dem zur Entscheidung stehenden konkreten Falle nicht. Das Reichs- geeicht hat außer acht gelassen, daß von den schulent- lassenen Jugendlichen der größte Teil in den Städten verpflichtet ist, eine Fortbildungsschule zu be- suchen. Für diese gilt ganz dasselbe, was das Reichsgericht bezüglich der höheren Schulen gesagt hat.(Abg. Liebknecht: Aber nicht bis zum 21. Jahr l) Ich kenne also daS Reichsgerichts- urleil und seine Tragweite sehr wohl. ES ist auch nicht richtig, daß die Schulbehörden init Vorbedacht gegen dies Erkenntnis gehandelt haben. Die 80 Jahre hindurch bestandene Praxis der Schul- Verwaltung konnte aber unmöglich sofort umgeändert werden, die Schulbehörden mußten sich nach Bekanntwerden des Urteils erst auf die neuen Gesichtspunkte einstellen. Ich habe eine allgemeiue Anweisung herausgegeben, um die Praxis der Behörden in Einklang zu bringen mit dem Reichsgerichts- erkenntniS. Die Fälle in Oberschlesien haben vor Bekanntwerden der Entscheidung gespielt.(Abg. Liebknecht, der wiederholt Zwischen- rufe macht, wird vom Präsidenten zur Ordnung gerufen.) Uebrigens handelte eS sich dabei nicht um harmlosen Gesanguntcrricht, sondern, wie aus dem Text der Lieder hervorgeht, um politische Bestrebungen. Wir wollen die Politik aus dem Unterricht fernhalten, vor allem die sozialdemokrauschen Tendenzen. Ich hoffe, daß dieses Haus die Schulverwoitung in diesem Bestreben unterstützen wird.(Lebhafter Beifall rechts.) Präsident v. Kröcher schlägt vor, eine Abendsitzung abzuhalten. Abg. Hirsch(Soz.): Ich erhebe Widerspruch gegen diesen Vorschlag. Nicht etwa mit Rücksicht auf uns selbst, aber mit Rücksicht auf die Beamten und Diener des Hauses und die Presse, an die durch die fortgesetzten Tagungen ganz unerhörte Anforderungen gestellt werden. Außer- dem haben wir eS erst neulich erlebt, daß von den Herren der Rechten, die eine Abendsitzung beschlossen hatten, am Abend selbst fast niemand erschien.(Hört I hört l) Es müßte dann mindestens am Anfang der Abendsitzung durch Namensaufruf festgestellt werden, ob die Herren, die die Sitzung beschlossen haben, auch da sind. (Heiterkeit und Sehr gut! linkS.) Die Abendsitzung wird hierauf abgelehnt. Nach weiterer unwesentlicher Debatte wird die Resolution der Kommission gegen die Stimmen der Freikonservativen und der Linken angenommen. Abg. Liebknecht(Soz.)(persönlich): Der Kultusminister hat behauptet, ich hätte daS Reichsgerichts- urteil falsch zitiert. Demgegenüber stelle ich fest, daß ich wörtlich daS ReichsgerichtSerkenntniS vorgelesen habe. Weiter habe ich nicht gesagt, daß daS Fortbildungswesen über- Haupt der Schulaussicht entzogen sei, sondern betont, daß innerhalb der Fortbildungsschulen in den betreffenden Gegenständen nicht Unterricht erteilt werde und daß sich der FortbildungSunterricht höchstens bis zum 18.. nie ober bis zum 21. Jahre er- st r e ck t. Durch den Schluß der Debatte ist es mir leider un- möglich gemacht, ausführlich nachzuweisen, daß der Minister in vollem Umfange besten schuldig ist, wessen ich ihn bezichtigt habe. Die Weilerberatung wird auf Dienstag Ist Uhr vertagt. Schluß S