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Die Mgg. Liebknecht(Soz.) und Waldheim(Vp.) weisen die Behauptung des Abg. v. Maltzahn zurück, datz sie das Ausland gegen Preußen aufgerufen haben. .Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Sonnabend 10 Uhr. Schluß V Uhr. _ parlamcntanfcbe� Aus der Budgetkommission des Reichstages. Am Freitag hat die Kemmissionsmehrheit zugunsten der P o sta s s i st en t e n eine Resolution angenommen, die für einen Teil dieser Beamten eine Zulage von 300 Mk. fordert. Die Sozial- demokraten, die schon am Donnerstag erklärten, in erster Linie müssen die Unterbeamten bedacht werden, falls die BesoldungS- ordnung von 1909 durchbrochen werden soll, brachten am Freitag folgende Resolution ein: den Reichskanzler zu ersuchen, eine Re- Vision des Beamten-Besoldungsgesetzes in der Richtung vorzube- reiten, daß den Unterbeamten eine angemessene Erhöhung ihrer unzulänglichen Bezüge gewährt wird. Abg. Eichhorn(Soz.) wies darauf hin, daß tagelang über die Assistenten geredet worden ist, viel notwendiger sei eine Reform der Bezüge der Unterbeamten, denen in Zukunft doch mehr und verantwortungsvollere Arbeiten zugewiesen werden sollen. Ebenso sei anzustreben, daß den Unterbeamten ein ausreichender Urlaub gewährt wird. Schatzsekretär Mermuth verweist dar- auf, daß er bei der Assistentenfrage auf die Gefahren hingewiesen habe, die aus der nationalliberal-freisinnigen Resolution erwachsen müßten. Der sozialdemokratische Antrag beweise, wie recht er ge- habt habe. Di« Regierung lehne daher bestimmt jedes Eingehen auf die Resolution ab. Die bürgerlichen Parteien, die sich für die Assistenten zwei Tage lang ins Zeug gelegt hatten, um sich Agitationsstoff für die Reichstagswahl zu schaffen, gerieten in nicht geringe Verlegenheit durch den sozialdemokratischen Antrag, der doch nur ein Akt aus- gleichender Gerechtigkeit war, um den Unterbeamten zu gewähren, was den Assistenten zugebilligt wurde. Die Fortschrittler brachten, veranlaßt durch das Vorgehen der Sozialdemokraten, eine Resolution ein, diedie unbeabsichtigten Härten in der BesoldungS- ordnung" beseitigen will und das Zentrum beeilt sich ebenfalls, hinter der Sozialdemokratie herzulaufen und fordert« in einer Resolution die Beseitigung von Unstimmigkeiten, die sich bei der Neuregelung der WohuungSgeldklaffen herausgestellt haben. Na t> o na l l i b e ra l e, Ko nservative und Anti- s e m i t e u erklärten sich gegen die sozialdemokratische Resolution und damit gegen eine Besserstellung der Unterbeamten, für die Genosse Eichhorn in längeren Ausführungen eintrat. Die Ab- stimmung ergab folgendes Resultat: Die sozialdemokra- tische Resolution wurde gegen die sozialdemokratischen und frei» finnigen Stimmen abgelehnt; desgleichen die freisinnige Resolution, Der Ze n t r u in s a n trag, der die Regierung zu nichts verpflichtet, iourde schließlich einstimmig angenommen. Bemerkt sei noch, daß der Antisemit La tt mann versehentlich für die sozialdemokratische Resolution gestimmt hatte und nach der Abstimmung erklärte, erbedauere seine Ab st immun g. Eine lebhafte Debatte entwickelte sich weiterhin über 2 Fonds für Hilfsleistungen bei den.Verkehrsanstalten und im Unter- bcamtendienstc, die zusammen eine Summe von 31,7 Millionen Mark erfordern. Tie Weiterberatung wurde auf Dienstag vcr- tagt._ Aus> der Reichsversichcrungsordnungs-Kommissiim. Sitzung am S. März. Die Kommission setzte die Beratung der Dienstordnung für die Beamten der Ortskrankenkassen usw. fort. Vor Ausstellung der Dienstordnung hat der Vorstand die An- gejicjltcn zu höre». Die Kompromihparteien beantragten hierzu, daß sowohl im Borstand als auch im Ausschuß die Arbeitgeberver- treter und die Vertreter der Versicherten über die Dienstordnung getrennt abstimmen sollen. Also auch hier eine Entrechtung der Arbeitermehrheit, denn sie ist nach dein geltenden Recht in diesen Fragen entscheidend. Die Sozialdem�okraten wendeten sich cutschieden gegen die Verschlechterung. Sie wurde aber von den bürgerlichen Parteien angenommen. Kassenbeamte als Staatsbeamte. Der Vorstand einer Orts-, Land- oder JnnungSkraukenkasse kann mit Genehmigung des Obervcrsicherungsamts Beamte auf Lebenszeit oder mit Anrecht auf Ruhegehalt anstellen. Für Orts-, Land- und Jnnungskrankenkassen mit mehr als I0l)lX> Versicherten kann das Oocrversicherungsamt nach Anhören des Nassenvorstandes anordnen, daß mindestens die Geschäftsleiter in dieser Weise an- gestellt werden. Den Beamten, die in dieser Weise angestellt sind, kann die Landesregierung die Rechte und Pflichten der staatlichen und gemeindlichen Beamten übertragen. Die Sozialdemokraten sprachen sich mit allem Nachdruck gegen diese Bestimmung aus, die die Beamten noch mehr drücken und in einen direkten Gegensatz zu den Vorständen und Mitgliedern der Kassen bringen werde. Die bürgerlichen Parteien stimmten auch dieser Vergewaltigung zu. Ein kläglicher Notbehelf. Abg. Becker(Arnsberg ), der Arbeitersekretär des Zentrums, der die Entrechtung der Arbeiter mitgemacht hat, kam am Schluß des Abschnittes über das Beamienrecht mit dem Antrage nachgehiuft, daß die Bestimmung gegen politische oder religiöse Hebelgriffs der Kasscnbeamten auch aus die Angestellten der Betriebskrankenkassen angewendet werde. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Die Fälle werden aber sehr selten sein, in denen der Vorsitzende einer Betriebskrankenkasse, also der Unternehmer, eilten Uebergriff seines Beamten gegen die Arbeiter entdecken wird. Hierauf wendete sich die Kommission der Arztfragc zu. Die Konservativen, Nationalliberalen und das Zentrum haben Anträge eingebracht, die folgende Regelung der Arztfrage vor- schlagen: Die Verträge zwischen den Krankenkassen und ihren Aerzten müssen mindestens auf ein Jahr geschlossen werden. Sollen sie geändert werden, so müssen sie mindestens ö Monate vorher ge- kündigt werden. Dann haben beide Parteien zunächst den Versuch zu machen, sich direkt zu verständigen. Ist dies nicht möglich und findet die Kasse nicht genügend Aerzte unter den von ihr vor- geschlagenen Bedingungen, so entscheidet das Schiedsamt. DaS be­steht aus drei Beamten, drei Vertretern der Kassen und drei Ver- tretern der Aerzte. Das Schiedsamt fällt einen Schiedsspruch. Keiner Kasse und keinem Arzte darf es verwehrt werden, das Schicdsamt anzurufen, vor ihm zu verhandeln und Verträge auf der Unterlage von Bedingungen zu schließen, die das Schiedsgericht als angemessen anerkannt hat. Entgegensiebende Vereinbarungen sind nichtig. Schließlich ist die Kasse berechtigt, wenn sie sich dem Schiedsspruch unterwirft und dennoch nicht die nötige Zahl von Aerzte,, anstellen kann, den Kranken eine