beschränken, und daß sie entschlossen sei, bei den Vee- Handlungen mit Rußland den Grundsätzen dieses Projekts zu folgen. Nun suchte man durch die Drohnote die chinesische Regierung einzuschüchtern, jedoch wie es scheint, ohne vollen Erfolg. Tie„patriotische" russische Presse ist über die Antwort Chinas empört. Man nennt sie sogar„eine direkte Provo- kation". Die„Nowoje Wremja" bedauert, daß die russische Diplomatie von Anfang an so„milde" und zurückhaltend vorgegangen, daß man sich mit einem„Halbultimatum" begnügt hat. Viel besser wäre es gewesen, ein richtiges Ulti- matuni zu stellen und demselben eine wirksame„Aktion" folgen zu lassen. Wie leicht wäre zum Beispiel, Kuljdscha zu besetzen. Kuljdscha ist übrigens nicht das einzige:„Gibt es denn so wenig Gegenden, die direkt an unserer unendlichen Grenze liegen und China gehören?"„Was hindert denn, anstatt mit einem„Halbultimatum" zu operieren, bloß ein paar ganz kurze Zeilen an das Militärkomnmndo in Turkestan abzuschicken?" „Ja. was hindert denn?" Nun, das weiß Herr Sasonoff sehr gut und auch die„Nowoje Wremja" könnte> es wissen. Alle Mittel des Staates müssen doch zur Bekämpfung des inneren Feindes— z. Z. der Studentenschaft— verwendet werden, zum Teil auch das Militär selbst. Für den äußeren Feind bleibt nichts mehr übrig. Man wird sich also wohl hüten, bei der gegenwärtigen Lage einen Krieg zu riskieren. Politische Qcbcrlicbt. Berlin , den 22. Februar 1911. Brandmarkung der Klassenjustiz. Ans dem Reichstag , 22. Februar. Die Weiter- siihrung der Justizdebatte steigerte sich heute zu einer Brand- markung der gesamten Klassenjustiz in einer mehrstündigen Rede des Genossen S t a d t h a g e n. An dem Schicksal der unglücklichen Mutter, die wegen Schulversäumnis ihrer Kinder in Haft gesetzt und da verbrannt war, zeigte er,. welche furchtbaren Folgen die Nichtbeachtung sozialer Verhältnisse in unserer Rechtspflege haben muß. Der Feldzug, den das preußische Kultusministerium gegen die sozialdemokratischen Turnlehrer eröffnet hat, ist ein neuer Beweis dafür, wie diese Verwaltungsbehörde in der Verfolgung politischer Gegner sich selbst über Richtersprüche hinwegsetzt. Die letzteren Ausführungen mußten das Gebiet der Verwaltungsgerichtsbarkeit streifen, auf die der Staats- sekretär des Reichsjustizamtes keinen Einfluß hat. Das ver- anlaßte den Präsidenten Spahn wieder einmal, einen Versuch zur Einschränkung der Debatte zu machen. Doch gelang es Stadthagen , nachzuweisen, daß er nicht aus dem Nahmen der zulässigen Erörterungen herausgeraten war. Nachdem Stadthagen dann noch an einer Fülle politischer Tendenzprozesse die Voreingenommenheit der Verwaltung besonders gegenüber der Sozialdemokratie erwiesen hatte, forderte er zum Schluß energisch, daß beamtete Verbrecher nicht straflos ausgehen dürften und daß auch deren Be- günstiger in Amt und Würden zur Verantwortung gezogen werden müßten. Der Präsident Schultz erteilte ihm deshalb einen Ordnungsruf. Als nun aber der Staatssekretär L i s c o den Ordnungsruf zum Vorwand nahm, um sich der fachlichen Beantwortung der Stadthagenschen Angriffe zu entziehen, protestierten die Sozialdemokraten entrüstet über diese„D r ü ck e b e r g e r e i", welchen Ausdruck der Präsident Schultz auf Anweisung Liseos abermals mit einem Orb- K U n g s r u f quittierte. � t Die Anklageliste gegen die Rechtspflege wurde dann noch durch den Polen Senda vervollständigt, der die. tatsächlich -in den östlichen Provinzen bestehende Rechtsungleichheit der polnischen Bevölkerung alS einen