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zu berurteilen.

Der Verteidiger trat für das Mindestmaß ein.

Das Urteil des Gerichts lautete gegen beide Angeklagte auf je 6 Monate Gefängnis. Die Anrechnung der Untersuchungshaft, die . erlitten hat, wurde abgelehnt.

Ein Dampferunglüd.

trogiges Mein". Dann aber tam ble Thronrede mit der Ankündigung| flagten, mit der Maßgabe, daß hinsichtlich des Angeklagten S. nicht Mitteilung dieser Tatsache genüge. Bu berücksichtigen sei auch, daß einer Wahlreform als eine der bringendsten Fragen der Gegenwart. nachgewiesen sei, daß er Gewalttätigkeiten verübt habe. das Gedicht in einer billigen, der breiten Masse des Volkes zu Und mag man das anscheinend oben" auch wieder vergessen haben, beststrafmaß von drei Monaten für einfachen Landfriedensbruch lichung anders zu beurteilen, als etwa bei einer Gedichtsammlung Der Staatsanwalt beantragte sodann, erheblich über das Min- gänglichen Zeitung veröffentlicht worden sei. Da sei die Veröffent die Wahlrechtsfrage bleibt lebendig, fie verschwindet nicht eher von hinauszugehen und beide Angeklagte zu je 7 Monaten Gefängnis für Leute, die zwischen Unzüchtigem und Künstlerischem unter der Tagesordnung, bis sie befriedigend gelöst worden ist. Reine scheiden können. Bei Wels habe im Hinblid auf seinen Bildungs­Bergeßlichkeit, fein Junkertrog fann das verhindern! Und so wird es grad das Gericht annehmen müssen, daß er das Gedicht als un auch mit dem Frauenwahlrecht kommen. Aufgabe des weiblichen züchtig erkannt habe. Proletariats ist es, durch eine die Aufmerksamkeit der ganzen Welt erregende Demonstration die Deffentlichkeit mit der Frage zu be­schäftigen und gleichzeitig den herrschenden Gewalten zu zeigen, daß eine Riesenschar felbstbewußter Frauen hinter der Forderung fteht. Die Diskussion, von den Gegnern aufgenommen, wirft wider den Willen der Reaktionäre propagandistisch. Ist es soweit, dann wird man bersuchen, durch kleine Konzessionen den Wahlrechtssturm zu be­schwören. Die Zeit des Harrens ist vorbei! Nun muß Sturm ge­läutet werden. Am 19. März soll es beginnen und nicht eher gibt es Ruhe im Lande, bis Mann und Weib die gleichen, bollen Staatsbürgerrechte erobert haben.

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Bersammlungen Veranstaltungen. Verein für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse. Mittwoch, den 15. Februar, Uhr, im Englischen Garten, Alexander­straße 27c. Generalversammlung. Mitgliedsbuch legitimiert. Bohnsdorf  . Sonntag, den 12. Februar, nachmittags 4 Uhr, im Lokale von Mentel: Deffentliche Frauenversamm Iung. Bortrag. Stadtverordneter Dr. med. 8 adet über Frauenfrankheiten, deren Ursachen und Verhütung".

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Gerichts- Zeitung.

Bei der Begründung des auffallend hohen Strafmaßes wurde böllig unberüdsichtigt gelassen, welche gefährlichen Werkzeuge die Altmannschen Streifbrecher sich zugelegt hatten.

Die unzüchtige Beichte".

