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ttienf, gesprochen werden. Wir sind' nichk In der Lage, Neue Au- träge zu stellen, nachdem wir eben diesen ablehnenden Bescheid er- balten haben. Zum zweiten Teil des Antrages kann ich mich den Ausführungen des Geheimrat Cassel nur in jeder Beziehung an- schließen. Der Antrag mutet uns Unerfüllbares zu. Es ist empfehlenswert, daß der Antrag Cassel zur Annahme gelangt.(Ber- Stadtv. Dr. Liebknecht(Soz.): Ich möchte dem Oberbürger- mcister zurufen:Am Grabe Pflanzt er die Hoffnung aus!" Die lange Leidensgeschichte der bezüglichen Anträge hat er ja selbst vortrefflich dargelegt und die Haltung der Regierung ebenso charakterisiert. Tatsächlich hat in Preußen kein Bürger- das Recht auf Begründung von Matznahmen der Behörden. Ich akzeptiere das Zugeständnis des Oberbürgermeisters in dem Sinne, daß die Sozialdemokratie mit ihrer Art der Bekämpfung der preußischen Bureautratie durchaus recht hat, daß die Unzufriedenheit im preu- tzischen Volke gegenüber der Sorte von Regierung, unter der wir zu leiden haben, nur allzu sehr begründet ist. Die Gründe der Regierung sind ja klar, wenn sie auch keinen Ausdruck gefunden haben. Der Haß gegen den Wasserkopf Berlin ist in der preußischen Verwaltung traditionell; daß Berlin exzeptionell un- günstig behandelt wird, kann also nicht wundernehmen. Gegenüber dem Kollegen Cassel möchte ich betonen, daß gerade für die Ueber- nähme der Sicherheitspolizei in städtische Regie ganz neue Gründe eingetreten sind, da sich herausgestellt hat. daß gerade hier die königliche Polizei ihre Aufgabe absolut nicht erfüllen kann, daß sie sich in schroffem Gegensatz stellt zu den Interessen des Bürgertums, daß sie sich lediglich fühlt als Vollstreckerin der preu- tzischen Staatsräson. Eine Regierung, deren Macht auf dem Drei- klassenwahlshftem, dem Militarismus und dem preußischen Polizei- sqstem aufgebaut ist. ist der ganzen Quelle ihrer Macht nach außer- stände, die Interessen der Bürgerschaft zu vertreten. Miguel hat einst gesagt:Wer die Polizei hat, der hat die Gewalt." Darum hat sich die Sozialdemokratie konsequent bemüht, dieser Staatsgewalt die Polizei aus den Händen zu nehmen, die skrupellos nach dem Willen einer Minderheitsrcgierung geleitet wird. Deshalb erscheint auch unser Antrag durchaus nicht zuweitgehend. Wir würden nie und nimmer unsere Hand bieten, den Oberbürgermeister zu der- anlassen, als Flehender zu der Regierung zu gehen; nach unserem Antrag soll er als Vertreter der Bürgerschaft fordernd, heischend, verlangend, rücksichtslos fußend aus dem Willen der Bürgerschaft auftreten.(Lebhafte Zustimmung hei den Sozialdemokraten.) Wenn der Oberbürgermeister einen solchen Ton dem Mi- nisterium gegenüber nicht anschlägt, so entspricht das ja der Usance dieses Verkehrs, aber wir haben keine Veranlassung, die etwas derberen Allüren, die wir fordern, preiszugeben. Daher ist es durchaus möglich, unseren ersteren Antrag aufrecht zu erhalten. Unsere Gründe für die Wiederholung des Antrages sind ja erst in die Erscheinung getreten, nachdem die Ministerien sich beraten hatten; die Urteile im Moabit - und Weddingprozeß waren ja noch nicht ergangen. Gerade auf den gewichtigen Feststellungen dieser Prozesse fußen wir dabei. Gewiß hat die Polizei dafür zu sorgen, daß Ruhe und Sicherheit auf den Straßen herrscht; aber die Disziplin der Echutzmannfchaft hat mehr zu wünschen übrig gelassen als die der Arbeiterschaft. Wir sind durchaus nicht der Ansicht, daß man Ausschreitungen von Arbeitern gegen Arbeitswillige billigen soll; aber hier hat es sich darum nicht gehandelt, fondern hier hat die Polizei sich nicht als