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Hr. 49. 28. Iahrgllllg. 1. Keilte drs Jotmötts" Krlim Zonntag. 26. Febrnar 1911. GeD«ralszulagci)! Aus militärischen Kreisen wird uns geschrieben: Bekanntlich hat Herr v. Tirpitz den Schisfsheizern ihre Zu- lagen um 10 Pf. pro Tag gekürzt. Wenn man sich nicht scheut, aus mageren Portemonnaies im Tage einen Groschen heraus- zuholen, so sollte man auch<rn vollen, prallen Geld- beuteln nicht vorübergehen. Und darum weisen wir hiermit auk dl- Geldbeutel der Herren Generäle hin, die mit Zu- iagen so reichlich bedacht sind. Es erhält: jeder komman- dierende General eine Dienstzulage von 18000 M. im Jahre; jeder Divisionskommandeur eine Dienstzulagc von 4500 M. im Jahre; jeder Brigadekommandeur eine Dienstzulage von 000 M. jährlich; jeder Gouverneur eine Dienstzulage von 4500 M. jährlich. Generaladjutanten erhalten auch dann, wenn sie nur beim Landesherrn Verwendung finden, je nach dem Patent Dienstzulagen von 9000, 4500 oder 900 M. im Jahre. Um dieses Zulagenunwesen ganz zu durchschauen, muß man die hohen Gehälter der Generäle und die ihnen zustehenden Wohnungsgeldzuschüsse mit in Betracht ziehen.*) Ein kommandierender General   bezieht, abgesehen von seiner 18 000 M. betragenden Dienstzulage. 13 980 M. Gehalt. Von letzterem werden ihm 1980 M. für seine Dienstwohnung ab- gezogen, so daß ihm an Gehalt noch immer 12 000 M. bar bleiben. DieDienstwohnung" besteht gewöhnlich aus einem Palais, das auf Kosten der Steuerzahler möbliert und auch noch geheizt wird. Wie solcheDienstwohnungen" beschaffen sind, kann man daraus ersehen, daß dieDienstwohnung", die früher der jeweilige kom- mandicrende General in München   innehatte seit 23 Jahren ist sie frei, weil daS 1. bayerische Armeekorps während dieses Zeit- raumes immer von Wittelsbacher Prinzen kommandiert wurde, jetzt vom päpstlichen NuntiuS bewohnt wird. Und wenn einmal eine besondere Dienstwohnung für einen kommandierenden General nicht vorhanden ist, so mietet daS Reich für den Herrn General   ein HauS, für das im Jahre mindestens 20000 M. bezahlt werden müssen. DieseDienstwohnungen" sind, wie gesagt, auch noch möbliert und werden auf allgemeine Unkosten geheizt. Ein kommandierender General kommt dem Steuerzahler inkl. Pferde rationen auf mindestens 60 000 M. im Jahre. Auch wenn die Dienstzulage jedes kommandierenden Generals von 18 000 M. auf 12 000 M. gekürzt würde, könnten diese Generäle noch immer ein sehr angenehmes Leben führen, denn es blieben ihnen im Jahre in bar 24 000 M. bei freier Wohnung, freier Heizung und freier Mobiliareinrichtung. Nun zu den Divisionskommandeuren. Sie er- halten einen Gehalt von 13554 M.. dazu, wie erwähnt, eine Dienstzulage von 4500 M. und einen Wohnungsgeldzuschuß. der nach der Garnison   wechselt. Alles in allem kommt ein solcher Offizier inkl. Rationen dem Volke auf ca. 23 000 M. im Jahre. Würde die Zulage der Divisionskommandeure überhaupt beseitigt, so bezöge ein solcher General noch immer 15 000 M. bar im Jahre. Ein Brigadekommandeur erhält 10 260 M. Gehalt. 900 M. Dienstzulage und den nach Garnisonen wechselnden Woh- nungsgeldzuschuß. Im ganzen kommt ein Brigadekommandeur den Steuerzahlern aus etwa 14 000 M. Bei Beseitigung der Dienst- zulage blieben einem Brigadekommandeur noch immer ungefähr rund 11500 M. bar. Durch die Kürzung der Dienstzulage könnten an jedem kommandierenden General 6000 M., durch Streichung der Zulage an jedem Divisionskommandeur 4500 M., an jedem Brigade  - kommandeur 900 M. im Jahre gespart werden. Kommandierende Generäle und Generäle mit ihren Gebührnissen gibt es im Deutschen Reiche zurzeit etwa