Einzelbild herunterladen
 

6c werk rcbaftlicbcB. Der fluch der bösen Cat Die Zentrumschristen sind in letzter Zeit so Iber alles gewohnte Maß hinaus unternehmerfromm geworden, daß es kaum noch überboten werden kann. Während bei der Lohn- bewegung der Ruhrbergleute Unternehmerblätter selbst über die Belebung des Marktes berichten, malen die Organe der zentrumschristlichcn Gewerkvereine grau in grau, um nur ja ihre schnapsblockverpflichteten Mannen abzuhalten, sich der allgemeinen Bewegung anzuschließen. Die Dinge entwickeln aber nun ihre eigene Logik, die den Zentrumschristen noch oft schwer genug zu schaffen machen wird. Der alte Berg- arbeiterverband kann fortwährend von vielen llebertritten aus dem christlichen Gewerkvcrein berichten. Auf der anderen Seite bemühen sich die Unternehmer, von der schoflen Betrieb- samkeit der Zentrumschristen zu profitieren. So berichtet die Unternehmerpresse im Ruhrrevier, daß die gelbe Arbeiter bewegung in der letzten Zeit namentlich unter der Berg arbeiterschaft große Fortschritte mache. Binnen Monatsfrist seien a u f 2V Z e ch e n des Essener Bezirks Werk- vereine gebildet worden und noch zahlreiche Neugründungen seien in die Wege geleitet. Außerordentlich charakteristisch ist der Schluß der Notiz: .Die Leiter der Bewegung rechnen insbesondere auf einen parken Zuzug aus dem Lager des Gewcrkoereins christlicher Berg orbcitcr." Das ist der Fluch der bösen Tat! An sich ist cS ganz naturgemäß, daß die Methode der Christen" die Förderer der Gelben auf den Plan ruft. Wenn schon die christliche Gewerkschaftsbewegung sich wieder auf ihr Ursprungszeugnis als Hemmschuh, als Bollwerk gegen die Sozialdemokratie zurückbesinnen muß, als wichtigsten Daseins zweck, dann auch gleich aufs Ganze ohne Berklausulicrungen. Also vom Zentrumschristentum über die Knechtslitanei der Fachabtnler zum ausgesprochen untcrnehmertreuen Werks knccht l Das ist nun dienationale" Forderung des Tages. Berlin und Umgegend« Der Streik bei der Z�irina Siemens-Schuckert und die Polizei stand auf der Tagesordnung einer öffentlichen Metallarbeiter- Versammlung, die am Mittwoch den großen Saal der Kronen- brauerei in Alt-Moabit füllte. Es handelt sich hier um einen Streik in der Abteilung des Meisters Mathias der Werke in der Franklinstraße, an dem 72 Mann beteiligt sind. Die Arbeits- niederlegung ist die Folge der fortgesetzten Verfolgungen wegen der OrganiiationSzugehörigkeit und der Nötigungsversuche zum Beitritt in den gelben Verein. Dergleichen kommt zwar bei der Firma ziemlich allgemein vor, und man hat ja auch eine Anzahl fetter Pfründen für Obergelbe geschaffen, die die Aufgabe haben, das freie Koalitionsrecht zu vernichten und dafür den gelben Organisationszwang einzuführen; aber nicht in allen Abteilungen werden die freiorganisierten Arbeiter in solch herausfordernder Weise behandelt, wie das in der Abteilung Mathias der Fall war. Man möchte wohl überall so vorgehen. Aber da die Masse der Arbeiter nicht ehrlos genug ist, ihre Ueberzeugung zu ver- kaufen und sich den Gelben sklavisch zu unterwerfen, sieht sich hie Direktion genötigt, freiorganisierte Arbeiter zu dulden, um so mehr, als die gelben Arbeitskräfte oftmals allzuviel Schund- arbeit liefern. In jener Abteilung