We eine Seite sich mit der anderen vorher in geeigneter Weiserer* ständigt, haben uns die Erfahrungen der letzten Zeit gezeigt,(«ehr wahr I tintS.) Ich nehme also an, dag auch die Freunde des Vor- redners im Interesse des konfessionellen Friedens die Haltung der Regierung in dieser Frage als richtig anerkennen werden.(Ver- cinzeltes Bravo I rechts.) Abg. Dr. Friedberg(natl.) polemisiert gegen den Mg. v. Hehde- brand. Er hat nur große Worte gemacht, uns aber schließlich nur empfohlen, die Hände in den Schoß zu legen. Seine Ausführungen waren wohl eingestellt auf die Ausführungen des Kultusministers in der Kommission, und er war erstaunt, daß die Ausführungen des Ministerpräsidenten darüber wesentlich hinausgingen. Die Konflikte mit katholischen Geistlichen an höheren Lehranstalten würden am besten vermieden, wenn wir überhaupt nur weltliche Lehrer hätten. (Sehr richtig! links.) Der diplomatische Verkehr mit der 5lurie sollte in Zukunft nur durch Ucberreichung schriftlicher Skaten erfolgen.— Den Vorwurf der konfessionellen Hetze, den neulich Herr Dr. Hahn gegen unS erhob, weisen wir entschieden zurück. Mögen die Kon- servativen von einer derart demagogischen Agitation zurückkehren zu ihren alten besseren Traditionen.(Bravo i bei den National- liberalen.) Abg. Dr. Padjuicke(Vp.): Wir sind mit den Ausführungen des Ministerpräsidenten nicht so einverstanden wie Herr Dr. Fliedberg. DaS Friedensbedürfnis kam in ihnen stärker zum Ausdruck als das Selbstbewußtsein des Staates. Diese Nachgiebigkeit wird in Rom nicht gewürdigt und wahrscheinlich auch nicht erwidert werden. Die einzige positive Maßnahme, die der Ministerpräsident ankündigte, dahin, daß in Zukunft Geistlichen, die den Antimodernisteneid ge- leistet haben, nicht mehr der Unterricht in Geschichte und Deutsch neu übertragen werden solle, ist in dem halbamtlichen Stenogramm der Rede durch die Einfügung der Worte„in der Regel' noch abgeschwächt worden.(Hört! hört! links.) Und auch in den Worten des Kultusministers haben wir eine solche Ab- schwächung gesehen. Das einzig positive Ergebnis dieser Debatten wäre die Streichung der Gesandtschaft beim Vatikan . Da diese Ge- sandlschast sich als ganz überflüssig erwiesen hat. werden wir für die Streichung eintreten.(Bravo I links.)_ Staatssekretär des Auswärtigen v.Kiderlen-Wächter weist einige An- griffe des Vorredners gegen die Gesandtschaft beim Papst zurück. Es ist dem Gesandten mangelhaste Informationen vorgeworfen, er habe die Intentionen der Kurie nicht gekannt. DaS verlangen wir von keinem unserer Vertreter, daß sie die Absichten der fremden Regie- rung vorher kennen.(Heiterkeit.) Herr Pachnicke hat dann gesagt, für Viesen Gesandten brauchen wir bloß die Post. Schließlich muß doch aber auf der Post auch jemand sein, der schreibt.(Große Heiterkeit.) Ein Schlußantrag Ivird angenommen. Der Titel.Minister" wird bewilligt, ebenso der Titel„Gesandtschaften". Abg. Ströbel(Soz.) stellt gegenüber dem Abg. Porsch fest, daß er nicht zum Kulturkampf im landläufigen Sinne aufgefordert habe, sondern gerade für die katholische Kirche das Recht proklamiert habe, ihre Angelegenheiten völlig unabhängig zu regeln. Beim Kapitel EvangelischerOberkirchenrat wendet sich Abg. Runze(Vp.) gegen die geplante Ueberwachung� des Kon- firmandemlnterrichtS in Berliit und kritisiert die Zurücksetzung der liberalen Theologen an den Universitäten. Herr Porsch sagte heute: Freie Forscbung treibt man nicht um ihrer selbst willen, sondern um zur Wahrheit zu gelangen. Demgegenüber meine ich: man kann zur Wahrheit nicht anders gelangen, alS indem man die Wissen- schaft um ihrer selbst willen betreibt.