Beiveis dafür anführen tonnte, daß die„Justiz eine Dienerin der Politik" ist. Selbst der Freisinnige Dr. Müller- Meiningen . fand schwarze Flecke in der Rechtspflege. Schließlich ging die Debatte ohne einen ernstlichen Verteidignngsversuch der Regierung zu Ende. Morgen beginnt der M i l i t ä r e t a t. Scharfmacher Breitenbach. Der preußische Eisenbohnminister von Breitenbach ist ein Herr völlig nach dem Wunsche der Schlot- und Krautjunker, ein Herr, dessen soziale Einsicht etwa den Anschauungen des Mittelalters entspricht, der. anstatt den Arbeitern und Unterbeamten ausreichende Löhne zu zahlen und ihnen ihre staatsbürgerlichen Rechte zu ge- währleisten, ängstlich darüber wacht, daß nur ja und ja nicht Löhne gezahlt werden, die die der Industriearbeiter übersteigen, und auf der anderen Seite den Arbeitern willkürlich ihre Rechte nimmt und sie als Ersatz dafür mit Wohltaten abspeist. Diesen Standpunkt nahm er auch am Mittwoch wieder ein, wo da? Junkerparlament sich über die Verhältniste der Beamten und Arbeiter der Staatseisenbahnverwaltung unterhielt. Die Zahl de« Personals ist eine so gewaltige, daß es dem Minister ein leichtes wäre, vorbildlich zu wirken. Aber das tut er nicht; einmal deshalb nicht, weil ihm das soziale Verständnis fehlt, und zweitens tut er es nicht wegen der„gottgewollten" Abhängigkeit vom preußischen Dreiklastenparlament. Erlauben ihm doch die Agrarier noch nicht einmal die Einstellung von Landarbeitern in den Eisenbahnbetrieb, damit ihnen keine Arbeitskräfte entzogen werden I Kein Wunder, daß die Lohn- und Arbeitsverhältnisse allmählich so schlechte geworden sind, daß selbst Vertreter der bürgerlichen Linken lebhafte Klogen erheben. So tadelten die Abgeordneten Schroeder(natl.) und D e l i u S(Vp.). daß noch Löhne unter dem ortsüblichen Tagelohn gezahlt werden und daß manche Kategorien von Unterbeamten und Arbeitern gar zu schlecht gestellt sind. Die beiden konservativen Parteien freilich stimmen in diese Klagen nicht ein, ihrer Ansicht nach hat der Eisenbahnminister in erster Linie die Aufgabe, die Politik der Scharfmacher zu betreiben, was denn Herr v. Breite nbach auch bereklwilligst tut. Er stellt die Eisen- bahnen in den Dienst des Kampfes gegen Polen und Sozialdemo- kraten. Die Klagen des Abg. Korfanty(Pole) über die Nadelstichpolitik in den Ostmarken und über die zum KorruptionSfondS ausgestaltete Ostmarlenzulage tat er ebenso leicht ab wie die zahl- losen Beschwerden, die unser Genoste Leinert in l'/z stündiger Rede vorbrachte. Es ist charakteristisch, daß die Eisenbahner sich. seitdem Vertreter der Sozialdemokratie ihren Einzug in den Landtag gehalten haben, an sie als die Männer ihres Vertrauens wenden. Alle Beschwerden, die unS aus den Reihen der Beamten und Ar- beiter der Eisenbahnverwaltung zugehen, auch nur in gedrängter Kürze vorzutragen, würde, wie unser Redner treffend bemerkte, seine physischen Kräfte übersteigen. Leinert beschränkte sich deshalb auf das äußerste, aber auch in dieser Kürze bildet seine Rede eine ge- wältige Anklage gegen das System Breitenbach, jenes System, das guf Kosten der Arbeiter und Beamten hohe Ueberschüffe erzielt. Die Erwiderung des Ministers war schwach. Er hielt eine seiner bekannten Scharsmacherreden, die darauf hinausläuft, daß er sein Personal bor der Berührung mit den Feinden der staatlichen Orb- nung bewahren müffe und daß im übrigen alles in bester Ordnung sei. WaS braucht sich der Minister auch Mühe zu gebenl Was hat er ins- besondere nötig, auch nur den Versuch einer