dreißig. Somit wäre hier allein eine Ersparnis von 180 000 M. im Jahre möglich. Divisions- kommandeur« und Generäle mit ihren Gebührniffen sind etwa 70 vorhanden. Somit könnten in diesem Falle 315 000 M. im Jahre eingespart werden. Brigadekommandeure und Offiziere mit ') Von den Ueberschüssen. die ihnen bei Dienstreisen. Kommandierungen usw. bleiben, sehen wir ganz ab. kleines feuUleton. Fritz von Uhde   ist am Sonnabend als ein Dreiundsechzigjähriger in München   gestorben. Die Kunst verliert in ihm einen der Wenigen, die das nackte Anschauen, das Nur-Sehen der modernen Natursorschung mit dem sanften Pathos des Weltverstehens und der Menschenliebe zur Einheit verbinden. Nichts war diesem verstehen- den Freund der Kinder und des Volkes fremder als die schneidende Analyse des kühlen optischen und nur optischen Interesses; nie wur- den ihm die Bauern, die Fischer, die Armen und Weinenden, die er malte, zu Modellen, zu Objekten, an denen sich dies und das stu- dieren läßt. Stets mischte er in die technische Rechnung ein Gefühl fczialen und kosmischen Empfindens. Und zeigte so, daß man ein guter Maler sein kann, ohne die Naivität des Herzens einzubüßen; und umgekehrt, daß auch weit gespannte, allumfassende Gefühle, das Drama und die Seligkeit der Erdensöhne, als reine Projektion der Sinne, als eine Harmonie farbiger Massen, als ein Rhythmus des Lichtes gestaltet werden können. Vor Uhde hatten auch die Gegner per modernen Malerei Respekt; da konnten auch sie nicht sagen, daß auf diesen Leinwanden nur Materie gelagert sei, nur Fleisch- licheS, nur dressierte Oelfarbe. Dazu waren die Kräfte, die diesen Bekenntnissen von der Würde des Leides, von der Königskrone der Kleinsten, von dey. Heiligkeit der Verstoßenen entströmten, gar zu stark, zu voll des versöhnenden Klanges: und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Uhde fühlte die ungeheure Botschaft jenes �lesus, deS verfluchten Volkserlösers, den später Priester zum kalten Symbol machten; Uhde erlebte die Mildherzigkeit dessen, der sich den Enterbten, den Krüppeln, den Aussätzigen gesellte. Er sah all die Bilder, die vor Jahrhunderten fromme Einfalt niedergeschrieben -. Gegenwärtiges, als ein Geschehen in unseren Tagen, an linkerem Volk. Sein Jesus   setzt sich an den Tisch des Landmanncs, ruft die Buben und Mädchen des Dorfes, er predigt den g-�nit ern: er ist ein Arbeitsamer, der nie müde wird, ein Trösten- der der aller Schmerzen trägt. Der Narr in Christo. Emanuel Quint Es geht eine Verwandtschaft von Uhde zu Gerhart Haupt- mann Nur daß der Maler nie dem Licht untreu wurde und stets di, Sonne eines dem Innersten entquillenden Humors, eines müden <iIck>-lnS eines weisen, ach so weise gewordenen Verstehens über rt,..? und Böse. Geburt und Sterben golden strahlen, leise und fern »i naen ließ. Er war den Kindlein gleich; das war es, was ihm die Herzen der Männer gewann. R. Br.  svielhagen ist Sonnabend gestorben einen Tag nach -. unllendctcn 82. Lebensjahre. Noch kurz vor Weihnachten seinem i«llc Serie seinerAusgewählten Romane" hatten wtr AM V. Meister des historischen und sozial- «.UckenRmanS dahingegangen. Bis an seinen Tod hat er gesellschaftllchen-n behaupten vermocht infolge der nach- MÄng A die ein großzügiges Bild der gleichen Gebührnissen zählt die deutsche Armee etwa 230. Daher wäre hier eine Ersparnis von 207 000 M. im Jahre möglich. Wir haben also die Möglichkeit einer Ersparnis von im ganzen 180 000 M. + 315 000 M.