glaubte man jedoch, die Frei- organisierten entbehren zu können, und gegenüber den tagtäglichen Drangsalierungen und Drohungen mit Entlassung, wenn sie den, gelben Verein nicht beitreten wollten, blieb den Arbeitern schließ- lich kein anderes Mittel als die Arbeitsniederlegung übrig. Wie die Polizei dann, unbelehrt durch die Gerichtsverhandlungen im Moabiter Prozeß, gegen die Streikenden vorging, ist bereits«n Nr. L9 desVorwärts" im gewerkschaftlichen Teil unter dem TitelDie gestörte Amtshandlung" kurz mitgeteilt worden. Der Referent, Verbandsvcrtreter Maus, schilderte diese Vorgänge nun noch etwas ausführlicher. Hatte die Polizei bei den Moabiter Krawallen wenigstens einen Schein von Recht, mit einer gewissen Schärfe vorzugehen, wenn man davon absieht, wie jene Aus- schreitungen provoziert worden sind, so lag für den Schutzmann, der am 3l. Januar den Streikposten der Siemensschen Arbeiter mißhandelte, auch nicht der mindeste Schein der Berechtigung zu dieserAmtshandlung" vor, in der ernicht gestört" sein wollre. Wie ja auch der Polizeileutnant des Reviers, der die HandlungS- weise des'Schutzmanns ohne weiteres verurteilte, anerkennen mußte, haben sich weder die Streikenden noch andere Leute don irgendwelche Ungesetzlichkeiten zuschulden kommen lassen. Es ist aber merkwürdig, welche Ansichten der Leutnant über die Aus- Übung des Koalitionsrechtes dem Referenten gegenüber äußerle, als dieser als Augenzeuge sich um die Feststellung jenes Schutz. mannes bemühte.Ja. sehen Sie." sagte der Leutnant.Streik- Posten sind erlaubt. Aber das Stehen und das Hin- und Her- gehen ist nicht erlaubt." Es wurde ihm geantwortet, daß die Streikposten dann wohl das Fliegen lernen müßten. Der Leutnanl erklärte sich schließlich damit einverstanden, wenn die Streik- Posten, um auch das Ansprechen zu vermeiden, die ihnen noi- wendig scheinende Aufklärung durch Handzettel verbreiteten, wenngleich er dagegen das Bedenken geltend zu machen fuchle, daß die Franklinstraße durch weggeworfene Zettel verunziert werde, was allerdings durch die Massenverteilung von Reklame- zetteln der Geschäftsleute in vielen Stadtteilen in weit höherem Maße geschieht. Der Redner erinnerte auch daran, wie die Spandauer Polizei sich seinerzeit, es war am 13. Januar, bei den Arbeiterausschuß- w-ahlen der Firma Sicmcns-Schuckert und ihrer gelben Garde zur Verfügung stellte mit Spitzeln, die man im Betriebe selbst unter- gebracht hatte. fSiehe Nr. 12 desVorwärts".) Natürlich wird sich die srciorganisierte Arbeiterschaft durch alle gesetzwidrigen Maßnahmen und Schikanen nicht abhalten lassen, von ihren gesetz- lichen Rechten in vollem Umfange Gebrauch zu machen, und die Firma wird sich schließlich trotz aller ihrer Gelben und Ober- gelben veranlaßt sehen, das freie Organisationsrecht der Arbeiter- fchaft anzuerkennen. Daß die Streikenden und daß die organi- sierten Arbeiter in dieser Hinsicht nicht nachgeben, zeigte der ganze Verlauf der Versammlung. Dcutrches Reicht. Eine schlechte Rechtfertigung. DieFreisinnige Zeitung" ist wütend darüber, daß wir in unserer Mittwochsnummer einen Akt von freisinnigem Terrorismus gegen einen Schriftsetzer festnagelten. Das liberale Blatt hat es zwar nicht für notwendig befunden, sich über die Angelegenheit zu informieren, aber es polemisiert doch gegen uns. Es schreibt einfach: Ob die Behauptung wahr ist, entzieht sich unserer Kenntnis.