Einzelbild herunterladen
 

|t. 45. 28. ZahrMg. 1 Keilagt des Jotiuitts" Kerker UsIksdlM Mitw-ch. 22. Itlirn« 1911. Reichstag . 131. Sitzung. Dienstag, den 21. Februar 1211, nachmittags lUhr. Lm BundeSratstisch: Dr. L i S c o. Zweite Lesung des Justizetats. Die allgemeine Besprechung beginnt beim Titel»Gehalt des Staatssekretärs 44 000 M." Abg. Dr. Beizer<Z.): Angesichts der Finanzlage find meine Freunde damit einverstanden, daß die Frage der Reform der Ge- hälter noch zurückgestellt wird, doch hoffen wir, daß es bald möglich sein wird, der Frage näher zu treten. Der Posten für Hilfeleistung»» beim Rel-bSgericht ist nötig geworden als Konsequenz unserer Beschlüsse über die Entlastung des Reichsgerichts. Für die Strafrechts- Kommission sind 120 000 Mark gefordert; wir werden sie gern bewilligen, erwarten aber, daß drei angesehene Rechtsanwälte als ständige Mit- glieder in sie berufen werden. Alle Länder sollten sich vereinigen, um schärfer gegen pornographische Darstellungen vor- zugehen: Frankreich geht sehr energisch gegen pornographische Dar- stellungen in der Presse vor. Dies Vorgehen sollten wir uns zum Muster nehmen. Die hamburgische Bürgerschaft hat einen Gesetz- entwurf gegen die Schmutz- und Schundliteratur beim Bundesrat eingereicht; möge er ein wohlwollendes Entgegenkommen finden. iZustimmung im Zentrum.) Im Volke ist das Vertrauen zur Strafrechtspflege gesunken. man spricht vielfach von Klassenjustiz. Selbstverständlich find wir von der Integrität unserer Richter und Staatsanwälte über- zeugt, aber doch wird das Wort Klassenjustiz nicht immer frivol gebraucht. Zum Teil liegt der Mangel an unseren Gesetzen, aber auch»die Weltfremdheit" der Richter ist nicht immer eine Phrase. Auch wird nicht immer mit Unrecht darüber geklagt, daß die Gerichte beschränkt sind in der Beweis- aufnähme bei der Vernehmung von Beamten. Rügen muß ich bei den Moabiter Vorfällen, daß ärztliche Bücher beschlagnahmt wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, um die Namen der Verletzten zu erfahren. Derartiges wird hoffentlich durch die neue Strafprozeßordnung uimröglich gemacht werden. Die lange Dauer mancher Sensationsprozeffe, so des A l l e n st e i n e r Prozesses, ist viel besprochen worden; ich kann dem Verhandlungsleiter nicht den Vor- wurf ersparen, daß er die Beweisaufnahme zu weit aus- dehnte. Mit der Angeklagten wurde, wie übrigens mehr- fach mit gesell schaftlich hoch st ehendenAngeklagten in anderem Tone gesprochen als mit anderen An- geklagten. Ich meine, Rangunterschiede müssen vor den Schranken des Gerichts aufhören. sSehr richtig I links.) Auch ist in Allenstein hervorgetreten, was auch sonst mehrfach in die Erscheinung getreten ist, daß die P s h ch i a t r i e aus dem besten Wege ist, d i e Strafrechtspflege vollkommen zu ruinieren. Auch im Prozeß Eulenburg glaubt man vielfach an Klassenjustiz; ich bin überzeugt, daß alles geschehen ist, was geschehen konnte, wäre aber dankbar, vom Staatssekretär zu hören, ob Aussicht vorhanden ist, daß der Prozeß wieder aufgenommen wird. Die Begründung mancher Urteile gibt der Auffaffung von der Klaffenjustiz recht, so wurde in B l o g a u ein Fleischermeister zu vier Wochen Gefängnis verurteilt, weil seine schlechten Würste auch von der »feineren Kundschaft' gekauft wurden, dieser Umstand brachte ihm offenbar einige Wochen mehr ein.