Einzelbild herunterladen
 

It. 42. 28. Jahrgang. t SkilW iwöoriüätlo" Öttliiift PölfoHilt. Zolwabeud. 18. Febrnar 191L Reichstag» iso. Sitzung. Freitag, den 17. Februar tsil, nachmittags l Uhr. Lm Bundesratstisch: v. Tirpitz. Zweite Lesung des Etats für Kiautschou . Vie allgemeine Besprechung beginnt beim TitelGouverneur 000 M. und persönliche, künftig wegfallende Zulage 10 000 M." Abg. Nacken sZ.): Die Kolonie hat eine erfreuliche EntWickelung fienonimen, sie deckt ihre Ausgaben bis auf die militärischen elbst. Deshalb ist es begreiflich, daß das Streben nach Selbstverwaltung in der Kolonie ein stärkeres wird. Die werbenden Betriebe geben sämtlick Ueberschüsse, nur die Werft- betriebe sind noch nicht auf der Höhe i es ist aber anziierkennen, daß in den Werftbetrieben in Kiautschou ebenso wie in Wilhelms- Hoven und Kiel die kaufmännische Buchführung für die kameralistische eingeführt ist. Der Redner regt die Schaffung von Pro- fessureu für Kolonialrecht an und fragt, wie es mit der Pest stehe. Zum Schluß streift er den Streit an der Hochschule in Tsingtau und gibt dem Wunsche Ausdruck, die Deutschen möchten dort einmütiger als bisher zusammenstehen.(Bravo ! im Zentrum.) Abg. Eickhoff(Vp.) erkennt gleich dem Vorredner an, daß die wirtschaftliche Entwickelung erfreulich ist. Meine politischen FreUnde wünsche», daß beim Abgang des Gouverneurs Truppel die persönliche Zulage von 10000 Mark fortfallen soll. Die Unstimmigkeiten im-Lehrkörper der Hochschule von Tsingtau sind wohl durch verschiedene Auffassung über die Organisation ent- standen, was bei einem so einzigartigen Instituts nicht verwunder- lich ist; es sind das Kinderkrankheiten, die überwunden werden müssen. Jedenfalls entwickelt sich die Schule günstig, wie schon daraus hervorgeht, daß die Schülerzahl von 70 auf 145 ge- stiegen ist. Um für die Kolonien genügend durchgebildete Männer zu gewinnen, sollten an unseren Universitäten Lehrstühle für Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft errichtet werden, wie die Budget- kommission angeregt hat.(Bravo I bei der Volkspartei.) Staatssekretär v. Tirpitz dankt für die freundliche Anerkennung der Verwaltung Kiautschous und verspricht für die Errichtung kolonialer Lehrstühle in Berlin und anderswo nach wie vor eintreten zu wollen. Ueber die in Nordchina herrschende Pest werde man hoffentlich hinwegkommen, es seien alle Maßnahmen ge- troffen, um die Kolonie zu schützen. Abg. Frhr. v. Richthofen (k.) spricht seine Genugtuung aus über die zur Verhütung der Pest in der Kolonie getroffenen Maßnahmen. und schließt sich der Anerkennung der Vorredner über den Wirtschaft- lichen Aufschwung Kiautschous an. Den Wunsch nach Errichtung eines kolonialwirtschastlichen Lehrstuhls an der Berliner Universität unterstützen meine Freunde aufs wärmste. Abg. Noske(Soz.): Den Maßregeln, welche das Reichsmarineamt zur Ver- hütung der Pest ergriffen hat, stimmen auch wir natürlich gern zu. Zu dem vielen Lehrgeld, das wir in Kiautschou schon ezahlt haben, wird hoffentlich nicht noch Lehrgeld für die Pest kommen. Man muß doch die Frage aufwerfen, ob nicht endlich Kiautschou der allgemeinen Kolonialverwaltung zu unterstellen ist. Freilich erscheint es mir zweifelhast, ob die deutsche Verwaltung dort überhaupt noch von langer Dauer sein wird. Herr Nacken sagte, mein Kollege Severing habe ihm vor- geworfen, über die Betriebe nicht informiert zu sein. Das war keineswegs der Fall. Wohl aber müssen wir im Interesse der Gleich- berechtigur?- der Abgeordneten verlangen, daß die Marineverwaltung nicht unster Umgehung der sozialdemokratischen Partei sich einzelne Abgeordnete heraussucht, die sie in- formiert.