besondere Entschädigung zu zahlen, wofür sie selbst sich den Arzt zu besorgen haben. Abg. Dr. M u g d a n erhob gegen diese Vorschläge Einspruch. Er erblickt in der Bestimmung die Beseitigung des Koalitionsrechtes für die Aerzte. Die Fortschrittler würden geschlossen dagegen stimmen. In demselben Sinne sprach sich Abg. T r i m b o r n vom Zentrum aus. Er sprach aber nur für einen Teil der Zentrums- abgeordneten. Ihnen antwortete Genosse H o ch, daß sie auch einmal denselben Eifer für das Koalitionsrecht der A r b e i t e r betätigen sollten. Die Sozialdemokraten würden für die Anträge stimmen, wenn sie auch an den Einzelheiten hier und dort etwas geändert haben wollen. Der Staatssekretär des Innern, die Konserva- tivcn und Abg. Horn(nationalliberal) sprechen ebenfalls für die Anträge. Letzterer erklärte aber, daß im Plenum ein Teil seiner Partei anders stimmen werde. Schließlich wurde die Debatte auf Mittwoch Verlags. Bis dahin wollen die bürgerlichen Parteien versuchen, ob sie nicht doch noch einen anderen Ausweg finden. Serickts- Leitung. Verhängnisvolles Versehen eines Arztes. Wegen fahrlässiger Körperverletzung ist am 3. Oktober V. I. vom Landgericht Frankfurt a. M. der Arzt Dr. med. Georg Berg zu 399 Mk. Geldstrafe verurteilt worden. Der Nebenkläger I. litt an Blasenbeschwerden und ließ sich vom Angeklagten behandeln. Im November 1998 nahm dieser eine Operation vor und behau- delte ihn noch längere Zeit. AM 7. Januar 1903 überreichte der Angeklagte seine Rechnung über 1599 Mk., die sogleich bezahlt wurde. Die Behandlung wurde fortgesetzt. Der Angeklagte durch- suchte im Januar die Blase mit der Steinsonde und erklärte, er habe einen Stein gefunden. Am L7. Januar wiederholte er die Untersuchung mit der Sonde, am 29. mit dem Zystoskop und sagte, er ljabe den Stein gesehen. Er zog nun einen Gynäkologen hinzu, der schon der Operation beigewohnt hatte, und dieser sah auch denStein". Der Angeklagte riet zu einer neuen Operation, der Steinzertrümmerung, und sprach auch im Mai noch davon. I. sah aber davon ab. Am 13. August ließ sich nun I. endlich von einem anderen Arzte, dein Dr. M., untersuchen. Dieser fand in der Blase ebenfalls einen harten Gegenstand, den er für einen Stein hielt, und riet zur Operation, d. h. der Steinzertrümmerung. I. ließ sich von ihm operieren. Als Dr. M. aber denStein" faßte, merkte er, daß es kein Stein war. Er mußte noch einen Chirurgen hinzuziehen und dieser holte nach Oeffnung des betreffenden Körperteiles einen Sprihenansaii heraus. Diesen hatte der Angeklagte am 19. Januar 1999 versehentlich in der Blase des I. zurückgelassen, ohne es zu merken. Als er dann einige Zeit später einen Gegenstand in der Blase fühlte, erinnerte er sich nicht daran, daß ihm der Spritzenansatz abhanden gekommen war, und hielt den Gegenstand für einen Stein. Der Angeklagte gibt an, er habe das Ansatzstück öfters verloren und seine Wirtschafterin habe es oft nachträglich gefunden. Er habe viel über das Ver- schwinden des Ansatzstückes nachgedacht, die Sache aber schließlich für harmlos gehalten. Das Urteil sagt: Das Verschulden des Angeklagten liegt in dem Liegenlassen des Fremdkörpers in der Blase. Er hätte sofort nach dem Bemerken des Verlustes den Fremdkörper, den er in der Blase fand, entfernen müssen. Eine Hinausschiebung. heißt eS im Urteil, ist nur auf