Ruhestifterin, sondern als Ruhestörerin erwiesen und eine alle Grenzen überschreitende Disziplinlosigkeit gezeigt. Gegen unseren zweiten Antrag können die Bedenken des Oberbürgermeisters nicht durchschlagen; wir verlangen nicht, daß der Magistrat sich als Aufsichtsbehörde über die Polizei etabliert, fondern der Magistrat soll durch Vermittelung der kompetenten Aufsichtsorgane das Erforderliche herbeiführen. Aber wir an- erkennen sehr gern, daß der Antrag der Mehrheit einen guten Er- fatz für unseren Antrag bildet; wir ziehen daher diesen Teil unseres Antrages zurück. Wenn auch nicht auf die preußische Staatsregierung, so doch auf die Masse des Volkes wird ein ein- ft immigeS Votum eine gute Wirkung erzielen, nämlich in der Richtung der Aufklärung über die erftere. Nehmen Sie unseren Antrag und den Antrag Cassel an als den schärfsten Protest, als die Brandmarkung der unerträglichen Polizeiherrschaft in Berlin !(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Ter Antrag auf Ausschußberatung wird zurück- gezogen, der Antrag der Sozialdemokraten sub a ab­gelehnt. der Antrag Cassel einstimmig ange- n o m m e n. Auf Grund eines Antrages B r u n z l o w ist in der Ausschuß- Beratung folgender Antrag mit allen gegen 2 Stimmen zur An­nahme gelangt: Den Magistrat zu ersuchen, der Versammlung schleunigst eine Vorlage zwecks Festsetzung einer neuen Baufluchtlinie für die Neue Königstraße vom Alexanderplatz bis zur Greifswalder Straße nach dem neuen Entwurf der Ticfbaudeputation, welcher eine Straßenbreitc von 24 Metern vorsieht, zugehen zu lassen. Der Magistrat hat dem Ersuchen bereits entsprochen und eine Vorlage gemacht, dem dieser Entwurf zugrunde liegt. Die Ver- breiterung nach demselben wird nur 6 400 000 M. Kosten verur­sachen und sich somit billiger stellen als die vorher aufgestellten Projekte. Die Verbreiterung wird vom Alexanderplatz bis zum Ordonnanzhause auf der Südseite, von da bis zum Königstor auf der Nordseite vorgenommen; von den Hausbesitzern auf der unbe- rührt bleibenden Straßenseite sollen Beiträge auf Grund des ß L des Kommunalabgabengesetzes erhoben werden. Die Vorlage wird, nachdem noch Stadtv. Manasse(Soz.) seine Befriedigung über den großzügigen Plan und über die hier ge- triebenc Enkelpolitik ausgesprochen, mit einem Zusatz Brunzlow an g e n o m m e n, wonach auch die Zufahrtstraße von der Lands- bergcr Straße zum Georgenkirchplatz auf 19 Meter verbreitert werden soll. Die beiden Vorlagen, welche die Aufstellung der KSnigS» kolonnaden im ehemaligen Botanischen Garten und dessen Aus- gestoltung betreffen, haben im Ausschuß Annahme gefunden, doch soll der Preis für die an die Adjazenten zum Zweck der Anlegung von Terrassen zu verkaufenden Flächen des Gartengeländes auf 200 M. statt 100 M. pro Quadratmeter festgesetzt werden. Die Versammlung beschließt nach den Ausschuß- antrügen. Die Beratung über den Entwurf eines Ortsstatuts betreffend weitere Einschränkung der Sonntagsarbeit im Kleinhandel beantragt der Referent Stadtv. M o m m s e n(Fr. Fr.) mit Rück- ficht auf die große Zahl der inzwischen noch eingelaufenen Petitionen in den Ausschuß zurückzuverweisen. Stadtv. Hintze(Soz.) hält den Gegenstand für durchaus spruchreif und widerspricht der Verschiebung der Erledigung. Stadtv. Woldschmid«(R. L.) verweist auf einen neuen Antrag, der unmöglich kurzerhand erledigt werden könne. Stadtv. Hoffmann(Soz.): Dann könnte ja die Beratung immer wieder durch einen neuen Antrag unmöglich gemacht werden! Die Mehrheit beschließt die Zuruckverweisung. Mit dem freihändigen Erwerb der Grundstücke Alte Jakob- straße 67 und 68 für 300 000 bezw. 270 000 M. zur Straßenver- breiterung