— Wie weit wir heute noch von einer Volkskirche entfernt sind, beweist der Fall Jatho, auf den meine Freunde in der dritten Lesung näher eingehen werden. Abg. Winckler(k.): Der Fall Jatho ist eine innere Angelegenheit der evangelischen Kirche, und seine Besprechung vor dem inter« konfessionellen Abgeordnetenhause bedeutet eine Ueberschreitung der Grenzlinie zwischen Staat und Kirche.(Bravo I rechts.) Hierauf wird die Weiterberalung vertagt auf Do»merstag ll Uhr. Schluß 49/« Uhr._ parlamentanfcbca. Ein kläglicher Umfall in der Arztfrage. Die gestrige Sitzung in der ReichSversichcrungSordlMNgs- kommission deS Reichstages brachte eine Ucberraschung. Die Kompromißparteien zogen ihre Anträge zur Arztfrage zurück und beantragten, daß von jedem Versuch, die Arztsrage wirklich zu regeln. Abstand genommen wird. Die Regelung der Arztfrage soll einem—„besonderen Gesetz" vorbehalten bleiben. Vis dieses Gesetz erlassen wird, sollen folgende Bestimmungen gelten: Die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Aerzten werden durch schriftlichen Bertrag geregelt. Die Bezahlung anderer Aerzte kann die Kasse, von dringenden Fällen abgesehen, ablehnen. So- weit es die Kaste nicht erheblich mehr belastet, soll sie ihren Mitgliedern die Auswahl zwischen mindestens zwei Aerzten freilasten. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Behandelte während desselben VersicherungöfalleS oder Geschäftsjahres den Arzt nur mit Zustimmung des Vorstandes wechseln darf. Die einzige Neuerung ist die Bestimmung auS dem RegiernngS entwurf. daß die Kaste berechtigt sein soll, statt der Krankenpflege oder der sonst erforderlichen ärztlichen Behandlung eine bare Leistung bis zu zwei Drittel deS DurchschnittSbetragS des gesctz- lichen Krankengeldes zu gewähren. Dies soll gestattet sein, wenn bei einer Krankenkasse die ärztliche Versorgung dadurch ernstlich ge« fährdet wird, daß die Kaste kernen Verlrag zu angcmestenen Be> dingungen mit einer ausreichenden Zahl voii Aerzten schließen kann oder daß die Aerzte den Vertrag nicht einhalten. In solchen Fällen ermächtigt daS Oberversicherungsamt(Beschlußkammer) die jkasse auf ihren Antrag widerruflich zu jener Ablösung der ärztlichen Hilfe' leistung. Graf v. Westarp begründete diese Anträge und erklärte dabei, daß er von den früheren Kompromißanträgen nur deshalb Abstand nehme, weil für dieselben keine Mehrheit zu finden sei. Abg. Horn schloß sich dem im Rainen der National- liberalen an. Dagegen traten die Mag. Dr. Mugdan sowie Dr. Fleischer (3) ganz besonders lebhaft für die neuen Anträge ein. Dr. Fleischer wollte sogar durchaus die freie Arztwahl allen Kasten vor- schreibe», sofern die Kassen dadurch nicht zu sehr belastet würden. Unsere Genossen Hoch, Mollenbuhr und Schmidt wiese» nach, daß die Ablösung der ärztlichen Hilfeleistung allein kein genügender Schutz für die Kasten sei und die Kassenmitglieder aufs ichw'erste schädigen könne. Daher hielten sie ihren Antrag aus- recht, daß bei Streitfällen