(!) Wäre sie wahr, so steht es einem sozialdemo- kratikchen Blatte am wenigsten an, hier über Terrorismus zu klagen." ZumBeweis" für diese letztere Behauptung wartet die echt Freisinnige Zeitung" mit einer Anzahl Fälschungen auf. So stellt sie wider besseres Wissen fest, daß imVorwärts" seinerzeit sämtliche Redakteure gcmaßregelt und deren Plätze durch arbeitS - willige Streikbrecher besetzt worden seien. Dabei weiß das Blatt, daß es sich bei jenem Konflikt um eine Meinungsverschiedenhelt in der Redaktion selbst handelte, in deren Verfolg nicht alle, sondern sechs der Redakteure kündigten, um durch Stellung der KabinettSsragc eine Zusammensetzung der Redaktion in ihrem 'Lerantw. Redakt.: Richard Barth , Berlin . Jnjcratenteil veranttp.! Sinne zu erzwingen. Daß die verbleibenden Redakteure, gegen welche sich ja der Vorstoß richtete, keine Veranlassung empfanden, auch ihrerseits zu gehen, ist wohl natürlich. Mit den Lohn- und Arbeitsbedingungen derVorwärts"-Redaktion hatte jener Konflikt nicht das mindeste zu tun und den damals Ausgetretenen ist auch aus jenem Anlaß seitens der Partei keine wirtschaftliche Schädi- gung bereitet worden. Auch daraus macht dieFreisinnige Zeitung" der Partei einen Vorwurf, daß seinerzeit der zweite Berliner Wahlkreis forderte,daß die dort(in derVorwärts"-Truckerei) beschäftigten Genossen ihre Mitarbeiter durch geeignete Agitation dahin bringen. daß auch der letzte wie der gewerkschaftlichen so auch der politischen Organisation angehört". Auch daß der sechste Kreis mit anderen Worten dieselbe Forderung erhob, tadelt sie. Ja, soll denn die sozialdemokratische Agitation Halt machen vor den Toren der sozialdemokratischen Betriebe? Das ist natürlich lächerlich. Darum muß eine Deutung dieser Beschlüsse zu Hilfe genommen werden, die von einem Manne herrührt, dessen skrupelloser Haß gegen die Sozialdemokratie ihm alle Mittel recht erscheinen ließ, die irgendwie dazu geeignet erscheinen konnten, die Rexhäuser sche Deutung, daß man imVorwärts"-Betriebe das sozialistische Lied verlange, weil man dort sozialistisches Brot genieße. Daß im Vorwärts"-Betricbe Maßregelungen aus Anlaß jener Maifeier vorgekommen wären, die zu den Beschlüssen des zweiten uno sechsten Kreises führten, behauptet dieFreisinnige Zeitung" nichr, kann es auch nicht behaupten. Aber verdächtigen kann sie, auch ohne irgendwelche tatsächlichen Unterlagen. Es geht ihr da wie mit dem gemaßregelten Danziger Schriftsetzer:Ob die Bc- hauptung wahr ist. entzieht sich unserer Kenntnis." Warum auch lange prüfen! Wenn die betreffende Behauptung der«Frei- sinnigen" nur in den Kram paßt! Ein feines Blatt! Ttreikenbe Hütten leute. Zu einer plötzlichen Arbeits- niederlegung haben sich die Arbeiter des EisenwerksRote Erde"- Tortmund veranlaßt gesehen. Statt bisher zu Schichtlöhnen sollten die Leute in Akkordlöhnen arbeiten, wobei sich am Lohn- tage herausstellte, daß die Arbeiter bis zu 60 Pf. pro Schicht weniger ausgezahlt erhalten hatten als bisher. Da die Leitung des Werkes sich weigerte, den Fehlbetrag zu zahlen, traten die Leme in den Ausstand. Nun heißt es, die