einige Zeit zu- lässig. Spätestens Ende Februar hätte er die Operation vor- nehmen müssen. Da der Metallkörper sich inkrustiert hatte, wirkte er wie ein Stein. Der Kranke hatte daher eine Stein- krankheit davongetragen. Der Begriff der Gesundheitsschädigung ist gegeben durch die Hervorrufung einer Krankheit, sowie durch die Unterlassung der Entfernung des Fremdkörpers. Körperliche Mißhandlung ist nicht festzustellen, da I. keine Schmerzen hatte. Der Angeklagte mußte das Vorhandensein eines Fremdkörpers in der Blase erkennen. Er wußte auch, daß er sofort eingreifen mußte, um den krankhaften Zustand zu beseitigen. Als er daran dachte, das Ansatzstück könne im Körper zurückgeblieben sein, mußte er gründlich danach suchen. Röntgenuntersuchung wäre das Ge- eignetste gewesen. Eine Fahrlässigkeit des Angeklagten liegt darin, daß er bei Auffindung de»Steines" nicht auf den Ge- danken gekommen ist, dieserStein" könne vielleicht das bereits inkrustierte metallene Ansatzstück sein. ES mußte ihm höchst auf- fällig sein, daß er einen so großen Stein bei den vielen Unter- suchungen nicht bemerkt hatte. Die Revision des Angeklagten wurde am Donnerstag vom Reichsgericht verworfen. Das Ver» schulden des Angeklagten sei einwaudsfrei festgestellt. Er hätte bei genügender Aufmerksamkeit erkennen können, daß der Patient nicht einen Stein, sondern das Ansatzstück in der Blase hatte. Graf Pfeil . Zu dem Bericht vom 1. März über die Privatklage des Ge- Heimen Hofbaurats Heim gegen D» Leipziger seilt uns der Herausgeber der ZeitungskorrespondenzDeutsche Journalpost", Paul Schweder. mit, daß er wegen der von Dr. Leo Leipziger in öffentlicher Gerichtssitzung aufgestellten Behauptung, dieDeutsche Jourualpost" habe falsche Mitteilungen des Geheimrats Heim über die Pfeil-Affäre gegen Bezahlung verbreitet, durch seinen Rechts- beistand Malter Bahn(Berlin ) Strafantrag gegen Dr. Leipziger wegen Beleidigung gestellt hat. Ter Journalist Scksioeder knüpft an die vorstehende Mitteilung die schon in der Verhandlung abgegebene Erklärung, daß er den Geheimrat Heim niemals in seinem Leben gesehen und mit ihm verhandelt habe, und daß er niemals Geld von Herrn Geheimrat Heim für die Verbreitung von Stachrichten über die Pfeil-Affäre erhalten habe. Ebenso selbstverständlich sei es, daß er weder von Herrn Geheimrat Heim, noch von der Gräfin Pfeil Artikel zur Veröffentlichung oder Honorar für die Veröffentlichung erhalten habe. Sämtliche Artikel über die Pfeil-Affäre seien vielmehr auf Grund der zivil- und militärgerichtlichen Akten von der 5lvr- respondenz selbständig verfaßt und auf ihre Kosten verbreitet wor- den. Wegen dieser Artikel sei niemals von dem Grafen Pfeil oder dessen vorgesetzter Behörde Klage erhoben worden, und dieser Um- stand im Verein mit der inzwischen erfolgten Verabschiedung des Grafen sei der beste Beweis für die Richtigkeit der in den Artikeln im einzelnen behaupteten Tatsachen. Ein sonderbarer Heiliger. der fortgesetzt Damen und Mädchen auf der Straße belästigt hatte, mußte sich in der Person des Ingenieurs Ludwig Mertens unter der Anklage der Erregung öffentlichen Aergernisses und der Beleidigung vor dem Strafrichter verantworten. Im Dezember vorigen Jahres wurden im Südwesten Berlins und in Schönoberg alleingehende Krauen und halbwüchsige Mädchen von einem mit einem Havelock bekleideten