hat sich der niedergesetzte Ausschuß einstimmig cinver- standen erklärt. Die Versammlung genehmigt den Ankauf, nachdem Stadtv. Manasse die ursprünglichen Bedenken bezüglich eines bis 191b laufenden Mietsvertrages als beseitigt erklärt hat. Für den Grunderwerb zur Anlage von Druckrohrleitungen für die östlich der Stadt gelegenen Wasserwerke soll nach dem Vorgang von 1889 eine gemischte Deputation von 4 Stadtverordneten und 8 Stadträten eingesetzt und mit weitgehenden Befugnissen aus- gerüstet werden. Stadtv. Dr. Wehl(Soz.): Wir stehen der Vorlage im allge- meinen sympathisch gegenüber. Mit Eisersucht haben wir darüber gewacht, paß die Versammlung sich ihre Rechte nicht ver- kürzen lasse, hier aber sollen in begrenztem Rahmen einer Deputa- tion gewisse Kompetenzen übertragen werden, deren Vorteil eine schnellere Erledigung der Verhandlungen sein wird. Beim Kauf von Grundstücken ist von großer Bedeutung, daß eine gewisse Ver- schwiegenhcit in Anspruch genommen wird. Wir sind geneigt, auch ohne Ausschußberatung die Vorlage anzunehmen. Die Zusammensetzung der Deputation bitte ich aber dahin zu ändern, daß drei Magistratsmitglieder und sechs Mitglieder der Ver- sammlung die Deputation bilden. Ferner bitten wir, der Ordnung halber, die Voraussetzung, daß alle Verträge vorher von der Wasser- Werksdeputation genehmigt sein müssen, auch ausdrücklich in unseren Beschluß aufzunehmen. Nach kurzer Debatte wird die Vorlage mit diesen beiden An- trägen des Stadtv. Dr. Wehl angenommen. Die Vorlage wegen lebenslänglicher Anstellung der Ma- gistratskanzlisten nach zehnjähriger Dienstzeit als solche geht auf Antrag M o m m s e n an den Ausschuß für die Vorberatung von Verwaltungs reformen. Zu den Vorentwürfen für die Neubauten eineS Personalwohn­gebäudes und eines Apothekengebäudes für das Urbankrankcnhaus fragt Stadw. Dr. Wehl an, wie es mit der besseren Unterbringung des Dienst- und Wartepersonals im Krankenhause Friedrichshain stehe. Die eine Hälfte dieses Personals solle ja jetzt aus den jammervollen feuchten Kellerwohnungen ausquartiert werden; was sei mit der anderen Hälfte beabsichtigt? Stadtrat Selbcrg ist außerstande, darüber schon jetzt etwas Bestimmtes zu erklären. Die Vorlage wird angenommen, Schluß �9 Uhr.__ Gerichts-Zeitung» Eine Anklage wegen Lotterie- und StempelfteuervergehcnS, die die S. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Land- gerichtsdircktors Goebcl zu verhandeln hatte, bot ein weiter- gehendes Interesse dar. Die Anklage richtete sich gegen den In- Haber des Warenhauses Wolf Wertheim und dessen beide Geschäfts- führer, die Kaufleute Alex Mehner und Otto Tüscher. Aus Anlaß der Eröffnung des neuen Geschäftshauses Leipziger Straße 75/76 hatte die Firma W. Wertheim vom 12. September vorigen Jahres eine Zählung der Käufe in ihren drei Geschäften veranstaltet. Jeder Kunde wurde aufgefordert, nach Beendigung seines Einkaufes die Kassenzettel an bestimmte Zählstellen ad- zugeben und als Ausdruck des Dankes für das der Firma be- wiesene Vertrauen erhielten in jedem Hause die Inhaber jedes 100. Kassenzettels bis zum 50 000. ein Geschenk oder einen Gutschein im Werte von 5 M., jedes tausendsten Kassenzettels bis zum millionsten 10 M., jedes zehntausendsten bis zum vierzigtausendsten 50 M. usw. usw., der Inhaber des fünshunderttausendsten Kassen- zettels 500 M. bar, der Inhaber des millionsten Kassenzettels aber 1000 M. in bar. Diese Dankbezeugung an die Kunden der Firma, welche von den Geschäftsführern ins Leben gerufen und von Herrn Wolf Wertheim als dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates gebilligt worden war, hat zur Erhebung der Anklage