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Den Be- strebungen nach Schaffung einer Selb st Verwaltung bringen wir selbstverständlich Sympathie entgegen; aber dabei wird man darauf sehen müssen, die Chinesen, welche die übergroße Mehr- zahl der Bevölkerung bilden, nicht vor den Kopf zu stoßen und etwa zu behandeln wie die Hottentotten in Südwest-Afrika; wir würden sonst gezwungen werden, zu gewähren, was wir jetzt freiwillig gewähren können und sollen.(Sehr richtig l bei den Sozial- demokraten.) ES wird jetzt wieder ein Zuschuß von 8 Millionen Mark für Kiautschou verlangt, und zwar militärische Ausgaben; in den 1012 Jahren, die wir eS haben, kostet uns Kiautschou über 100 Millionen Mark. Hierfür sind auf wirtschaftlichem Gebiet so Iminimale Resultate herausgeholt, daß es nicht lohnt, darüber zu reden, die Summen unseres Handels in Kiautschou stellen noch nicht einmal eine Verzinsung des Kapitals dar, das wir hineingesteckt haben. Zweifellos werden die Chinesen manches dort von uns lernen, aber dankbar werden sie uns nicht dafür sein. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Bei der Beurteilung der Dinge in Kiautschou haben wir Sozialdemokraten recht behalten, gründlich geirrt haben sich vielmehr die, die bei der Besitzergreifung Kiautschous mit der Möglichkeit eines raschen Verfalls von China rechneten. Den Chinesen ist in kurzer Zeit von den Europäern Nationalgefühl eingepaukt worden,(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) und sie rechnen damit, ihren vaterländischen Boden wieder in eigene Verwaltung zu nehmen. Wir werden also diesen Besitz nicht dauernd hallen können, und trotzdem sollen wir jetzt wieder acht Millionen dafür ausgeben. Das sind in erster Reihe militärische Ausgaben, dabei ist die weiße Bevölkerung so gering, daß ans jede» Deutsche » dort von diesem Zuschuß 5300 Mark entfallen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dafür könnten wir die Herren auch hier in Deutschland als Rentiers leben lassen, und dann hätte wenigstens unsere Bevölkerung etwas davon.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Eine Verriiigerung des Reichszuschusses wird nicht eher eintreten, als bis die militärische Besatzung geringer wird, die jetzt zum ersten Male etwas Vernünftiges leistet, indem sie zu den Absperrungsmaßregeln gegen die Pest ver- wandt wird. Was sich auf der Hochschule in Tsingtau abgespielt hat, ist recht blamabel für das Deutschtum.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Anstalt kostet uns viel Geld und wir sollten wirklich dafür sorgen, daß zunächst der Bilduugshuuger der Massen bei uns in Deutschland befriedigt wird. Ganz toll ist es, daß die�eutschen Kulturträger, kaum daß sie nach China ge- kommen sind, dort in derartige Kotzbalgereien geraten find. Die Eröffnung der Anstalt ist offenbar nicht mit der wünschenswerten Sachkunde und der erforderlichen Sorgfalt vorbereitet worden. Das Reichsmarineamt sagt, daß Handel und Wandel in Kiautschou blühen, und Herr Görcke, der jetzt ja Sachkenner ist, spricht das in einem Artikel imLokal-Anzeiger" treulich nach. Er scheint aber, als er dort war, zwei Brillen auf der Nase getragen zu haben, denn in einem anderen Artikel in derTäglichen Rund- schau" sagt er von Tsingtau , es sei nur eine Filiale von Shanghai , es bedeute eine handelspolitische Spekulation, von der noch niemand wissen könne, ob sie gelingen werde.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir meinen, daß sie nach allen ge- schichtlichen Erfahrungen nicht gelingen kann. Die Schilderungen des Reichsmarineamts sind nur Produkte einer recht blühenden Phantasie. Wenn uns das Reichsmarineamt berichtet, daß für einen einzigen Eisenbahnbau an dem hingeschaffien Eisenbahnmaterial unser Handel 45 Millionen Mark verdient habe, so muß man das geradezu als ein Märchen bezeichnen Ueber die Gesamtsumme unseres Handels schweigt der Bericht des Reichsmarineamts sich sorgsam aus. Kiaut- schou bildet für uns eine fortdauernde und stets wachsende Gefahr von Konflikten mit China und deshalb werden Sie sich nicht wundern, daß wir diesem Etat, ebenso wie in de» früheren Jahren, unsere Zustimmung nicht geben.