Uhr. parlamcntarifcbcö� Aus der Budgetkommission des Reichstages. f Am Montag beendete die Budgetkommission die Beratung über / den Etat des Reich Samts des Innern bis auf einige Peti- tionen und die Kalioeldcrfrage. Es wurde eine bessere Ausgestal- jung der amtlichen Nachrichten für Handel und Industrie gefordert, die vor allem viel aktueller werden müßten. Lebhafte Beschwerde wurde auch an der Verzögerung der statistischen Arbeiten tzeübt. Unterstaatsfekretär Richter gab die Berechtigung der Kritik zu. Eine lebhaste Debatte zeitigte die Forderung der Bekämpfung der ReblauSkrankheit, an die sich die Forderung schloß, das Reich solle auch mehr Mittel zur Bekämpfung der Maul- und Klauen- ieuche aufwenden. Für diesen Ziveck verlangte«in freisinniger Antrag erst Sll lXXI M. und dann 30 000 M.; der Antrag wurde aber aus etatsrechtlichen und finanziellen Gründen bekämpft. Dagegen wurde ein Antrag Arendt angenommen, das Reich möge in Zutun st Mittel zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche in den Etat einstellen. Für den Bau von Kleinwohnungen wurden rund 2 Millionen Mark im Etat angefordert. Die Sozialdemokraten forderten die Einstellung von 4 Millionen. Staatssekretär Mer muth bekämpfte den Antrag; für solche Zwecke ständen keine wei- leren 2 Millionen zur Verfügung. Der sozialdemokratische Antrag wurde abgelehnt, trotzdem alle bürgerlichen Parteien im Vorjahre erklärt haben, sie seien bereit, für den Bau von Kleimvohnungen größere Mittel zu bewilligen. Em der parteL Parteiliteratur. Soeben erschien im Berlage d«„58 0 Iis stimme" zu Frankfurt a. M.: Soziale Kämpfe in Frankfurt a. M. vom Mittelalter bis an die Schwelle der großen Revolution von Max Quarck . Preis 40 Psciinig. ..Dieses Schrifichen will, wie der Verfasser im Vorwort sagt, ein gc'chichtliches �esebuch für alt und jung sein. ES führt in das soziale Werden urch Kämpfen einer mittelalterlichen Stadt ein, in � 1 ber Städteentwickelung verkörperte, die der ersten Periode der deutschen Geschichte eigentümlich ist. An einem hervorragenden Muster dieser EntWickelung lernt der Leser das Spiel der gesellschaftlichen Kräfte kennen, die das ganze deutsche Mittelalter beherrschen. Den Inhalt der Schrift kennzeichnen folgende Kapiteluberschristen: 1. Die Entstehung der Stadt; 2. Die sozialen Klassen des mittelalterlichen Frankfurt . 3. Die Mittelalter - liche Stadtverfasiung. 4. Die erste Handwerker-Rebellion. b. Die gewerbliche EntWickelung„ach dem Ausstand. 6. Die Älassengegen- sähe der Reformationszeit. 7. Die Erdrosselung der Industrie- ansänge. 8. Der izettmilchausstand. 9. Die HerrschaftSansänge des Zwischenhandels. 10. Die kleinbürgerliche Revolution. 