geführt. Der Staats- anwalt hielt die Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie ohne obrigkeitliche Genehmigung für vorliegend und alle drei Herren für dieses Delikt verantwortlich. Die Erringung des in Aussicht gestellten Geschenkes sei voni Zufall abhängig gewesen, der Einsatz habe in der Zahlung des Kaufpreises für die Waren bestanden und die Käufer hätten in den Kassenzetteln die Lose erhalten, die für sie die Gewinnchancen enthielten. Hiernach beantragte der Staatsanwalt wegen des Lotterievergehens je 1000 M. Geldstrafe; außerdem war er aber der Ansicht, daß sich die drei Angeklägten auch einer Uebertretung des Reichsstempelgesetzes schuldig gemacht haben, und beantragte wegen dieses Delikts eine Geldstrafe von je 38 500 M. Rechtsanwalt Dr. Grünspach bekämpfte die Aus- führungen des Staatsanwalts. Er wies unter anderem darauf hin. daß von einer Mittäterschaft des Herrn Wolf Werthetm gar keine Rede sein könne, da dieser an der Ausführung des von den beiden anderen Herren aufgestellten Planes in reiner Weise tätig beteiligt habe. Ferner sei ein Einsatz gar nicht ge- leistet, sondern die Käufer hätten lediglich den Kaufpreis bezahlt und es sei ihnen damit die Aussicht auf eventuelle Verabreichung eines Geschenkes eröffnet worden. Was das angebliche Stempel- vergehen betrifft, so liege ein besonderes Vergehen nicht vor, sondern eine Tateinheit mit dem Vergehen gegen§ 286 des Straf­ gesetzbuches. Das Gericht sprach zunächst Herrn Wolf Werthrim ohne weiteres frei» da eine maßgebende Beteiligung desselben an den unter Anklage gestellten Delikten nicht vorliege. Im übrigen hielt das Gericht die Tatbestandsmerkmale des sj 286 für gegeben, stimmte der Ansicht des Verteidigers, daß Ideal- konkurrenz mit Stempelvergehen vorliegt, zu und verurteilte die Angeklagten Metzner und Tüscher im ganzen zu je 300 M. Geld- strafe. Ob das Urteil in der Revisionsinstanz aufrecht erhalten werden wird, dürfte recht zweifelhaft sein; die Konstruktion des Begriffes Lotterie ist etwas sehr gekünstelt. Zwangsimpfung betraf ein Prozeß, den der Posamentier Todthagen zu Hepen gegen den Regierungspräsidenten zu Minden in Westfalen führte. T. war wegen Nichtimpfung seiner Tochter bestraft worden. In einem zweiten Strafprozeß gegen ihn wurde er vom Oberlandes- gericht in Hamm freigesprochen, weil eine mehrfache Bestrafung wegen Unterlassung der Impfung nicht zulässig sei. Unter dem 3. April 1910 erließ nun die Polizeiverwaltung an ihn eine Ver- fügung folgenden Inhalts:Auf Grund des§ 132 deL Landes- vcrwaltungsgesetzcs fordern wir Sie auf, Ihre Tochter der Impfung unterziehen zu lassen. Sollten Sie der Anordnung keine Folge leisten, so wird die Ausführung von Polizei wegen auf Ihre Kosten erfolgen und der vorläufig auf 3 M. bestimmte Kosten- betrag von Ihnen eingezogen werden." T. beschwerte sich ver- geblich beim Landrat und beim Regierungspräsidenten in Minden und klagte dann gegen diesen beim Obcrverwaltungsgericht. Er beantragte, die Zwangeversügung aufzuheben. Er machte geltend, daß aus der Entstehungsgeschichte des Jmpfgcsetzcs hervorgehe, daß ein Impfzwang nicht eintreten sollte. Das Oberverwaltungsgericht wie« aber am DienStag die Klage ab und führte aus: Der Impfzwang bei Kindern entspreche der Absicht des Gesetzes. Dann aber könne auch die Polizei- Verwaltung zur Durchführung des Impfzwanges die Zwangsmittel des Z 132 des Landesverwaltungsgesetzes zur Anwendung bringen. Die Verfügung sei berechtigt. Wenn das Oberlandesgcricht Hamm das zweitemal freigesprochen habe, so doch nur, weil eine zweimalige Bestrafung nicht möglich sei. Zur Frage des Impf- Zwanges habe das Oberlandesgericht damit