Die Schredensszene, die sich am zweiten Pfingstfeiertage v. J. auf einem Sabeldampfer in der Nähe von Spandau   abspielte, unter­Tag gestern der Nachprüfung des Gerichts. Unter der Anklage der fahrlässigen Tötung hatte sich der Schiffsführer Wilhelm Schulze  und der Steuermann Karl Scherwig vor der 3. Straffammer des Landgerichts III   unter Vorsiz des Landgerichtsrats Hollervorden Weil Staatsantvälte ein allzu empfindliches Schamgefühl zuberantworten. Der Dampfer Leopold von Rante" tam am haben, mußte gestern vor dem Landgericht I( Straffammer 10, 16. Mai, abends in der zehnten Stunde, mit Fahrgästen dicht be­unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Crüger) unser Genoffe fett, von Potsdam   die Havel   herauf. Der Dampfer mußte die in Otto Wels   sich wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift" ver- ber Nähe des Spandauer   Güterbahnhofs befindliche Drehbrüde antworten. Er hatte als Redakteur des Monatsblattes Die passieren. Den Dampfern wird durch Signale angezeigt, ob die Fadel" in der Dezembernummer bon 1910 ein Gedicht Die Beichte" Brücke offen oder geschlossen ist. An jenem Abend herrschte ein beröffentlicht, das über eines Mädchens Erlebnisse im Beichtstuhl startes Gewitter und die Signale waren wohl nicht erkennbar. Der berichtet. Schiffsführer war in die Kajüte hinabgegangen, um Fahrgeld zu Irgendwo und irgendwann wurde, so behauptet das Gedicht, kassieren und hatte während dieser Beschäftigung die Leitung des in einem Kloster zum heiligen Benedikt" einem Pater Augustin Dampfers dem Steuermann überlassen. Dieser glaubte, daß die von einem Schönlieschen gebeichtet, was sie mit dem Müllerfranz Passage bei der Drehbrücke frei sei, er hatte sich aber darin getäuscht gesündigt hatte. Was weiter geschah, ist in dem Gedicht nur ange- und als der Dampfer durch die Brücke hindurch fahren wollte, deutet. Aber schon das genügte der Staatsanwaltschaft, das Ge- rannte er sich fest, der Schornstein wurde eingedrückt und unter bicht für unsüchtig zu halten und Anllage gegen Wels zu erheben. Iautem 3ischen strömte der Dampf heraus. Nun bemächtigte sich Vor Gericht erklärte der Angeklagte, er habe Die Beichte" der Passagiere eine furchtbare Panit. Es entwickelte sich eine einer bürgerlichen Freidenkerzeitung entnommen. Für unsüchtig Szene der allgemeinsten Verwirrung und des Schredens. Alles habe er das Gedicht nicht gehalten, höchstens habe er jetzt bei ge- rannte an Bord hin und her, es ertönten Angstrufe auf allen nauerem Zusehen es als literarisch unbedeutend erkannt. Die Seiten, man stieß und drängte sich und verschiedene Passagiere Fadel" sei übrigens eine Zeitschrift, die aur politische Artikel wollten sich aus einer gar nicht vorhandenen Gefahr retten und bringt. Da habe er gewiß kein Verlangen danach, dem Sinnentigel sprangen über Bord ins Wasser. Die ins Wasser gesprungenen zu dienen. Das werde sich sofort ergeben, wenn das Gericht die Personen wurden durch Schiffer gerettet bis auf ein junges Mäd letzten Jahrgänge des Blattes durchsehen wolle. Wels hatte einige chen, die 18jährige Tochter bes Bureauvorstehers Wiehe   aus Char­ lottenburg  . Diese hatte mit zwei Freundinnen den Pfingstausflug Jahrgänge mitgebracht und bot lieberreichung an. auf dem Dampfer mitgemacht und als der Anprall an der Dreh­brüde fich ereignete, war auch sie auf ihre Rettung bedacht; sie lettern, aber da in diesem Falle die Männer rüdsichtslos bräng­suchte dicht am Bordrand nach dem Borderteil des Schiffes zu ten und die Frauen zurückschoben, so stürzte Frl. Wiehe über Bord Die Anklagebehörde machte auf Grund und ist leider ertrunken. der angestellten Untersuchung die beiden Angeklagten für den Un­glüdsfall verantwortlich. Dem Angeklagten Schulze wurde vor­geworfen, daß er unter so schwierigen Begleitumständen, wo der Ausblick durch viele aufgespannte Regenschirme behindert war, an einer doch immerhin nicht ungefährlichen Passage die Steuerung des Schiffes dem jugendlichen und nicht genügend erfahrenen zweiten Angeklagten überlassen habe. Herwig joll durch ungenü­gende Aufmerksamkeit die Katastrophe verursacht haben. Das Gericht tam zu einer Freisprechung des Angeklagten Schulze, ver­urteilte aber den Scherwig zu 6 Wochen Gefängnis.