Widerlegung derBehauplungen des sozialdemokratischen Anklägers zu machen I Weiß er doch, daß die Mehrheit des Landtages— nicht etwa die Mehrheit des Volkes— auf seiner Seite steht und seine scharfmacherische Haltung billigt! Der beiden konservativen Parteien ist er ebenso sicher wie des Zentrums. Er stützt sich auf den schwarzblauen Block, der im Notsall auch noch von einem Flügel der Nationalliberalen Ver- stärlung erfährt. Am Donnerstag soll der Eisenbahnetat zu Ende geführt werden. Die Statthalterfrage in Elsaft-Lothringcn. Der jetzige Statthalter von Elsaß-Lothringen hat gestenr ein großes Souper gegeben, zu dem auch 41 Abgeordnete des Laichesausschusses erschienen waren. Im Verlause des Abends ergriff Graf von Wedel das Wort zu einer Kaiserrede. Er meinte: „Und nun. meine Herren, lassen Sie uns des Kaisers gedenken, der bald auf eine 23jährige Regierungs- zeitzurückblicktundderebensolangedieStaats- gewalt in Elsaß-Lothringen ausübt. Da es der ritterlichen, zielbewußten und pflichttreuen Auffassung seines Be- rufes entspricht, hat Seine Majestät vom ersten Tage seiner Re- gierung an unserem Lande seine volle und warme Sympathie und seine hingebende Fürsorge gewidmet, und so ist es denn ebenso begreiflich als hocherfreulich, daß die Bevölkerung dieses Streben richtig erkennt und daß die Liebe zum Kaiser feste Wurzeln geschlagen hat. Beweis dafür ist der wirk- lich spontane und herzliche Empfang, der Seiner Majestät be- reitet wird auf seinen Pfaden durch das Land in allen Orten seitens der Einwohnerschaft. In dem geraden, jedem Gemachten abholden Charakter des Volkes aber liegt die Bürgschaft für die Echtheit dieser Kundgebungen. Hierin erblicke ich zugleich aber auch den Ausdruck der Erkenntnis, daß es ein unschätz- barer Vorteil nach innen und außen ist, unter dem unmittelbaren Schutz und der fürsorgenden Obhut eines mächtigen Staatsoberhauptes zu stehe n." An sich bietet diese Rede wenig Bemerkenswertes; sie er- hält ihre Bedeutung erst durch den Kommentar, den die halb- offiziöse„Straßburger Post" diesen Aeußerungen hinzufügt: ein Koinmentar, der zweifellos nicht in der Redaktion dieses Blattes, sondern in den Bureaus der elsaß -lothringischen Regierung versaßt wo-rden ist: „WaS mit besonderem Nachdurck am Schluß der kurzen An- spräche zum Ausdruck gelangte, war die feste Ueberzeugung, daß der unschätzbare Vorteil unmittelbar unter dem Schutz und der fürsorgenden Obhut des Kaisers als Trägers der Landeshoheit zu stehen, nicht preisgegeben werden wird, daß Elsaß-Lothringen auch in Zukunft unter der Hoheit des Kaisers als Vertreters des Reiches stehen wird. Mag im übrigen kommen was will, das eine steht heute schon fest: Die verbündeten Regierungen werden jedemVersuch, den Kaiser als den Legatar des Reiches in Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen zu beseiti- gen und ihn durch einen lebenslänglichen Statt- Halter zu ersetzen, die Zustimmung versagen. Auf der anderen Seite hoffen wir auf ein weites Entgegen- kommen in der Frage der Bundesratsstimmen, für die sich eine Lösung in irgend einer Form finden muß. Was sonst an Zu- geständnissen im einzelnen, etwa bei der Zusammensetzung der ersten Kammer und beim Wahlgesetz, zu erreichen sein wird, ist nben diesen beiden Hauptpunkten von geringerer Bedeutung." Ter Artikel konstatiert, daß jetzt alles auf die Haltung des Zentrums ankomme, und fragt, ob der Kaiser, wenn er künstig ins Land komme, Gast eines von ihm unabhängigen Statthalters von Bundesratsgnaden sein solle, der wohl Höflichkeiten