lt. 55. 28. Jahrgang.1. Krilage Ks JSüimldg, 5. Uar; 1911.Mgeoränetenkaus.Tl. Sitzung. Sonnabend, den 4. Marz.vormittags 10 Uhr.Am Mnistertisch: v. Breitenbach.Die zweite Beratung desBau-Etatswird fortgesetzt beim Titel„Minister".Abg. Freiherr v. Maltzahn(k.) begrüht die Stellungnahmedes Abg. Lippmann in der Frage der Schiffahrtsabgaben; seineFreunde seien mit seinen Ausführungen hierzu durchaus einver-standen. Redner tritt weiter für die Herabsetzung der Schiff-fahrtsabgaben im Stettiner Hafen ein. fordert mehr Leuchtfeueran der Ostseeküste und eine Förderung der Fischerei.Minister v. Breitcnbach erwidert, es solle erneut geprüft wer-den. ob die Abgaben im Stettiner Hafen zu hoch seien. Der Ver-kehr in Stettin habe allerdings in wenigen Jahren um 37 Proz.zugenommen.Abg. Faßbender(Z.) bringt Beschwerden über Mihstande beiVergebung staatlicher Arbeiten an Privatunternehmer vor, bleibtaber im einzelnen unverständlich.Abg. Röchling(natl.) geht auf die EntWickelung der Aviatik einund ersucht die Regierung um weitgehendere Unterstützung dieserBestrebungen. Den Riesensummen gegenüber, die Frankreich fürden Ausbau der Flugtechnik zur Verfügung stellt, nimmt sich das,was bei uns in dieser Beziehung geschieht, geradezu kläglich aus.(Sehr richtig! links.) Dem Deutschen Luftschifferverband, der einewiffenschaftliche Kommission zum Studium aller einschlägigenFragen, des Luftwiderstandes usw. eingesetzt hat, sollten reichlicheMittel vom Staate zur Verfügung gestellt werden.(Bravo! links.)Abg. v. Woyna(k.) betont die Notwendigkeit des Baues einesoldenburgischen Kanals zur Verbindung von Hannover und Ham-bürg. Die Beschaffung ausländischer Arbeiter für die Kanalbautensollte besser zentralisiert werden. Die von den kommunalen Ar-beitsnachweisen für solche Bauten nachgewiesenen inländischenArbeiter hätten sich meist nicht bewährt.(Hört! hört! rechts.) Beiden Baubeamten sollte mehr auf ästhetische Erziehung gesehenwerden.Abg. Lippmann(Vp.) wünscht bessere Berücksichtigung derInteressen Stettin? und will Beschwerde führen gegen den VerkaufdeS Tempelhofer Feldes.Präsident v. Kröcher: DaS hat mit dem Etat der Bauverwal»tung nichts zu tun.(Widerspruch link. Allgemeine Zurufe links:Der Bebauungsplan gehört doch hierher!) Herr Hoffmann, Siefind doch nicht der Vormund des Herrn Lippmann.(Abg. Hoff-mann: ES wird ja allgemein gerufen. Warum greifen Sie michdenn heraus!) Herr Hoffmann, ich rufe Sie zur Ordnung!Abg. Lippmana(Vp.): Dann will ich nur noch sagen: Diebauliche Ausgestaltung Berlins wird erheblich darunter leiden,wenn das Tempelhofer Feld von privaten Händen bebaut wird undnicht in großzügiger Weife von der Stadtgemeinde Berlin selbst.(Bravo! links.)Minister v. Lreitenbach: Wir können für das Flugwesen nichtmehr als geschehen, zur Verfügung stellen. Ausländische Arbeiterverwenden wir nur, wo inländische fehlen. Die Oderregulierungunterhalb Breslau steht im Projekt fest, aber die Durchführungist von den Schifsahrtsabgaben abhängig., Abg. Hirsch(Soz.):" In bezug auf die Verwendung ausländischer Arbeiter beiKanalbautcn teilen wir die Anschauungen deS Abgeordneten Wohnanicht. Die von kommunalen Arbeitsnachweisen nachgewiesenenArbeiter haben jedenfalls zu hohe Lohnforderungen nach MeinungdeS Herrn v. Woyna gestellt. Wir haben an sich nichts gegen dieVerwendung ausländischer Arbeiter, aber nur unter der Voraus-fetzung. daß sie dieselben Löhne erhalten wie die inlän»bischen Arbeiter. Die Bauverwaltung als einer der größtenArbeitgeber kommt ihren sozialen Verpflichtungen ebensowenignach wie den ästhetischen. DaS beweist der mangelhafte Bau-arbeiterschutz. Wir stehen nach toie vor auf dem Standpunkt, daßderBauarbeiterschuh gesetzlich geregeltwerden muß.