(Hört I hört!) In H a l b e r- st a d t erhielt ein Installateur wegen Beleidigung der Tochter eines höheren Beamten neun Monate Gefängnis, in der Be- gründung wurde gesagt, die Strafe sei so hoch ausgefallen, weil die Beleidigte nicht den niederen Ständen angehörte, wo das E h r« gesuhl nicht so hoch entwickelt ist.<LebhasteS Hört! hört!) Das ist eine haarsträubende Urteilsbegründung, ein Attentat auf die Ehre von zwei Dritteln der Töchter unseres Vl"tes. sLebhafte Zustimmung links) Die Rechtsprechung muß von sczialem Verständnis und Gemeinschaftssinn getragen fein. lBravo I im Zentrum.) Abg. Dr. Frank-Mannheim(Soz.): Ich freue mich, daß die Existenz der Klaffenjustiz jetzt auch von kleines Feuilleton. Sklavenjagden im heutigen Afrika . Vor kurzem wurde in der Türkei durch einen neuen Erlaß an das schon bestehende Verbot des Sklavenhandels erinnert. Dabei wurde erwähnt, daß aus Afrika immer noch Sklaven und Eunuchen ihren Weg nach dem tür - kischen Asien und Europa fänden. Man hat, wie die österreichische Monatsschrift für den Orient feststellt, erst kürzlich wieder sehen müssen, daß die früheren Sklavenjagden noch existieren. Es bilden vor allem noch gewisse Teile des Sudans und Aequatorialafrikas den Schauplatz von Sklavenjagden. Berüchtigt waren bis in die jüngste Zeit die Raubzüge der Sultane von W a d a i. Ein Teil der von Wadai fortwährend gevarchten Sklaven blieb im Lande Und wurde be» der Feldarbeit verwendet, der andere Teil, zumeist Frauen und Kinder, wurde nach dem türkischen Nordafrika ausge- führt. Der Sulwn von Wadai hatte begriffen, daß durch die Franzosen seine Unabhängigkeit bedroht wurde und suchte sich für den unvermeidlichen Kampf durch Beschaffung moderner europä- ischcr Gewehre zu rüsten. Diese konnten nur auf Straßen bezogen werden,�"'cht von Europäern beherrscht wurden, das heißt aus Türkiich-Nordafrika . So gingen denn von Wadai die ge- raubten>-klalxn den langen Weg durch die Wüste und wurden im türkischen Gebiet den Türken gegen Schnelljleuergewehre einge- tauscht. Bei der Besetzung der Hauptstadt Abeschr durch die Fran- zosen im Zum 1J09 fanden sich denn auch 150 Sklaven vor, die ge- rade nach dem türkischen Gebiet hätten abgehen sollen. Seit dieser Zeit hat die SIlavenausfuhr und damit auch der Sklavenraub dort nachgelassen. Nicht soviel ist in dem Nachbarsultanat Darfur erreicht worden. Nach dem Fall des Mahdireiches nahm dort mit Zustim- mung der angloägyptischen Regierung ein Mitglied der vertriebenen Sultansfamilie den Thron ein. Sie stellte dem neuen Sultan einige Bedingungen, überließ ihn aber sich selbst mit dem Erfolge, daß er sich um seine Verpflichtungen nicht mehr kümmerte. Um nun gerüstet zu sein, wenn die Engländer ihn einmal mit Waffen- gewalt daran erinnern sollte», macht es der Sultan von Dafür genau so, wie es bisher lener in Wadai machte; er raubt Sklaven in südlichen Nackbarlandern und verhandelt sie nach der Türkei gegen Schuellfcuergewehre und Munition. Im Westen gibt es in Ma- rokko Sklavenmarkte, die ganz offen abgehalten werden. Die Zufuhr kam früher aus dem Nigerbogen. Heute allerdings ist dort für Sklavenjagden kein Feld mehr. Aber in großen Teilen Mau- retanienS, d. h. des Saharagebietes zwischen Senegambien und Marokko , sind noch Sklaven zu bekonAnen, und zwar durch die Ver- Mittelung der herrschenden Maurenstämme. die die Sklaven in den !