bean- spruchen könne, aber kein« Rechte auszuüben habe. Der Artikel schließt:„Die Rede des Statthalters Hai gezeigt, wo die Grenzen der parlamentarischen An- sprüche liegen. Sie finden ihre Schranke in der ver- fassungsrechtlich begründeten Macht des Kaisers, der im Namen des Reiches unser oberster Schutzherr ist, und dem wir auch hier au der südwestlichen Grenzmark Treue halten wollen." Versprechen und Halten ist zweierlei. Der Minister v. Breitenbach empfing die Lohnkommisflon des dem Kartell Deutscher Reichs- und Staatsarbeiterverbände an- geschlossenen Verbandes Deutscher Eisenbahnhand- werker und«Arbeiter. Der Minister erkannte, wie der „Lokal-Anzeiger" meldet, die Wünsche nach einer ollgemeinen, durch- greifenden Lohnerhöhung an, indem er den Mitgliedern der Kommission erklärte:„Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Lohnerhöhungen durchaus nicht als abgeschlossen zu betrachten sind." Der Minister stellte ferner eine Vermehrung der Stellen der Lokomotivheizer und-führer und damit die Ueberführung einer größeren Anzahl von Eisenbahnhandwerkern und-arbeitern in das BcamtenverhältniS in Aussicht; auch die Ueberführung der Güterbodenvorarbeiter— ein- schließlich der älteren Arbeiter— in die Ladeschaffnerstellen wäre vorgesehen. Ebenso erklärte der Minister zur Frage der Beseitigung des Aklordshstems, daß zur Minderung der sich ergebenden Härten Erhebungen im Gange seien._ Aus der sozialdemokratischen ReichstagSfraktton. Die Fraktion beschloß, zum Etat des Reichsschatzamtes folgende Anträae einzubringen: Zur Gewährung von Beihilfen an Hausgewerbetreibende und Arbeiter, die wegen Aenderung des Tabaksteuergesetzes arbeitslos geworden sind, einzusetzen 1 009 000 M. Zur Gewährung von Beihilfen an Arbeiter, die infolge des Zündwarensteuergesetzes arbeitslos geworden sind, einzu- setzen 400 000 M.__ Preußische Rechtsgleichheit. Justizrat Dr. L. Flatau schreibt dem„Berliner Tageblatt": „Die Generalversammlungen des Bundes der Land- Wirte nötigen stets von neuem zu einer die Rechtsgleichheit in Preußen berührenden Frage. Es ist bekannt, daß die Reichs- regierung gerade mit Hilfe der konservativen Parteien seinerzeit jene Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches durchsetzte, die die Polizeibehörden zum Einspruch dagegen berechtigen, daß ein„poli- tische, sozialpolitische oder religiöse Zwecke" verfolgender Verein durch Eintragung in das Vereinsregister Korporationsrechte er- lange, die ferner einen schon„eingetragenen Verein", der seiner offiziellen Satzung zuwider„politische, sozialpoli- tische oder religiöse Zwecke" verfolgt, mit B e r l u st der Rechtsfähigkeit bedrohen. Man weiß ja auch, welche Fülle polizeilichen und juristischen Scharfsinns gelegentlich aufgeboten wird, um diesen politischen Charakter bei sozialedemokra- tischen, polnischen oder sonstigen oppositionellen Gesangvereinen, Pfeifenklubs. Keglerbünden nachzuweisen, von Freidenkervereincn gar nicht zu reden. Dagegen scheinen die zuständigen Behörden ganz zu übersehen, daß als unpolitischer(!) Verein unter Nr. 77 des Vereinsregisters beim Amtsgericht Berlin-Mitte der — Bund der Landwirte eingetragen ist. Seit seiner Eintragung hat sich der Bund auch ohne jede behördliche Anfechtung der pellen KorporaliouSrechte erfreuen dürfen, Allem Anschein nach erblicken die maßgebenden Instanzen\\t GeneraköersammIuNgS- reden, wie sie früher und gestern wieder im„Sportpalast " gehalten wurden, nichts als philosophische Kollegien und theoretisch-wissen- schaftliche Vorlesungen."