11. Frank- furt an der Schwelle der großen Revolution. Die Ausstattung ist geschmackvoll. Im selben Verlage ist die 2. Au flage der wegen anaeb- lichcr Majestätsbeleidigung konfisziert gewesenen Broschüre herausgekommen: Hie Fleischwucher.' Hie Gottesanabentum! von Herm. Wen- bei. Preis 10 Pfennige. Im Geleitwort sagt der Verfasser: Habent sua fata libelli! Zu deutsch : auch Broschüren haben in Preußen ihre Schicksale. DaS Schicksal der vorliegenden Schrift war in das Räderwerk der preußischen Justiz hineinzugeraten, ohne darin zerquetscht zu werden. Die Sammlung nicht unintercffan- ter Dokumente, die in dieser zweiten Ausgabe dem Text voran- gestellt ist, g'bt darüber hinreichenden Aufschluß. Das ganze Trum und Dran der Hetze und der Justizaktion gegen..Hie Fleischwucker! Hie Gottesgnadentum I kann nur ge- e.anet sein, dem Ruf in den Rede und Broschüre ausklingt:„Es lebe die deutsche Republik!" ein« bessere Akustik zu verschaffen, wie «u«b dem Schriftchen selbst eine Verbreitung, deren Ziffer die 25 000 abgesetzten Exemplar: der ersten Auflage wohl noch übertreffen wird. Darum möchte ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen. den Herren, die sich in sehr selbstloser Weise um diesen doppelten Erfolg gemüht haben, an dieser Stelle meinen so ausrichtigen wie tiefgefühlten Dank abzustattei,: nämlich: meinem konservativen Gegenkandidaten im 0. sächsischen Reichstagswahltreis. Land- gerichtsrat Dr. Wagner, dem Reichstags- und Landtagsabgeord- n«ten Dr. v. Heydebrand und der Läse und Nicht zuletzt wm Herrn Oberstaatsanwalt in Frankfurt a. M. Ein neues Heim der Bremer Arbeiterbewegung. Am Sonnabend ist unser Breiner Parteiblatt, die Bremer „Bürgerzeitung" in das neue Partciheim übergesiedelt, das sich die Bremer Sozialdemokratie in der Straße Am Geeren 0/8 erbaut hat. Das neue Haus steht auf eigenem Grundstück, hat Vorder-, Mittel- und Hinterbau, die sämtlich Erdgeschoß und drei Oberge- schösse umfassen. In diesen großen, sreunMichcn Räumen sind die Zeitung, die Druckerei, die Buchhandlung, das Parteisekretariat, die Bureaus verschiedener Organisationen, auch das der Jungen Garde untergebracht. Ein Versammlungssaal faßt 400 Personen, außerdem enthalten die Gebäude mehrere Wohnungen. Die neuen großen Räume entsprechen dem Wachstum der Bremer Arbeiterbewegung, der es in der alten allmählich zu eng geworden war. Die Bremer„Bürgerzeitung" hat sich kräftig ent- wickelt— in der neuen Druckerei sind zwei Zwillingsrotations- Maschinen für den ZettungSdruck tätig, in den Setzersaal hat die Setzmaschine Eingang gefunden. Mögen die Bremer Arbeiterbewegung und ihr Kampfblatt im neuen Heim stetigen Fortschritt und neue Siege zu buchen haben. Ein Ausschluß. Der Unterstützungsverein der Parteiangestellten Oesterreichs „Die Gewerkschaft" hat aus seiner Generalversammlung vom 11. Mörz zu Wien den Beschluß des Vorstands bestätigt, wonach der Landtagsabgeordncte V an ek- Brünn, Mitglied der tschechischen Sozialdemokratie, aus dem Verein wegen unehrenhafter Handlung ausgeschlossen wurde. Die unehrenhafte Handlung wurde darin erblickt, daß Banek gegen zentralistisch gesinnte Arbeiter die Polizei herbeirief. Seine Mitgliedsbeiträge werden ihm voll zurückerstattet._ Aus dem Klassenkampf in Italien . Rom , 9. März.