Wegen Landfriedensbruch  waren die Arbeiter Behrend und Härich angeklagt und standen gestern vor dem Schwurgericht III in der Turmstraße. Die Anklage steht im Zusammenhang mit dem Streit der Leitergerüstbauer der Firma Leo Altmann in Charlottenburg  , der vom 12. April bis Die Beweisaufnahme beschränkte sich auf Verlesung des Ge­7. Mai vorigen Jahres währte. Am Vormittag des 4. Mai, als dichtes und Bernehmung des vom Verteidiger geladenen Schrift. im Boltshause eine Versammlung der Streikenden stattfinden sollte, Beichte" feine im Sinne des Gesetzes unzüchtige Schrift ift." Der stellers Dr. Ludwig Fulda   als Sachverständigen darüber, daß" Die hatte sich an der Ecke der Rosinen- und Berliner Straße um einen Gerüstwagen von Altmann, wie die Anklage behauptet, eine Bu- Borsigende meinte zunächst, zur Beurteilung dieser Frage bedürfe sammenrottung von Menschen gebildet, aus der heraus Gewalt- das Gericht keines besonderen Sachverständigen, aber auf Antrag tätigkeiten begangen worden sein sollen. Der Angeklagte B. soll da- des Verteidigers wurde dann die Vernehmung beschlossen. bei das rechte Pferd des Wagens abgesträngt und den arbeitsgemeiner Dr. Fulda führte aus: Nach meiner Auffassung und auch nach willigen Kutscher Garyczarkowski bedroht haben mit den Worten: gemeiner literarischer Auffassung ist das Gedicht als unzüchtig im Sinne des Gesezes nicht zu betrachten. Es ist tein Kunstwert und Willst Du runter vom Bod." Diese Worte, wie überhaupt jegliche hat nicht die fede Grazie ober den satirischen Mutwillen, der solche Bedrohung des Rutschers, bestreitet der Angeklagte: Als er an den Wagen tam, sei der Kutscher bereits fort gewesen. Daß er den Stoffe erst genießbar machen kann. Aber unzüchtig ist nur, was das Schamgefühl Erwachsener verlegt oder erotische Instinkte an­rechten Strang des Pferdes gelöst hat, gibt der Angeklagte zu, und reist. Beides liege nicht vor. Wenn schon die bloße Erwähnung behauptet, dies deswegen getan zu haben, um ein führerloses Da- eines sexuellen Vorganges strafbar sein soll, so müßten viele Werke vonfahren des Wagen zu verhindern. Im selben Augenblick, wie er ber Literatur inkriminiert werden, vieles von Wieland 3. B., auch den Strang löfte, ist er verhaftet worden. Dem Angeklagten H. wird von Goethe, sogar aus der Bibel. Eine unzüchtige Tendenz des zur Last gelegt, daß er im Zusammenhang mit der Zusammen. Gedichtes ist auch insofern ausgeschlossen, weil eine andere Tendenz rottung ben genannten Rutscher mißhandelt habe. Er selbst be ziemlich klar daraus spricht, nämlich die antiklerikale. Das Gedicht streitet dies entschieden. Der Kutscher ist geschlagen worden auf ist aber nicht als religionsverlegend inkriminiert. Wenn etwa dem vierten Treppenflur eines Hauses in der Berliner Straße, in bas infriminiert werden soll, daß hier Kirchliches und Unzüchtiges das er geflüchtet war. Er ist nicht irgendwie ernstlich verlegt zusammengestellt sei, so muß man darauf hinweisen, daß die ganze worden, sondern hat in der Hauptsache nur etwas Rasenbluten Weltliteratur gerade von diesem Stoff erfüllt ist. Ich erinnere an dabongetragen. Der Angeklagte S. will aus Neugierde in das Haus Boccaccio, an die Tatsache, daß den klassischen italienischen No­gelaufen sein, nachdem schon andere Leute dem Kutscher dorthin vellisten die sündigen Streiche der Mönche und Priester ein Lieb­gefolgt waren.