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Görcke(natl.): ES ist total falsch, anzunehmen, daß die Pachtung von Kiautschou der Anfang einer gegen China ge- richteten Eroberungspolitik sein sollte. Ich glaube, das ganze Haus mit Ausnahme der Sozialdemokralen ist mit mir darin einig, daß niemals solche Eroberungepläne bestanden haben. Ich halte es für gut, das hier zu konstatieren, damit nicht, in Ostasien zumal, falsche Vorstellungen von unseren Absichten sich festsetzen. Redner verbreitet sich über seine o st asiatischen Reise- eindrücke und bestreitet, die Dinge durch eine roseiifarbene Brille angesehen zu haben. Teuer seien freilich die erzielten Fortschritte gekommen. Dafür sei aber auch etwas geleistet worden. Geklagt wird in Kiautschou, wie ja überall in Reichsbetrieben, über die kolossale Schwerfälligkeit und Umständlichkeit des Rechnungswesens. Die Schulverhältnisse in Kiautschou sind gut; mit dem System gemeinsamer Erziehung von Knaben tind Mädchen sind gute Erfolge erzielt worden; ein Elternausschuß ist neuer- dings ins Leben getreten. Der Wunsch nach Selbstverwaltung, der in Tsingtau zutage getreten ist. ist eigentlich nlir aus der Furcht vor neuen Steuern entstanden(Heiterkeit); eS fehlt dort an geeigneten Elementen für eine wirksame Selbstver- Rleines feuiUeton. Da» Tal de» Tode ». Das PariserJournal" erhält von einem Franzosen, der vor kurzem in Charbin weilte, eine erschütternde Schilderung der furchtbaren Pestepidemie, deren Schauplatz gegen- wärtig die Mandschurei ist:Was sich augenblicklich in Fudsiedjan, einer Vorstadt von Charbin abspielt", schreibt er.spottet jeder Be- schreibung. Die Pest wütet dort mit einer Wildheit ohnegleichen. Die Hauptstraßen werden durch Tote und Sterbende versperrt; die Angestellten des Sanitätsdienstes haben keine Zeit, die Leichen nach dem sogenannten Friedhof und die Sterbens- kranken nach den sogenannten Hospitälern zu schaffen. Die Gleichgültigkeit der Chinesen gegen die Toten und die mit dem Tode Ringenden übersteigt alle europäischen Begriffe. Und diese Gleichgültigkeit ist bei ihnen nur logisch: die Pest ist eine Geißel, die Gott geschickt hat. Es wäre Blasphemie, wenn man sich Goites Absichren widersetzen wollte. Die Epidemie wird aufhören, wenn der Rachedurst des höchsten Wesens gestillt sein wird. Krankheit und Tod zeigen sich hier mit allem Grausen und allem Entsetzen, das eine krankhaste Phantasie nur ersinnen kann. An einer Straßenecke kauert ein Chinese in schmutzstarrenden Lumpen. Mehrere Male macht er den Versuch,_ sich zu erheben; vergeben», die Krankheit die an ihm frißt, ist stärker als er. Er fällt zurück und windet sich in den Aengsten einer grauenvollen Agonie. Nachdem er große schwarze Blutklumpcn ausgeworfen hat, streckt er sich lang hin; sein Körper wird noch durch einige Zuckungen erschüttert und bleibt dann unbeweglich und starr: er ist tot. Etwas weiter entfernt liegt am Fuße eines Prellsteins ein Leichnam, halb bedeckt mit Straßenkehricht und Hausmüll. Er ist infolge der bitteren Kälte ganz starr und steif utjd gleicht einem Klotz. Eil�Pestlräger" geht vorüber und wird von der furchtbaren Krankheit zu Boden geworfen: er läßt sich auf den Leichnam, auf den Kehricht fallen und wird hier verenden. Ein paar Schritte weiter unterhalten sich zwei chinesische Geldwechiler recht lebhaft, als wenn es in der ganzen Welt keine Pest gäbe, über ihre Geschäfte. Da sie sich jedoch durch das Todesröcheln des Un- glücklichen belästigt fühlen, beginnen sie plötzlich roh und laut auf- zulachen und den Sterbenden in der grausamsten Weise zu ver- höhnen; dann entfernen sie sich, nachdem sie ihm vorher noch ins