+ 207 000 M. 702 000 M. aufgezeigt. Dabei kann man nicht behaupten, daß wir streng und schundig verfahren wolle», denn selbst den Brigadekommandeuren würde noch eine Barein  - nähme von 11 500 M. bleiben, obwohl keiner von ihnen älter als 56 Jahre ist. Rechnet man die von uns außer Betracht gelassenen Ueberschüsse bei den Jnspektions- und Aushebungsreisen hinzu, so blieben den Brigadelommandeuren mindestens 12 000 M. bar im Jahre. Auch an den in Hofftellen befindlichen Generälen ließe sich ohne Härte eine schöne Summe durch Streichung und Kürzung der Dienstzulagen ersparen, so daß man mit Leichtigkeit auf dem erwähntep Wege an den Generälen allein jährlich nahezu 800 000 Mark sparen könnte. Würde im Reichstag ein unseren Vorschlägen entsprechender Antrag eingebracht, so gäbe es ein auch bei den kommenden Wahlen vortrefflich zu benutzendes Schauspiel für Götter: Die nämlichen Volksvertreter", die den Heizern ihre Zulage um 10 Pf. pro Tag gekürzt haben, würden sich schützend vor die Geldsäcke der Generäle stellen, und Herr v. Heeringen wird diese Geldsäcke mit dem näm- lichen Eifer verteidigen, mit dem Herr v. Tirpitz die Kürzung der Heizerzulagen beschönigt hat. belehrendes Schauspiel für das Volk! .eicdstag. 135. Sitzung. Sonnabend, den 25. Februar 1911, vormittags 11 Uhr. Am BundeSratStisch: v. Heeringen. Zweite Lesung des Militäretats. Zweiter Tag. Abg. GanS Edler v. Putlitz  (k.): Der Etat ist unstreitig mit großer Sparsamkeit aufgestellt worden, so daß Abstriche nicht möglich find, wenn wir unsere Wehrkraft nicht erheblich schwächen wollen. Die Militäranwärter müssen auskömmlich gestellt werden; entgegen Herrn N o s k e behaupte ich, daß sie sehr gern Kleinbauern werden wollten. Von einer Bevorzugung des Adels kann beim Avancement in unserer Armee gar keine Rede sein.(Heiterkeit links.) Politik soll unserem Heer fern bleiben; aber die S o z i a l d e m o- kratie, die die Grundlage unseres Staatswesens angreift, muß rücksichtslos bekämpft werden. Um so verwerflicher ist es, daß in Baden Angehörige der Armee für die Sozialdemokratie agitiert haben.(Hört! hörtl rechts.) Das zeigt, welche Ver- wirrung der Großblock angerichtet hat.(Zustimmung rechts.) Im Kern ist unser Heer gesund. DaS Gefühl der persönlichen Gefolgschaft zum Monarchen, daS im Offizierkorps lebt, hat unser Volksheer groß gemacht; hierum beneidet uns das Ausland.(Bravo I rechts.) Abg. Dr. Paasch«(natl.): Den gestern vom Abg. Müller- Meiningen   angeführten Erlaß des Kriegsministers bedaure ich. Mit dem Grundgedanken, daß der aktive Offizier sich bei Parlaments- Mitgliedern nicht beschweren soll, kann man einverstanden sein. Aber andererseits brauchen wir die Informationen über unsere Heereseinrichtungen, die wir nur von aktiven Offizieren erhalten können. Daß Offiziere mit Parlamentariern über militärische Dinge nicht sprechen sollen, steht in dem Erlaß nicht drin und kann auch gar nicht gemeint sein; aber kann so aufgefaßt werden, und dagegen müßte das Parlament sich entschieden verwahren. (Zustimmung links.) Achtung vor dem Parlament zeigt sich auch darin nicht, daß Jahr für Jahr dieselben Klagen wiederkehre» müssen. Für die von der Volkspartei eingebrachte Resolution können wir aber nicht stimmen, denn wir können nicht zugeben» daß ein Sozial- demokrat Offizier wird.