(Eig. Ber.) Genosse B r a g a ist als Redak- teur des Parteiblattes von E m p o I i(Toskana ) zu 10 Monaten Gefängnis und 600 Lire Strafe verurteilt worden wegen Be- lcidigung des Heeres. Als beleidigend sind die Bemerkungen über das Verhalten der Karabinieri bei dem Blutbad von Bari ange- sehen worden. Vor dem Gericht von R a v e n n a sind am 8. d. M. 112 s o z i a- I i st i s ch e Frauen, die aus ein Feld gedrungen waren, um Streikbrecher an der Arbeit zu verhindern, wegen Vergehens gegen die Freiheit der Arbeit verurteilt worden. Gegen die volljährigen Angeklagten wurde auf 6 M o n a t e, gegen die minderjährigen auf 5 Monate Gefängnis erkannt. Nur für die minder- jährigen wurde die bedingte Verurteilung verfügt. Unwillkürlich fällt einem ein, daß gerade dieser Tage eine Prinzessin in F lo- re nz, die ihre Schneiderin um 900 Lire betrogen hatte, von einem Florentiner Gericht auch zu 0 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, wobei aber bis Richter die Dame der bedingten Verurteilung wert hielten._ Jugendbewegung. Noch eine Auflösung. Der polizeiliche ,.VernickstungS"kampf gegen die freie Jugend� bewcgung greift immer Wetter um sich. Nach Berlin , Köln . Essen folgt nun Frankfurt a. M. Der dortige Polizeipräsident ist den Wünschen von Berlin nachgekommen und hat dem früheren Vorsitzenden der Frankfurter Jugendorganisation folgendes Schreiben gesandt: Der Kgl. Polizeipräsident. Frankfurt (Main ), den 10. März 1911. Die hiesige Freie Jugendorganisation ist im Hinblick auf ihre Ziele und den engen Zusammenhang mit der sozialdemokratischen Partei als politischer Verein im Sinne des§ 3 des ReichSvereinSgesetzcs vom 19. 4. 1903 anzusehen. Die Bestrebungen bei der Organisation! und Leitung dieses Vereins bezwecken in der Hauptsache, auf jugendliche Mitglieder unter 18 Jahren politisch einzuwirken. Die Organisation verstößt somit gegen die Bestimmungen der ßß 17 und 18 des Reichsvereinsgesetzes, wonach Personen unter 18 Jahren nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein dürfen und Zuwiderhandlungen strafbar sind. Der Verein wird deshalb, da er einem Strafgesetz zuwider- läuft, gemäß§ 2 des ReichsvereinSgesctzeS hiermit aufgelöst. gez. Scherenberg. Der Frankftirjer Polizeipräsident kommt mit seffiem„Auf- losuiigS'dekret leidekr reichlich spät. Es geht ihm wie seinem Kölner Kollegen, der ja auch eine Jugendorganisation aufgelöst hat, die gar nicht bestand. Die Frankfurter freie Jugendorganisation tat sich vor kurzem selbst aufgelöst, es besrebt kein Verein mehr. Die Zahl der Abonnenten der„Arbeiter-Jugeno" vermehrt sich aber täglich, und der UkaS des Polizeipräsidenten wird sicherlich reiche Früchte tragen. Die Jugend bewegung wird stärker und stärker werden. Und darum könnte man dem preußischen Polizeiininister für seine Fürsorge um die Arbeiterjugend nur dankbar sein. ?Zug Industrie und f)andel. Die Großbanken. In der nachfolgenden Tabelle sind die Großbanken der Höhe ihres AktenkapitalS nach zusammengestellt, wie sie� eS Ende 1910 besaßen. Zugleich sind die entsprechenden wenig veränderten Zahlen für 1909 angegeben. Wichtig zur Beurteilung der Bank ist weiter der Reservefonds und der Umsatz. Aktienkapital Reserven Umsatz 19l0 1000 1910 1909 1910 1909 Millionen M. Millionen M. Milliarden M. Deutsche Bank.. 200 200 106 104 112 102 Dresdner Bank. 200 180 02 52 84 70 Diskontogesellschaft 170 170 00 58 53 47 Dannstädter Banh 160 154 32»l'/z?? Schaaffhausen.. 