st«. 28.3.SW 2. leilöjc des Dmiilts" Kerlim WldsdlM.Die Bebauung des Cempelbofer Feldes.Endlich, nach einem langen, grausamen Interregnum lerntman den Städtebau wieder als ein soziales Problem begreisen.Wächrcnd all der verlorenen Jahrzehnte, die hinter uns liegen,gab es keinen Städtebau, nur eine Exekutive der Bodenspekulationund der Baubureaukratie. Zu all� Zeiten Ivaren die Städte diesteinernen Projektionen der jeweilig herrschenden wirtschaftlichenund politischen Macht. Die Städte sind die ewigen Zeugen fürdie materialistische Basis aller Geschichtsentwickelung. Wie derPetcrsplatz in Rom eine einzige Offenbarung von der Weltmachtdes Papstes im Zeitalter des Barocks ist, wie sich aus dem Tuillerien-platz zu Paris der Absolutismus der Sonnenkönige ablesen läht,so starren und dräuen die Proletarierviertel der modernen Groß-stadt als Produkte und Werkzeuge aller fleischfressenden Tendenzendes Kapitalismus. Wenn irgendwo, dann ist es an den Strassenund Höfen, an den Plätzen und ddm Grünland der grossstädtischenMassenquartiere offenkundig geworden, wie die Wirtschaftsformsich auch in der Kunstform ein Spiegelbild schafft. Oder, um derWahrheit näher zu kommen: die gierige Unförmigkeit unsererWirtschaftsform, der vom Gesetz geschützte Bodenwucher und diegerade an den kleinsten Mieten sich. am meisten bereichernde Micts-spekulation, sie verrät sich in ihrer ganzen Grimasse an densteinernen Wüsten, den freudlosen gähnenden Schlünden, denewig grauen Kasernen und den ungelüftcten Luftschächtcn zwischenOuergebäuden und Seitenflügeln. Und wiederum: all dies Elendder formalen Bildung von Häusern und Strassen wurden hin-genommen solange, bis daß der Instinkt der Massen zurMenschheitswürde die Fesseln sprengte. Heute sind wir soweit,dass es einfach nicht mehr möglich ist, die Wohnviertel der Arbeiternach dem System der Heringsftapelung zu produzieren; heute hatdie Macht des Sozialismus bereits Einfluh genug, dem frei-beutenden Kapital wenigstens um ein Geringes die Krallen zubeschneiden. Noch aber Haben gar viele nicht begriffen, wie ent-schieden der Wille des Volkes den Bau der Stadt zu beeinflussenvermag. Wenn solcher Wille eben wirklich will. Das ist es, warumder Kampf um das Tcmpelhofcr Feld, nicht nur um seinen Besitz,auch um seine Bebauung, so überaus kennzeichnend und wichtigist. ES geht nicht mehr an, dass eine bedeutsame Stadterweiterungallein nach den Absichten der Besitzinhaber, des Fiskus und derBodengesellschaften, allein nach den Absichten derer, die Rentegewinnen wollen, vollzogen wird. Tie öffentliche Meinung ver-langt eine Kontrolle über den Neubau eines Wohnviertels, dessenAnlage für Jahrhunderte die Gesundheit oder Unzulänglichkeitder Lebensführung von Zehntausenden entscheidet. Bei demKampf um die Bebauung des Tempelhdfer Feldes handelt es sichum mehr als um die Eitelkeit einiger Architekten, oder um denSieg irgendwelcher ästhetischer Effekte. Darum handelt es sich:ob Bodenwucher und Baubureaukratie noch immmer das Rechtauf gesundes Wohnen vergewaltigen können; oder ob die Zeitreifte, da der Fülle an theoretischer Arbeit, an statistischenRechnungen an Versuchen, die Hygiene mit der Schönheit unddir Technik mit dem Rhythmus zu einen, nun nicht endlich eineTat, ein Beispiel folgen könne. Am Tempelhofer Feld soll essich erweisen, dass die Tage eines neuen Städtebaues gekommensind; einfach darum, weil die Wirtschaftsfaktoren, die den Kultur-wert der Gegenwart ausmachen, zum Bewusstsein erwachten undihre Stadt