(Zustimmung rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.) Sehr viel ist von Sparsamkeit die Rede; aber das viele Beiwerk und der Putz an den Uniformen Dinge. die mit der KriegStüchtigkeit nichts zu tun haben lassen von Sparsamkeit nichts merken. In den Militärwerkstätten sollte man nur das herstellen, waö man auch wirklich billiger herstelle» kann; alles andere sollte man der Privatindustrie überweisen. Millionen könnten auf diese Weise erspart werden. Der Redner rühmt dem Offizierkorps und dem Unteroffizierkorps nach, daß sie Soldatenmißhandlungen streng ver- urteilen. Einzelfälle dürfe man nicht in der Art. wie der Abg. Entwickelungskämpfe vornehmlich des Bürgertums und des oft elbischen, richtiger pommerischen Junkertums während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geben. Gleicherweise hat er die Kämpfe des emporsteigendenvierten" Standes: des sozialistischen  Arbeiterproletariats, dichterisch zu meistern versucht. Romane, wie Hammer und Amboß",In Reih und Glied".Problematische Naturen",Sturmflut",Was will das werden", sind charakteristisch für sein Schaffen sowohl, als für seine sozialkritische Anschauung. Spielhagen war einer von denAufrechten", den demokratischen Idealen des Bürgertums von 1848 blieb er treu, ohne sich zu wan- dein. Das war jedenfalls seine schwächste Seite; doch nahm er immer auch gegenüber dem Sozialismus eine mit der Arbeiterschaft sympathisierende Haltung ein. Die Parteipresse ist es bis in unsere Tage hinein gewesen, die Spielhagcns bedeutendste Romane in ihren Spalten veröffentlicht hat. Man kann daher mit einiger Bercchti- gung sagen, daß der Dichter in den Reihen der proletarischen Leser wohl am besten verstanden und am nachhaltigsten gewürdigt worden ist. Seine erzählenden Werke füllen 29 Bände. Außerdem hat er kernige Gedichte zwei Bände, verschiedene Schauspiele geschrie bcn. Dazu kommen literarkritische Aufsätze und Studien, Ueber setzungen amerikanischer Poesien, vermischte Schriften. Eine Art Kanon haben seine scharfsinnigen Untersuchungen über die Technik des Romans sowie der Epik und Dramatik gebildet. Mancherlei in ihnen wird anregend weiter wirken, wie denn Spielhagen selber als Mensch und Charakter, als Künstler und Kämpfer noch lange im Gedächtnis des Volkes fortleben wird. e. k. Berühmte Theaterskandale. Die laufende Theatersaison konnte in den letzten Tagen eine ganze Reihe von Theaterskandalen ver- zeichnen. Erst kürzlich wurde im Berliner   Deutschen   Theater ein Stück von Karl Vollmöller   unter Lärmen und Zischen begraben und bei der Premiere eines Werkes von Eulenberg, die gleichzeitig in Hamburg   und in München   stattfand, kam es zu peinlichen Szenen. Bei der Uraufführung deS neuen Stückes von Henry Bernstein in Paris   war die Comedie Franeaise der Schauplatz wüsten Lärms. An diese Begebenheit inüpft.,Tout Paris" imGaulois" an, um allerlei Interessantes von Theaterskandalen zu erzählen. Einen wilden Thcatersturm entfesselte ,m Jahre 1865 die KomödieHen- riette Maröchal" der Brut«r Goncourt. Der derbe Prolog mißfiel dem aristokr<filsckie« Publikum der Comedie Franqaise. Man wußte zudem, daß die Zeniur das stück beanstandet hatte und daß dieser Widerspruch nur durch die Vermittelung der Prinzessin Mathilde besiegt worden war. Die Opposition war also bereits kampflustig ins Theater gekommen, nur mit Mühe und der Auf- opferunz der mitwirkenden Kunstler gelang es mit knapper Not, das Werk zu Ende zu spielen, aber es verschwand dann sofort vom Theaterzettel und wurde nie mehr aufgeführt. Doch einer der be- deutendsten Thcaterskandale, die Paris   erlebt hat, ereignete sich am 13. März 1861 in der Großen Oper. Es war die Pariser Premiere desTannhäuser".Mit höhnischem Gelächter und wildem Johlen und Pfeifen wurde Richard Wagners Werk aufgenommen." N o s k e es getan, verallgemeinern. Wir nennen unser Heer so oft ein Volksheer; aber wir stellen sehr viele Wehr- fähige nicht ein, und deren Prozentsatz steigt, und dadurch geht der kriegerische G e i st, die Mannszucht und Disziplin dem Volke als Ganzes verloren. Es ist sehr zu be- dauern, daß dieser Teil des Volkes gar keine militärische Erziehung genießt, auch nickit als Ersatzrescrve. Jugendspiele können hier keinen Ersatz schaffen, sie bleiben Spiele; wir wolle» aber den kriegerischen Geist und den Patriotismus für das ganze Volk.