145 145 84 34 19 15 Berliner Handels- gesellschaft.. 110 110 34'/a 24'/, 15 14 Kommerzbank.. 85 85 13 13 23 25 Nationalbank.. 80 80 14 13 19 15 Mitteldeutsche Kreditbank.. 54 54 8 8 9 8 Von den einzelnen Banken werden im laufenden Jahre ihr Aktienkapital noch erhöhen die Diskontogesellschaft un, 80 Millionen Mark, die Nationalbank um 10 Millionen Mark und die Mitteldeutsche Kreditbank um 0 Millionen Mark. Nicht ausgeschlossen ist, daß auch bei der Darmstädter Bank noch eine Erhöhung im Laufe de» Jahres 1911 erfolgen wird. Die neun Großbanken haben zusammen ein Aktienkapital von 1250 Millionen Mark und werden mit de» Reserven zusammen weit über l'/z Milliarden Mark direkt zu ihrer Verfügung haben. Die Summe der in ihnen arbeitenden Gelder dagegen wird sich auf fast 5 Milliarden Mark belaufen. Im Umsatz zeigt sich ein gewaltiger Unterschied zwischen den verschiedenen Bankeil. Ins- gesamt sind 330 Milliarden Mark bei ihnen umgesetzt worden, nicht viel weniger als bei dem deutsche» Zentralnoteninstitut, dem die Regelung der ganzen deutschen Geldwirtschost obliegt. Vergleicht man nun die einzelnen Banken nach ihrem Ergebnis in den letzte» beiden Jahren miteinander, so erhält man dir folgende Tabelle: Rohgewinn Reingewinn Dividende Proz. (in Millionen Mark) 1910 1900 igio 1909 1910 im Deutsche Bank.. 63,9 69,3 32.5 82,3 12'/, 12'/, Dresdner Bank. 89.2 34,2 26.1 22,1 8'/, S'/ä DiSkontogesellsch.. 35,2 34,6 23,6 23,8 10 9'/, Darmstädter Bank 23.0 22,2 11, l io,7 6'/, 6'/, Schaaffhausen.. 19,9 19,5 14,9 14,8 7'/. 7'/, Handelsgesellschaft 16,4 16,9 13,2 13,9 9 9 Commerzbank.. 12,0 12,0 0,2 6,1 6 S Nationalbank.. 12,4 11,5 8,0 7.8 7 0'/, Mitteldeutsche.. 8,0 7,0 4,5 4,0 6,5 0,6 Danach haben alle Banken, die eine Kapitalserhöhung vor» genoiiinien haben, im letzten Jahre auch ihre Dividende erhöht. Der Rohgewinn der neun Banken ist von rund 217 Millionen Mark auf 229 Millionen Mark gestiegen, der Reingewinn stieg von 135� Millionen Mark aus 139'/z Millionen Mark. Das ist ein Teil deS KapitalprvfitS, den die schaffende Arbeit für die Nichtstuer auf- bringen muß, denn soweit die Erträge an Dividenden und Zinsen verbraucht werden, steht ihnen keinerlei Leistung der Empsäliger gegenüber.__ Hapag -Dividende. Die Hamburg-Amerika-Linie , wie wohl noch in Erinnerung bei der letzten Regelung der Arbeitsverhältnisse auf den Werften sich am meisten gegen eine geringsiigige Verbesserung wehrle, schüttet für das letzte Jahr 8 Proz. Dividende auS, 2 Proz. mehr als im Vorjahre. Der Betriebsgewinn ist von 33 Millionen Mark auf 39,9 Millionen Mark gestiegen. Von dem Ueberschuß werden 2P/3 Millionen Mark zu Abschreibungen verwendet. Die Gesellschaft hätie eine viel höhere Dividende zur Verteilung bringen können. Man unterläßt es, um die„Begehrlichkeit" der Arbeiter nicht an- zuregen._ Riesenprofite i» der chemischen Industrie. Die Höchster Farbwerke haben ein Zirkular an die Apotheken herausgegeben, wonach daS neue Heilmittel Dioxydiamidoarscnobenzol (Ehrlich-Hata 600) jetzt unter dem Namen„Salvarsan" in Gläschen zur Versendung kommt, die 