Direktion sei bereit, zu ver- handeln. Wie die Christlichen Tarife abschliesten, dafür kann der Transportarbeiter-Berband einen dokumentarischen Beleg liefern. Tarife abzuschließen ist bei Chi istlichen uachgerade zur Marotte geworden,Tarife" werden um jeden Preis abgeschlossen, nur um nach außen hin mit den geweikschafllichen Erfolgen zu paradieren. Der Zentralverband der Transportarbeiter steht mit den Kaisers Kaffeegeschäkten verschiedener Orte im VertragSverhältnis. Natürlich wursteln die Christlichen ihre eigenen Tarife zusammen. Eine Gegenüberstellung zweier solcher Tarife zeigt in eklatanter Weise, wie chi istliche Genügsamkeit und schwächliche gewerkschaftliche Taktik den Arbeitern Scheinerfolge vorspiegeln. Beide Tarife gelten zwar nicht für dasselbe Geschäft und denselben Ort, bei einem Vergleich der Lebensverhältnisse beider Orte fällt der Tarifab'chluß für die Zentrumsgewerkschast noch obendrein ungünstiger aus. Die Christ- lichen schlössen ihren Tarif für Kaisers Kaffeegeschäfte in Viersen und Dülken ab. der TranSportarbeilerverband für Spandau . In Spandau lebt sich's kaum teurer als im Rheinland . Die Löhne find aber in beiden Tarifen i o unterschiedlich, daß sie als für die christlichen Arbeiter sehr schlecht bezeichnet werden müssen. Im Tarife der christlichen Organisation beträgt der Lohn für erwachsene Arbeiter 2.20 M. pro Tag und steigt bis zu 3 M., im Tarife des TranSportarbeiter-Ver- bandeS beträgt der Lohn für dieselbe Arbeiterkaiegorie pro Woche 20 M und steigt bis zu 24,80 M. Und während in der nächsten Kategorie der Höchstlohn im Tarif des ZentrolverbandeS nach fünf Jahren Tätigkeit in der Firma auf 33 M. steigt, bleibt er im christ- lichen Tarif nach 10 Jahren auf 27 M. stehen. Auch die Löhne für Arbeiterinnen stehen im gleichen ungünstigen Verhältnis. Die Löhne im einzelnen hier anzuführen, würde zu weit führen, ein Schluß- Passus ist nur tioch der besonderen Erwähnung wert Im Tarif des Transporlarbeiter-VerbandeS wird ohne jede Einschränkung gesagt, daß Aiispruch auf tarifmäßige Entlohnung sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen haben. Im Tarif des Christlichen Zentralverbandes der Staats-, Gemeinde-, Verkehrs-, Hilss» und sonstiger Industrie- arbeiter heißt eS: Anspruch auf die vorgesehenen Lohnsätze haben nur diejenigen Arbeiter und Arbeiterinnen, die mit keinem geistigen oder lörper- lichen Gebrechen behaftet und auch sonst(I) durchaus vollwertig(I) sind, ferner das 50. Lebensjahr nicht überschritten haben." Die Unfähigkeit, wirtschaftliche Interessen der Arbeiter durch eine gewerkschaftliche Organisation zn vertreten, ist wohl selten so zutage getreten, wie in diesem Falle. Nur jesuitische Augenblendung kann den Mitgliedern hier gewerkschaftliche Erfolge vorgaukeln. Rückzug eineS christlichen Gewerkschaftsbeamten. In einem von ihm gezeichneten Flugblatt hatte der Bezirks- leiter F i e g e vom zentrumSchristlichen Gcwerkverein der Berg- arbeiter die Behauptung aufgestellt, der Genosse R ü ß l e r, Bezirks« leiter des allen BergarbeilerverbandeS in Lünen bei Dortmund . habe sich fremde Gelder angeeignet. Trotz Klageandrohung und -erhebung wurde noch in letzter Zeit von F i e g e in Versainmlunge» erklärt, vor Gericht werde sich