§. iſt, wie er behauptet, nur bis zum zweiten Stocklingsthema waren. Uebrigens wird auch in Lessings" Eremit". nachgekommen, wo er von dem Polizeileutnant Schönian festgeber in jeder Leffingausgabe zu finden ist, ein ganz ähnlicher Vor­Der Leutnant sagt als Beuge aus, daß, als er den H. und noch gang geschildert, wie in der Beichte". Auf die Bemerkung des Verteidigers, daß die Tatsache des einen anderen Mann, der jedoch wieder entkommen ist, festnahm, Geschlechtsverkehrs mit fürzeren Worten, als es in dem Gedicht schon zwei Leute an ihm vorbei aus dem Hause gelaufen waren. geschieht, kaum registriert werden konnte, antwortete Dr. Fulba: Von dem Schlagen, das ja im vierten Stockwerk vor sich gegangen a, ich sehe darin sogar einen künstlerischen Mangel, daß ganz ohne war, hat der Zeuge nichts gesehen, und ebensowenig irgendein Bhantasie nur diese Tatsache festgestellt ist. anderer Zeuge, mit Ausnahme des geschlagenen Kutschers selbst. Der Staatsanwalt Friedensdorf hielt im Gegensatz zu dem Dieser hatte bei seiner ersten Vernehmung im Polizeipräsidium Sachverständigen das Gedicht doch für unzüchtig im Sinne des Ge­zu Charlottenburg ausgesagt, daß er von beiden Angeklagten ge- feges. Die Frage, ob es geeignet ist, das Schamgefühl eines et schlagen worden sei, bei seiner zweiten Wernehmung jedoch erklärt, wachfenen Durchschnittsmenschen gröblich zu verlegen, ist( so führte daß der Angeklagte B. nicht dabei war. Es wird dann auch durch er aus) zu bejahen. Es handelt sich nicht um bloße Schilderung des weitere Beugenbernehmungen wie durch die Aussagen des Reut- Beischlafes, sondern um Berbindung einer firchlichen Handlung mit nants zweifellos festgestellt, daß B. schon verhaftet war, als sich diesem, und eben das ist geeignet, das Schamgefühl zu verleken. Die Vorgänge in jenem Hauſe abspielten. Das Landgericht Halle hat fürzlich auch Werke Boccaccios für un­süchtig erklärt. Die Beichte" ist objektiv unzüchtig, fie mußte aber auch subjektiv von dem Angeklagten als ungüchtig empfunden werben. Er hat borsäglich gehandelt in dem Bewußtsein, daß das Gedicht unzüchtig ist, darum ist er zu bestrafen. Dabei ist zu be rücksichtigen, daß die betreffende Nummer der" Fackel" systematisch bei den bevorstehenden Kaufmannsgerichtswahlen agitiert der Zen­Daß der Angeklagte B. gerufen habe: Gehst Du runter vom fich fast in allen Artikeln mit der Religion beschäftigt und sie herab. tralverband der Handlungsgehilfen mit großem Wagen," tann keiner der Zeugen bestimmt behaupten, auch der Bezieht und das Priesteramt zu beschimpfen sucht. Eine Geldstrafe Gifer. Am Mittwochabend fand eine öffentliche Versammlung von gleiter des Kutschers, der Arbeitswillige Mag Baumgart, nicht. träfe nicht den Angeklagten, er beantrage 2 Wochen Gefängnis Handlungsgehilfen in den Arminhallen" statt, die so überfüllt Den Ruf hat er wohl gehört, aber er weiß nicht, von wem. Im sowie Unbrauchbarmachung der Exemplare, Platten usw. übrigen will dieser Zeuge von dem Wagen aus gesehen haben, daß H. dicht hinter dem Stutscher ins Haus gelaufen fei, obwohl das Haus an der anderen Seite der Berliner Straße, also die ganze Straßenbreite mit ihren Bürgersteigen, Fahrdamm und Mittel­promenade sowie zum Teil auch Borgärten dazwischen liegt.