00 Zentigramm enthalten und 7 Fr. 50 Ctm. für Apotheker, 12 Fr. 50 Ctni. im Wiederverkauf kosten sollen. DaS bedeutet pro Kilogramm 12 500 Fr. für Apotheken und 20 833 Fr. für den Wiederverkauf. Die Erzeugungskosten werden aber von den Chemikern auf 4,50 Fr. pro Kilo berechnet. Der Welt- Marktpreis des Benzols ist 1 Fr. pro Kilogramm, arsenige Säure kostet etwa 1,00 Fr. pro Kilogramm. Also Ausgaben noch nicht 5 Fr. und Einnahmen 12 500 Fr. pro Kilogramm. DaS ist ein Geschäft. Die Arbeiter aber haben kaum 35 Pf. pro Stunde. Lage des deutschen Arbeitsmarktes. Obwohl die Bautätigkeit im Februar mehr als im Vorjahre von der Witterung begünstigt wurde, so hat sich doch die Erleichte- rung am gewerblichen Arbeitsmarkt gegenüber dem Vorjahre im Februar nicht mehr in dem gleichen Grade erhalten lönnen wie im Januar. Bei de» an den„Arbeitsmarkt" be- richtenden öffentlichen Arbeitsnachweisen kamen im Durchschnitt auf je 100 offene Stellen im Februar d. I. 129,9 Arbeitsuchende gegen 142,3 im Februar vorigen Jahres. Die Erleichterung beträgt 12,4. tm Januar hatte sie dagegen 15,4 betragen, und so ist auch die paiiming gegenüber den Hochkonjunkturjahren 1900 und 1907, die sich schon kräftig zu vermindern schien, wieder größer geworden. Be- wirkt wurde die keineswegs bedenkliche Ermattung dadurch, daß die Zunahme der Nachfrage gegenüber dem Borjahre längst nicht so kräftig war wie im Januar. Ging die Zahl der offenen Stellen, nach der auf die ArbeitSgelegenheil zu schließen ist, im Januar noch um 27>/z Proz. über die voriährige hinaus, so wieS sie im Februar nur eine Zunahme von knapp 17 Proz. auf. Wenn nicht zugleich auch die Zunahme des Angebotes nachgelaffen hätte, so würde die Besserung noch mehr geschwunden sein. Am ArbeitSmarlt für Männliche und an dem für Weibliche war die Entwicklung ziemlich gleich- artig; bei beiden wurde die Abnahme deS Andranges im Vergleich zun, Lorjahre etwas geringer. Nach den eingegangenen Berichten zu urteilen, hat sich vornehmlich in den Provinzen Schlesien . West» falen und Hessen-Nassau , im Rheinland , in, Königreich Sachsen so» wie in Baden-Württeiilberg eine kräftige Besserung gegenüber dem Vorjahre erhalten; in Brandcnburg-Poinmern dagegen, in Sachsen » Thüringen nnd in Bayern ist die Erleichterung nicht mehr sehr groß und in den Ostprovinzen geht der Andrang sogar ein wenig über den vom Vorjahre hinaus. Versammlungen. Tabakarbeiterverbanb. In der Mitgliederversammlung am Freitag erstattete der zweite Bevollmächtigte Schulze den Jahres- bericht für 1910. Die Kassenabrechnung zeigt in Einnahme und Aus- gäbe die Summe von 13 49V M. Der Bestand am Jahresschluß betrug 1477 M. Für die verschiedenen Uiiterstützungszweige wurden 7142,18 M. ausgegeben. Davon kommen auf Arbeitslosenuntcr- stützung 3292 M., auf Krankenunterstützung 3193 M. Die Mit« gliederzahl betrug am Anfang des Jahres 909, am Schluß des Jahres war sie auf 808 zurückgegangen. Die Fluktuation war außerordentlich groß. Zwar sind im Laufe des JahreS über 600 Mitglieder eingetreten, aber 585 traten wieder aus, oder vielmehr, sie mußten meistenteils gestrichen