in letzter Instanz ein S ch i e d L- aml die Bedingungen feststellt, die für einen Vertrag der Kasse mit den Aerzten zu gelten haben und daß kein Arzt von den StandcSoereincn der Aerzte wegen Abschlusses eines Vertrages nach diesen Bedingungen zur Zahlung einer Kon- ventionalstrafe gezwungen werden darf. Dieses Zwangsvorrecht der Aerzte müsse beseitigt werden, wenn den Kasten die Möglichkeit zu einer sachgemäßen Verständigung mit den Aerzten erschlosten werden soll. Abg. Behrens hat zwar die neuen Kompronnßanträge unter- schrieben, weiß aber noch nicht, ob er für die Anträge stimmen soll oder nicht. Abg. K u l e r s k y erklärte sich gegen die Anträge. Nach Schluß der Generaldebatte wurde die Verhandlung auf Donneretag vertagt. Huö Induftm und Handel. Der neue Bankkrach. Man muß damit rechnen, daß die Zahlungsschwierigkeit der Bankfirma Neudurger größere Bedeutung hat, alö es zunächst den Anschein haben konnte. Mittlerweile haben nämlich mehrere Unter- nehmen mitgeteilt, daß ihre Verbindlichkeiten bei der Bank in der letzte» Zeit fast restlos beglichen worden jejen. Neuburger hat demnach in der letzten Zeit wohl versucht, durch Eintreibung der Außenstände bei den mit ihm in ständigem Verkehr stehenden indu- striellen Unternehmen. Mittel flüssig zu machen, um die drohende Liquidation zu vermeiden. Da das nicht gelang, obwohl die Werke ihre Kredite bis aus ein Minimum reduzierten, darf man an- nehmen, daß Neuburger weitgehende Verpflichtungen zu erfüllen hat. Sie sollen sich auf 10 Millionen Mark bei S Millionen Mark Aktienkapital belaufen. Seitdem die Fürsten Hohenlohe und Fürstcnbcrg ihre Kapitalien der Verwaltung Neuburgers entzogen haben, fehlten dessen Unternehmungen die sicheren Grundlagen. Auch die Umwandlung der Firma in eine Kommanditgesellschaft ver- mochte dem Unternehmen, keine neuen Mittel zuzuführen. Vergeblich wurde dann versucht, durch Errichtung von Depositenkassen neue Spargelder des Publikums heranzubekommen. In fast vierzig Orten wurden Filialen errichtet, die sehr oft nur Agenturen waren. Die kleinen Dörfer der Provinz Brandenburg , Mecklenburg , Pom- niern, Schlesien und Sachsen , aber auch in Westfalen waren Zweigniederlassungen der Firma Neuburger, die durch das Angebot hoher Zinsen die Sparkapitalien an sich zu ziehen suchten. Gleich- zeitig sollten sie den Bauern die zweifelhaften Werte der Nenburger- dank aufhängen. Was aus der Bank werden wird, steht nicht fest. DaS Schicksal der Spargelder, von denen in der letzten Bilanz mehrere Millionen vorhanden waren, im besonderen, ist vollkommen dunkel. Seit einigen Tagen werden zwar Versuche gemacht, die Firma zu halten und sie soll sich auch schon an verschiedene Banken mit der Bitte um Unterstützung gewandt haben. Ob diese ihr zuteil werden wird, ist freilich noch sehr fraglich. Man glaubt. daß der sogenannte Fürstenkonzern die Liquidation übernimmt. Die Bank veröffentlicht jetzt folgende Erklärung: Die vielfachen Angriffe gegen unsere Firma, die vor allem durch anonyme Rund- schreiben in unserer Kundschaft in Tausenden von Exemplaren verbreitet wurden, haben seit Monaten eine immer steigende Be- unruhigung in diese Kreise getragen. Wir haben mit Aufgebot aller Kräfte die dadurch an uns herangetretenen Anforderungen zu befriedigen gesucht, da aber die Komplementäre