nicht Stellung ae- nommen. Hus aller Äelt. Die explofionshataltrophe in JSTew Die gewaltige Dynamitexplosion im New Forker Hafen hat nach den bisherigen Feststellungen 30MenschendasLeben gekostet, gegen tausend Personenwurden verletzt; jedoch handelt es sich in den meisten Fällen nur um leichtere Verletzungen, die durch Glassplitter und ähnliches hervor- gerufen wurden. Ueber die Ursachen der Katastrophe kann man nur Mut- maßungen aussprechen, da alle Arbeiter des Bootes, in das das Dynamit verladen wurde, bei der Explosion unts Leben gekommen sind. Jedoch ist es sehr wahrscheinlich, daß das Unglück folgendermaßen entstand: Die Leute, die mit dem Aus- laden des Dynamits beschäftigt waren, ließen die 50 Pfund schweren isten eine Jckjiefe Sbege geruntetßlc jtejtj zu deren Seiten andere Arbeiter aufgestellt Karen, um die Kisten zu führen und dadurch ein jäheS und gefährliches Abrutschen zu verhüten. Dabei ist eine Kiste stark ins Rutschen gekommen, der im Boot postierte Arbeiter verlor die Gewalt über die Kiste, die mit hartem Aufschlag gegen die Bootswand sauste und so das Dynamit zur Explosion brachte. Als der Rauch abgezogen war, der auS einer riesigen Feuer- garbc aufstieg, trat das schreckliche Bild der Verwüstung in die Erscheinung. Von dem Boote und seiner aus 11 Mann bestehenden Besatzung war keine Spur zu entdecken. Viele in der Nähe beschäftigte Arbeiter wurden ins Wasser geschleudert, m eh- rere davon sind ertrunken. Der ganze mit Dynamit bc- ladene Waggon wurde 20 Fuß hoch und 50 Fuß weit geschleudert. Alle Boote, alle Bahnzüge in der Nähe der Explosionsstelle wurden gewaltig erschüttert. Auf einigen Schiffen wurden die Masten, auf anderen die Schornsteine abgerissen. Ein in der Nähe der Unglücksstelle verankerter Leichter mit 8 Mann Bc- satzung wurde vollständig zerstört, die Mannschaft getötet. Ein kleiner Schlepper wurde buchstäblich indieLuft geschleudert. Zur Zeit der Explosion trafen in den Fabriken die Arbeiter Anstalten, sich nach Hause zu begeben. Viele Frauen wurden von panikartigem Schrecken erfaßt. Einem Manne, der gerade bar- biert wurde, durchschnitt der Barbier infolge des Schreckens den Hals. Hunderte von Frauen wurden ohnmächtig, viele verletzt. Die Hospitäler der New Jorker Unterstadt sind sämtlich überfüllt. Im Viertel von Wallstreet ergriff Entsetzen die Börsianer. Mit einem Schlag hörte auf der Börse aller Handel und Verkehr auf. Man stürzte auf Wallstreet oder auf den Broadway. Gerüchte liefen, daß einer der Großen der New Jorker Börse von Anarchisten in die Luft gesprengt sei. Im Bankhaus Morgan u. Co. wurden sämtliche Fensterscheiben zertrümmert. Die Geldrollen ünd Banknotenbündel flogen wie vom magischen Stab eines Zauberers gelenkt plötzlich umher. Erstarrt sahen sich die Beamten einander an, um dann alles im Stich zu lassen und sich auf die Straße zu retten. Hier war die Verwirrung noch größer. In wenigen Sekunden drängte eine dichte Menschenmenge hin und her. Die Glassplitter der zertrüm- Merten Fensterscheiben lagen auf den Trottoirs; Verwundete stürz- ten aus den Häusern. Dazwischen heulten die Sirenen der Dampfer vom Hudson und die Dampfspritzen der Feuerwehr ras» selten mit lautem Klingeln daher. Nach den bisherigen Schätzungen beträgt der durch die Explosion angerichtete Schaden etwa 1 Million Dollar. Der tdhwzrze Cod. Die Pestepidemie in C h a r b i n dauert mit ungeschwächter Gewalt fort. Man zählt durchschnittlich 150 Tote pro Tag, davon 40 bis 60 in den Isolierbaracken, die übrigen werden in den Straßen gefunden, wo sie plötzlich hin- fallen und tot sind. Um die Ansteckungsgefahr zu vermindern, werden seit einigen Tagen die