werden, weil sie mit dem Beitrag im Rückstände blieben. Daß dies in so unverhältnismäßig großer Zahl geschah, ist em Deweis für die ungemein schlechte Lage der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen. Die Betreffenden waren eben beim besten Willen nicht in der Lage, ihren finanziellen Pflichten dem Verbände gegenüber nachzukommen. So weit ist die Lebens- läge der Tabakarbeiter herabgedrückt durch die Erhöhung der Tabak- steuer in Verbindung mit den sonstigen Lasten, welche die so« genannte Neichsfinanzreform den Arbeitern auferlegt. Die großen Fabrikanten haben ihre Betriebe nach außerhalb verlegt, und die am Orte verbliebenen Kleinfabrikanten drücken die Löhne in der unglaublichsten Weise. Die Summen, welche der Verband an Kranken- und Arbeitslosenunterstützung ausgab, haben eine Höhe erreicht wie nie zuvor. Würden nicht die kranken und arbeitslosen Mitglieder die Unterstützung deS Verbandes gehabt haben, so wäre das ohnehin schon große Elend der Tabakarbeiter noch entsetzlicher gewesen. So hat also die durch die Finanspolitik des Reiches ver« schuldete überaus schlechte Lage im Tabakgewerbe auch auf die Ver- Hältnisse des Verbandes ungünstig eingewirkt. Der größte Tiefstand ist im zweiten Quartal 1910 erreicht worden. Von da an beginnen sich die Verhältnisse ein wenig zu bessern und die Zahl der Mit- glieder langsam zu steigen. Ob der beginnende Ausstieg anhalten wird, läßt sich noch nicht sagen. Es hängt eben alles davon ad, ob sich die allgemeine Konjunktur bessert. Nachdem die Versammlung den Bericht entgegengenommen hatte, vollzog sie die Neuwahl der Ortsverwaltung mit folgendem Ergebnis: 1. Bevollmächtigter Walter, 2. Bevollmächtigter S ch u l z e, 8. Bevollmächtigter K r u m n o w, Kontrolleure M e n z, Börner, Marie Ostinde, Ratajczak. Als HilfSiassierer wurde S p i e l v o g e l bis auf weiteres bestätigt. Tie Versammlung beschloß nach längerer Diskussion, eine AgitationSkommission einzusetzen. In diese wurden gewählt für die Zigarrcnbranche Matschke, Grünbeck, Nachirei, Tietze, Hassenpflug, Lewack, Werner. Für die Zigaretten« brauche Minut, Lange, Hermann. Em der Frauenbewegung. Ein internationaler Frauentag. Auf der Fraueiikonferenz in Kopenhagen beantragte Genossin Zetkin , nach Möglichkeit in allen Ländern alljährlich sogenannte Frauentage zu veranstalten. Dadurch sollte die Agitation für das Frauenwahlrecht als allgemeine proletarische Forderung mehr in den Vordergrund gerückt werden. Genossin Linchcn Baumann beantragte dann auf dem deutschen Partei- tage, in Deutschland Frauentage abzuhalten. Dem ent- sprechenden Beschlüsse des Parteitages gemäß ist für den ersten Frauentag der 19. März 1911 bestimmt worden. Die Genossinnen in Oesterreich-Ungarn beschlossen daraufhin, ebenfalls am 19. März für das Frauenwahlrecht zu demonstrieren. In ähnlicher Weise am gleichen Tage mit dem gleichen Ziele rauentage abzuhalten haben nunmehr auch die Genossinnen in der Schweiz und in Dänemark beschlossen. Damit wird die Forderung der Fvauftt sicherlich an Wucht und Bedeutung gewinnen!
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