daß weniger ItrtelTe gefällt werden, die dem gesundenVolksempfinden direkt ins Gesicht schlagen.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Volksrichter möchten dochweniger als gelehrte Richter geneigt sind, gerissene Schwindlerlaufen zu lassen.— Für die Belassung der Verbrechen imAmte bei den Schwurgerichten sprechen die allcrgewichtigstenGründe. Gerade, weil die Beamten nur zu leicht indie Meinung verfallen, etwas Besseres zu sein als„untere"Volksschichten, müssen sie, wenn sie das auf sie gesetzte Vertrauentäuschen, der Rechtsprechung der Volksgerichte unterstehen. sSehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.) In einer Zeit wie der unserigen,in der das Schwurgericht sich von so vielen Seiren den heftigstenAngriffen ausgesetzt sieht, ist es doppelt notwendig, allen Ab-bröckelungsversuchen entgegenzutreten. Die Re-gierung hat zu unserer Freude erklärt, dasi sie nicht an die Ab-schaffung der Schwurgerichte denke. Aber das genügt nicht. DieAbbröckelung ist ebenso schlimm wie die brutale Abschaffung.Darum heiht es: den Anfängen widerstehen, die Gelüste zurAbbröckelung zu bekämpfen, wo immer sie auftreten.Darüber hinaus beantragen wir, wie ich hier schon vorweg bemerkenwill, eineErweiterung der schwurgerichtlichen Kompetenz aus Preßvcrgehen.Der Angr'ks ist die beste Wehr und den Bestrebungen auf Be-schränkung, Abbröckelung oder gar Abschaffung der Schwurgerichtetreten wir am wirksamsteu entgegen, wenn wir die Kompetenzder Schwurgerichte ausdehnen. Und ganz sicher ist es,daß die Schwurgerichte, wie mangelhast auch in unseren Augenihre Zusainmensetzung sein mag, immer noch durchweg den ent-schiedenen Vorzug vor den gelehrten Gerichten verdienen.Bei einem Schwurgericht wäre es denn doch wohl kaumvorgekommen, dajj ein Redakteur unserer Partei zu einemJahre Gefängnis verurteilt wäre, weil er daspreu bische DreiklassenhauS beim richtigen Namengenannt hat.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.) AuchSchwurgerichte können Fehlurteile fällen: ich erinnere anjenes Urteil, das vor 16 Jahren, in Essen ge-fällt worden ist.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial-dcmokraten.) Aber die Fehler des Schwurgerichts tilgt man nicht,indem man e« abschafft. Immerhin ist das Schwurgericht, selbstwie es heute ist, die populärste Gerichtsinstitution und wir werdenuns seiner Abbröckelung wie seiner Abschaffung mit allen unserenLkräften widersetzen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.Abg. Dr. Ablas)(Vp.): Ich kann mich den wirklich vorzüglichenAusführungen des Vorredners vollinhaltlich anschliesien. Unser An-trag bezweckt ja sachlich dasselbe, wie der sozialdemokratische An-trag; wir möchten allerdinc>S die Faffung unseres Antrages vorziehen.Mit dem Vorredner sage ich: principiis obsta I laßt unS den An-sängen widerstehen I Wir. die wir daS altgermanischeSchwurgericht, dessen Wiederherstellung in moderner Form eineder wichtigsten Errungenschaften des Liberalismus gewesen ist, unterallen Umständen zu verteidigen und zu erhalten entschlossen sind,wir müssen jedem AbbröckelungSversuch entgegentreten.