Gesicht gespien haben. In abgelegenen Straßen und Höfen werden die Leichen einfach auf den Misthaufen geworfen; hier bleiben sie liegen, bis man sie abholt. Viele tragen bei Tagesanbruch die Leichen ihrer Angehörigen noch irgend einem stillen Gäßchen, um dem mit Unkosten verbundenen Transport zum Friedhof aus dem Wege zu gehen. Sogar für Spekulationen muß das große Sterben herhalten: chinesische Spekulanten sammeln die halb erfrorenen Leichen, die auf den Straßen, und schichten sie in den Höfen ihrer Häuser wie Holzscheite auf. um dann, wenn die Angehörigen ihre Leichen zur Beerdigung abholen wollen, für die Aufbewahrung jeder Leiche etwa drei Marl zu verlangen. Von dieser Sachlage ziehen selbstverständlich auch die Straßen- marodeure Nutzen: sie rauben den auf der Straße liegende» Toten die Kleider, und schneiden ihnen auch die Zöpfe ab. Jeden Tag werden ganze Haufen von Leichten in leichten Särgen vor die Stadt hinaus« geschickt, um an einem Platze, der als Friedhof gilt, beigesetzt zu werden. Die Särge werden einfach hingestellt oder vielmehr in buntem Durcheinander hingeworfen. Die Marodeure kriechen auf dem Ruheplatz der Tote» umher und zertrümmern die primitiven Särge und reißen die Leichen heraus, um sie auszuplündern. Sie verachten den Tod zu sehr, als daß sie sich durch feine bedrohliche Nähe einschüchtern lassen könnten. Nachdem sie eine Anzahl Särge ausgeraubt haben, ziehen sie als Händler durch die Straßen der Stadt, suchen unter dem Singsang:Kleider, Bretter, Kleider, Bretter I" ihre Beute an den Mann zu bringen und kehren, sobald ihnen da? gelungen ist, wieder zur Grabcsstätte zurück. Wie die Neger in Ruanda freien. In Ruanda gibt es drei Kasten: Die Balutsi, die Bahutn und die Vatwa. Wenn einem Bahutu- oder Batwa-Jüngling die Lust anwandelt, zu heiraten, so teilt er dies seinem Vater niit. Dieser überhört, wie auch anderswo, seines Sohnes Wünsche, bis dieser sich wie ein Kranker gebärdet, nichts ißt oder trinkt und ohne zu arbeiten vor sich hinbrlltet. Dann beschließt der Vater, auf die Brautsuche zu gehen. Hat er ein geeignetes Mädchen gefunden, so würfelt er mit dem Priester, ob die Ehe günstig sein wird. Dann kann die Brautwerbung beginnen. Vermittelst Pombe und Eisenhaken sucht der Brautwerber bei der Familie Sympathien zu erwecken. Er sagt:Ich bin gekommen, Dich um eine Kuh zu bitten, ich bin gekommen, mich in Deinen Dienst zu stellen." Wen» nicht bittere Feindschaft entstehen soll, darf dieser Vorschlag formell nicht ab- gelehnt werden. Nach einiger Zeit erscheint der Werber zum zweiten- mal, umjene Kuh zu erbitten". Dann wird unter längerem Feilsche» die Brautsleuer festgesetzt. Nun kann der Bräutigam seine Vorbereitungen treffen, ein Haus bauen, den Hochzeitsschmaus vor- bereiten, Gäste einladen usw. An dem bessimmlen Tage nach Ein- bruch der Dunkelheit naht sich der Brautzug. Alle Teilnehmer treten ins Haus, nur die Braut, in eine Matte gehüllt, weigert sich. Erst Geschenke machen sie willig, aber auch dann schweigt sie,ist traurig und weint die ganze Nacht hindurch". Allmählich beginnt in der Hütte das Pombe-Gelage. Nur die Braut trinkt nicht. Dann verlassen alle Gäste das Haus. Der Bräutigam bekränzt die Braut, zu der er im Dunkeln vom Brautführer geführt wird. Darauf be- speit er sie mit einer besonderen Flüssigkeit und sagt:Ich heirate Dich, ich. Sohn des Rugimbana." Die Frau bricht augenblicklich in ein Geheul aus. Diese Klagelaute zu übertönen, kehren die Gäste unter noch lauterem Freudengeheul in die Hütte zum Trinken zurück, das die ganze Nacht anhält. In der nächsten Nacht begibt sich die Braut in die Hütte ihres Gatten. Statt sich Liebkosungen hinzugeben, entsteht eine furchtbare, aber lautlose Prügelei unter den Eheleuten, bei der der Mann den kürzeren zu ziehen hat. Wem dies Vergnügen macht, fetzt es mehrere