(Bravo l bei den Nationalliberalen.) Abg. Brandys(Pole): Das Heer kostet uns jährlich eine Milliarde, mehr als 20 Mark auf den Kopf der Bevölke- rung; in anderen Ländern kostet das Heer kaum die Hälfte. Ueb'erall werden Resolutionen zu einer Abrüstung gefaßt, aber kein Staat will den Anfang machen, auch Deutschland   nicht. Zu den Lasten trägt auch unser Volksteil bei, und da wir ärmer sind, als andere, empfinden wir es schwerer, deshalb haben wir auch gegen die Vermehrung deS Heeres gestimmt. Unser Volk, das ländlich ist, muß auch Prozent»»! mehr Menschen zum Heer stellen, als das deutsche Volk. Auch dadurch werde» unsere Bauern empfindlich ge- schädigt, sie können immer schwerer genügende Arbeitskräfte finden. Die Heerenverwaltung sollte nach Möglichkeit die Bauernsöhne vom M i l i t ä r d i e n st freilassen. Man sollte unsere katholischen Söhne auch in unseren katho« lischen Landesteilcn ihrer Miliiärpflicht genügen lassen. Tapfer und fromm soll der Soldat sein. Auch katholische Vor- gesetzte sollten die katholischen Soldaten haben, wie Sie ja latholilche Kinder auch nur einem katholischen Lehrer anvertrauen. Die Polen   dienen ebenso gern im Heer wie die Deutschen  ; aber germanisieren wollen sie sich dort nicht lassen. Redner klagt über den Boykott polnischer Firmen durch die Militärverwaltung und fordert den Kriegsminister auf. für Abhilfe zu sorgen. Abg. Liebermann v. Sonncnbcrg(wirtsch. Vg.) freut sich über Erzbergers, des tiefen Geistes(Große Heiterkeit links), Bekehrung zur Militärfreundlichkeit, fordert die Beamten der Militärverwaltung und die Unteroffiziere auf, endlich einmal mit ihren Bezügen zufrieden zu fein, und polemisiert gegen die Verherrlichung der Miliz durch den Abg. Noske.(Abg. N o s k e macht in einem Zwischenrufe den Redner darauf aufmerksam, daß er gar nicht über die Frage der Miliz gesprochen habe. Heiterkeit und Sehr gut! links.) Redner bedauert diearmen sozialdemokratischen Kinder"(Heiterkeit bei den Soz.), die schon im Elternhansc zur Militärfeindlichkeit erzogen werden, erklärt, daß dieA u f r u h r i n st r n k t i o n" schon in seiner Leutnantszeit existiert habe, daß er aber mit Bronsart von Schellendorf  , dem früheren Kriegsminister, hoffe, daß Polizei und Feuerwehr würden scbon zur Bewältigung etwaiger Putsche genügen. Weiter verliest Redner eine Stelle aus Schopenhauer, die sich gegen die Bezeichnung des Judentums als Konfession wendet, und verlangt, daß auch die getauften Juden nicht befördert werden.(Beifall auf der Rechten mit Ausnahme des Abg. Dr. Arendt.) Abg. Stücklcn(Soz.): Wenn im Reichstag bei der Beratung des Militäretats immer dieselben Klagen wiederholt werden, so liegt das daran, daß die Militärverwaltung nichts tut, um für Abstellung der Klagen zu sorgen. Augenscheinlich denkt die Regierung: laßt den Reichstag sich nur totreden.(Heiterkeit.) Der Reichstag oder wenigstens die MehrheitSparteien tragen aber auch Mitschuld an dieser Mißachtung. Mit Reden ist es nicht getan und vor Maßregeln, die etwas helfen, wie A b st r i ch e n und Ablehnungen, schrecken die bürgerlichen Parteren zurück.(Sehr wahr I bei den Sozial« demokraten.) Wir haben niemals verhehlt, daß wir ein wirkliches Volksheer wünschen. Es ist aber ein, sei es unabsichtliches, sei es absicht- liches Mißverständnis, wenn man uns vorwirft, wir dächten uns die Volkswehr als einen mit Piken, Sensen und Knüppeln bewaffneten Landsturm.