(LebhafterBeifall links.)BundesratSkommiffar OberlandgerichtSrat Schulze: Mit Rede-Wendungen wie„Abbröckelungsversucbe",„Principiis obsta" usw. kannman diese ernste Frage denn doch nicht lösen. Die Stimmung derFachleute ist entschiedenge gen dieSchwurgerichte; wenndie Regierung nicht entschlossen gewesen wäre, die Schwurgerichte bei-zubehalten, so hätte sie wahrlich nicht mit der Abbröckelung kommenbrauchen, sondern wäre gleich aufs ganze, auf die Abschaffung ge-gangen. Die Regierung will aber die Schwurgerichte beibehaltenund die Einführung des Schöffenprinzips in die Strafkammern istdurchaus nicht gedacht als ein Versuch, daS Geschworenenprinzipzu untergraben. Die Kommissionsbeschlüsse, um deren Aufrecht-erhaltung ich dringend bitte, bedeuten keine Abbröckelung, sonderneine Sanierung der Schwurgerichte.(Lebhafter Beifallrechts.)Abg. Dr. Barenhorst(Rp.): Ich bin ein warmer und entschiedenerFreund der Schwurgenchtei deren Erhaltung ich durchaus wünsche.Wir, die wir die Schwurgerichte zu entlasten, von ungeeigneter Ver-Wendung zu befreien suchen, wir sind die wahren Freunde derSchwurgerichte, denen dagegen Herr Zietsch mit seinen Anträgen imGrunde einen schlechten Dienst erweist.(Lebhafter Beifall rechts.�Mg. Heine(Soz.):Die Regierung und die Mehrheit der Rechten versichern ihreFreundschaft gegen die Schwurgerichte, sie haben sie ebenzum Fressen lieb(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten).Wo herrscht eine besondere Mißstimmung gegen die Schwurgerichte?In den Amts st üben. Aber da hat sie geherrscht von demTage an, wo diese Errungenschaft politischer Freiheit geschaffenwurde. Es ist nicht der geringste Anlaß vorhanden, den Schwur-gerichten Mißtrauen entgegenzubringen. Praktische Juristenwissen, daß die Schwurgerichte von allen Gerichten relativ am bestenfunktionieren. Wo wirklich ein Fehlspruch vorgekommen ist, wiein dem unglückseligen Essener Prozeß vor 1b Jahren, sind dieJuri st en die moralisch Verantwortlichen, die Ge-schworenen hätten nicht einen so fürchterlichen Fehlspruch getan,wenn sie nicht systematisch von den Juristen gerade in unjuristischemSinne bearbeitet worden wären, im Sinne derAufpeitschung der politischen Leidenschaften(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten). Es ist nicht einzusehen,warum die Schwurgerichte nicht über betrügerischen Bankerott undüber die Fälschung einer öffentlichen Urkunde urteilen sollen.Grundsätzlich ist daran festzuhalten, daß den Schwurgerichten nichtsweggenommen wird.Geh. Oberlandesgerichtsrat Schulz: Daß nur Bureaukraten-seelen Gegner der Schwurgerichte sind, ist nicht richtig, auch unterden Professoren und Rechtsanwälten sinden sich solche Gegner.Abg. Wellstein(Z.): In der Kommission hat nur ein einzigesMitglied für die Ersetzung der Schwurgerichte durch die großenSchöffengerichte gestimmt? dort bestand also keine Animosität gegendie Schwurgerichte, und die Anträge der Kommission, bestimmteSachen den Schwurgerichten abzunehmen, entspringen rein fach-lichen Erwägungen.Abg. Bassermann(natl.): Von einer Animosität gegen dieSchwurgerichte kann keine Rede sein, aber man sollte ihnen mög-lichst nur Sachen mit einfachen Tatbeständen überweisen, nicht der-artig komplizierte Sachen, wie betrügerischen Bankerott.Abg. Graf(Wirtsch. Vg.): Ich glaube doch, daß in der Kom-Mission noch mehrere waren, die nicht Freunde des Schwurgerichtssinv, es wollte nur keiner mit bestimmten Anträgenvorangehen(Heiterkeit links). Ich erinnere an den Fehl-spruch des Essener