m>t dem gleichen Rechte bauen wollen, mit dem einstAugustus Rom und Ludwig XIV. Paris bauten. Mit dem Rechtaus eigener Macht. Dabei sind wir keineswegs so optimistisch, an-zunehmen, dass es heute schon möglich wäre, die Verwaltung unddie Banken dahin zu bringen, eine in jeder Beziehung idealePlanung auszuführen; aber das dürfte vielleicht gelingen, ihnenwenigstens einen halbwegs erträglichen und sozial zulänglichenNeubau dieses Stadtviertels aufzuzwingen. Wir dürfen dies umso mehr hoffen, als selbst so mancher Baubcamte von der Not-wendigkeit einer Reform längst überzeugt wurde. Als Beispielhierfür verlohnt es sich, einige Worte wiederzugeben, die derStadtbaurat Berg aus Breslau gelegentlich des Verbandstagesdeutscher Vororte zu einer Versammlung von Bürgermeisternungestraft und unwidersprochen sagen konnte:„Es ist ein Unrecht,wenn von dem Durchschnitt der Grohstadtbevölkerung 30 Proz.des Einkommens für Wohnzwecke ausgegeben werden. Eine spätereZeit wird auf die heutige Ausbeutung unseres Volkes durch dasPrivatbodenmonopol zurückblicken, wie wir auf die Sklaverei unddie Leibeigenschaft. Tie Ueberspannung des Jndividualitäts-Prinzips, die Scheu vor der Antastbarkeit des Privateigentumsan Grund und Boden, die Verständnislosigkeit in breiten Massenunserer gebildeten Bevölkerung geht so weit, dass ein Geschäft, wieder Tempelhofer Handel, möglich war; so weit, dass sich nicht eineallgemeine Entrüstung erhoben hat, nicht über Berlin, sondernüber den Fiskus. Dieser Handel ist eine Karikatur auf die Auf-fassung vom Staatswohl. Der Fiskus hätte die Pflicht gehabt,das Tempelhofer Feld der Gemeinde Gross-Berlin zum Erwerbs-preise oder für eine verhältnismässig geringe Summe zur Ver-fügung zu stellen, unter der Bedingung, dass Grünanlagen ge-schaffen werden. Die Jugend dieser engbebauten Gegend hättedie Freiflächen so bitter nötig. In wie kurzer Zeit weiss manvon den 72 Millionen nichts mehr; aber die enge Bebauung unddie Zinslast ist für alle Zeiten da."Von solchen Gedanken hat sich der Kriegsminister, als er denTempelhofer Handel vorbereitete, herzlich ferngehalten; die Vc-bauungspläne, die er der Finanzierung zugrunde legte, kanntennur ein Prinzip: das der Ausschlachtung. Einer dieser Pläneschien auch nach der Usurpation des Feldes durch die Haberland-Gesellschaft zur Ausführung bestimmt. Er soll jetzt, wie manhört, durch bessere ersetzt werden; immerhin, dass der Kriegs-minister sich nicht wehrte, ihn als einen diskutablen Vorschlaganzusehen, ferner die Tatsache, dass auf dieser Planung dieNamen zweier von der Baubureaukratie anerkannter Städte-fabrikanten zu lesen waren, das berechtigt, an diesem Dokumentsozialer Blindheit die Impotenz solch kricgSministerlicher undgchcimrätlicher Bebauung, solcher Ausschlachtung im Dienste desKapitals nachzuweisen. DieS gelingt um so eher, als von anderenStädtebauern, von nicht beamteten und nicht kapitalistisch ver-wirrten, Planungen vorliegen, die der neu zu bauenden Stadterheblich mehr Wohnlichkeit und mehr allgemein nützliche Wertebestimmen. Ein Blick auf die hier nebenstehend abgedruckten Teil-Pläne wird genügen, um zu zeigen, welcher Gesinnung und Formallein ein Recht auf die Bebauung des Tempelhofer Feldes zu-kommt. Der im Auftrage des Kriegsministers gefertigte Gerlach-Stübbensche Entwurf zeigt die ganze Gedankenlosigkeit desüblichen Schemas. Das Terrain ist aufgerissen und in gleich-wertige Strassen gespalten. Es wurde keine Rücksicht darauf ge-nommen, dass es sich hier