unserer Ge- sellschaft, die Herren Karl und Fritz Neuhurger, sich diesen dauernden, auch persönlichen Angriffen nicht mehr gewachsen fühlen und ihren Austritt erklärten, beschloß der Aufsichtsrat in seiner heutigen Sitzung, eine außerordentliche Generalversamm- lung zu berufen, um dieser die Liquidation der Gesellschaft vor- zuschlagen, sofern nicht die bereits eingeleiteten Verhandlungen zwecks Uebernahme der Bank zum Ziele führen. Es sollen vor- läufig die Kassen geschloffen, bis auf weiteres Zahlungen nicht geleistet und bei den Gläubigern der Gesellschaft ein Moratorium nachgesucht werden. Bei einer ruhigen Abwickelung der Geschäfte steht zu erwarten, daß alle Gläubiger voll befriedigt werden und auch noch ein erheblicher Teil des Aktienkapitals verbleiben wird. Wir sind mit der Aufstellung eines genauen Status der Gesell- schaft beschäftigt, der nach Fertigstellung sofort veröffentlicht werden wird. Rückgang der Schlachtungen. Ans dem Schlachthofe in Berlin ist bei den Schlacknungen von Rindern, Kälbern und Schafen ein ganz bedeutender Rückgang zu konstatieren. So sind im Monat Februar dieses Jahres, wie die„Allgemeine Flcischcrzeitung" mit- teilt, gegen den gleichet: Monat des Vorjahres weniger geschlachtet worden: 2399 Rinder, 1325 Kälber und 2075 Schafe. Teure? Brot. Der gelinden Preissenkung, die in der letzten Zeit sich bemerk- bar machte, ist schon wieder eine AuswärtSbewegung gefolgt. Nach den Ermittelungen des Statistischen Amts der Stadt Berlin kostete ein Kilogramm: Januar Februar Roggenbrot... 26.41 26.42 Pfennige Weizenbrot... 61,83 62,09, DaS Weizenbrot ist also schon wieder teurer geworden. Von der Aufwärtsbewegung ist allerdings auch Roggen erfaßt, ebenso Noggenmehl, auch die Kartoffeln sind im Preise gestiegen. Weizen dagegen wurde etwas billiger. Der Preis für 1000 Kilogramm Roggen stieg von 147,66 M. auf 149,62 M, der Weizenpreis ging von 204,27 M. auf 201,63 M. zurück, Roggenmehl, das im Januar 19,27 M. kostete, mußte im Februar mit 19,60 M. bezahlt werden und der Preis für 1200 Kilogramm Kartoffeln hob sich um 1 M. aus 54,00 M. Berücksichtigt man dazu das erneute Anziehen der Fleischpreise, dann ist kaum zu leugnen, daß wir bedenklichen Ver- Hältnissen entgegensteuern. Daß die Regierung sich mit der Frage beschäftige, wie dem drohenden Notzustand entgegengewirkt werden könne, davon hört man nichts. Das ist erklärlich: Die Junker und ihre Gesellen erlauben eS der Negierung nicht, Maßnahmen zur Er« leichterung der Ernährung deS Volkes zu ergreifen. Hibenün. Der Aufsichtsrat beschloß, von dem abzüglich aller laufenden und außergewöhnlichen Betriebsausgaben sowie der Anleihezinsen von 779 740 M. verbleibenden Bruttogewinn 4 070124 M. zu Abschreibungen und 460000 M.— 4>/z Prozent Dividende auf die Borzugsaknen zu verwenden und von dem Rest die Verteilung einer Dividende von L'/z Prozent auf die Stamm- aktien der diesjährigen ordentlichen' Generalversammlung vor- zuschlagen. Letztere soll auf den 4. April d. I. nach Düsseldorf ein- berufen werden. Kali . Die Verteilungsstelle für die Kaliindustrie hat die Ge- famtabfatzmenge für das Kalenderjahr 1911 auf 9 019 400 Doppel- zentner reines Kali festgesetzt. Von dem Gcsamtquantum cnt- fallen 4 413 800 Doppelzentner auf das Inland und 4 600 600 Doppelzentner auf das Ausland. Allem