruck, daß viele Beamte, Schutz-leute wie Offiziere, ihre Besugnisie gar nicht kennen. Der Polizei-leutnant Schirmer hat ausgesprochen:„Wenn man sich in Gefechts-stellnng befindet, dann haut man eben zu!" Und es war ein Ge-s ch w o r e n e r, der aufstand und erklärte, das sei doch eine etwaseigenartige Auffassung. Was nützen solchen Gefahren gegenüberdie schönsten Bestimmungen über den Waffengebrauch? Die La-ternen und anderes städtisches Eigentum sind nicht geschütztworden, weil die Polizeibcamten meinten, durch das Einschlagenvon Laternen sollten sie in die betreffende Straße hineingclocktwerden; da hat man also lieber städtisches Eigentum zer-stören lassen. Auch die Stadt hat wegen des angerichtetenSchadens in ihren Säckel gegriffen und wird noch weiter hinein-greifen müssen. Aber nicht nur die uniformierten Beamten, auchdie Kriminalbeamte» haben durch ihr Verhalten denschärfsten Protest herausgefordert; Schutzmannssäbel und Kri-minalbeamtenstock herrschten gleichmäßig. So sang man denn auchin Moabit:„Das ist Jagows wilde verwegene Jagd!"Auch Lockspitzel sind in Moabit tätig gewesen; gleich-viel ob Kriminalbeamte oder Vigilanten; die Tatsache ist von vieleneinwandsfreien Zeugen erwiesen worden. Diese Elemente habenauch den Ruf„Bluthunde!" ausgestoßen und damit die unifor-mierte Polizei zum Einschreiten veranlaßt; kamen sie selbst inGefahr, geschlagen zu werden, so riefen sie:„Halt, Kollege!" Es istja auch nicht das erstemal, daß Lockspitzel in Berlin tätig waren.Selbst in dem Weddingprozeß ist es gelungen, nachzuweisen,was diese Lockspitzel für Elemente sind. Einer von ihnen war wegenschwerer Diebstähle im Rückfalle und wegen anderer Delikte zulangwierigen Gefängnisstrafen verurteilt worden; und dieses Jndi-viduum war„auch sonst für die Polizei tätig", wie es in den Akte»steht. Dieser Mann ist denn auch vom Gericht als absolut u n-glaubwürdig erklärt worden. Alle diese Vorfälle haben zuunseren Anträgen geführt. Solche Anträge sind hier schon frühergestellt und angenommen worden, 1898 beschloß auf Antrag Casseldie Versammlung etwas ganz Sehnliches; aber alles ver-geblich. Angesichts der Beschimpfungen und Mißhandlungenruhiger Bürger, diewie die Hunde niedergeschlagen worden sind,muß verlangt werden, daß die Bürgerschaft geschützt wird. DieEmpörung ist allgemein; die Presse aller Parteien ist einmütigHobe Abgaben zahlen. Die Dirnensteuern wurden adligen Herrenzu Lehen gegeben, wie z. B. der Bischof von Würchurg die Grafenvon Henneberg mit den Einkünften auS der sündhaften Fleischeslustbelehnten. Weder die weltlichen noch die geistlichen Fürsten ver-zichteten auf die üppigen Erträgnisse der Unzuchtsteuer. und diegrauenhaste Rechtlosigkett unter der Polizeiwillkür machte diese Ab-gaben durch Erpressungen um so ertragreicher. Um daS Geschäftnoch rentabler zu gestallen, nahm vielfach die christliche Obrigleitdas teuflische Laster in eigene Verwaltung; sie betrieb die Unzuchtin eigener Regie oder durch Pächter. Die Dirnen hatten auch sonstöffentliche Pflichten. Als Kaiser Sigismund seinen Einzug in Bernhielt, befahl der Rat der Stadt den„schönen Frauen im Gäßlein",„die Herren vom Königlichen Hofe ohne Entgelt freundlich zuempfangen". Auf dieselbe Weise wurde der Raubritter Dietrich vonOuitzow 1410 von den Berlinern geehrt. Die Universität Toulouselebte geradezu von den Einkünften der ihr gehörigen Bordelle. Ausdem Konstanzer Konzil, dessen Beschlüsse der Modernisteneid nochschützt, wirkten 1400 fahrende Fräulein mit.