�i'en rauben. Die wenigen Stationen können die Sklaventrans- v�rte nickt bindern, andererseits lebt das Geschäft trotz aller Ge- jähren, weil es eintraglich ist. ain langatmiger Sab. Das Potsdamer Amtsblatt ent- hält e ne öffentliche Zustellung, die ,n emen einzigen Satz gekleidet iki«« Warte enthält und folgendermaßen lautet:Der Landwirt Otto Kuhns zu Nowawes . BethlehemS-K.rchPlatz lS Prozeßbevoll- m�tigter: Rechtsanwalt Altenau zu Nvwawes. klagt gegen den bürgerlichen Parteien anerkannt wird. Die Kriminalität eines Volkes hängt mit den wirtschaftlichen Zuständen zusammen. Wichtiger und richtiger ist es, strafbare Handlungen zu verhindern. als zu bestrafen, und das beste Mittel dazu ist die wirtschaftliche Hebung der Massen, die politische und geistige Befreiung der Arbeiterklasse. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ganz unbegreiflich ist es, daß die Regierung in die Kommission zur Vorberatung des Entwurfs für das Strafgesetzbuch keinen einzigen Sozialdemokraten und Vertreter der Arbeiterklasse berufen hat. sSehr richüg! bei deu Sozialdemokraten.) Deshalb müssen wir hier dazu Stellung nehmen. Der Entwurf sucht unter der Flagge einer Strafrechtsreform ganz gefährliche, reaktionäre Ware einzuschmuggeln. Der Hochverrats Paragraph war von jeher ein beliebtes Mittel gegen unbequeme, politische Gegner, eine Liste der in den letzten Jahrzehnten wegen Hochverrat vor Gericht Ge- stellten wäre eine Ehrentafel her mutigsten Männer. fSehr richtig! bei den Sozialdemokralen.) Freilich wird der Para« graph nnr benutzt, um Drohungen einer Verfassungsumwälzung von unten zu bestrafen. Drohungen mit dem Verfassungs- bruch von oben bleiben straflos. Bisher mußte der verräterische Willen auf ein bestimintes Unternehmen gerichtet sein, der neue Entwurf will diese Schranke beieitigen, er will mit Zuchthaus bis zu zwei Jahren denjenigen be- strafen, der zu hochverräterischen Handlungenaufreizt'. Dieser Be- griff der Aufreizung soll jede der Regierung unbequeme Agitation mit dem Brandmal der Ehrlosigkeit bedrohen. Nach der Begrün- dung ist es unangenehm empfunden, daß die geschulten Agitatoren nicht direkt zu strafbaren Handlungen auffordern, sondern sich mit der Aufreizung begnügen<Hört I hört!), die darin bestehr, daß sie eine hochverräleriiche Gesinnung und Stimmung wecken. sHörtl hört!) Der Reichskanzler hat vor einiger Zeit der Sozialdemokratie die mora- lisch? Verantwortung für die Vorgänge in Moabit zugeschoben. Wir hätten Gesinnung und Stimmung hervorgerufen, aus der die Exzesse cherausgewachse» seien. Wird also der geplante Paragraph Gesetz, so gehört jeder sozialdemokratische Agitator ins Zuchthaus, denn mit jedem Wort wollen wir eine Gesinnung und Stimmung wecken, der die bestehenden Zustände unhaltbar erscheinen.(Lebhafte Zustimmung bei den Soziaidemolraten.) Nach den Reden auf der letzten Versammlung des Bundes der Landwirte würden auch die Herren vom Hansabund getroffen, auch der Bauern- b u n d und die Nationalliberalen, wenigstens eine gewisse Sorte Nationalliberaler, um mit Herrn von Oldenburg zu sprechen. Ein anderer Paragraph bedroht mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 2000 M. denjenigen, der öffentlich durch Verbreitung von Schriften zur Begehung von Verbrechen oder Ver gehen, oder zu Auflehnungen gegen Verordnungen auf- fordert oder aufreizt oder begangene Verbrechen verherrlicht. Dieser Paragraph soll jede Kritik einer Anordnung der Regierung oder Behörde unmöglich' machen. Wenn ein Redner die schöne Ver- kehrsordnung des Herrn v. Jagow nicht genial findet, gehört er ins Gefängnis.