_ Keine Wahlreform in Gotha . Die gothaische Regierung ist gegen das direkte LandtagSwahl« recht. In einer früheren Periode hatte der gemeinschaftliche Landtag für die Herzogtümer Koburg und Gotha einen Antrag an- genommen, die Regierung möge einen Gesetzentwurf vorlegen, wonach die indirekte Wahl durch Wahlmänner alS nicht mehr den Zeit- verhälrnisien entsprechend beseitigt werde. Am Dienstag trat nun der gemeinschaftliche Landtag aber« mals zu einer Tagung zusammen, um verschiedene Gesetzentwürfe der Staatsregierung zu beraten. Unter den Eingängen befand sich auch eine„Mitteilung", die Bezug nimmt auf jenen Beschluß des Landes- Parlaments. In längere» Ausführungen begründet die Regierung ihren yblehnenden Standpunkt. Sie ist der Meinung, daß ein Wahl- system, das 60 Jahre sich gut bewährt habe, auch noch weiter be- stehen kann. Deshalb sei sie„nicht in der Loge", dem Wunsche des Landtage? nachzukommen. Es habe bei den Beratungen des Mini- steriwns keine Lösung der Wahlfrage gefunden werden können. Man habe deshalb schließlich Abstand von der Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes genommen, zumal bei der Schwierigkeil der Materie und bei der jetzigen Zusammensetzung des Landtages keine Aussicht vorhanden sei. ein den Verbältnissen entsprechendes besseres Gesetz zustande zu bringen. Auch in Koburg-Gotha soll also alles beim Alten bleiben. Einer aus dem Talltvitzschen Moralinstitut. Aus Posen wird der.Germania" berichtet: „Vor einigen Tagen bemerkte die Gattin des Schriftführers des polnischen Straz-Vereins, daß sich jemand an dem außerhalb der Wohnungstüre angebrachten Brieflasten zu schaffen machte. Durch das in der Tür angebrachte Guckloch bemerkte sie einen Mann, der den B r i e f k a st e n aufschloß und auftäumte, die darin befindlichen Zeitungen zurücklegte und sehr aufmerk- sam die Briefadressen, besonders die Poststempel studierte, wobei er sich Nottzen machte, worauf er alles wieder in den Kasten zurücktat. Dieselbe Beobachtung machte dann später der Schriftführer des Vereins, Dr. Schröder, der davon verständigt wurde, persönlich. Es wurden nun zwei Männer beauftragt, den Briefkasten im Auge zu behalten, und Dienstag früh um 8 Uhr gelang es. den Neugierigen festzunehmen. Er kam noch vor der ersten Briefbestellung, öffnete den Briefkasten und wollte ihn, da er noch leer war, schließen. In diesem Augenblicke wurde er festgenommen, in die Wohnung gebracht und durchsucht. Auf telephonischen Anruf kam ein Polizeibeamter. der aus dem Portemonnaie des Ertapptem unter anderem auch die Legitimationsmarke der politischen Polizei zutage förderte. Bis zur Mittagszeit hatte die Polizei angeblich noch nicht den Namen des Agenten feststellen können." Bebel bat in der letzten SonntagSnummer des„Vorwärts" den Herrn Minister des Innern von Dallwitz aufgefordert, bevor er im preußischen Landtag gegen die Sozialdemokratie den Vorwurf der Verleitung zur Untreue erhebe, zunächst aus der politischen Polizei ein„Institut für öffentliche Moral und Wahr- heits liebe" zu machen. Vielleicht beginnt Herr von Dallwitz seine Ethisienmgsarbeit mit dem Briefkastenkontrolleur der posenschen politischen Polizei._ Preußische Gastfreundschaft. Für die Tschechen im preußischen Staatsgebiet gelten nach den vom Minister des Innern erlassenen neuen Vorschriften folgende Be- stimmungen: 1. Die im Jahre lütv aus dem Auslände neu zuge- zogenen Handwerksgesellen und Lehrlinge müssen bis längstens 1. September isil in ibre Heimat zürllckkehrcn. Den übrigen tschechischen Handwerksgesellen und Lehrlingen kann der wettere Aufenthalt im Jnlande wicderruflich gestattet werden, solange sie sich nicht persönlich lästig machen. 