schon herausstellen, daß seine An- gaben der Wahrheit entsprächen. Als die Angelegenheit am 7. Februar vor dem Schöffengericht in Dortmund ver- handelt wurde, wollte F i e g e auch zuerst forsch und keckden Wahrheitsbeweis antreten". Aver odschon neun Zeugen aus Dortmund , Bochum , Castrop und Recklinghausen geladen waren und zur Ermittelung der Wahrheit bereitstanden, knickte der christliche Bezirksleiter sofort zusammen, als ihm der Vor« sitzende riet, sich die Sache noch mal erst zu überlegen und die Be- haupiungen lieber zurückzunehmen. F i e g e klammerte sich daran, daß ein von den sogenannte» AnarchoS herausgegebenes Flugblatt dieselben Behauptungen aufgestellt und daß er in gutem Glauben nur nachgeschrieben habe. Rüßlcr teilte mit, daß gleich nach dem Bekanntwerden gegen das Flugblatt der AnarchoS der K'ageweg beschiitten worden sei. ES kam ein Vergleich zustande, wonach R ü ß l e r erklärte(lvaS auch schon oft genug vorher geschehen war), daß die betreffenden Behauptmigen im Flugolatt der AnarchoS univahr find. F i e g e erklärte, daß er die in dem Flugblatt derChristen" aufgestellten Beleidigungen mit Bedauern als unrichtig zurücknimmt und daß er alle gerichtliche» und außergerichtlichen Kosten einschließlich des Anwaltshonorars trägt. Außerdem veranlaßt Fiege, daß binnen einer Woche eine entsprechende Erklärung, deren Wortlaut festgesetzt wird, in drei Blättern des Bezirks veröffentlicht wird. So ist also wieder einmal«ine gegen die verhaßte Sozialdemo- kratie gerichtete Aktion daneben geraten. In der Patsche sitzen nun der zentrumschristliche BezirkSsührer und seine Hintelmäiiner. Erfolgreiche Streiks. Der Streik in der Maschinenfabrik und Eisengießerei Phönix" in Sarau ist beendet. Nach zwellägigem Streit verhandelte die Firma mit den Vertretern deS Metallarbeiter­verbandes und deS Gewerkvereins über die Beilegung des Streiks. Tie Firma bessert die Löhne des größten Teils der Ar- beiter auf. will Einstellungslöhne einführen, auch sollen die übrigen Wünsche der Arbeiter erfüllt werden. D-'.e Sperre über den Be- trieb ist hiermit aufgehoben. Ter Streik in der Landwirtschaftlichen Maschinenfabrik N i e b a u m u. G u t e n b e r g in Herford i. W. ist nach löwöchiger Dauer für die Arbeiter erfolgreich beendet. Es tritt eine sokortlge Lohnerhöhung um 2 Pf. pro Stunde iür alle Arbeiter c:n; durch entsprechende Mehrleistung vcn Maschinenarbeit und Verarbeitung des Holzes soll der Verdienst der Akkordarbciter erbeblich gesteigert werden. Die in der Arbeitsordnung vor- TH. Glitte, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagsanstalV gesehenen Strafen sind zum Teil ganz keseitigt oder kedeukenb herabgesetzt. Heber die Verkürzung der Arbeitszeit wird mit dem Arbeiterausschuß weiter verhandelt; es besteht Aussicht, bald zu einer Verständigung zu kommen. Die Arbeit wurde bereits wieder aufgenommen._ Soziales* AuS der Arbeiter-Antialkoholbeweguns. Man befindet sich kaum noch im Zweifel darüber, daß die Regierung sich bei der Zustimmung zur Beibehaltung der L.ebes- gäbe, wie überhaupt zur neuen Bmnnlivcinsteucr weniger von ver- nünitigen Erwägungen leiten ließ, die vor allem die Volkswohlfahrt nach der wirtschaftlichen, sittlichen und kriminellen Seite hin im Auge