(Heiterkeit�) Die Bestimmung, daß die Per- herrlichung von begangenen Verbrechen strafbar sein soll, ist ein alter Ladenhüter an? der Umsturzvorlage, der durch die Lagerung nicht wertvoller geworden ist. Vizepräsident Spahn: Der Strafrechtsentwurf hat doch mit dem Titel Staatssekretär nichts zu tun. Abg. Frank(fortfahrend): Ich habe betont, daß kein Sozialdemokrat, kein Arbeitervertreter in die Kommission zur Vorberatung des Entwurfs berufen ist, und daß wir deshalb unsere Anschauungen über das neue Recht hier zu machen gezwungen find. y Vizepräsident Spahn: Ich bitte nur Rückficht darauf zu nehmen, daß der Titel Staatssekretär zur Verhandlung steht. Abg. Frank(fottfahrend): Ich meine doch, daß der Staatssekretär nicht ohne Einwirkung auf die Zusammensetzung der Kommission ist. Sollte ich mich darin irren, so wäre seine Stellung noch einflußloser, als sie jetzt schon bewertet wird.(Heiterkeit und Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) In der Budgctkommission ist ausführlich über diese Frage verhandelt worden. ES soll also künftig strafbar sein. Reisanden Karl Schwabedal, früher zu Nowawes , jetzt unbekannten Aufenthaltes, unter der Behauptung, daß sich die Parteien im Fe- bruar lölO zu einer in Nowawes ansässigen Gesellschaft zwecks Ver- kaufes landwirtschaftlicher Maschinen als Gesellschafter zusammen- getan und vereinbart hätten, daß daS zur Anschaffung der Ma- schinen erforderliche Geld vom Kläger gegeben werden und der Ver- kaufserlös den Parteien je zur Hälfte zufließen solle, daß die Ge- sellschaft vor kurzem dadurch aufgelöst worden sei, daß Beklagter heimlich Nowawes verlaffen und seinen Wohnfitz, wie dem Kläger mitgeteilt worden sei, nach England verlegt habe, daß während der Gesellschastsverbindung Viaschinen zum Gesamtpreise von 10 500 M. verkauft worden seien und der den Parteien zugefloffene Rein- gewinn mit 20 Proz., demnach 2100 M., oder nach Abzug von 233,70 M. für Frachten 1806,30 M. betragen habe, mithin der An- teil eines jeden Gesellschafters sich auf die Hälfte dieses Betrages, nämlich 933,15 M. belaufen habe, daß Beklagter auf seinen Anteil vom Kläger 850 M. bar gezahlt erhalten und außerdem cm außen- ftchendeu Forderungen 340 M. eingezogen und zu cj�cnetu Nutzen verwendet, mithin im ganzen 1190 M. erhalten und Mher nach An- rechnung seines Anteils von 933,15 M. aus gedachten Gesamtbetrag 250,85 M. zuviel bekommen habe, mit dem Antrage, dahin zu er­kennen: Der Beklagte wird kostenpflichtig verurteilt, an den Kläger 250,85 M. nebst 5 Proz. Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.' Wenn derVerabfaffer' dieses SaheS(um im Juristendeutsch zu bleiben) verurteilt würde, sein Erzeugnis einige Male am Tage laut und ohne Pausen vorzulesen, würde er zweifellos sich vor solchem Papierdeutsch künftig in acht nehmen. Wie die Kinder Israels durchs Rote Meer ziehen. WaS für Leistungen die Kinematographie heutzutage vollbringt, und zu welchen Mitteln sie greift, um Lebenswahrheit vorzutäuschen, zeigt einer der neuesten Films einer amerikanischen Firma. Er stellt die Flucht der Juden aus Aegypten und ihren Durchzug durch das Rote Meer dar, und gibt die Szene wieder, wie Moses durch einen Wink mit der Hand das Meer zum Zurückweichen nach beiden Seiten bringt. Kaum einer unter hundert Zuschauern kann sich eine Vorstellung machen, auf welche Weise diese so natür- lich wirkende Szene zustande kam. Der Photograph, der mit der Aufnahme desDurchzugs durch das Rote Meer ' betraut war. wählte sich an der Rüste von Long Island eine Stelle, an der sich eine Sandbank befindet, die bei Flut unter Wasser und bei Ebbe frei liegt. Zur Flutzeit begann er seine Aufnahmen und