2. Die in den Jahren 1609 und 1910 zugezogenen tschechischen Arbeiter haben bis sp ä testen S 20. D ez e m b e r 191 1 das Inland zu verlassen. Ihre etwaige Wiedereinstellnng ist nicht vor dem 1. Februar lv12 und nur in den für sie freigegebenen Betrieben und bei Arbeitgebern gestattet, die die dazu erforderliche Genehmigung des zuständigen Landrats für das betreffende Jahr erholten haben. Die vor dem Jahre 1909 zugezogenen tschechischen Arbeiter dürfen vor- läufig weiter im Jnlande bleiben. Diese neuen Bestimmungen sollen künftighin„unnachsichtlich" durchgeführt werden. Aus ihrer Heimat neu zuziehende tschechische Handwerker sind fortan nicht mehr einzustellen. Die Privatbeamten und das aeplante Penfions- versicherungsgefctz. Der Deutsche Privatbeamten-Verein ist mit seinen 30 000 Mitgliedern aus dem Hauptausschuß für staatliche Pensions- Versicherung der Privatangestellten, der am kommenden Sonn» tag in Berlin tagen wird, unter scharfem Protest ausgetreten. Ueber die Gründe wird mitgeteilt. Die im Hauptausschuß für staatliche Pensionsversicherung der Privatangestellton organisierten Vereine umfassen etiva ein Viertel der Gesamtheit des Privatbeamtenberufes. Während die im Hauptausschuß organisierten Vereine sich widerspruchslos auf den Boden der Regierungsvorlage stellen, erheben zahlreiche große Verbände und Korporationen, wie der Deutsche Privatbeamten-Verein, der Deutsche Bankbeamten- Verein, sehr viele Werks-Pensionskassen und Fabrikkassen, der Zentralverband deutscher Industrieller, der Zentralausschuß der Prinzipalverbände und andere mehr, die schwersten Bedenken, die sich besonders gegen die zehnjährige Wartezeit, die U n z u- länglichkeit der gebotenen Leistungen, den un- geheuren Verwaltungsapparat, die fast völlige Aus- schaltung des Prinzips der Selbstverwaltung, die Nichtzulassung von Ersatzinstituten und Vernichtung der bestehenden Versorgung»- lassen, sowie gegen andere Punkte ver Regierungsvorlage richten. Bedaüerllcherweise hat nun der Hauptausschuß die Ver- fügung getroffen, daß für die von ihm am Sonntag geplanie Versammlung in der Hasenheide allen Interessenten der Zutritt ausdrücklich verweigert wird, die sich nicht auf den Boden der HanptauSschlußbeschlüsse stellen und die verdächtig erscheinende Einwendungen erheben. Der Hauptaus- schütz hat sogar Vereine, die ihm selbst angeschlossen find, jedoch bezüglich der Regierungsvorlage anderer Ansicht waren, mit dein Ausschluß bedroht._ Belgien .• Die WahlrechtSpropagauda. Brüssel , 20. Februar.(Eig. Bor.) Der Generalrat der belgischen Partei hat beschlossen, für den 15. August eine Wahlrcchtskundgebung in Brüssel zu veranstalten. an der sich die Sozialdemokratie ganz Belgiens beteiligen wird. In einem vom Parteisekretär an die Födc- rationen gerichteten Zirkular wird angeregt, schon jetzt Reise- lassen einzurichten, um auch den Aernisten zu ermöglichen, an dem Tage der großen nationalen Kundgebung für die politische Grundforderung des Proletariats: ein reines, unverfälschtes Wahlrecht, an der Demonstration in der Hauptstadt des Landes teilzunehmen.— Die Jßor- arbeit für diese Massenkundgebung soll sofort mit einer Serie von Demonstrationen und Versammlungen mit der TageS- ordnung des allgemeinen Wahlrechts in allen Provinzen einsetzen. DaS Zirkular empfiehlt den Orgam-
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