Manne angesprochen, der sofort die allcrgemeinsten Redensarten führte. Wenn die Bc- treffenden sich die Belästigungen verbaten und mit der Polizei drohten, erklärte jener Mann mit zynischem Lachen, daß ihm nichts passieren könne, da er einfach sagen würde, er selbst sei angesprochen und belästigt worden. Die Polizei habe ihm dies schon mehrfach geglaubt, so daß ihm nichts geschehen sei. Schließlich schlug der unheimliche Begleiter seinen Mantel auseinander und beging auch noch eine Erregung öffentlichen Aergernisses. Hierauf ergriff er gewöhnlich die Flucht und entkam auch, ehe sich die belästigten Frauen von ihrem Schrecken erholen konnten. Schließlich gelang es. den sonderbaren Heiligen in der Person des jetzigen An- geklagten zu ermitteln. Vor Gericht behauptete der Angeklagte, daß er wisse, sich straf- bar gcmackt zu haben, daß er aber einem unwiderstehlichen Zwange folgen müsse, etwas Derartiges zu tun. Da der Angeklagte, der auch schon auf seinen Geisteszustand untersucht worden war, bisher noch nicht vorbestraft ist, ließ das Gericht Milde walten und er- kannte auf nur 2 Wochen Gefängnis. Ein verurteilter Reichsverbändler. Vor dem Schöffengericht in Muskau in der Oberlausitz fand eine interessante Gerichtsverhandlung statt, in der ein Jünger des Reichs wahrheits Verbandes, dervaterländische" Arbeiter- sekretär Robert Müller eine gehörige Abfuhr erhielt. Im Juli vorigen Jahres hatte in Muökau eine Fahnenweihe des so- genannten vaterländische» Arbeitervereins stattgefunden. In einem Bericht in derDeutschen Treue" war nun das Fest in be- kannter'Aufschneiderei verherrlicht und dabei eine Reihe Schauer- märchen über angebliche sozialdemokratische Störungen berichtet worden. Eine Reihe Genossen waren in dem Artikel namentlich angeführt, die als Störenfriede beschimpft wurden. Während aber die angegriffenen Genossen es vorzogen, die Auswürfe reichsver- bändlerischer Wahrheitsliebe zu ignorieren und zu den übrigen zu legen, strengte ein Glasmacher Privatklage an, dem nachgesagt wurde, er habe die.auf offenem Marktplatz gehaltene Festrede des Muskauer Bürgermeisters durch fortgesetztes Tuten auf einer Auto- hupe gestört. Die Klage richtete sich gegen den Arvcitersckretär Müller als Verfasser, da cr den Bericht mit seinem Signum ge- zeichnet hatte. Der mutige Herr bestritt aber die Verfasserschast» bis sie ihm unwiderleglich nachgewiesen wurde. Tann versuchte er den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Ter mißlang völlig. Als cr so seine Felle davonschwimmen sah, denunzierte er gar den Privat» kläger eine Zeugin zum Meineid verleitet zu haben. Selbstver- ständlich mißlang ihm auch dies. In seinem Plädoyer kritisierte der Vertreter des Privatklägers, der Vorsitzende des national- liberalen Vereins, Rechtsanwalt Hartmann, so recht das mutige Verhalten des Angeklagten und denkeinewegs vorbildlichen Ton"' des Artikels. Selbst vom Gerichtsvorsitzenden mußte der Angeklagte des öfteren streng zurechtgewiesen werden, weil er ihn fortgesetzt durch öde Bierbankreden in der Verhandlung unterbrach._ Er wurde schließlich zu 39 M. Geldstrafe verurteilt. Das Gericht billigte ihm in sehr vernünftiger Weise den Schutz des § 193 zu, obwohl das von sonstigen Entscheidungen der Presse gegen- über abweicht. Der Angeklagte sei aber weit über die Grenzen der berechtigten Kritik