nommen wurde.

Der arbeitswillige Stutscher blieb im Termin zunächst dabei, daß es H. gewesen sei, der ihn schlug. Auf Befragen durch den Ver­teidiger Rechtsanwalt Kurt Rosenfeld   wird er jedoch sehr schwankend und meint schließlich, es sei ein Mann gewesen, der so ausgesehen habe, wie der Angeklagte.

Ueber die zusammengerottete" Menschenmenge gehen die An­fichten der Zeugen sehr auseinander; der Leutnant schäßt ihre Zahl auf 150, die anderen Beugen meinen, es feien 30, 50 oder 70 Men­schen gewesen. Daß irgendwelche Verabredung oder Gemeinsamkeit des Handelns oder Wollens bei der Menge vorhanden gewesen sei, tann in feiner Weise durch die Vernehmungen glaubhaft gemacht werden. Der Verteidiger legt eine Anzahl von Instrumenten

bor  , mit denen die

Altmannschen Streifbrecher bewaffnet waren: einen mit Draht umwundenen diden Strid, an einem Ende mit einer großen Schraubenmutter versehen, ein Stück dicken Draht­feils, das an einem Ende mit Hanf umwunden ist, und einen schweren Schraubenschlüffel, und ersucht um Vernehmung des Re­staurateurs Fischer aus Wilmersdorf  , der diese gefährlichen Wert zeuge den Streitbrechern abgenommen hat. Das Gericht lehnt jedoch die Bernehmung dieses Zeugen ab mit der Begründung, daß es gerichtsbekannt sei, daß die Streitbrecher sich zu bewaffnen pflegen. Der Verteidiger wünscht ferner festgestellt zu wiffen, daß gegen die Altmannschen Streitbrecher oder Arbeitswilligen, wie fie der Vorsitzende, Landgerichtsrat Liebenow, genannt wiffen will auch ein Verfahren wegen Landfriedensbruch   schwebt. Das Gericht legt jedoch auf diese Feststellung keinen Wert. Der Staatsanwalt Aschel ersucht die Geschworenen, die Schuld­frage auf Landfriedensbruch zu bejahen. Es genüge, wenn die An getlagten sich sagen konnten, daß von der Menge Gewalttätigkeiten begangen werden könnten. Bei dem Angeklagten H. müsse überdies auch angenommen werden, daß er Gewalttätigkeiten verübt, also schweren Landfriedensbruch begangen habe.

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Der Entmündigungsprozeß Wahl vor dem Kammergericht. In der vielerorterten Angelegenheit des Ingenieurs und Direk tors a. D. Wahl, der am 27. November 1910 aus der Privatirren­anstalt des Dr. Weiler in Westend   geflohen war, hatte Rechtsanw. Dr. Ehrenfried als sein Prozeßbevollmächtigter beim Land­gericht III in Charlottenburg   den Antrag gestellt, schon vor Erlaz bes Endurteils über die Aufhebung der Entmündigung einstweilige Verfügungen zum Schuße der Person und des Vermögens des Klägers zu erlassen. Diesen Antrag hatte das Landgericht III als gefeßlich unzulässig zurückgewiesen. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Kammergericht gestern nach zwei­stündiger Verhandlung folgendes Urteil gefällt: 1. Dem Vormund wird verboten, den Kläger   in der Wahl seines Aufenthaltes zu beschränken; 2. Der Kläger   ist frei in der Wahl seines Aufent­haltes; 3. Dem Vormund wird geboten, dem Kläger aus deſſen Einkünften mindestens 600 M. monatlich zur Verfügung zu stellen; 4. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Staatstasse auferlegt. Dieses Urteil des Kammergerichts ist für Entmündigungsprozeſſe bon grundsäßlicher Bedeutung. Es zeigt den Weg, auf welchem Entmündigten, die im Frrenhause interniert waren, lange Zeit vor rechtskräftiger Aufhebung der Entmündigung Freiheit und Unter­haltungsmittel gefichert werden können..