hatte, als sich einfach dem Diktat der Agrarier unterwarf, die den Mund nicht voll genug kriegen konnten. Daß die Liebesgabe einfach ein Hohn aus die moderne Kultur, ein Hohn auf da? staatliche Wirtschaftsleben ist. wäre durch nichts einfacher zu erweisen, als den Hinweis darauf, daß dieie Liebesgabe se>t 1860 die beträchtliche Höhe von rund 1050 Millionen Mark erreicht hat. Eine Summe, die man für nichts und wieder nichts den Agrariern in den Racken geworfen. Man braucht nickt lange zu rechnen, um herauszufinden, daß. wären dieie Millionen dem Reiche zugute gekommen, da dies mit ZiuS und ZinseSzins etwa 1,6 Millionen Mark ausmacht das Reich heute 1600 Millionen Mark weniger Schulden haben würde, also auch jährlich 56 Millionen Mark weniger Zinsen auszubringen hälre. So lange aber der blauschwarze Block am Ruder ist, kann nicht daran gedacht werden, seine Wirksamkeit auf diesem Gebiete der krassester Unkultur zu brechen. Aber in dem Schnapsboykott besitzt das Proletariat eine Waffe, die sich nach Ausweis der Statistik immer schärfer fühlbar zu machen beginnt. Die Produktion von Alkohol ist andauernd seit den ersten Ausrufen zur Meidung des Junkerfusels zurückgegangen. Ist und bleibt in erster Linie bei der Durchführung deS Kampfes gegen den Fuselkonsum das beste Mittel stets die wirtschaftliche Hebimg deS Proletariats, fo wird der deutsche Arbeiter andererseits in diesem Kampfe doch auch bestärkt durch daS ermunternde Beispiel der Genossen in außer« deutschen Ländern. Speziell in Oesterreich hat die Antialkohol- bewegung im weiteren, die Bewegung gegen den Fusel im engeren Sinne eine so beachtliche Ausdehnung gewonnen, daß sie neben der deutschen wohl die beträchtlichsten Resultate in der internationalen Antialkoholbewegung gezeitigt hat. In Oesterreich , das zugleich die Wiege der proletarischen Bewegung gegen den SchnapSvcrbrauch bildet, die Wiener ZeitschriftDer Abstinent" war jahrelang das Organ der Arbeirerabslinenten von Deutschland , Oesterreich und der Schweiz ist die Bewegung vor allem dadurch kräftiger und selbst« ständiger geworden, daß man neben den poliftschen Gründen die ge« werkschaftliche Unterstützung dieser Bestrebungen wirksam werden ließ. Maßgebend für das Vorgehen der österreichischen Genossen war die Resolution des letzten österreichischen GewerkschaflSkongi esses. in der zum Ausdruck gelangte,der Kongreß erblicke im Alkoholismus einen schweren Schädiger der physischen und geistigen Kampffähigkeit der Arbeiterklasse und einen mächtigen Hemmschuh aller organisato« rischen Bestrebungen". Sie erklärte fernerals einen ersten wich- tigen Schritt in diesem Kampfe die Abschaffung des Trinkzwanges bei allen Zusammenkünften von Organisationen". Diese gewerk- schaftliche Bewegung hat in der letzten Zeit bedeutend an Umfang gewonnen besonders dadurch, daß mehrere Fachkongresse ähnliche Entschließungen faßten. Nicht minder günstig stehen die Dinge in Italien . Die dort bestehendeFedcrazione antialcoolista Jta- liana" hat erst nennenswerte Erfolge ihrer Bemühungen zu er» zielen vermocht, seitdem die sozialistische Partei Italiens ihre Be- strebungen zu der ihrigen machte, und nun den Kamps aus diesem Gebiete der Volkswohlfahrt und Volkswirtschaft systematisch be» trieb. Führer