Nächte hindurch fort. Nach einem Monat endlich waltung, denn gerade die intelligentesten Leute haben mit ihren eigenen Geschäften übergenug zu tun. Die Chinesen im Schutz« gebiet sind so zufrieden mit der deutschen Rechtsprechung, daß sie das Anerbieten, besondere chinesische Richter zu erhalten, zurückweisen. Außerordentlich uilangenehin empfunden ist in Ost- asien die Ablehnung des Gesetzes über Ausgabe von Kleinakticn, ich fürchre. wir haben damals einen sehr ichweren Fehle,, gemacht. Es hat eine Zeit gegeben, da man i» England riet, Hongkong auf« zugeben. Heute denkt kein Mensch an die Aufgabe Hongkongs . Und so wird auch die Zeit kommen, in der kein Deutscber daran denken wird, Tsingtau , den Stützpunkt des Deutschtums in Ostasten, aufzugeben.(Beifall bei den bürgerlichen Parteien.) Abg. Lcdcbour(Soz.): Die Ausführungen des Abg. Görcke illustrieren den alten Ver»! Wenn jemand eine Reise tut. Daun kann er was erzählen." (Große Heiterkeit.) Man preist uns hier den Hafen von Tsingtau . Das will nicht viel besagen. Mit guten Tcchmkern an günstiger Stelle einen guten Hafen herzustellen, ist nicht allzu schwer namentlich wenn man 150 Millionen daran wendet. Die Frage ist nur: hat das Deutsche Reich ein wirkliches Interesse daran? Wenn wir aus deutschen Lieichsmittel» irgendwo an der Küste Brasilien « einen guten Hafen bauen winden, hätte. wahrscheinlich Brasilien nichts dagegen.(Heiterkeit.) Daß Tsingtau ein guter Hasen ist, bedeutet nicht, das; es ein halt« barer Play bei ernsthaften K o ni p l i k a t i o n c n ist und schafft die etwas dunklen Vorgänge der Besitzergreifung nicht ans der Welt. Es ist mehr als fraglich, ob einer machtvollen asiatischen Bewegung gegenüber Kiautschou gehalten werden kann. UebrigenS würde auch, wenn das der Fall wäre, dies uns nicht bestimmen können, über die Art der Besitzergreifung oder Pachtung uns hinweg» zusetzen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mit großer Emphase wird bestritten, daß irgendwelche Eroberungöpläue gegen China gehegt werden. Für heute dürfte das einigermaßen zutreffen. Aber daß früher Pläne, wenn auch vielleicht verschleierte, gehegt wurden, die auf Gründung eines ostasiatischen.Kolonialreiches hinausliefen, kann im Ernst nicht in Abrede gestellt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich erinnere daran, wie der Fürst Bülow hier mit lächelnden Grübchen(Stürmische Heiterkeit.) von demPlatz an der Sonne" sprach.(Hört! hört I bei den Sozialdemokralen.) Heute freilich wird nicht mehr so gesprochen, heute würde nicht einmal der Bruder de« Mannes so sprechen, der einstmals ausgeschickt wurde, um das Evangelium der.ge« panzerten Faust" zu predigen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Heute wird immer nur von der Bedeutung Tsingtaus für den Handel gesprochen. Wie steht das nun aber damit? In einem Jahre betrug die Ausfuhr Kiautschous nach Deutschland ganze 116000 M.(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Und da spricht man von der Notwendigkeit, aus Handelsrücksichten Tsingtau halten zu müssen I Ach»ein, auch mit dem Interesse des deutschen Handels kann man die dunkle Pachtung Kiautschous und das Festhalten des ostasiatischen Schutz« gebiereS nicht rechtfertigen!(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial» demokraten.) Herr Görcke hält sich für einen gründlichen Kenner Chinas . Ein anderer gründlicher Kenner, Sir Robert Hart , der 54 Jahre in China war nicht 54 Tage, wie Herr Görcke(Große Heiterkeit), urteilt über die gelbe Gefahr ganz anders. Er sagt, die Chinesen sind kluge, fleißige, kultivierte Mensche», 400 Millionen, und diese 400 Millionen bereiten sich auf den Tag vor, an dem sie sich fremde Intervention, Bevormun« düng und Invasion werden verbitten können. (Hört! hört! b. d. Sozialdemokraten.) Die übertriebene moralische