Anschein nach soll der Kalistreit mit den Vereinigten Staaten noch nicht zur Ruhe kommen. Kürzlich hat Senator EurtiS ein Amendement zirm Reinnahrungsmittelgesetze angeregt, dahingehend, daß, sofern der Präsident entdeckt, daß eine fremde Regie- rung ihre durch Vertrag festgelegten Verpflichtungen verletzt, und zwar dadurch, daß sie sich bemüht, durch bedrückende, diskriminierende und konfiskatorifche Maßnahmen das von Bürgern der Vereinigten Staaten in legitimer Weise in solchem Lande investierte Kapital zu gefährden, zu benachteilige» oder zu vernichten, der Präsident befugt sein soll, anzuordnen, daß die Einfuhr auL solchem Lande in die Vereinigten Staaten ausgeschlossen werden soll. Die befür- wartete Amendierung soll dem Präsidenten vermehrte Autorität verleihen, in bestimmten Fällen zu handeln, in welchen amerikanisches Kapital, das gemäß Vertragsbestimmungen in ausländischem Besitz oder Handel investiert ist, mit Konfiskation oder mittels bedrücken- der oder diskriminierender Maßnahmen durch willkürliches Vor- gehen einer Auslandsnation bedroht wird, sofern nach Ansicht des Präsidenten diese Handlungsweise eine Verletzung von Vertrags- Verpflichtungen einschließt.— Offensichtlich ist das deutsche Kali- gesetz rcsp. der Kouslikt mit den amerikanischen Kaliintercssenten die direkte Veranlassung dieses Amendements. Hua der frauenbewegung. Die FraucnwahlrechtSsrage anf Island und in Dänemark . In dem kleinen zu Dänemark gehörenden Jnfellande Island besitzen die selbständigen Fronen von, 26. Lebensjahre ab bereits seit dem Jahre 1892 daS Wahlrecht anf kommunalem und kirchlichem Gebiete, vom politischen Wahlrecht sind sie jedoch bis jetzt noch ausgeschlossen. In der gegenwärtigen Session des isländischen Parlaments, des Altings, haben nun zwei radikale Abgeordnete einen LersaffungSentwurf eingebracht, in dem die Einführung des allgemeinen und gleichen politischen Wahlrechts für Männer und Frauen vom 21. Lebensjahre ab verlangt wird. Der Entwurf enthält im übrigen verschiedene andere Forderungen, die dem isländischen Staate größere Selbständigkeit geben, ihn von Däne- mark mehr unabhängig machen sollen. Die radikale und dcnio- kratische Richtung in der isländischen Politik macht immer stärkere Forlschritte, so daß man in absehbarer Zeit auf die Durchführung des politischen Frauenwahlrechts rechnen kann. Das d ä n i s ch e F o l k e t h i n g hat in der verflossenen Woche den Entwurf zu einer Verfassungsreform, die unter anderem den Frauen sowie den Dienstleuten das allgemeine und gleiche staats- bürgerliche Wahlrecht bringen soll, in zweiter Lesung angenommen. Das besondere und doppelte Wahlrecht, daS die Höchsth-stcuerien jetzt zum LandSlhing, der Ersten Kammer des dänischen Reichstag haben, sollen die Frauen jedoch nicht erhalten. Es war für unsere Parteigenossen selbstverständlich, daß sie dem Pluto - kranschen System des Zweiklassenwahlrechts nicht noch mehr Macht in die Hände spielen, den Leuten vom großen Geldsack durch ein neues Privilegiertcnwahlrecht ihrer Frauen noch mehr Einfluß verschaffen wollten. Gesichelt ist die Verfassungsreform mit dem Frauenwahlrecht noch nicht; wenn sie auch in dritter Lesung an- genommen wird, steht immer noch die Zustimmung des Landsthings ans und dann muß der ganze Reichstag aufgelöst werden und ein