hinausgegangen; der Wahrheitsbeweis sei nicht erbracht.,' Wird der Reichsverbandsjünger trotzdem weiter verleumden und als Hüter des guten Tons sich aufspielen? )Zus aller Welt. Der Rchlaimrhandal der Mleltauslltellvng. Aus Brüssel wird uns geschrieben: Die Ziffern über das gegen ein und eine halbe Million umfassende Defizit der Brüsseler Welt- ausstell ung, wovon der Staat eine Million zu tragen hat, haben bei einem Teil der belgischen Presse lebhaste Anfechtungen erfahren. Im Zusammenhang damit wurde insbesondere an den auffallend hohen Summen für die AuSstellungSreHame scharfe Kritik geübt. Diese Summen beziffern sich nämlich aus rund ein und eine halbe Million Frank, einschließlich der Kosten für die A u S st e l l u n g s l o t t e r i e, die ja ein und nicht sehr erbauliches Kapiiel für sich darstellt Diese Lotterie, mit der durch eine überreichliche Auflage von Serien skrupellos in die Taschen der kleinen Leute gegriffen wurde, hat zwar dem Komitee viel eingetragen, das Publikum aber etwas weniger befriedigt. So wurde ein Haupttreffer von 299 999 über« Haupt nicht gezogen, ein anderes Los mit einem Haupttreffer von gleichfalls 299 909 Fr. nicht ausgezahlt, weil angeblich ein Bergmann aus Lüllich mit ausgepichter Bosheit das Los mit ins Grab genommen haben sollte. Die Exhumierung, zu der man allen Ernstes schritt, brachte das allerdings nicht ganz unerwartete Resultat: es wurde außer dem Leichnam nichts gefunden. Außerdem ist über de» Gewinn eines Loses von 59 999 Fr. keine Klarheit vorhanden. WaS nun die selbst für eine Weltausstellungsreklame horrende Summe von l'/z Millionen betrifft, so knüpft sich auch an diese Tatsache ein Anhang von skandalösen Vorgängen. Das Reklame- wesen war zwei Herren, einem ehemaligen Redakteur desJournal de BruxelleS", dem derzeitigen Annoncenagenten Heeg und einem Reporter namens Rotier übergeben worden. Die beiden Herren haben es mit der Ausstellung nun offenbar sehr gut gemeint wenigstens nach der Summe zu urteilen, die sie für die Rellame verrechnet haben I Von den 1 199 999 Franken fürPublizität" entfällt für die Presse die Hälfte der Summe. Auf die Angriffe in der Presse hin suchte nun in einem öffentlichen Schreiben einer der Direltoren der Brüsseler Weltausstellung, Baron Janffen, diese Summe ziffernmäßig, d. h. mit Angabe der Zeilen zu rechtfertigen. Herr Baron Janssen aber teilt nur mit, wie diese Zeilen ver- ö f f e n t I i ch t, nicht aber, wieviel bezahlt wurden. Da aber sitzt der Hase im Pfeffer. In dieser Zeilenverrechnung figurieren auch die A r t i k e l der deutschen Blätter, die im Texte als un- abhängige Artikel über die Ausstellung erschienen waren. Die hiesigen Vertreter der deutswen Presse, ohne Unter« schied der Parteistellung, haben beschlossen, gegen diese Verdächtigung, als ob sie für ihre Artikel vom Reklaniebureau bezahlt worden wären, energisch zu protestieren und die Einberufung einer Sach- verständigenkonfeienz zu verlangen, wobei sich dann herausstellen wird, wie die verrechnete Zeilenzahl zustande gekommen ist. Ein hiesiges klerikales Blatt, das sich von Anfang an gegen die Riesen- summe für Reklame gewendet hat, teilte mit, daß ihm auch nicht alle Reklameartikel gezahlt wurden. Es habe 2925 mal mehr veröffentlicht, als ihm bezahlt wurden. Ferner erklärte ein Antwcrpener Blatt, daß es für seine