Einschätzung der Chinesen durch Sir Robert Hart mache ich mir nicht zu eigen, er sieht vielleicht etwas durch eine chinesische Brille, aber nach allem, was wir an der parallelen Entwickelung in Japan und in China selbst beobachten, geht dort eine kapitalistische Ent- Wickelung des Landes vor sich. Die können Sie nicht aufhalten und ebensowenig die damit zusammenhängende Entwickelung des National« gefühls, und bei dieser Entwickelung muß es dahin komnien, daß der chinesische Staat die Möglichkeit hat, sich unbequeme Eindringlinge vom Halse z» schaffen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bei aller Wertschätzung unserer Landmacht und unserer Marine wird doch niemand be- haupten können, daß es möglich sein wird, gegen ein Volk von 400 Millionen, welches mit der kapitalistischen Entwickelung zu einer bezieht die Frau, die bis dahin stets in der Morgendämmerung zu ihren Schwiegereltern zurückgekehrt war, das Haus ihres Mannes. Auch dann hält sie sich noch vier Tage verborgen. Sie hüllt sich in eine GraSmatte und flüchtet beim leisesten Geräusch. Wieder naht sich der HochzeitSzug, Mädchen dringen in ihr Versteck und holen sie in den schmausenden Kreis. Sie läßt jetzt alles mit sich geschehen. Sogar am Tanze der Mädchen beteiligt sie sich, begleitet von ihren» Gemahl. Damit sind die Feierlichkeilen beendet. Die gcschmidciic Mythologie. Eine wichtige Entdeckung hat der Pariser Archäologe Salomon R e i n a ch gemacht. Wie er der Akademie der Inschriften und der schönen Literatur mitteilte, ist nämlich der von Apollo geschundene Flötenspieler MarsyaS ur « sprünglich nicht ei» phrygischer Silen, sondern ein Esel gewesen. In Nordgriechenland, der Urheimat- der Phrygier, waren die Esel dem Apollo geweiht. Der RiiuS liHnde später in eine Strafe um» gedeutet und die Opserung der Esel mit ihrer Abneigung gegen die Musik erklärt. Als dann im 5. Jahrhundert die Flöte, als ein Hauptrequisit der asiatischen Kulte im Gegensatz zur Leier trat, entstand in Athen die Legende vom Wettstreit des Silens mit dem leierspielenden Gott. Die legendäre, im Tempel zu Celenae in Phrygien aufgehängte Haut des MarsyaS , die Seufzer von sich gab, wenn die Flöte er- tönte, lönnte also höchstens eine Eselshaut gewesen sein. Es ist zweifellos zu begrüßen, daß Marsyas nur ein Esel war und kein lebendiger Flötenspieler. Denn sonst hätte es ihm am Ende öin- fallen können, darüber nachzudenken, was eigentlich die gelehrten Herren sind, die etliche Jahrtausende hernach so tieffinnige Unter» suchungen über seine Personalakten und allerhand ähnlich bcdeutungs« volle Gegenstände anstellen, die auf keine Eselshaut gehen. Von Paris bis Tokio in 11>/g Tagen. Der gegenwärtig kürzeste Weg von Europa nach Japan geht über Wladiwostok , als Endpunkt der transsibirischen Bahn. Von dort erreiän man mit der Danipfer» Verbindung den Hafen Tiaruga an der Westküste Japan », der feinere seits zirka 24 Stunden Eisenbahnfahrt von Tokio entfernt ist. Diz ganze Reise, von Paris aus gerechnet, erfordert ungefähr 15 Tage. Diese Verhältnisse werden eine einschneidende Aendcrung erfahren, sobald die schon von der chinesischen Regierung genehmigte und von einer japanischen Gesellschaft in Bau genommene Eisenbahnlinie Mulden Wiju fertiggestellt ist. Wiju liegt an der koreanischen Grenze und ist mit Fusan durch Eisenbahn verbunden. Man rechnet damit, daß die neue Linie schon im nächsten Jahre dem Betriebe übergeben sein wird, und dann wird Wladiwostok für die Verbindung zwischen Europa und Japan so gut wie ausgeschaltet werden. Sein» Stellung aus dem Kontinent geht dann auf Fusan über, während die Ankunfsstation in Japan Smionosaki wird. Dann wird ma»1 nicht mehr als 10 Tage und 10 Htundcn brauchen, um von Paris nach Tokio zu kommen, während man gegenwärtig in dieser Zeit erst Wladiwostok erreichen kann.