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Re-gieruag scheint ja selbst zu der Einsicht gekommen zu sein, daß derbisherige Bauarbeiterschutz nicht ausreicht. Das beweist ein Er-laß des Ministers, der vor allem auch darauf hinweist, daß dieStrafen für Uebertretung von Bauarbeiterschutzbestimmungen imkleines feuiUeton.� Bekommen wir ein warmes Frühjahr? Wie vor Jahresfrist,so ist auch diesmal ungemein frühzeitig borfrühlingshafte Er-wärmung eingetreten. Die zweite Februarhälfte verlief unter an-dauerndem, ungemein mildem Regenwetter, und bei heftigen, viel-fach stürmischen Südwestwinden erreichten die Temperaturen zeit-weilig schon eine Höhe, wie sie für den Anfang des Monats April,nicht aber für den Februar normal sind. Es hat auch nicht den An-schein, als ob sobald eine Aenderung der herrschenden Wetterlage zuerwarten wäre; erfahrungsgemäß dauert dieses unruhige Wetterfast stets bis zur Tag- und Nachtgleiche, um dann durch eine mehroder minder lange Periode ruhigen und sonnigen Hochdruckwettersabgelöst zu werden, bei dem die Tagestemperaturen unter dem Ein-flusse der Sonnenbestrahlung hoch emporsteigen, während nachts dasThermometer oftmals noch bis an den Gefqerpunkt sinkt. Nur sehrfeiten dagegen kommt cS vor, daß der März bereits wirklich warmesund von Rückfällen freies Frühlingswetter bringt. Wohl kommeneinzelne derartige Tage vor, aber zusammenhängende Wochen be-sonders warmen Märzwetters hatten wir in Deutschland seit demJahre 1903 nicht mehr. Nun sind allerdings nach langjährigenmeteorologischen Beobachtungen die Aussichten auf ein warmesFrühjahr um so günstiger, je milder die zweite Hälfte des Wintersgewesen ist. Denn es liegt auf der Hand, daß die Wiedererwärmungdes Kontinents schneller und leichter vor sich geht, wenn er vorherbereits Wochen und Monate hindurch frostfrei war. Allerdingsbietet ein milder Nachwinter und Vorfrühling keine Gewähr für denfrühzeitigen Eintritt des eigentlichen warmen Wetters. Erst imvergangenen Jahre hat man gesehen, daß nach vier Wochen außer-ordentlicher Milde zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche ein Rück-schlag eintrat, der im Grunde genommen mit seinem rauhen undnaßkalten Wetter bis zum 10. Mai andauerte. Dann setzte aller-dings eine ungemein jähe und starke Erwärmung ein. Aus dengleichen Gründen wie im vergangenen Jahre wird man auch dies-mal auf ein warmes Frühjahr rechnen dürfen, ob-wohl sich über den Zeitpunkts zu dem diese Erwärmung einsetzen wird,nichts Bestimmtes sagen läßt. Ihr Beginn ist nämlich abhängigvon dem Aufhören der kalten Nordwestströmung, die im Frühjahrniemals ausbleibt, und die stets einmal früher und einmal späterdie vorher schon beträchtlich gestiegenen Temperaturen wiederhinabdrückt. Denn der Atlantische Ozean, dessen tiefe Sturmwirbelaus subtropischen Gebieten zurzeit so viel Wärme zu uns führen.bewirkt durch die langsamere Abkühlung der Wassermassen, daß erstsehr spät, bereits an der Schwelle des Frühjahres, das Kältegebietzu seiner vollen Wirksamkeit gelangt, das sich im nördlichen Teiledes Atlantik ausbildet. Ihnen haben wir den Märzenschnee, dieweißen Ostern, das naßkalte Aprilwetter und die frostigen Maitagezu verdanken, die so oft bis tief hinein in den Wonnemonat dauern.Ts wäre deshalb eine Selbsttäuschung, anzunehmen, daß das gegen-wärtig herrschende milde Wetter allmählich zu völliger ErwärmungVerhältnis zur Zahl der festgestellten Verstöße meist außer-gewöhnlich milde ausfallen. Das ist es ja gerade, woraufwir seit Jahren hingewiesen haben. Durch solch milde Bestrafungwerden die Arbeitgeber geradezu angereizt, die gesetz-lichen Schutzbestimmungen außer acht zu lassen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wie weit mutz es damitgekommen sein, wenn sogar die Regierung sich entschließt, daraufin einem Erlaß hinzuweisen. Sie hat durch diesen Erlaß unserefortgesetzte Kritik als berechtigt anerkannt. Nach unserer Anschau-ung ist eine wirklich wirksame Durchführung des Bauarbeiter-schutzcs nur möglich unter Heranziehung von Arbeitern zur Bauten-kontrolle.