hauptsächlich um Wohnviertel handelnsoll; wahlos wurde das ganze Gebiet einem wilden Verkehr er«schlössen. Kreuz und quer können die Wagen fahren; auch anallen Plätzen können, ja müssen sie vorüber. Es gibt hier keineneinzigen gesicherten Hafen, keinen Wohnplatz, auf dem Erwachsenerasten lisid Kindel spielen■ föuticn.'" Neberalt herrscht der �Rangierbahnhof. Und auch der vorgesehene svon unserem Teil-plan nicht mehr erfasste) Park dürfte nichts weniger als einErholungsheim des Volkes sein; er wurde als eine Erziehungs-Maschine zum Spazierengehen, als eine artige Kunstgärtnerei ge-plant. Was aber das schlimmste ist, die Baublocks verlangennach der Berlinischen Unsitte der Hofbebauung; sie sind so kurzgeschnitten und vergeuden dadurch soviel Stratzenland, dass dieRentabilität nur durch das Hinterhaus balanciert werden kann.Ganz anders steht es um den Plan von Hermann Jansen.Da wurde fürs erste der Verkehr reguliert, in bestimmte Haupt-ädern gezwungen und so von den zwischen diesen Hauptaderngelagerten Wohnvierteln ferngehalten. Man versuche einmal, inder Vorstellung auf dem Jansenschen Plan per Auto zu fahren;man wird nie in die Versuchung kommen, von den Hauptwegenabzuweichen; es sei denn, dass man in den Nebenstrassen etwaszu suchen habe. Besonders gesichert vor überflüssigem Verkehrwurde das Grünland; diese Organisation des Grünlandes ist über-Haupt das Rückgrat des Jansenschen Vorschlages. In einembreiten Schlauch zieht sich das Grün anschliessend an den Viktoria-park durch das ganze Gelände bis hinunter zu dem begrenzendenBahndamm, bis zum Tempelhofer Park. Dieser grüne Strang,dcy in seinem breitesten Teil 180 Meter enthält(die Linden sind60, Meter breit), hat eine Gesamtlänge von 1600 Metern. Zähltman das Stück von der Feldgrenze bis zum Viktoriapark hinzu,so ergibt sich ein Spaziergang von 2� Kilometer, von etwa einerhalben Stunde durch grünes Land. Wobei nicht übersehen werdendarf, dass dies Grüngebiet nun wirklich der Benutzung, der Be-Wohnung bestimmt ist; dass es nicht in Teppichbeete und Zierplätzezerpflückt wurde, vielmehr Spielwiese, Sportwiese, Lagerplatz seinsoll. Und nun die Baublocks; sie sind langgestreckt, gewähren denStrassen glatte EntWickelung und sparen an Strahenland.(DieStrassen sind trotzdem breit genug, nie unter 20 Metern.) Fürweitaus die meisten dieser Blocks hat nun Jansen die reine Rand-bebauung vorgesehen; das System des Hinter- und Querhauseswurde radikal verworfen. Die Vorteile der Randbebauung sindoffenbar, sie wurden von den Hochbauten der Baugenossenschaftenschon oft erprobt. Alle Wohnräume'sind von Luft und Licht um-spült; der umbaute Hof. für einen ganzen Block einheitlich aus-gebildet, gewährt den Kindern Spielaufenthalt, den ErwachsenenSpaziergang. Es bedarf keines Wortes darüber, daß die reineRandbebauung grosser Blocks die einer sozialen Kultur alleinwürdige ist.Noch ist alles in der Schwebe, noch läht sich nicht versprechen,dass das Tempelhofer Feld ein erstes Beispiel für den wieder erwachten Bauwillen des Volkes sein wird. Soviel aber steht schonheute fest: an den Bebauungsplänen für das Tempelhofer Feldhaben sich zum erstenmal vor aller Oeffentlichkeit die Geister ge-trennt; die engbrüstigen und profitsüchtigen des Bodenwuchers undder Baubureaukratie von den hoffnungsfreudigen, weitblickendendes jungen Geschlechts, dass auch die Stadt als ein Ausdrucksmittel,als eine durch die Jahrhunderte bleibende Form für die Lebensartund die Kulturhöhe der Zeit begriff. Robert Breuer.