Verfammlungen. dent.

upon Für Lifte 3

war, daß viele Besucher teinen Platz mehr finden konnten. Starl Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld, verwahrte 2iebknecht war der Redner, dessen Ausführungen einen außer den Angeklagten gegen die Hereinziehung des kirchlichen Moments. ordentlich starken Beifall hervorriefen. Er zeigte den Versammelten Gegenüber den Behauptungen des Staatsanwalts werde, falls das die Notwendigkeit der Organisation und empfahl ihnen den Zen­Gericht ihnen etwa Beachtung schenten wolle, die Verlesung der tralverband, er erörterte die Bedeutung der Kaufmannsgerichts­ganzen Nummer der Fadel" nötig sein. Daß Die Beichte" ob- wahlen und forderte zur Wahl der Liste des Zentralverbandes, jektiv nicht geeignet ist, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl nor- Lifte 3, auf. maler Menschen gröblich zu verleben, wies der Verteidiger in ein- Die Versammlung beschäftigte sich auch mit der Magistrats­gehender Würdigung des Sachverständigengutachtens nach. Frei- vorlage über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe gesprochen müsse der Angeklagte aber schon aus dem fubjektiven Die Angestellten fürchten eine Verschleppung dieser Vorlage. Der Grunde werden, daß er, wie auch seine ganze Persönlichkeit und Stadtverordnete August inte hielt über den Stand der An­der Charakter des von ihm redigierten Blattes erkennen lasse, sich gelegenheit einen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag. nicht bewußt gewesen sei, in dem Gedicht eine unzüchtige Schrift zu Die folgende Resolution wurde nach dem Referat von Hinte  verbreiten. Für den Fall einer Berurteilung aber werde das ohne Diskussion und einstimmig angenommen: Gericht höchstens auf Geldstrafe erkennen dürfen, trotz der unbe­wiesenen Behauptung des Staatsanwalts, daß eine Geldstrafe nicht den Angeklagten treffe. Mildernd sei für ihn doch zu berück­fichtigen die Schwierigkeit, über die Frage der Unzüchtigkeit zu entscheiden. Wenn Fulda   Die Beichte" nicht für unzüchtig halte, warum hätte Wels sie für unzüchtig halten sollen. Nach der Mei­nung des Staatsanwalts sei die Veröffentlichung strafbar, weil darin der Beichtstuhl und der Beischlaf in Beziehung gebracht sind. Das könne doch höchstens gelten, wenn Anklage wegen Religions­delittes erhoben wäre.

In einem Schlußwort wies der Angeklagte den durch nichts gerechtfertigten, Vorwurf des Staatsanwalts zurüd, daß die ganze Nummer eine gegen die katholische Geistlichkeit gerichtete Tendenz zeige. Es findet sich, erklärte Genosse Wels, nicht ein einziger der­artiger Artikel darin. Die Nummer enthält einen Artikel Kirche und Arbeiter", in dem ich lediglich vom Evangelisch- sozialen Non­greß zu Heilbronn   die Aeußerungen mehrerer Theologen über das Verhältnis der Kirche zur Arbeiterklasse und zum Sozialismus zitiere. Ferner bringt die Nummer einen Artikel Ein ebange­lischer Geistlicher gegen den Hurrapatriotismus", darin mache ich mir die Aeußerungen eines Pastors zu eigen, der sagt, daß er sich für einen hohen Gedanken, nicht aber für einen hohen Menschen Der Verteidiger ersucht in längeren Ausführungen die Ge- totschießen lassen tönne. Außerdem ist, da es sich um die Dezember schworenen, sämtliche Schuldfragen zu verneinen. Der Angeklagte nummer handelt, ein Weihnachtsartitel veröffentlicht, in dem H. könne doch unmöglich oben bier Treppen in einem Hause Land gleichfalls nicht mit einem Wort die katholische Geistlichkeit ange­friedensbruch verübt haben, und in der Menge selbst befand er sich griffen wird. Ich habe die Auffassung, daß eine Schilderung un­nicht. Es sei auch durchaus nicht bewiesen, daß er den Kutscher gezüchtig nicht dadurch wird, daß fie sich auf eine im Beichtstuhl vor­schlagen habe, zumal dieser es selbst nicht genau wiffe. Bei B. genommene unzüchtige Handlung bezieht. Die unzüchtige Hand­handele es fich eigentlich nur um einen Ult, höchstens könne vielleicht lung wird schlimmer durch die Verbindung mit der Kirche, aber das bon grobem Unfug die Rede sein. Die Geschworenen hätten ja Schamgefühl wird dadurch nicht stärker verlebt. Ich bin aber der gerade die Aufgabe, die Dinge vom Standpunkt des praktischen Meinung, daß eben wegen dieser Verbindung Anklage erhoben Lebens zu beurteilen, und da würde es wohl keinem der Herren worden ist.