Leichname der an der Pest Gestorbenen verbrannt. Das furchtbare Schauspiel ist jetzt täglich zu beobachten. Die Särge werden in 4 Reihen aufgestellt, und zwar aufrecht. Das Ganze wird mit nicht eingesargten Massen von ge­frorenen Leichen bedeckt. Darüber wird P e« troleum gegossen und dann entzündet. Diese Scheiter- Haufen sind einige Meilen von der Stadt entfernt und werden von Truppen bewacht. Trotz der großen Ansteckungsgefahr geben sich die Kulis absolut keine Mühe, irgcndivelche sanitären Vorsichtsmaßregeln bei dem Transport der Leichen anzuwenden. Die für gestern erwarteten Unruhen sind nicht ein- getreten, denn die Massen sind aus Furcht vor Tod. Pest und Hunger völlig deprimiert. Die Gefahr einer Hungersnot wird von Tag zu Tag größer, denn die Chinesen besitzen als einziges Existenzmittel die Arbeit in der russischen Nachbarschaft, von der sie jetzt ausgeschlossen sind. Dr. Graham Ashland von der englischen Gesandtschaft. der sich mit seiner Gemahlin nach Charbin begeben hatte. telegraphiert demHerald", die Heftigkeit, mit der die Seuche austrete, übertreffe jede Vorstellung. Menschen kommen und gehen; sie scheinen noch vollständig gesund, plötzlich steigt ihre Temperatur auf 40 Grad und in zwei oder drei Stunden sind sie tot. Auch aus M u k d e n und verschiedenen anderen Ort- schaften wird gemeldet, daß sich die Zahl der durch die Pest hervorgerufenen Todesfälle erhöht. Der Schmutz in den Häusern und Straßen sowie die völlige In- dolenz der Bevölkerung gegenüber sanitären Maßnahmen er- höht die Gefahr._ Tas Unwetter im Mittelländischen Meere. Wie schon gemeldet, herrschen seit mehreren Tagen im Mittel« m e e r an der spanischen Küste heftige Stürme, die von Regen- güssen begleitet sind. Der gesamte Schiffsverkehr ist lahmgelegt. Die Barceloneser FischerbooteMataro ",CaldetaS",Vilasa" und Consterone", die sich zur Zeit des Sturmes auf dem Meere be- fanden, sind nicht zurückgekehrt. Schlepper find zur Suche nach den vermißten Booten ausgesandt worden. Die Besatzung der bisher im Hafen eingelaufenen Fischerboote erklärt, daß fie nie- mals einen ähnlichen Sturm erlebt hätten. Ein von Vilasar kommendes großes Schiff hat sich in den Hafen von Barcelona geflüchtet. Das Meer hat bereits eine große Anzahl von Leichen an Land gespült. Man glaubt, daß die Zahl der Opfer sehr groß ist, fast in sämtlichen spanischen Hafenorte werden Verluste an Menschen verzeichnet._ Kleine Notizen. Geständiger Mörder. Gestern nachmittag hat sich in Breslau der Mörder des vor längerer Zeit bei Gleiwitz erschossen aufgefundenen Amtsrichters Siebe der Polizei gestellt. Ter Täter ist ein A r t i st, der bei einer Wilddieberei von Siebe überrascht worden ist. Er gibt an, Siebe habe auf ihn ge- schössen, aber nicht getroffen, worauf er einen Schuß abgegeben und Siebe tödlich getroffen habe. Zwei Kinder verbrannt. Auf dem Anwesen des Besitzers Stribcr in Samberg in Bayern kam in der letzten Nacht ein Brand aus. Die beiden Kinder des Besitzers kamen in den Flammen um. Ein erfolgreicher Militärflieger. Der französische Haupt- mann Bellanger hat gestern mit seinem Apparat einen be- merkenswerten Flug ausgeführt. Er war vormittags 8 Uhr 45 Minuten in Vincennes aufgestiegen und landete ohne Unfall um 554 Uhr in der Nähe von Bordeaux , nachdem er in Pontlevoh und in PoitierS Zwischenlandungen vor- genommen hatte. Die durchflogcne Strecke beträgt 5 38 Kilo- meter. Schwerer Unfall bei der italienische» Marine. Bei Uebungen, die im Golf von Genua mit Torpedogeschossen vor« genommen wurden, ging eins der Geschosse vorzeitig los. Drei Unteroffiziere wurden getötet, zwei weitere Personen anscheinend leicht verlcht.