„Die Prostitution hatteeben das ganze bürgerliche Leben durchseucht. DaS alles unter der„Sittenpolizei", jenem selben Regime, daß den einfachen außer-ehelichen Verkehr, das„leichtfertige Beiwohnen", mit den härtestenStrafen verfolgte, die unglückliche Kindesmörderin mit den grau-samsten Todesstrafen bestrafte und der Dirne, die die zum Schutzespießbürgerlicher Zucht erlassene Äleiderordnung übertrat, mit de»willkürlichsten und entehrendsten Strafen verfolgte. Mit Stäupen,Gefängnis, Gasienkehren. Landesverweisung, Pranger. Brand-machung. Eselsritt und welches immer die entehrenden und be-schimpfenden Strafen waren, wurden die Dirnen verfolgt, währendandererseits weder Bürger noch Behörden den Umgang mit ihnenscheuten."In dem Polizeistaat der neuen Zeit wurde dieses Systemnicht nur beibehalten, sondern noch mehr ausgebildet. Die Sitten-Polizei wurde für die privaten Interessen und Racheakte derHerrschenden benutzt, im Frankreich Ludwig XIV. nicht weniger al«im Preußen Friedrich Wilhelm I. Das aus dem Pfuhl der Sitten-Polizei gespeiste, alles private Leben durchdringende Spionagewesenrichtete schlimmere moralische Verheerungelt an. als die Unzuchtselbst, zu deren Bekämpfung der schmutzige Apparat aufgebotenwurve. Den Gipfel des Abiurden erreichten dann die Keuschheus-kommistionen des 18. Jahrhunderts, wie sie Maria Theresia inOesterreich und der Bischof von Würzburg einrichteten. Die ehren-werten Mitglieder der Theresiainichen Sittenpolizei verbündeten sichmit den Dirnen, konnten als ihre Zuhälter die Mensck>heitSdeliktenicht nur bequem entdecken, sondern sie auch selbst herbeiführen unddann ihre Wissenschaft erpresserisch ausbeuten. Im Polizeistaatwurde die Prostitution ein politisches Machtmittel.Eine Verlcigsgcuossenschaft der Romandichter. Ein interessanterPlan, der in der Schriftstellerwelt besondere» Interesse beansprucht,ist nun der Vollendung nahe: die spanischen und südamerikanischenRomandichter werden sich zu einem Verbände zusammenschließen, deres übernimmt, die Werke der Mitglieder zu verlegen und zu ver»darin, daß diese Prozesse Zustände enthüllt haben, die nach Abhilfeschreien. 1894 wurde ein ähnlicher Antrag abgelehnt, weil eineUntersuchung in sicherer Aussicht stände. Diesmalkann man damit nicht kommen, denn die Untersuchung hat statt-gefunden, durch die Gerichte und durch den Polizeipräsidenten. Wasvon einer Untersuchung durch diesen zu halten ist. das hatSinger 1894 ausgesprochen:„es hieße den Teufel bei seiner Groß-mutier verklagen, wenn man von dem obersten Kommandeur derSchutzmannschaft eine unparteiische Untersuchung erwarten wollte".Möge Herr o. Jagow bei allen künftigen Kaiscrsgeburtstagcn seineRede wiederholen, damit wird das unparteiische Gerichtsurteil, dasfür die Polizei vernichtend ist, nicht aus der Welt geschafft. DerSchrei der Empörung der Bürgerschaft mutz in unseren Beschlüsseneinen Widerhall finden. Unser Antrag wird ja die Gefahr.in welcher das Bürgertum heute schwebt, nicht mit einem Schlageaus der Welt schaffen; aber es ist ein Versuch, die Wieder-kehr solcher Ausschreitungen künftig zu verhindern.