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Nr. 46.

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Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin "

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Reichsfinanzen und Militarismus.

II.

Die im vorigen Artikel gemachte Aufstellung würde kein vollständiges und auch kein richtiges Bild ergeben, wenn man die Ausgaben für die Marine außer acht lassen wollte. Die Ausgaben hielten sich in den ersten Jahren des Bestehens des Reiches in vergleichsweise bescheidenen Grenzen. Das änderte sich bald nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. Von da ab gingen die Ausgaben für die Marine fprunghaft in die Höhe, im kommenden Etatsjahre betragen sie 458 263 756 M., mit den üblichen Etatsüberschreitungen wird also die halbe Milliarde voll. Die Marineausgaben haben sich in folgender Weise entwickelt: Dauernde Einmalige Außerordentliche Betrag in 1000 Mark

10 763,8

26,306,2

1872 1873

14 852,8

16 229,3

8 341,2

17 627,8

1874

16 680,8

22 050,9

1875

17 716,4

31 493,2

1876

24 385,3

16 624,3

1877

21 282,7

39 051,9

1878

22 686,1

39 027,5

1879

23 460,2

20 204,5

1880

24 736,8

14 990,9

1881

26 810,9

11 192,9

1882

25.656,3

10 725,9

1883

27 463,6

12 342,4

1884

32 284,0

16 146,9

1885

36 660,0

15 398,7

1886

36 256,0

14 211,6

1887

39 203,9

13 153,1

1888

36 856,8

14 192,1

1889

39 913,0

5 225,0

1890

40 959,5

4 461,9

1891

45 387,2

15 270,5

24 789,3

1892

45 721,5

25 399,9

1893

48 110,8

21 003,4

1894

50 848,9

22 641,2

1895

58 500,2

19 721,9

1896

56 523,4

29 656,4

1897

61 941,8

23 754,0

1898

66 262,4

36 362,4

1899

71 621,2

50 541,1

1900

73 501,5

54 215,8

1901

81 508,2

70 822,9

1902

88 706,4

75 392,0

53 311,4 53,301,5

1903

93 479,6

83 627,2

1904

99 870,8

75 837,1

1905

105 046,5

96 208,5

47 873,9 43 430,7 46 929,0

1906

115 356,9

93 155,0

50 647,2

1907

126 877,5

121 247,6

1908

135 509,8

125 320,6

86 618,0

1909

147 061,0

155 106,0

109 786,6

1910

157 334,5

172 109,3

1911

19 317,7 12 126,7

5 042,8

7671,5 5890,9 28 329,8

28 626,2 31 746,8

39 427,7

Donnerstag, den 23. Februar 1911.

.

Zölle Steuern Stempel

1896-1900

2278 096,7 Millionen Mark 1 565 197,1

"

"

331 627,6 Summa 4 174 921,4 Millionen Mart

Zölle Steuern Stempel

·

1901-1905

. 2616 635,4 Millionen Mart 1 632 442,6

"

"

"

"

263 929,3 Summa 4512 407,3 Millionen Mart 1906-1910

Zölle Steuern Stempel.

3 009 273,3 Millionen Mart . 2170 485,8

"

"

312 204,0 Summa 5 491 963,1 Millionen Mark Bemerken wollen wir dabei, daß die Stempelabgaben, die den Einzelstaaten überwiesen werden, außer Ansatz geblieben sind. Das Reich hat seit 1872 eingenommen an Zöllen, Steuern und Stempelabgaben

24 355 016 800 Mark.

Sonach hat das Reich

3 822 754 800 Mart

für Rüstungszwecke mehr ausgegeben, als es aus seinen drei Haupt- Einnahmequellen eingenommen hat. Deutschland hat in derselben Zeit

5000 Millionen Mart Schulden gemacht, die fast völlig für Rüstungszwecke verwendet worden find.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

fervativen, Deutsch - und Christlich- Sozialen eine solche elende heuchlerische Heze nicht mitmachen, hier und da, wo es die wie mit Verhältnisse gebieten, taltiich mit dem Zentrum jeder anderen nationalen Partei zusammengehen? Das sind Hörige, Vasallen, Schleppenträger und Knechte des Zentrums und der Ultramontanen".