fertigte etwa zwanzig Bilder. Nach fünfzehn Minuten nahm er weitere zwanzig Bilder auf. und wiederholte diese Aufnahmen alle Viertelstunden. Im Verlauf der sechs Stunden bis zum Eintritt der Ebbe hatte er somit einen Film gewonnen, der daS Meer und alle feine Veränderungen in viertelstündigen Pausen zeigte. Mit Eintritt der Ebbe wurde die Sandbank sichtbar. Sofort rief der Photograph seine wartenden Statisten herbei und ließ sie über die Sandbank wandern, wobei er den Zug photographierte. Danach konnte er sich, solange die Ebbe andauerte, etwas Ruhe gönnen. Sobald aber die Flut wieder zu steigen begann, war der Photo- graph zur Stelle und nahm wiederum'alle Viertelstunde eine kurze Reihe von Bildern auf. Nach Verlauf weiterer sechs Stunden hatte die Flut wieder ihren Höhepunkt erreicht, und der wenn jemand bei der Besprechung von Verbrechen in Rußland auch die Ursachen erörtert, die dazu geführt haben. Wenn jemand zum Beispiel über die Ursachen der portugiesischen Revolution spricht. Das formale bürgerliche Recht war unzweifelhaft auf feiten von Alphons.(Zuruf: Manuel!) Jawohl, von Manuel.(Abgeordneter Ledebour(Soz.): Alphons kommt noch I Heiterkeit.) Aber das historische Recht war ans feiten der Hochverräter. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Uebrigens würbe auch die Rede des Herrn v. Jagow unter diesen Paragraphen fallen, denn mit seiner Verherrlichung der Polizei hat er auch die Ver- brechen verherrlicht, die von Polizeibeamten in Moabit begangen sind.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Andere Paragraphen sollen die Arbeiterbewegung niederhalten. Mit zwei Jahren Gefängnis wird bedroht, wer durch gemeingefähr- liche Drohungen den öffentlichen Frieden stört. Dieser Paragraph soll die Spießbürger ichützen; man denkt dabei an Hrmes Verse: Und als ich über den Gotthardt kam, da hört' ich Deutschland schnarchen. Es lag und schlief in sicherer Hut von sechsuuddreitzig Monarchen. (Heiterkeit.) Was ist denn eine gefährliche Drohung? Jede An« kündigung eines Streiks oder Boykotts wird von den Spießbürgern als gemeingefährliche Drohung empfunden.(Sehr wahr! bei den Soz.) Ein anderer Paragraph erklärt die Teil« nähme an einer Verbindung, die einen strafbaren Zweck verfolgt, für strafbar. Daß Verbindungen von Arbeitern den Strafgesegen zuwiderlaufen, steht nach der Meinung der Regierung fest. Die Perle oer urm scheu Rechtsprechung, den dolus eventualis, will man jetzt gesetzlich festlegen. Und ein Entwurf, der solche Be» stimmungen gegen die Arbeilerbewegung enthält, will gleichzeitig den§ 130», den Kanzel-Paragraphen abschaffen. Wir haben nichts dagegen, denn mit der Polizei kann man eine Weltanschauung nicht bekämpfen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Aber es ist doch pikant, daß der deuliche Staat in einem Augenblick, wo er von der Kirche besonders zärtlich behandelt wird(Heiterkeit links), sich in den Schutz der Kirche flüchtet, um das Zentrum gegen die Arbeiterbewegung zu gewinnen. Auch die Gewerkichastswelt vergißt der Entwurf nicht, mit 3 Jahren Gefängnis wird der Streik der Verkehrs- a r b e i t e r bedroht.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Unternehmer dagegen werden sehr zärtlich behandelt. Sie sollen aucb kün tig durch Ueberlreten von Schutz- Vorschriften Tausende und Zehntausende verdienen und nur drei bis fünf Mark Strafe zahlen.