Schwurgerichts; glücklicherweise war es einSchwurgericht, nicht ein gelehrtes Gericht, das den Fehlspruch tat.Freund des Schwurgerichts ist natürlich die Presse, darüberhinaus aber eigentlich niemand(Widerspruch links). Die Schwur-gerichte sind nicht eine altgermanische, sondern eine französischeEinrichtung(Widerspruch links).Abg. Werner(Antis.): Die Urteile der Schwurgerichte ent-sprechendemVolkscmpfinden mehr als die der gelehrtenGerichte. Sollten sie wirklich aus dem Ausland stammen, so würdenwir eben einmal etwas Gute? auS dem Ausland genommen haben.Abg. Dr. Ablaß(Vp.): Den Essener Prozeß kann man dochnicht den Geschworenen allein zur Last legen, wie es Herr Gräftut; die gelehrten Richter waren nicht der Meinung, daß ein Fehl-spruch vorlag, sonst hätten sie den Spruch aufheben müssen. Auchdie Eröffnung des Verfahrens geschah von gelehrtenRichtern, ebenso war der Staatsanwalt ein Jurist.— Die Vor-läge der verbündeten Regierungen enthält eine Einengung derKompetenz der Schwurgerichte, darüber helfen alle JreundschastS-beteuerungen nicht hinweg.Abg. Heine(Soz.):Herr Gräf meint, der Essener Prozeß müßte den Leutendie Lust an den Schwurgerichten nehmen. Der ganze Prozeß isteingerührt von Juristen, und zwar durch den Borsitzeuden in derSiMffachc gegen den Redakteur Markgraff; dieser gehörte zu denJuristen, die nicht Begreifen, daß ein Mann, her Uniform an hak,etwas Unrichtiges aussagen kann. In der Verhandlung gegenSchröder und Genossen waren der Staatsanwaltschaft schon dieewichtigsten Bedenken gegen die Glaubwürdig-eit des Munter bekannt, trotzdem sagte er:„DieGlaubwürdigkeit des Munter ist nicht anzuzweifeln. Wenner selbst einmal einen Pufs zuviel ausgeteilt haben sollte, so kannman ihm das nicht zur Last legen".(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Er beantragte daS Schuldig mit der Begründung:„AuS dem Grundsatz heraus: Prvlclarirr aller Länder, vereinigtEnch! find die Meineide entstanden."In dieser Art hat die Staatsanwaltschaft die Leiden-schaften der Geschworenen ausgestachelt, und auf ihrbleibt eS hängen, wenn diese den Fehlspruch taten.(Sehr ricbtig Ibei den Sozialdemokraten.) Das ist aber nichts Neues, das ist inPreußen Verwaltungspraxis. Als im Jahre 1886 Singer dieTaten des Jhring-Mahlow im Reichstage zur Sprache brachteund das ganze Haus zwischen Entrüstung und Entsetzen schwankte,da erklärte der Minister v. Puttkamer,der Jhring-Mahlow sei ein glaubwürdiger Man»,und bat den Abg. Singer, ihm die Zeugen zu nennen, auf dieer sich berief, damit er sie zur Verantwortung ziehenkönne, und er fügte hinzu, die Untersuchung werdewohl nicht zum Vorteil dieser Gewährsmännerausfallen. DaS ist eben das Puttkamersche Prinzip: Wer gegeneinen Beamten etwas aussagt, ist verdächtig, und gegen ihnwird Anklage erhoben, nicht gegen den angeschuldigten Beamten.Ein solches Verfahren mutz Früchte tragen, und wenn die Ge-schworenen dadurch wirklich irre gemacht werden und in derLeidenschast ein falsches Urteil fällen, so will ich die Verantwortungdafür den einzelnen Geschworenen nicht abnehmen, sie trifft abernicht das Institut, sondern die Juristen, welche von ihrer juristischenGewandtheit und ihrer Fähigkeit zu reden einen geradezu ver-brrcherischen Gebrauch gemach« haben.