Man muß zugeben, daß der Verfasser den Standpunkt des Zentrums mit Geschick vertritt. Selbst die programmgemäße An­fündigung des neuen Kulturfampfes fehlt nicht.

Unsere Leser werden nun zweifellos der Meinung sein, das Blatt sei ein waschechtes Zentrumsorgan. Tatsächlich aber ist das Blatt, das so geschickt den Zentrumsstandpunkt vertritt, Die Arbeit", ein Organ der evangelischen Stöder. partei! Die Arbeit" ist das Sprachrohr des evangelischen Lic. Mumm, der evangelischen Abgg. Behrens und Burt, hardt!

"

" Daß du die Nase im Gesicht behältst!" würde Entspekter Bräfig erstaunt ausrufen. Eine Zeitung der Jünger des teueren Gottesmannes Adolf Stöcker ", den seine Verehrer den zweiten Martin Luther " genannt haben, besorgt die Geschäfte des papistischen" Zentrums, als habe die Lerche von Wittenberg" niemals einen Kampf gegen Rom geführt. Nach einer jahrzehntelangen Aufstache­lung der konfessionellen Leidenschaften endet der Kultur. tampf mit einer vollendeten Kniebeuge der po fitiven Evangelischen" vor dem Zentrum! Ein famoser Treppenwitz der Weltgeschichte.

H

"

"

Vielleicht werden wir demnächst lesen, daß die Herren Lic. Mumm, Behrens und Burkhardt in den Schoß der allein wahren, alten Kirche zurückgekehrt find.

Aus purem Mandatshunger", so behauptet die Arbeit", Zu den mannigfaltigen Kulturaufgaben, die das Reich schürten die liberalen Kulturkämpfer den konfeffionellen Streit. Mag lösen und fördern soll, fehlen die Mittel. Selbst im Etat des stimmen. Es gibt aber auch böse Menschen, die behaupten, nur Reichsamts des Innern waren einige Jahre hindurch Aus- aus purem Mandatshunger" poussierten zurzeit die evangelijchen gaben enthalten, die angeblich wissenschaftlichen Zwecken dienen Stöckerlinge den römischen Erbfeind". In Siegen ist nämlich follten, in Wirklichkeit aber militärischer Natur waren. Für Herr Lic. Mumm, in Weylar Herr Behrens, im Wester Bentrumsstimmen Kulturaufgaben stehen die sehr schwankenden Ueberschüsse der wald Herr Dr. Burkhardt auf die Reichspost, der Reichseisenbahnen, die Einnahmen aus dem angewiesen, wenn sie in den Reichstag gewählt gewählt werden Und wenn Paris eine Messe wert war, so find Bankwesen usw. zur Verfügung, lauter Einnahmen, die auf wollen! das Bauchrutschen unsicherem Boden stehen. Kein Wunder, wenn das Reich für drei Reichstagsmandate doch mindestens Kulturzwecke feine Mittel hat. vor dem Zentrum wert. Es muß außerordentlich erhebend auf die Die Ausgaben für Militarismus und Marinismus haben jahrzehntelang gegen den ultramontanen Reichsfeind" aufgepeitschten aber die Tendenz, fortgesetzt zu steigen. Jede Erhöhung Evangelischen wirken, nun zu sehen, wie felbstlos" die Nachfahren der Zölle verteuert die Ernährung der Mannschaften, ver- Martin Luthers ihr Schild über das Zentrum halten. Von den teuert die Fourage, verteuert schließlich auch die Be- Blüten, die bisher schon die Wahlangst zeitigte, ist diese eine der kleidung und den sonstigen Unterhalt. Die neue Militär- lieblichsten. vorlage ist ein Schulbeispiel, wie der Militarismus wirtschaftet. Nach der amtlichen Vorlage kostet die neue Heeresvermehrung 104 Millionen Mark, nach den Berechnungen, die dem Referenten der Budgetkommission vorgelegt werden Bereitwilligkeit, den Wünschen entgegen zu kommen, gibt doch Trotz des orientalisch- höflichen Tons und der scheinbaren mußten, belaufen sich die Kosten auf 141 Millionen. Die Heeresverwaltung war sich darüber von allem Anfang an flar, die Antwort Chinas auf die bekannte Note Rußlands trotzdem ließ sie die Deffentlichkeit in dem Wahn, daß ganz deutlich zu verstehen, daß die Nachgiebigkeit Chinas die Vorlage nur" 104 Millionen Mark Kosten verursache. ziemlich beschränkte Grenzen haben wird. Zwar anerkennt die Wohin, so lautet die nüchterne Frage, treiben wir, wenn chinesische Regierung manche Forderungen Rußlands als berechtigt an und erklärt sich bereit, alle vertragsmäßigen Vorrechte und diesen ungeheuerlichen Rüstungen nicht endlich Einhalt getan Privilegien Rußlands in China aufrecht zu erhalten, so die wird? Der Militarismus ist das Unglück nicht nur des Erterritorialität der russischen Untertanen, die russische Tarif­150 Millionen Mark erreicht haben, so daß an reinen Marine- deutschen Voltes. Diese Detonomie ist die Wirtschaft autonomie an der chinesischen Grenze, das Recht Rußlands ,