Lobcsartilel keinen Sou er- halten habe. Aufklärung tut aber not und dieS umsomehr, als die Ehre der Vertreter der ausländischen Presse durch die Machinationen des ReklamebureauS angegriffen erscheint. Königs, bayerische Normalwurst. Die M ü n ch e n e r Metzgermeister sind in große Verlegenheit geraten, weil Stierhoden. Geschlechtsteile, Tragsackel(Trachten). stinkiges Fleisch, alte schmierige Würste, Darmzipfel u. dergl. nicht mehr zur Wurst verarbeitet werden dürfen. Sic baten deshalb den Magistrat in München , der Innung einen Entwurf vor- zulegen für eine in München oufzu st eilende Norm, welche Fleischteile zur Wurstfabrikation verwendet werde» dürfen oder nicht I! Es soll dieser Entwurf sogar eine ortSpolizeiliche Vorschrift werden. Der Entwurf wurde auch der Innung zugestellt, nur sind verschiedene Meister nicht ganz damit einverstanden, jedenfalls diejenigen, denen das Tragsackel, die Stierhoden. Geschlechtsteile usw. allzusehr ani Herzen Pardon l am Geldbeutel liegt, den Kon- sumenten aber liegt's im Magen. Es wurde scharf diskutiert, und schließlich erllärten die braven Meister. daß sie im w e s e n t- l i ch e n(II) die Verwendung von Geschlechtsteilen und Därmen, mit Ausnahme des Kalbsgekröses, die Wicderverarbeitung von unverkauft gebliebenen geräucherten Würsten und Wurstabsälleu, die Verwertung von geräucherten Schwcineschwarten und stichigem Fleisch usw. als unstatthaft bezeichnen 1 1! In bestimmten Fällen sollen also dennoch Geschlechtsteile und ähnliche Delikatessen in dieNormalwurst" verarbeitet werden. Schöne Aussichten für die Münchener! Eine verdiente Abfuhr. Der abgegangene B r i a n d erhielt gerade vor dem Ende seiner Ministerschaft noch einen Brief, der ihn hübsch kennzeichnet, von einem Z imm e rm a nn, der auS dem Ministerium eine Belobigung wegen Rettungsarbeilen bei der vorjährigen Ueberschwemmung er- halten hatte. Dvrin heißt eS:Sie freuen sich, mirein verdientes Lob im Namen des Präsidenten der Republik aussprechen zu dürfen". Ihr Schreiben hat mir keine solche Freude bereitet. Ich habe keinen Geschmack an Ehrentiteln, seien eS Briefe oder Ordeiisflitter. Auf solche Dinge verzichtet man am besten, wo es sich um Betätigung der Menschlichkeit gehandelt hat. Sparen Sie sie auf für solche.�die sie von Ihnen wünschen und deren Ehrenhaftigkeit der Ihren gleich ist. Schicken Sie sie nicht an Leute, die darauf verzichten und sie als Beleidigung ansehen, wenn sie von Ihnen kommen. Einpfangen Sie gleichzeitig mit der Rücksendung Ihres Briefes die revolutionären Grüße eines derer, die Sie ver» raten haben." Das ist grob, aber deutlich und ehrlich. Kleiue Notizen. Spiele nicht mit Schießgewehr. Im Beuthener Gymnasium hantierte gestern während der Frühstückspause ein Tertianer mit einer Browuingpistole. Plötzlich entlud sich die Waffe und eine Kugel tras den 16jährigen Sohn des Oberbürgermeisters Brüning. Der junge Mann wurde schwer verletzt. Die schwarzen Pocken in Duisburg . Nachdem längere Zeit in den Pockencrkrankungen ein Stillstand eingetreten war, sind Donners- tagnachnnitag wiederum fünf Personen in das Seuchen- Haus überwiesen worden. Es handelt sich um schivarze Pocken. Erdbeben in der Türkei . In L e r i n(Florina), K i t ch e v o und Elba » fan wurden gestern wieder mehrere Erdstöße verspürt; sie richteten aber keinen erheblichen Schaden an.