einfallen, daß es Landfriedensbruch   sei, wenn einer sehe, wie jemand Das Urteil lautete auf 100 wt. Geldstrafe und Uebrauchbar. den Strang eines Pferdes löse. Uebrigens sei es durchaus nicht machung der Exemplare, Platten usw. Das Gericht zweifelt nicht, unglaubwürdig, daß B. dadurch Unglüdsfälle verhüten wollte. daß das Gedicht, weil es davon handelt, daß ein Priester im Beicht­Die Geschworenen tamen gleichwohl nach kurzer Beratung zur stuhl mit einem Mädchen geschlechtlich verkehrt, unzüchtig ist. Ob Bejahung der Schuldfrage auf Landfriedensbruch bei beiden Ange- das ausführlich geschildert wird, sei gleichgültig; schon die bloße

" Die vom Zentralverband der Handlungsgehilfen und Ge Hilfinnen Deutschlands  , Bezirk Berlin  , einberufene, am 8. C bruar in den Arminhallen" tagende Versammlung erflärt: Die Magistratsvorlage zur Verfürzung der Arbeitszeit genügt den Wünschen der Handelsangestellten nicht, welche einen Anspruch darauf machen, daß ihnen wenigstens ein arbeitsfreier Tag in jeder Woche gewährt wird. Die Ginwände der Ladeninhaber sind burchaus nicht stichhaltig, denn noch nie hat eine allgemeine Ver­fürzung der Verkaufszeit eine Schädigung des Konsums nach sich gezogen, sondern nur das Publikum daran gewöhnt, die Gin fäufe während der zulässigen Geschäftsstunden vorzunehmen. Die beranlaßte Abstimmung unter den Ladeninhabern ergibt, daß diese Erkenntnis auch in jenen Kreisen erhebliche Fortschritte gemacht hat. Die Versammlung teist nachdrücklich darauf hin, daß die Abstimmung fein richtiges Bild von der Meinung der von der Aenderung des Ortsstatuts Betroffenen gibt, weil nur der kleinste Teil der Beteiligten, nämlich die Ladeninhaber, und nicht die große Masse der Angestellten befragt wurde.

Die Berufung auf die Bedürfnisse der Arbeiter ist hinfällig, denn diese selbst haben in mehreren Kundgebungen bargetan, daß fie darauf verzichten, daß ihretwegen die Handels­angestellten feinen freien Sonntag haben.

Ausnahmen für die gesamte Nahrungsmittelbranche find ebenfalls überflüssig, weil auch diese, bis auf einige schnell ber­derbende, am Sonnabend gekauft werden können.

Gegen die Bestrebungen, im Winter die Verkaufszett auf die Mittagsstunden festzusetzen, protestiert die Versammlung. Durch diese Maßnahme bliebe den Angestellten wiederum nicht einmal die Hälfte eines freien Tages.

Die Versammlung ersucht daher die Stadtverordnetenber fammlung,

1. durch Ortsstatut die Sonntagsarbeit im Handelsgewerbe völlig zu verbieten,

2. Ausnahmen nur für den Verkauf von Milch, Badivaren, Fleisch und Eis auzulassen, der jedoch vormittags um 9 Uhr bes endet sein muß,

8. diese Bestimmung sofort in Wirksamkeit treten zu lassen."