neuer die Reform abermals beschließen, um ihr Gesetzeskraft zu ver- schaffen._ Sozialed. Internationale Konsumvereinsstatistik. DaS„Internationale Genossenschaftsbulletin" hat kürzlich eine interessante Uebersicht über den Stand der Konsumsvercinsbewegung in den wichtigsten europäischen Ländern im Jahre 1909 veröffent- licht. Zum Teil liegen der Statistik amtliche Erhebungen in den betreffenden Ländern, zum Teil die Berichte der genossenschaftlichen Verbände zugrunde. Das Ergebnis ist folgendes: Großbritannien Deulschtand trankrcich.. chweiz... Dänemark .. Belgien ... Schweden .. Zahl der berichtend. Konsum- Vereine 1430 1406 2683 290 300 879 376 Zahl d. Mitglieder überhaupt Umsatz pro überhaupt Verein in 1000 M. pro Mitgl. in M. 669,70 267,30 267,80 347.80 404,20 222,30 460,30 2 469 039 1726 1 406 301 1 334 444 960 366 889 762 263 296 194222 204264 704 71040 113 086 141 44 703 260 106 669 64 648 66 421 174 24 429 Großbritannien steht also in jeder Beziehung an der Spitze, mit Ausnahme der Zahl der Vereine, hinsichtlich deren es von Frankreich übertroffen wird. Es hat die meisten Mitglieder, sowohl absolut als auch pro Verein und ebenso bei weitem den größten Umsatz sowohl absolut als auch pro Mitglied. Ihm folgt Deutsch - land hinsichtlich der Mitglicdcrzahlen und des Gesamtumsatzes. Leider steht das Deutsche Reich bezüglich des Durchschnittsumsatzes pro Mitglied, der den Gradmesser für die intensive EntWickelung des Eenosscnschasiswesenö bildet, mit Frankreich und Belgien an letzter Stelle. Frankreich exzelliert, wie schon erwähnt, durch hohe Zahl der Einzelvcrcine; doch ist dementsprechend die Mitgliederzahl pro Verein recht klein. Die kleine Schweiz weist im Vergleich zu ihrer Bevölkerungsziffer eine sehr intensive EntWickelung der Kon» sumvereinsbewegung auf. Ihre Durchschnittsmitgliederziffer pro Verein und ihr Durchschnittsumsatz pro Mitglied ist ziemlich hoch. Dänemarks fast ausschließlich ländliche Konsunwercinsbewegung kommt in den geringen Mitgliederzahten der einzelnen Vereine zum Ausdruck; ziemlich h.ch ist hier der Umsatz pro Mitglied. Belgien hat weniger aber bedeutend stärkere Vereine, die Durch« schnittsumsätze sind klein._ Ter Fluch der Werks-PenssouSkaffen. In Duisburg wurde in vergangener Woche durch eine Brand« kakastrophe die Böningersche Spinnerei teilweise zerstört, während zu derselben Zeit fast das gesamte Personal der Weberei— über 300 Arbeiter und Arbeiterinnen— wegen bevorstehender Still» lcgung des Betriebes in Kündigung stand. Ob die Stillegung der Weberei geschah, weil die Einrichtung technisch nicht mehr auf der Höhe stand, oder ob ein vorteilhäfter Bertauf der Fabrik die Ur- fache ist, mag dahingestellt bleiben. Es stand jedenfalls die in» zwischen erfolgte Stillegung der Weberei bevor, als der Brand tcillvcise auch die Spinnerei lahm legte. Die Zustände in den Dr. Löningerschen Tcxtilsabriken waren für die Arbeiter die denkbar schlechtesten, die Löhne wohl die niedrigsten in Duisburg . Den- noch hatte der Betrieb wie fast alle Tcxtilsabriken eine gewisse Anzahl älterer Arbeiter und Arbeiterinnen, welche alt und grau im Betriebe geworden, und die wiederum ihre Kinder in dasselbe Joch hatten eintreten lassen. Diese alten Arbeiter, die mit dem Betriebe gewissermaßen verwachsen Ivaren, gehen nun infolge der Außerbetriebsetzung der Weberei dem bittersten Elend entgegen. Leute, die ein Menschcnalter und länger mit ihrer Hände Fleiß der schwerreichen Firma Böninger die Millionen haben schassen helfen, die bei Löhnen von Ii», 18 bis 24 M.