(Beifall bei denSozialdemokraten.)Es geht ein Antrag Cassel-Mommsen-RosenowoDeutsch ein:„Die Versammlung spricht die Erwartung auS, daß von denzuständigen Behörden geeignete Maßnahmen getroffen werden.um zu verhüten, daß bei etwa erforderlichem Eingreifen derPolizei zur Wiederherstellung der Ordnung Uebergriffe erfolgenund insbesondere Unbeteiligte zu Schaden kommen."Stadtv. Cassel(A. L.): Das Verlangen nach Uebertragung der'Wohlfahrtspolizei auf die Stadt ist seit Jahrzehnten erhoben, soschon 1357 von der ultrakonservativen Fraktion Stahl im Herren-hause. Selbst der Minister Herrfurth stand 1892 auf diesemStandpunkt. Die Haltung der Regierung hat aber gewechselt, und1908, bei dem letzten Polizeikostengesctz. herrschte die entgegen-gesetzte Auffassung. Ohne Angabc von Gründen ist die Anregungdes Magistrats abgelehnt worden. Dennoch können wir denersten Antrag Bruns nicht annehmen, denn wir können soetwas dem Magistrat schon mit Rücksicht auf seine eigene Würdenicht zumuten. Die Mißgriffe und Uebergriffe der Polizei inMoabit, die Mißhandlungen und Willkürakte, die festgestellt wordensind, bedauern und mißbilligen wir aufs allerschärfste. Das Rechtder Polizei, Unruhen und Verstöße gegen die Ordnung und Sicher-heit zu unterdrücken, erkennen wir ebenso an wie die Berechtigungdes Verlangens, daß bei Streiks Arbeitswillige nicht körperlich be-droht und geschädigt werden(Zustimmung), wir müssen aber ver-langen, daß die Polizeiorgane so gebildet find, daß Mißgriffe undUebergriffe nicht vorkommen, daß Unbeteiligte nicht zu Schadenkommen. Die vorgekommenen festgestellten Brutalitäten sindempörend. Es sind so viele Ausschreitungen begangen worden,datz etwas geschehen muß. Wie soll das aber der Magistrat machen?!Uns bleibt nichts übrig, als Protest einzulegen und die Erwartungauszusprechen, daß solche Ausschreitungen in Zukunft unterbleiben.Darum haben wir den Antrag gestellt den wir Sie anzunehmenbitten.(Beifall.)Oberbürgermeister Kirschner: Ich wollte Sie auch bitten, denAntrag Bruns abzulehnen und den Antrag Caffel an-zunehmen. Auch ich bedaure es aus lebhafteste, daß auf unsereAnregung eine Absage erfolgt ist ohne irgendwelche Angabe vonGründen. Der Bescheid läßt erkennen, datz in den Kreisen derbeteiligten Minister eingehende Beratungen stattgefunden haben;die Herren Minister müssen sich also Klarheit darüber verschafsthaben, welche Gründe vorliegen, um unser Ersuchen abzulehnen.Wenn uns die Mitteilung dieser Gründe vorenthalten wird, sokann ich das nur als einen Mangc' der nötigen Rücksichtnahmebezeichnen(Zustimmung), die wir von Staats wegen zu erhaltenberechtigt find.(Erneute Zustimmung.) Ich bin der Meinung.der geringste im Volke, wenn er einen Antrag stellt, muß be-schieden werden, und zwar wenn ablehnend unter Mitteilungder Gründe der Ablehnung. Das liegt nicht nur in der Naturder Tinge, sondern hat einen tiefen, inneren Grund. Jede Be-Hörde, die einen ablehnenden Bescheid erteilt, müßte daS Bedürfnisempfinden, diesen zu rechtfertigen, um in dem Beschiedenen nichtden Gedanken aufkommen zu lassen, es geschehe willkürlich, ohnesachliche Begründung.(Zustimmung.) Und die Behörde mußsich sagen, wenn sie diese Begründung unterläßt, muß beidem Beschiedenen ein Gefühl der Unzufriedenheit und Zurücksetzungeintreten.