167 212,8 181 990,9

55 231,9

112 732,5 109 059,9

Das ergibt eine Summe von rund 5157 Millionen Mart. In dieser Summe sind allerdings auch die Ausgaben für das Schußgebiet Riautschou enthalten, die bis jetzt die Höhe von

ausgaben, das Etatsjahr 1911 eingeschlossen, sich 5 Milliarden Mark

ergeben.

Schließlich kommen noch hinzu die Kosten für das im Jahre 1900 errichtete Reichsmilitärgericht im Betrage von

6 688 400 m.

Die Totalausgaben für militärische und maritime Zwecke feit 1872 ergeben somit die ungeheuerliche Summe von 28 177 771 600 M.

Wie stellen sich nun diese Ausgaben zu den Einnahmen des Reiches? Die Haupteinnahmen, die fortgesezt eine Ver­mehrung und eine Steigerung erfahren haben, sind Zölle, Steuern und Stempelabgaben. Die Entwickelung dieser Ein­nahmequellen bietet, nach Jahrfünften berechnet, folgendes Bild:

1872-1875

Zölle Steuern Stempel

432 403,4 Millionen Mart

.

482 670,7

"

"

"

"

Summa

Zölle

Steuern Stempel.

22 912,4 917 986,5 Millionen Mark 1876-1880

1 043 611,8 Millionen Mark

Summa

634 915,1 Millionen Mark 698 248,4 35 051,6 368 275,1 Millionen Mark 1881-1885

"

"

"

"

Zölle

9

Steuern Stempel

Zölle. Steuern Stempel

"

"

"

755 516,6 98 925,5 Summa 1 898 053,9 Millionen Mart 1886-1890

"

1 485 459,2 Millionen Mark 950 527,0 167 957,9 Summa 2 603 944,1 Millionen Mart 1891-1895

Bölle Steuern Stempel

1821 036,2 Millionen Mark 1 356 391,8

"

"

200 037,8 Summa 3 387 465,4 Millionen Mart

eines

den

Zum ruffifch- chinefifchen Konflikt.