(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Auch in beziig auf die Justiz scheint O st e l b i e n eine be- sondere Stellung cinzunehnieii. Das Urteil im Falle Becker ist den breiten Masten direkt unverständlich, obwohl das Gericht an- erkennt, daß der Angeklagte gereizl war, erkannte eS auf 1 Jahr Gefängnis; ohne diese mildernden Umstände hätte es ihn wohl ge« vierteilt. Man hat es dem Angeklagten schwer angerechnet, daß er einen so hohen Beamten, einen Landrat, beleidigt hat, man fühlt ordentlich, wie den Gerichtshof eine Gänsehaut vor Ehrfurcht überläuft.(Heiterkeit.) Vor dem Gesetz sind alle gleich nach der Persaffiing, aber nicht vor dem Gericht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) In Breslau , der Heimat vonSoll und Haben', hat die Justiz eine doppelte Buchführung. Von den fünf verantwortlichen Redakteuren derVolks- wacht" ist in den letzten vier Jahren bestraft einer mit 1 Jahr 1 Monat Gefä»9»is, einer mit 1 Jahr 2 Monaten und 1200 M. Geldstrafe, einer mit 7 Monaten und 1500 M. Geld- strafe, einer mit 3 Monaten und 400 M. und der fünfte mit 4>/z Monaten und 2000 M. Geldstrafe und neun Prozesse schweben noch.(Hört l hörll bei den Sozialdemokraten.) Dabei ist die Sprache derBolkswacht' keineswegs verletzend, aber wenn der Staatsanwalt, der sie regelmäßig liest, ein Wort entdeckt, daS viel- leicht als Beleidigung ausgelegt werden kann und in welchem Blatte, auch in welcher konservativen Zeitung steht derartiges nicht, so schickt er die Nummer an den betreffenden Verletzten. DaS ist ein schlimmer Mißbrauch der amtlichen Stellung. (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Derselbe Photograph konnte seinen Posten verlassen, um einen anderen Teil seiner Aufgabe in Angriff zu nehmen. Die so gewonnenen Aufnahmen werden nun in der Weise verwertet, daß sie bei der Vorführung in rasender Geschwindigkeit abgerollt werden. ES wird hierdurch täuschend der Eindruck erweckt, als ob die Wellen auf eine Minute auseinanderrauschen, um die Kinder JSraelK durchziehen zu lassen, und dann wieder zusammenschlageg, Humor und Satire. Bundesparade. WaS rennt das Volk? WaS drängt in Hast Dort zinii Berliner Sportpalast? Was reißt weit auf den großen Mund? Ich glaub', es ist der Laüdwirtsbund. Nanu? Nicht mehr im Zirkus Busch? Nee, diesmal ist wo anders Tusch. Versammelt zur Parade sind Papa, Mama und teils auch Kind. Erst kriecht man willig ans den Leim Dem wackern Herrn v. Wangenheim, Der feststellt, daß zu jeder Frist Im Bund an.Vieh' kein Mangel ist. Es gröhlt Herr Hahn sein altes Lied Als Mitielstands-Antisemit; Laut schallt im Kreise mit GebrauS Der forsche Schlachtruf:Juden rauS l* Einstimmig steigt sodann mit Glanz Der Sang:Heil dir im Siegerlranz'. Nun aber spitzt sich jede? Ohr: Wer turnt zum Rednerpult empor? Begrüßt mit frohem Vorschuß-. Au' Wird der Hanswurst von Januscha«, Der die Sozialdemokratie Vertobakt, fragt mich nur nicht, wie, Und den.Bazillus', der sie ziert, Als Wunderdoktor demonjtriert... So wird noch mancher»Witz' gedrechselt Und durch die Lust saust mancher»Hieb'. Man merkt: der Schauplatz hat gewechselt, Doch nicht der Ton. Der»Zirkus' blieb l _ Michel. Notizen. Theaterchronik. Im Lustspielhaus findet die Aufsuhrung des SchwankesMeyers" in der Neueinstudierung bereits Donnerstag statt. Drahtlose Telcgraphie über 0000 Kilo» meter. Aus Paris wird gemeldet: Zwischenlen Telefunkcn- siaftonen des Eiffelturmes und von Glace Bah(Kanada ) fand dieser Tage ein vollständig gelungener regelmäßiger Depeschen. austausch mittels sogenannter tönender Funken statt. Die Ent, ternung betragt über 0000 Kilometer,