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)Abg. Zietsch(Soz.):Der RegierunaSkommissar sagte, eine Abbröckelung der Ge-schworenengerichte sei nicht beabsichtigt, sie sollen vielmehr gegenüberdem bisherigen Zustand gefestigt werden, wir sollten nur kein Miß-trauen haben. Dieser Appell wird ungebört an uns vorübergehen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wir haben Mißtrauenund haben es um so mehr, als wir ja wissen, daß eine organisierteBewegung vorhanden ist, die sich nicht nur gegen die Schwur-gerichte richtet, sondern gegen die Zuziehung des Laien-elemenreS überhaupt.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokr.— Der Abg. Gräf hat es so dargestellt, als ob man nur deshalbin der Kommission nicht radikal gegen die Schwurgerichte vor-gegangen sei, weil die Mehrheit nicht reaktionärer scheinen wollte, alsdie Regierung. So steht eS aber denn doch nicht. Bei mehr alseiner Gelegenheit hat die Kommission durchaus kein Bedenken ge-tragen, dir Regiennigsvorlage noch reaktionärer zn verschlimmern.—Bon antisemitischer Seite wendet man gegen die Schwur-gerichte ein, sie seien nur scheinbar eine altgermanischeInstitution, in Wirklichkeit eine Ausgeburt der französischenRevotuiion. Es ist sonderbar, daß dieselben Nrteulschen so garkeine Einwände gegen die durch und durch französischeInstitution der Staatsanwaltschaft erheben.(Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Stadthagen(Soz.):Alle Mängel, die dem Schwurgerichte anbasten, stammen nichtvon der Institution als solcher, sondern hängen zusammen mit demKlassencharakter, den man dem Schwurgerich« gegeben hat. Wo immerbefremdliche Urteile von den Geichworenen gefällt werden, da finddie Urteile eben nicht gefällt worden von Volksrichtern, sondern vonLaienrichtern,die als Klaffenrichter fungierte»(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Ueber den Klassencharakterder Geschworenen, wie er in der Art ihrer Auswahl begründet ist,wird sich bei späterer Gelegenheit noch reden lassen. An dieserStelle möchte ich nur dem Irrtum entgegentreten, daß da» Schwur-gericht keine altgermanische Institution sei. Wenn irgend etwas inder Rechtögeswichte feststeht, so ist eS der urgermanischeCharakter der Schwurgerichte. Im alten Deutschland gabes keine gelehrten Rilbter, das Recht zu finden warSache des Voltes beziehimgsweise vom Volk erwählterRichter. Dagegen möchte ei Herrn Gras interessieren, zu erfahren,daß die von ihm so sehr geliebten Schössen eigentlich he-bräischen Ursprungs sind.(Große Heiterkeit.) Gerade dieBefürworter des Deutschtums in der Rechtspflege sollten für unsereAnträge stimmen.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Gräf(Wirtsch. Bg.j: Ich lehne eS ab, von Herrn Stadt-Hägen Belehrungen über deutsches Recht entgegenzunehmen.— DaSSchwurgericht ist so wenig deutsch wie der Abg. Stadthagen.(Heiterkeit rechts, Lachen links.)Abg. Müller- Iserlohn(Vp.): Ich bin ein aufrichtiger Anhänger der Zuziehung der Laien, ein Freund der Schwur- wie derSchöffengerichte, muß aber mich doch gegen die scharfen Angriffewenden, wie sie von sozialdemokratischer Seite gegen die Berufs-lichter gerichtet werden.Die Diskussion schließt.Präs. Graf Schwerin-Löwitz: Der Abg. Heine hat am Schlußseiner Busführniige» Wendungen gebraucht, die nur so zu verstehensind, daß er den am ersten Essener Prozeß beteiligten Juristen einenverbrecherischen Gebrauch ihrer größeren formalen Bildungusw. vorgeworfen hat. Wegen dieser Aussührungen rufe ich denAbg. Heine zur Ordnung.