— in 14 Tagend) ein Leben voll Sorge und Entbehnmg zurückgelegt haben, sie sahen sich plötzlich arbeitslos auf die Straße gesetzt, weil es dem Inhaber des Betriebes nun mal aus diesem oder jenem Grunde einfällt, den Betrieb still zu legen. Allerdings, die Kündigungsfrist hatte man gewahrt— o ja, man handelt gesetzlich! WaL hat denn die Arbeiter veranlaßt, bei einer so jämmcr- lichen Bezahlung sich und ihre Familienangehörigen an einen sol- chen Betrieb zu ketten? D:e„Pensionskaffe" heißt es sicherlich in 90 von 100 Fällen. In vielen Fallen lag cS auch wohl so, daß die Weber, von denen ein großer Teil Oesterreicher waren, deshalb aushieltcn, weil sie kein Geld zur Rückfahrt hatten und im übrigen so dastanden, daß es ihnen zwmlich gleich war, wo sie schafften, weil sie einsahen, daß sie trotz aller Arbeit doch nicht aus dem Elend herauskamen. Nun lebten diese Leute bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in dem Wahne, daß die Stillegung deS Betriebes auch die Auflösung der PensionLkassc im Gefolge haben müsse. Aber das tvar ein schwerer Irrtum. Da der Betrieb der Abteilung „Spinnerei" vorläufig noch bis auf unbestimmte Zeit weiter be- steht, so wird auch die Pensionskasse, in der sich etwa 60 000 M. befinden sollen, allein für die Spinnerei fortbestehen. Und jeder, der nicht die ziemlich hohen Beiträge selbst weiter bezahlt, ist seiner Mitgliedschaft verlustig. Das dürfle so ziemlich für alle zutreffen. Das Ende vom Liede stt also, daß die armen Teufel, die ein Leben voll Not und Entbehrungen hinter sich haben, schließlich nnerbitt- lich auf das Straßenpflaster fliegen, nachdem sie schon die Hand nach der„Pension" glaubten ausstrecken zu können. Zum Fluch ist ihnen daS Liebäugeln mit der PensionLkasse geworden! Möchten sich doch andere das Beispiel zur Warnung dienen lassenl Daß die Arbeiter im Böningersckien Betriebe der Organisa» tion leider noch fernstanden, ist nach Vorstehendem wohl selbstver» ständlich._ Schuldner von Unfallberufsgenosscnschaftcn. „Streng vertraulich! Nur für die Mitglieder der Rheinisch- Westfälischen Baugcwerks-Bcrufsgenosscnschaft bestimmt!" ist ein Verzeichnis derjenigen Mitglieder der Sektion III der Bauberufs- gcnossenschaft überschrieben, die noch Beiträge aus 1908 oder auS früheren Jahren an die Genossenschaft schulden. Aufgestellt ist das Verzeichnis am S. Juni 1910. Die Bauberufsgenossenschaft muß es wohl als eine Blamage empfinden, daß sie mit einem solchen Schuldkonto sozialer Verpflichtungen an die Oeffentlichkeit geraten konnte, wie es das mit dem Signum„Streng vertraulich!" ver- sehene Verzeichnis darstellt. Nun, wir sind so frei, ebenso wie früher von ähnlichen Schreiben, von dem Material Gebrauch zu machen, das uns ein günstiger Wind in die Rcdaktionsstube geweht hat. Es trägt dazu bei, der Oeffentlichkeit darüber Klarheit zu geben, wie cS mit der so vielgerühmtcn sozialen Pflichterfüllung in gewissen Untcruchmerkreisen bestellt ist, die sich so gern au| ihre sozialen Leistungen noch etwas Besonderes zugute tun.
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