der antialkoholistischen Bewegung sind die bekannte- sten Sozialisten, die Abgeordneten Turati, der Herausgeber der namhaften HalbmonatsschriftCritica sociale ", der Leiter deS Avant!", TreveS, ferner Cabrini, Beltrami und Zerboglio. Wirk- fam wird hier der Kampf gegen den Fusel insbesondere durch den im Interesse dieses Kampfes erfolgten Zusammenschluß der sozio- listischen mit der Genossenschaftsbewegung, die in Italien der erste- ren ziemlich nahesteht. Die Segnungen, die dieses gemeinsame Vorgehen der internationalen sozialistischen Gruppen gegen die Fuselseuche im Gefolge hatte, liegen überall klar zutage. ES ist durchaus nicht zuviel behauptet, daß die wirkliche und einzige er» folgversprechende Organisation gegen den Alkohol heute in der Hand der sozialistischen Parteien liegt, die für die Verbreitung wahrer Kultur eintreten. Wo wären wir auf kulturellem Gebiete wohl geblieben, wenn wir machtlos der Führerschaft jener Parteien überlassen geblieben wären, die marktschreierisch für Wahrheit, Freiheit und Gesittung usw. und daneben für die Verewigung der Liebesgabe eintreten? Die Steuerverweigernng durch Schnaps- boykott ist eine Waffe, die gelchmiedet zu haben ein Verdienst des Leipziger Parteitages ist. Sie noch energischer als bislang anzu« wenden liegt im Interesse der Bekämpfung der Junker. Hetzte ftachricfitem Zwei Aviatiker getötet. Douch, 9. Februar. (W. T. B.) Als die Flieger Noel und de la Torre heute nach einem einstündigen Flug im Gleitflug mit ihrer Flugmaschine niedergingen, stürzte der Apparat aus einer Höhe von 89 Meter» plötzlich zu Boden und begrub beide Flieger unter sich. Beide Flieger waren sofort tot._ ly2 Millionen Frank Defizit bei der Brüsseler Weltausstellung. Brüssel, 9. Februar. (W. T. B.) DaS finanzielle Er- gebnis der Weltausstellung ist ein Defizit von 1445 600 Frank. Hiervon hat die Regierung eine Million, den Rest das AnSstellungs- komitre zu tragen. Pestbcfürchtnngen in Rumänien . Bukarest , 9. Februar. (B. H. ) Ein telegraphischcr Bericht der rumänischen Gesellschaft in Konstantinopcl meldet, daß die Best aus der Mandschurer bereits nach dem europäischen Ruhland vor- gedrungen und in den letzten Tagen im Gouvernement Astrachan vier Pestfalle, die sämtlich einen tödlichen Verlauf genommen haben, amtlich konstatiert worden sind. Die Meldung hat in hiesigen Re- gierungSkreisen große Aufregung hervorgerufen, da Befürchtungen bestehen, daß die Seuche nach Südrußland eingeschleppt wird, mit dem Iiumänien einen starken Verkehr unterhält. Die Re- gierung ist entschlossen, angesichts der drohenden Pestgefahr ohne Verzug die strengsten Ouarantäncmahrcgcln zu verfügen. 32 Grad Kälte i» der Türkei . Konstantinopcl, 9. Februar. In Anatolien herrscht grimmige Kälte. In Vilajet Kastamuni ist die Temperatur bis auf 32 Grap unter Null gesunken. Der Euphrat ist zugefroren. Die Pest in Charbin . Charbin , 9. Februar(W. T. B.) Gestern sind dreifiig Chinesen und ein Europäer an der Pest gestorben. Tokio , 9. Februar. (W. T. V.) Nach dem Bericht des nissischcu Konsuls in D a i r c n ist dort die Prst erloschen. Wie verlautet, ist iu Wi-dschu unter den Koreanern die Pest ausgebrochen._ Kaul Singer a Co.. Berlin L�V. Hierzu 2 Beilage««.Uuterhaltungsbl.