(Lebhafter Beifall rechts.)Sämtliche AbänderungSanträge werden— gegen Sozialdemo-kraten und Fortschrittler— abgelehnt,§ 78 in der Fassung derKommission angenommen.Nach debaneloser Erledigung einiger weiterer Paragraphen ver-tagt das Haus die Weiterberatung auf Donnerstag 1 Uhr.Schluß 6 Uhr._Mgeorclnetenbaus.22. Sitzung vom Mittwoch, den 8. Februar,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: v. Dallwitz.Tagesordnung: Erste Lesung de« Gesetzentwurf» über denZweckverband Groft-Berltn.Minister v. Dallwitz: Es hat sich als notwendig erwiesen, fürGroß-Berlin einen besonderen Gesetzentwurf borzulegen, weilonst eine Menge Spezialbestimmungen in das allgemeine Gesetzhätten hineingearbeitet werden müssen und weil aus freiwillige Ver-einbarungen zwischen Berlin und seinen Vororten nach den bis-herigen Erfahrungen in nennenswertem Umfange nicht zu rechnenwar. Eine früher geplante weitgehendeEingemeindung von Vororten in Berlinkonnte infolge des Widerspruchs des Magistrats vonBerlin nicht durchgeführt werden. Inzwischen haben sich dieVororte zu leistungsfähigen Gemeinden ausgebildet und es bleibtnur noch der Weg der Bildung eines Zweckverbandes übrig.Natürlich kann dabei nur vorsichtig, tastend und zögerndvorgegangen werden und es können nur solche Ausgaben dem neuenVerbände zugewiesen werden, welche tatsächlich für eine e i n h e i t«liche Verwaltung reif sind und deren Regelung imInteresse der Allgemeinheit liegt. DaS gilt vor allem für daSVerkehrswesen, für die Erhaltung von Wäldern,Parks, Wiesen. Schmuck-, Spiel- und Sport-Plätzen, sowie für die Feststellung einheitlicher Bebau ungs-Pläne. Die Organisation ist im wesentlichen der derProvinzialverbände nachgebildet. Bon einer Knechtung derfreien Selbstverwaltung durch diesen Entwurf, wiein der Presse behauptet worden ist. kann gar keineRede sein. Man müßte denn freie Selbstverwaltung mitkommunalem Egoismus und PartikulariSmuS verwechseln. Ich hoffedaher, daß der Entwurf als geeignete Grundlage für die Beratungangeschen werden wird.(Bravo! rechts.)Abg. v. Brandenstein(k.): Seit einem halben Jahrhundert hatder preußische Staat ohne jeden praktischen Erfolg an der Aufgabe,um die es sich hier handelt, gearbeitet. Es bleibt nunmehr nurder Weg des Zweckverbandes übrig. Daran, daß die K r e i s e alsGanzes beitreten, halten wir fest. Dagegen ließe es sich viel-leicht machen, daß als Vertreter nur Mitglieder von Gemeinden ge-wählt werden können, die nicht soweit von Berlin entfernt sind, daßsie gar kein Interesse mehr an dem Ziveckverband haben. An demDrittel der Stimme n muß ebenfalls festgehalten werden. Bedenkenkann erregen, daß die Berechnung der Vertreterzahl lediglich nachder Einwohnerzahl erfolgen soll. Es muß auch dieSteuerlei st ung irgendwie dabei berückstchngt werden. WeS-halb bei der Aussicht auch der LandwirtschastSministermitwirken soll, ist mir nicht recht verständlich. Für BautendeS ZweckverbandeS sollte als begutachtende Körperschaft eine Sack-ver st ändigenkom Mission resp. ein Beirat im Gesetz fest-gelegt werden. Bedenklich erscheint weiter, daß die Kosten stir Er-Werbung von Wäldern gleichmäßig verteilt