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Zahl derUnfälle ist sehr groß. Dazu kommen die Berufskrankheiten der aufBauten beschäftigten Arbeiter wie die Bleivergiftungen— dieDurchführung der betreffenden Verordnung wird von den Unter-nehmern sehr häufig vernachlässigt— und die besonders häufigenVergiftungen durch Kohlenoxyd infolge der offenen Koksfeucr.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir denken natürlichnicht daran, die Hinzuziehung von Arbeiterkontrolleuren, wie daseiner der Herren der Rechten im vorigen Jahre behauptet hat,lediglich zur Stärkung der Macht der Gewerkschaften zu fordern,sondern wir halten diese Hinzuziehung dringend für geboten imInteresse des Schutzes von Leben und Gesund-heit der Arbeiter.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo-kraten.) Im borigen Jahre ist ein Erlaß an die Regierungspräsi-denten herausgegangen, wonach allen Bauunternehmern, die inKonkurs geraten sind und den Offenbarungseid ge-leistet haben, die B a u e r l a u b n i s zu entziehen ist. Soberechtigt der Erlaß an und fiir sich ist, so große Härten würdeseine schablonenhafte Durchführung zur Folge haben. Esmutz von Fall zu Fall untersucht werden, welches die Ursachendes Konkurses sind. Den sogenannten Bauschwindlern muß natür-lich mit aller Energie zu Leibe gegangen werden, aber man darfnicht unglücklichen Handwerkern, die vielleicht durch betrügerischeManipulationen Dritter in Konkurs geraten sind, jede Möglichkeitnehmen, sich wieder aufzurichten. Das würde schlecht passenzu der �gerühmten Mittel st ckndsfreundlichkeitder Regiorung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Sehr wichtig ist dann die Frage derschwarzen Listen für Bautcchniker.Diese schwarzen Listen werden von höchster Stelle in der Verwal-tung planmäßig gefördert. Es werden geheime Personalaktenüber die Leute geführt. Sehr häufig kehrt in den vor mir liegen-den schwarzen Listen die Wendung wieder, der Betreffende sei„nach seinem Verhalten" zur weiteren Beschäftigung im Staats-dienst nicht geeignet.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Manchmal heißt es auch„wegen ungehörigen Verhaltens", in einemFalle„wegen fortgesetzt ungebührlichen Benehmens gegen denKreisbauinspektor". Was heißt das„nach seinem Verhalten". Daskönnte auch bedeuten, daß jemand, der einmal liberal ge-wählt hat, als ungeeignet erachtet wird, noch ferner beider Bauverwaltung beschäftigt zu worden. Es mutz doch jedereinzelne Fall untersucht werden, vor allem muß dem Betreffenden,der so verfehmt wird, der Grund seiner Entlassungmitgeteilt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo-kraten.) Es muß ihm gesagt werden, daß er aus dem und demGrunde niemals mehr auf Anstellung bei der Staatsbauverwaltungrechnen könne. Aber das ist ja gerade das Wesen der schwarzenListen, daß die Unglücklichen überhaupt nichts davon wissen undes nur ahnen, daß sie auf der schwarzen Liste stehen, weil sie keineAnstellung mehr finden. Das sind Zustände, wie wir sie bei demprofitgierigsten Unternehmertum antreffen, dieman aber bei einer Staatsverwaltung nicht für mög-lich halten sollte. Uns wundert das ja weiter nicht, aberweite Kreise des sogenannten neuen Mittelstandes, die bisher an«inen solchen Terrorismus einer Staatsverwaltung nicht geglaubthaben, werden nun eines besseren belehrt werden. Unter denen,die auf den schwarzen Listen stehen, befindet sich nur einer, derwegen wiederholter Sittlichkeitsverbrechen mit Zuchthaus bestraftwar. Dagegen läßt sich natürlich nichts sagen, daß man solcheLeute nicht wieder beschäftigt, aber wie kommt man dazu, Ange-stellte, die einmal mit Vorgesetzten in Konflikt geratensind, auf dieselbe Liste mit Zuchthäuslern zu fetzen.