(Heiterkeit.) Interessant waren die Klagen deS Abg. Brandys über mangelnde konfessionelle Parität im Heere. Er verlangte katholische Offiziere für katholische Soldaten. Die Konsequenz würde sein, daß für die evangelischen Soldaten evangelische Offiziere und für die jüdischen Soldaten jüdische Offiziere verlaugt würden.(Heiterkeit und Sehr gut! links.) Daß wir von dem Kriegsminister keine Vorschläge zur Abkürzung der Dienstzeit zu erwarten haben, wissen wir nur zu gut. Wir erwarten auch so wenig wie möglich von der V e r e i n f a ch u n g s» kommissi on, von der jetzt so viel Aufsehens gemacht ivird. Was heraus kommen wird, werden wohl ein paar Verteuerungen sein. Ein« so berichtet ein Augenzeuge.Es tvar ein grauenhafter Abend." Auch der alte Augicr hat im Odeon seinen Premicrensturm er- lebt und zwar bei einem seiner besten Werke, bei der Aufführung des LustspielsLa contagion". Man wußte, daß die Kaiserin er- scheinen würde und als sie kam, wurde sie von den Studenten mit wildem Johlen begrüßt. Zahllose Verhaftungen lourden vorgc- nommen. Hier wurde der Dichter das Opfer politischer Gegen­sätze, ähnlich wie der Verfasser desNabagas". Es tvar am 1. Fe- bruar 1872. Die Premiere war ein'einziger endloser Kampf von Pfeifen, Johlen und Klatschen. Man erkannte in dem Helden des Stückes Gambetta. Seine Gegner amüsierten sich und klatschten, während seine Freunde das Stück durch Schreien und Pfeifen zum Scheitern bringen wollten. Im Parkett hagelte es Ohrfeigen. Aber diesmal kam der Skandal im letzten Ende dem Dichter zugute. Der Direktor war ein Schlaukopf, er sah, wie der Theaterskandal die Neugier des Publikums reizte und improvisierte mi» selbst bei allen folgenden Aufführungen stürmisch- Szenen. Ueber hundertmal wurde derRabagas" gegeben und über hundertmal genoß der Logenbesucher im Zuschauerraum den Ausbruch derVolkswut". Eisenbahnen in Mont-Blanc-Hähe. Die höchste Eisenbahn» lini- der Welt besitzt nach einer Zusammenstellung, die sich in der Zeitung des Vereins deutscher Eiscnbahnverivaltungen findet, die Anwfagasta- und Bolivische Eisenbahngesellschast. Von Antofagasta steigt dre Hauptlinie dieser Bahn stetig auf eine Länge von 360 Kilometer und erreicht dadurch bei Ascotin eine Höhe von 3965 Meter. Auf viele Meilen läuft die Bahn in einer Seehöhe 3660 Meter hin. Die ganze Strecke von Antofagasta   an der Küste von Chile   bis Oruro   m Bolivien   ist 924 Kilometer lang; obgleich sie eine Spurweite von nur 76 Zentimeter hat, verkehren doch sogar auf ihr Schlafwagen. Diese Hauptlinie ist aber noch nicht die höchste Strecke des Netzes. Von ihr zweigt ber Ollague(Ohague) eine Bahn nmh Collahuasi ab, deren Gleise eine Höhe von 4820 Meter über dem Meeresspiegel erreichen. Durch eine andere Zweigbahn von Rio Mulato nach Potost, eine Meterspurbahn, die im Bau begriffen ist, wird auch die letztgenannte Bahn Voraussicht- lich noch übertrofsen werden. Man erwartet, daß hier die Höhe von 4880 Meter«reicht oder gar noch überschritten werden wird. Die nächsthöchste Bahn zu sei», darf loohl die Oroya-Eisenbahn in Peru   für sich in Anspruch nehmen. Sie erhebt sich bis zu einer Höhe von 4750 Meter. Dann folgt die Peruanische Südbahn, die bei Portcz del Cruzera eine Höhe von 4473 Meter erreicht. Ans der Argentinisch-Chilenischcn Transandenbahn beträgt die größte erreichte Höhe 3200 Meter, immerhin noch eine recht außergewöhn- liche Höhenlage für eine Eisenbahn. Notizen. - Vorträge. Institut für Meereskunde spricht Dienstag. 28. Februar. Prof. W o l t e r e ck über die biologische Er- forschung des Meeres, am«zreitag, 3. März. Dr. L. Brühl über das Thema: Was das Meer für die Apotheke liefert