werden sollen, weil dieganze Bevölkerung daran interessiert sei. Erstens hat die ärmereBevölkerung daran weit mehr Interesse als die Kreise,die große Teile des JahreZ sich in St. Moritz, m derR i v i e r a usw. aushalten, und schließlich haben doch dieAnwohner der betreffenden Gegend, wo der Wald, Park) Spiel-platz usw. liegt, auch ein großes finanzielles Interesse daran. DerWunsch verschiedener Petitionen, daß die schweren Lasten, welcheeinzelne Gemeinden durch die Volksschulunterhaltunghaben, aus den Verband übernommen werden möchten, scheintuns sehr erwägenswert. Wir machen aber davon unsere Zustimmungzu dem Gesetz nicht abhängig.(Bravo I)Abg. Linz(Z.): Nachdem von einer Eingemeindung der Vor«orte in Berlin nicht mehr die Rede sein kann, ist der Zweckverbandder einzige Weg. Wir sind mit der Vorlage im allgemeinen ein«verstanden.Abg. Keil(natl.) kritisiert einzelne Bestimmungen des Entwurfs.Man sollte nicht die ganzen Kreise in den Zweckverband nehmen,sondern nur die Teile, die wirtschaftlich heute schon mit Berlin zu-sammenhängen. Dem Verbände selbst darf nicht daS Recht gegebenwerden, seine Kompetenzen zu erweitern. Es soll eine schritt«weise Entwickeln ny angebahnt werden. Wir werden in derKommission gern an dem Zustandekommen der Borlage mitarbeiten.(Bravo!)Abg. Cassel(Vp.): ES ist sehr bedauerlich, daß die betroffenenGemeinden nicht vor Einbringung dieser Vorlage gehört worden sind.Daß der Magistrat von Berlin seinerzeit die EingemeindungS-frage etwas lässig behandelt hat, gebe ich zu. Er hatteallerdings dazu gewisse Gründe und eS geht doch auf keinen Fall an,0t die Berliner für die Sünden ihrer Väter büßen zu lassen. Daste wäre heute die Bildung einer Körperschaft wie der Graf-schaft London mit von den Angehörigen des Verbandes zuwählenden Vertretern. Geht dies nicht an, so ist allerdings derZweckverband der einzige Weg. Die Erwerbung eineS Wald-gürtelS um Berlin wäre allerding» durch fteie Vereinbaruno sehrwohl möglich, wenn der FisluS nur angemessene Preisefordern wollte.(Sehr wahr! links.) Die Hast, mit welcher derEntwurf eingebracht ist, läßt den Schluß zu, daß fiskalische Jnter-essen dabei im Vordergrunde stehen. Es gibt im Ministeriumganz geriebene Kaufleute und der Satz'fiseu» nonerubesoit(Der FiskuS errötet nicht) gilt auch heute noch.(Sehrgut! links.) DieBerkehrSkalamität in Groß-Berlinist erst durch beklagenswert« Maßnahmen frühererMinister geschaffen worden, namentlich durch die Kon«zesstonSverlängerung für die Große Berliner Straßenbahn bis ISIShinter dem Rücken der Stadt Berlin durch denMinister v. Thielen.(Hört! hört! links.) Dadurchist die Monopolstellung der Großen Berliner herbeigeführt worden.Und wie kommt der Polizeipräsident von Berlin dazu, den Beginnder Nord-Südbahn abhängig zu machen von der E i n i g u n g m i tT« m p« l h o f I(Sehr wahr links.) Damit handelt da» Polizei«Präsidium allein im Interesse der Gesellschaft, diedas Tempelhofer Feld gekauft hat und ihrerseits ver-tragSmäßig verpflichtet ist, für gute Anschlüsse nach Berlin zu sorgen.(Hört! hört! links.) Den Vorrednern danke ich für ihre objektiveStellungnahme im Interesse Berlins.