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.) Daß die Regierung solche schwarzenListen zuläßt, zeigt, daß sie jeder sozialen Regung bar ist. Willdie Regierung einfach die Verantwortung übernehmen, wenn einerder auf solche Weise brotlos gemachten Leute aus VerzweiflungSelbstmord verübt?! Es bedeutet einen ungehörigen Mißbrauchder wirtschaftlichen Ucbcrmacht der Negierung, wenn sie Leute ausund zu einem durchaus frühlingshaften Witterungscharakter führt.Der alljährlich mit Sicherheit zu erwartende Rückschlag wirdnicht ausbleiben: man darf aber hoffen, daß er sich nicht allzu späteinstellen und von nicht zu langer Tauer sein wird.Der Verlag B. G. Teubner in Leipzig beging am S. Märzda? Fest seines hundertjährigen Bestehens. Die Firma wurde vondem auS dem Erzgebirge stammenden Buchdruckergesellen BenediktGotthelf Teubner durch Uebernahme einer kleinen Druckerei bc-gründet, die bald rasch zu einer der ersten in Leipzig heranwuchs.Seit 1823 wurde der Buchverlag betrieben, in dem seitdem über10 000 Werke erschienen. Heute ist der Verlag eines der größtenVerlagsunternehmen der Welt, an dem lehrreich die kapitalistischeEntwickelung der Bücherproduktion(im geistigen und materiellen Sinne)und des Büchervertriebes studiert werden könnte. Der Teubnersche Verlagist ein kombinierter Betrieb. Er umfaßt Verlag und Herstellungdes Buches. Aus der prächtig ausgestatteten und musterhaft gedrucktenGeschichte der Firma, die zum Jubiläum erschienen ist, ergibt sich,daß der technische Betrieb Maschinen von 180 und 300 Pferdekräftenbenutzt und mitdem DresdenerZweiggeschäft zusammen 950 Personen be-schäsiigt und 41 Schnellpressen und 120 Hilfömaschinen verwendet. Mitder Setzerei und Druckerei sind Schriftgießerei, Stereotypie, Gal-vanoplastik und Buchbinderei verbunden. In Berlin wird einebesondere Vertretung �unterhalten, die dem Publikum PotsdamerStraße 129/30 einen öffentlichen Leseraum mit Bibliothek zur Ver-fügung stellt.Das Verlagsgeschäft umfaßt verschiedene Gebiete hauptsächlichwissenschaftlicher Art. Seit langem hat sich eine Art Monopol fürdie griechisch-römischen Autoren herausgebildet, von denen jetzt250 Autoren in 550 Bänden vorliegen. Auch auf mathematischemGebiet ist der Verlag führend, neuerdings hat sich dazu eine starkentwickelte Pflege der Pädagogik gesellt. Dem Buchverlag steht zurSeite— eine allgemeine Erscheinung der»eueren Verlags-entwickelung— eine stark betonte ZeitschristenherauSgabe für diegleichen Zweige. Große wissenschaftliche Untersuchungen von inter-nationaler Bedeutung sind der„Gesamtsprachschatz der lateinischenSprache und eine Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften.Neuerdings wird auch populäre Literatur emsig gepflegt. Dievon uns öfters besprochene Sammlung„Aus Natur und Geistes-weit' umfaßt jetzt 350 Bändchen und die künstlerischen Stein-zeichnunge», die für die häusliche Kunst viel Gutes geleistet haben,sind bis ans 200 angewachsen.Es braucht nicht gesagt zu werden, daß dieses Riesenunternehmen,das heute einem Enkel und einigen Urenleln des Begründers gehört,längst ein gesellschaftlicher Betrieb in kapitalistischer Form gewordenist, der auf der Jntelllgenz und Tüchtigkeit aller seiner Ardeiter,darunter zahlreicher wlsseiischaftllcher. beruht.Humor und Satire.Lehrfreiheit. Der Lehrer Alfred Schavan in Plotzkh beiGommern im Regierungsbezirk Magdeburg ist von der Regierungsolch nichtigen Gründen auf die schwarze Liste setzt. Das mußjeden empören, der noch einen Funken Rechtsgefühl hat.