-

-

Bankrotteurs. An den blizenden Bajonetten in gewissen Gegenden Chinas und unter bestimmten Be­hängt der Fluch barbender Massen, denen man dingungen neue Konsulate zu gründen. Die chinesische Ant­verteuert hat, letzten Bissen Brot um diesen Dem Abgrund zugeht die mort betont jedoch scharf, daß die chinesische Regierung einer Rüstungen frönen zu können. Fahrt, wenn das deutsche Volk sich nicht endlich ermannt und Erweiterung der russischen Vorrechte nicht zustimmen werde und daß bei der Erneuerung des allgemeinen Ver­einen Reichstag wählt, der den Mut hat, der Regierung zu fagen: Bis hierher und nicht weiter. Das liegt trages eine Revision der Verhältnisse und Bestimmungen gleicherweise im Interesse der Kultur, im Interesse des stattfinden müsse, da in der letzten Zeit neue Bedürfnisse deutschen Volkes, im Interesse der Bewegung, die zum Völker- entstanden seien namentlich infolge des Ausbaues der russischen Eisenbahnen und der Ausdehnung des chinesischen frieden führen soll und muß. Handels im allgemeinen. Diese Nebenbemerkungen über die Revision der alten Bestimmungen sind für die russische Regie­rung das unangenehmste. Denn gerade eine Beschränkung der russischen Vorrechte in China wollte man durch jene Droh­Mit Stangen und Spießen sind die protestantischen Theologen note verhüten. Im Jahre 1881, als der letzte allgemeine ihren Getreuen in den Tagen des Kulturkampfes vorangegangen, Vertrag mit China geschlossen wurde, war Rußland imftande um den römischen Feind des deutschen Wesens", den Papismus" dank den Siegen in Zentralasien die nördliche Grenze Chinas und Ultramontanismus zu bezwingen. Im Andenken an unseren zu Martinus Luther " durchfochten die evangelischen Gottesmänner lärm u besetzen und der chinesischen Regierung Bestimmungen zu diktieren. Allein der Vertrag ist auf 30 Jahre geschlossen bolle Schlachten mit den ultramontanen Reichsfeinden", riefen fie und muß im laufenden Jahre erneuert werden. Die bevor das ganze evangelische Bolt" auf gegen die Römlinge". Und ruhten stehende Revision des Vertrages mit China hat eine gewisse nicht eher, als bis sich der unbeteiligte Buschauer sozusagen in die Rolle in der Annäherung Rußlands an Japan gespielt. Zeiten der heftigsten mittelalterlichen Religionsfämpfe zurückversetzt Nachdem die Vereinbarung mit Japan zustande gekommen, fühlte.

Ein Bauchruticher- Trio.

glaubte sich Rußland von neuem start genug, um der chinesi­In dem Kulturkampfgetöse aber wuchs das Zentrum heran zu fchen Regierung gegenüber drohende Töne anschlagen und Kein Wunder, daß jezt ein Blatt durch kleinere Vorstöße gegen die chinesische Grenze auf feiner jetzigen Machtstellung. folgende überlegene Abfertigung der Antirömlinge" vornehmen kann: China einwirken zu können. Nur eins fehlte noch, " Wir leben wieder in der Zeit des ödesten Kultur- um unmittelbar nach der Schließung des Vertrages tampfphrasentums. Dem lendenlahmen Frei mit Japan schärfer gegen China vorzugehen: man wußte finn wie auch dem blutarmen Rationalliberalis noch nicht, wie sich Deutschland im Falle eines mus soll das evangelische Bewußtsein" frisches Leben zu­führen. Deshalb gehts Tag für Tag gegen den schwarz- blauen ernsten Konfliktes verhalten werde. Die Potsdamer zu. Blod, deshalb schließt Naumann jede feiner Reden mit sammenkunft brachte auch in dieser Hinsicht Beruhigung. der Aufforderung zum Stampf gegen Ritter und Heilige", gegen Daß neben der persischen Frage auch die chinesische in Pots­" Junker und Pfaffen". Wie oft habe ich in den letzten Wochen dam besprochen wurde, bestätigt jezt auch ein Teil der offi­aus liberalem Munde Urteile über das 8entrum gehört, die ziösen russischen Presse. Herr Safonoff träumte bereits das Maß des Erlaubten weit überschreiten. Kein gutes Haar von neuen Begünstigungen und Erweiterungen der Handels­findet man am Zentrum, alles schlecht, alles vernichtungswürdig,

da hört man: das Zentrum ist eine kulturfeindliche, internationale privilegien in China ; man hoffte im fernen Often Revanche für bom Papst und den Pfaffen dirigierte Partei, eine Partei mit die im nahen Osten erlittenen Verluste nehmen zu können, baterlandsfeindlichen Tendenzen und baterlandsverräterifchen als sich Gerüchte verbreiteten, daß die chinesische Regierung das bestimmt Plänen. So redet der Liberalismus heute über das Zentrum. ein Vertragsprojekt ausgearbeitet habe,

-

Und wie urteilt er über die Parteien, die, wie die Konsei, die Rechte Rußlands in China bedeutend zu