(Abg. Hoffmann(Soz.):Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!) Gewiß, Herr Hoff-mann, aber ich bin nicht so politisch prasoocupisrt(voreingenommen),daß ich nicht an die Loyalität dieser Erklärungen glauben sollte(Bravo I recht«), wenn ich auch durchaus nicht mit allen«euße-rungen der Herren übereinstimme. Die vorgesehene spätere Ent»schädigung der Gemeinden, deren Eigentum und Rechteauf den Verband übergehen sollen, widerspricht der Bestimmung derVerfassung, wonach das Eigentum unverletzlich ist und nur imdringenden Interesse des öffentlichen Wohl« gegen vorher geietzlichfestgelegte Emichädigung übertragen werden darf. Mit der Ver-tretung Berlins auf der Verbandsversammlung können wirkeinesfalls einverstanden iein. Die zwei Millionen Berlin« tragenzwei Drittel des SteuersollS. Wir verlangen nicht eineden Steuerlasten entsprechende Vertretimg. aber sie muß zummindesten der Einwohnerzahl entsprechend erhöht werden.Die Verschuldung de» ZweckverbandeS wird sehr bald über einehalbe Milliarde, nach zehn Jahren sicher eine ganze Milliarde be-tragen.(Hört! hört! link».) Daher muß Berlin auch der genügendeEinfluß gesichert werden.— Der Gedanke der Uebernahmeder S ch u l l a st e n auf den Zweckverband wird gewißvon den Herren der äußersten Linken aufgenommenwerden, aber ich glaube, die Herren Sozialdemokraten werden eben-ulls nur dann dafür sein, wenn auch in der Tat die Schul-Verwaltung eine einheitliche ist(Sehr richtig I bei denSozialdemokraten.) und wenn e» sich nickt nur darum handelt, daßder Ziveckverband zahlt. Auch im BerbandSauSschuß muß Berlinbesser vertr»ten sein. Wir erwarten, daß der Entwurf so gestaltetwird, daß er den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit nachjeder Richtiiiig hin entspricht.(Bravo I links.)Minister v. Dallwitz geht auf die Geschichte der EingemcmdungS-stage ein und betont, daß der Nachfolger des Ministers Herrfurth nochvier Jahre lang mit dem Berliner Magistrat über die Ein-gemeindungSfrage verhandelt habe, die dann erst gescheitert sei.(Hört! hört! rechtS.) Gegen die Uebernahme der Kreise im ganzenin den Ziveckverband dürften um so weniger Eiiiwendungen zu er-heben se»n. da SO Pcoz. der Einwohner der betreffenden Kreise schonjetzt in den Interessentenkreis von Groß-Berlin gehören.Minister v. Breitcnbach: Der Fiskus brauch! allerdings nicht zuerröten, weil er nur da» Gute will.(Heiterkeit.) Die BroyeBerliner Straßenbahn hat zweifellos Ausgezeichnetes für denBerliner Verkehr geleistet. Hemmend gewirkt hat dabei nur derStreit mit der Stadt Berlin über die Auslegung von Verträgen.Ich begrüße eö, daß der kommend« Zweckverband endlich einenVergleich zwischen Berlin und der Straßenbahnzur Folge gehabt hat.(Hört! hört! rechts.) Es ist zu erwarten,daß die Hoffnungen, die Berlin auf diesen Vergleich setzt, inErfüllung gehen werden, denn ich erkenne an, daßBerlin die große Nährmutterdes Kranzes von Vororten gewesen ist und sein wird.—- Was dieVerlängerung der Konzession an die Große Berliner Straßenbahnbis 1940 anlangt, so lag eine Verpflichtung für denMinister v. Thielen, die Stadt zu benachrichtigennicht vor.(Lebhaftes Oho! links. Zuruf: Moralische Verpflich-tuiig!) Die Verlängerung war unbedingt notwendig, weil die Ge-seUschaft vor der Elektrisierung ihrer Bahnen stand, die nicht durch-zuführen war ohne die Sicherheit, daß das investierte Ka-pital amortisiert wurde.— Auch bei der Rord-Süd»Bahn kann von einer feindliche» Haltung de» Eisen»