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Ueber den Terrorismus, dendie Regierung gegen Arbeiter ausübt, redet man ja heute garnicht mehr, die Arbeiter wissen, daß die Regierung von ihnen K a-davergehorsam verlangt. Nun werden durch dies Verhalten der Regierung aber auch weiten Kreisen des neuen Mittel-standes die Augen geöffnet werden, sie werden der Regierung dieAntwort bei den nächsten Wahlenerteilen. Auf die Frage des Tempelhofer Feldes will ich nur ein-gehen, soweit der Minister der öffentlichen Arbeiten zuständig ist,das heißt auf die Frage der Bauordnung. Bis zum Jahre 1907bestand für das Tempelhofer Feld eine strenge Bauordnung. Dieseist zugunsten einer anderen, die den Bau von Mietskasernenzuließ, auffallendcrweise in dem Momente von der Regierung auf-gegeben worden, als die Regierung selbst mit ihren Plänen zurNutzbarmachung des Tempelhofer Feldes auftrat. Das macht denEindruck, als ob dieRegierung selbst hier als Spekulant auftritt.Die gerissensten Bodenspekulanten können noch von ihr lernen.(Sehr waht! bei den Sozialdemokraten.) Berlin war bereit, einenBebauungsplan zur Durchführung zu bringen, der den gesund-heitlichen Anforderungen Rechnung trägt und sogar noch einenZuschuß von 7 Millionen dabei zu leisten. Der Ansiedelung S»verein für G r o ß- B e r l i n hat die öffentliche Anfrage anden Minister gerichtet, warum er es für angezeigt gehalten habe.die skandalöse und der Volkshygiene direktins Gesicht schlagende übertriebene Ausnutzungdes wc st lichen Tempelhofer Feldes, die der Militär-fiskus im Sinne hatte, durch eine Verschlechterung derBauvorschriften zu unterstützen, statt ihr ent-gegenzutreten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Der Verein hat die Abgeordneten dieses Hauses gebeten, dafüreinzutreten, daß die Bauordnungsvorschriften für das TempelhoferFeld im Sinne wenigstens der dringendsten gesundheitlichen undsozialen Bedürfnisse abgeändert werden und daß der Bebauungs-plan so ausgestaltet werde, daß die Verwendung des TempelhoferFeldes sich in die großen Gesamtpläne für Groß-Berlin einfüge. Diese Bitte möchte ich im Namen meinerFreunde unterstützen. Es dürfen bei dieser Bebauung nichtProfitinteressen ausschlaggebend sein, sondern matzgebend darfalleitf sein die Rücksicht auf die Bolksgesundheit.(Bravo! bei denSozialdemokraten.)Minister v. Vreitcnbach: Gegen die Anstellung von Baukon-trolleuren aus Arbeiterkreisen haben wir nach wie vor großeBedenken. In Bayern ist trotz Anstellung solcher Kontrolleuredie Unfallziffer nicht gesunken.(Hört! hört! rechts.) SchwarzeListen gibt es bei der Bauverwaltung nicht. Wenn aber grobeDisziplinarvergehen oder strafrechtliche Vergehen vorliegen, müssenwir das Recht haben, solche Angestellte nicht wieder zu beschäftigen.Ich habe aber angeordnet, daß die Entlassung nur erfolgen darf,nachdem der betreffende Angestellte vernommen ist. DieseFrage hat also der Abg. Hirsch in einer Weise dargestellt, die dentatsachlichen Verhältnissen nicht entspricht.