(Sehr richtig!) Wen» die Regierung den Magistrat unddie Stadverordnetenversammlung ohne diese Begründung läßt, somutz man annehmen, es liegt ihr nichts daran, ob in diesen Kreisendas Bewußtsein Platz greift, die Anträge der städtischenBehörden werden abgewiesen, ohne daß sachliche Begrün-dung zu erfolgen braucht Das ist tief zu bedauern. ES entsprichtaber früheren Vorgängen; wir sin! auch in anderen Fällen aufwohlmotwicrte Anträge und Bitten ohne Bescheid geblieben,ich erinnere nur an die Eingemeindunzsfrage, wo wir keinen Be-scheid erhielten und auf weitere Bitte bcschicden wurden, daß Be-gründung versagt wird.Aber Sie können dem Magistrat nicht zumuten, jetzt wiederneue Schritte zu tun. Darüber muß an anderer Stelle, im Parka-treiben. Die Organisation wird ein Gegenstück zu dem in denmitteleuropäischen Kulturstaaten bestehenden Verbände der Dramatikerbilden, die ja ihrerseits bereits tatkräftig am Werke ist, die Ver-mittelungStätigkeit der Tbeaterverlegcr zu beslbrärnen und denSchriftsteller so die Erträgnisse seiner Arbeit möglichstohne Abzüge voll genießen zu lassen. Der Verbandwill die Drucklegung und den Vertrieb der Werke auZ-führen und den Mitgliedern am Schluß des Jahres genauen Berichtund Abrechnung über die verkauften Eyemplare erteilen. Zugleichsoll dem Verband die Aufgabe zufallen. Musterausgaben der Klaisikerzu veranstalten. Auch die Ausführung von Ueberietzungen in fremdeSprachen würde durch den Verband zu bewerkstelligen sein, der inallen fremden Kulturstaaten init BerlagSunternehmen in Verbindungtreten würde, um dort die Werke seiner Mitglieder z» vertreiben.Mit dem Buchhandel würde die Genostevschast direkt als selbständigerVerlag in Verbindung treten.Wie an« 30 Pf. 600000 M. werden. ES ist eine Binsen-Wahrheit, daß die meisten ökonomischen Werte durch Veredelungvon Rohmaterial erzeugt werden. Trotzdem ist eS sehr lehrreich,die Wertsteigerungen des Rohmaterials je nach Art der Verarbeitungziffernmäßig zu vergleichen. In der„Naturw. Wochenschr." zeigteine von Eottstein aufgestellte Tabelle die Wensteigerung desHolzes durch Verarbeitung. DaS Rohmaterial. 1 Kubikmeter Holz, hatim Walde einen Wert von 10 M.; das daraus erzeugte Schnittmaterialkostet 20 M.; die aus dem Holz erzeugten 200 Kilogramm Zellulose kosten34 M.; daS daraus erzeugte Papier 50 btzi 85 M. Durch Verspinnen der Zellulose würde man Zellulosegarn erhalten im Wertevon 75 bis 155 M.; wenn aber die Zellulose in Viskose verwandeltund daraus Kunstroßhaar erzeugt wird. 2000 M.; auf. Viskoseseideverarbeitet, steigt der Wert bis zu 8400 M.; azetyliert und in Azetat-seide verwandelt, auf 0400 M. Noch weit größer aber ist die Wert-steigerung des E i f e n S durch Bearbeitung. Ein Zentner Eisenerzkostet 0,80 M., als Roheisen S M.. Gußware 9 M. Schmiedeeisen9.90 M.. Blech 11 M.. Draht 12 M., Gußstahl 27 M.. Messerklingen1500 bis 2000 M.. feinste Uhrfeder» 000 000 M.Notizen.— Theaterchronik. Die vom Neuen BolkStheater«m-gekündigten Aufführungen von SndermannS„Schmetterlingsschlacht", find nicht die ersten Wiederholungen in Berlin. Biel-mehr wurde daS Drama zuerst im April und Mai 1904 niit starkemErfolg von der Freien Volksbühne im Metropoltheaterwiederholt und zwar zehnmal aufgeführt.— Kunstchronik. Die Berliner Sezession gedenkt am8. April eine Ausstellung von Gemälden und Plastiken zu eröffnen.Ein neues Werk Max Klingers. Im Sitzungssaaledes Chemnitzer Rathauses wird in nächster Zeit ein neues BildMax KlingerS. ein Koloffalgemälde aufgestellt werden, das eineVerherrlichung der Arbeit darstellt und„Arbeit" genannt ist.Klinger hat an dem Bilde, da» eine Stiftung ist. beinahe ein vollesJahr gearbeitet.