(Hört! hört! rechts.)Die Bauordnung für das Tempelhofer Feld mußte abgeän-d e r t werden, damit es derselben Bauweise unterliegt, wie dasübrige Gebiet innerhalb der Ringbahn. Es warein Fehler, daß dies früher nicht der Fall war. Uebrigens sinddurch den Bebauungsplan 43 Proz. der gesamten Fläche frei-gelassen worden, das ist mehr als in den meisten großen Provinzial-städten.Abg. Strosser(k.) wendet sich gegen die Auswüchse im Auto-mobilverlehr.Abg Dr. Bell(Z.) bespricht die Frage der Bebauung de»Tempelhofer Feldes. Man sollte nicht so sehr Gewicht auf breiteZierstraßen mit schönen Vorderhäusern legen als darauf, daß dieHinterhäuser genügend Licht und Luft haben.Abg. Dr. Schröder-Kassel(natl.) erörtert daS SubmissionS-wefen der Eifenbahnverwaltung und wendet sich gegen die An-stellnng von Baukontrolleuren aus Arbeiterkreisen. Zur Bekämp-fung der Automobilraserei habe der Automobilklub selbst sehr vielgetan.Minister v. Breiteubach betont, daß se,t Jahren eine großeVerbesserung der Zustände im Automobilwesen eingetreten seien.Ein Vertreter des Ministeriums des Innern erklärt, daßder Polizeipräsident eine scharfe Ueberwachung des Automobil-Verkehrs in Berlin angeordnet hat.Abg. v. Wolf-Metternich(Z.) hebt hervor, daß die Hauptfach-lichsten Exzesse von Automobilisten auf dem Lande vorkämen.aus seinem Schulamte entlassen worden, weil er auS der evangelischen Landeskirche ausgetreten war.Diese Maßregel der Regierung muß als eine höchst bedauerlichebezeichnet werden. Der p. Sckiabon war trotz seine? Austrittsdurchaus fähig, die Kirche zu fegen, die Glocken zu läuten, dieKinder des Patronats und Gutsherrn auszuführen, seine Schafe zuweiden, seine Gäule zu striegeln, die Nonnen und andere Baum-schädlinge zu vernichten, Maikäferlarvcn zu sammeln, konservativeWahlzettel auszutragen, Menschen- und Viehzählungslisten aufzu-stellen, Gesellschaftseinladungen für den Patron zu schreiben und dieWirtschastsrechiiuug der Frau Pastorin zu führen! ES würde durch-aus genügt haben, wenn die Regierung da» Subjekt nur von seinenUnterrichtsfunktionen suspendiert Hütte.Staatsbürgerliche Erziehung. Da man sich nichteinig werden kann, ob man das geplante Werk über dies hochwichtigeThema auf dem Wege des Preisausschreibens oder durch Znsammen«wirken von Autoritäten erlangen soll, hat sich der königl. preußischeLandrat Schnappe entschlossen, das Buch kurzerhand selbst lsu ver-fassen, und zwar in möglichst gedrängter, aber doch erschöpfenderForm. Eö lautet: Stillgestanden I Maulhalten l Amen l_(.Jugend.')Notizen.— Vorträge. Im Wissenschaftlichen Theater der Uraniawird am Montag der Vortrag„Im Firnenglanz des Ober«Engadin' zur Aufführung gelangen.— Musikchronik. Im Schiller-Theater(Ehar-lottenbnrg) findet Sonntag, mittags 12 Uhr, das letzte Sonntags-konzert statt. Das Programm bringt ausschließlich Werke von FranzSchubert.— Gegen das Verbot der Eifenacher.Jefu»'«Spiele, das auf Betreiben der Orthodoxen erfolgte, haben derVerfasser, der Weimarer Oberregisseur Weiser und der EisenacherOberbürgermeister Schmieder Beschwerde erhoben.— Wann wurde d tr Revolver erfunden? Ge«wohnlich hält man die Erfindung dieser verbreitetsten Handfeuerwaffefür eine technische Leistung der Neuzeit. Daß aber der Revolver nichtneuen Datums ist, ergibt sich klar aus einer italienischen Novelledes Straparola(1550), in der erzählt wird:„Darauf zoger(Sforza) ans seiner Hosentasche eine kleine Schußwaffe mitfünf Läufen, die sich einzeln oder zugleich entladen konnten, wieman eS wollte." DaS dänische Kriegsministerium hatte auf dieerste große Weltausstellung nach Paris eine Flinte mit acht Läufentesandt, auf deren einem die Jahreszahl 1597 eingraviert war.)er sogen. Erfinder deS Revolvers, der Amerikaner Colt, hat sichlange und energisch dagegen gewehrt, anzuerkennen, daß seine Er-findung früheren Jahrhunderten angehört, aber schließlich hat er sichgezwungen gesehen, das Gewehr zu strecken.N