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Dogma, jedenfalls wünschen wir nicht, daß er ein Dogma werde, er ist auch in vieler Beziehung bereits durch die wissen- schaftliche Forschimg korrigiert. Kennzeichnend für die heulige Kunstentwicklung ist cS. daß ein Verwandlungs- künstler, wie Herr von I a g o w, der aus einerHose" einenRiesen" macht(Heiterkeit), als geeigneter Ober- Zensor über die preußischen Theater angesehen wird.(Sehr wahr: bei den So�ialdemokraren.) Ein satirisches Blatt hat mit Recht ge- sagt, die Künstler müssen in Preußen auch eine Art Modernisteneid leisten, wenn sie für würdig des Ordens xour lo rnch-its befunden werden wollen. Ich erinnere auch an die neulich publizierte Aeußerung Spielhagens, daß eine Art Gardemaß für die Künstler für notwendig gehalten wird, bevor man sie zu den Hofiheatern zuläßt. In bezug auk die Beteiligung des Kapitals an der Förderung künst- irischer Bestrevungen muß ich Herrn Pachnicke widerspreche». Selbstverständlich sind auch wir der Meinung, daß es Pflicht der besitzenden Klassen ist, die Wissenschaft und Kunst mit ihren Kapitalien zu unterstützen, aber es liegt dabei die große Gefahr vor, daß die Zu�cke der betreffenden Institute durch diese Art der Finanzierung beeinflußt werden können. Di« Bibliotheken, dre in Amerika von Carnegie gestiflel werden, müssen überall seinen Namen tragen, das ist eine Reklame für ihn. und bei Stiftung von Lehrstühlen wird von solche» Kapitalisten vielfach die Richtung vorgeschrieben, die gelehrt werden soll. Der Zweck dieser Millioncnstiftungen in Amerika ist vor allem, die für die so schnell aufgeblühte Industrie notwendigen Intelligenzen im Eiltempo zu produzieren, dafür spricht auch die Tatsache, daß dort die Institute für angewandte Wissenschast viel reicher dotiert werden als die für reine Wissenschaft. Eine ähnliche Beeinflussung der Richtung ist auch bei der K a i s e r- W i l h e l m- Stiftung in Deutschland keineswegs ausgeschlossen. Natürlich finden sich rm Kulmsetat auch mancherlei sehr erfreuliche Posten. Für die Museen, für wissenschaftliche Expeditionen könnte noch viel mehr gefordert werden. Auf dem Gebiete der Erhaltung der körper- lichen und geistlichen Ueberreste alter Kulturen geschieht längst nicht genug. Bon großer wissenschaftlicher Bedeutung wäre eine Neu- katalogisierung der königlichen Bibliothek im größeren Stile. Das Aeußere der königlichen Bibliothek schlägt dem primitivsten Geschmack ins Gesicht. Dem gegenüber machen die Bibliotheken in Bonon und Washington einen geradezu überwältigenden Eindruck. Dabei ist die erste eine öffentliche Leihbibliothek für die große Masse des Volkes. Kunst und Wissenschaft müssen mehr popu- larisicrt werden. Sehr geeignet hierzu sind kinemaw- graphische Vorfiihrungen. Die Regierung tut auf diesem Gebiete nichts, sie bereitet im Gegenteil z. B. den Hochschulkursen noch Schwierigkeiten. Das Volk hat das größte Bedürfnis danach, an den höchsten Gütern der Wissenschaft und Kunst teil- zunehmen, und die wissenschaftlichen und künstlerischen Kräfte, die in ihm selbst fchlummern, zu betätigen.(Sehr wahr! bei den Soz.) Daß dies heute nicht möglich ist, ist ein Zeichen für die tiefinncr- lichc Barbarei unserer heutigen Gesellschaftsordnung.(Sehr richtig! b. d. Soz.) Wie auch das Theatcrwejen unter der Fuchtel der Herr- schenden Klassen steht, beweisen die O r g a n i s a t i o n s b e st r e- düngen der Schauspieler und Schauspielerinnen, die wir nur begrüßen können. Es macht sich bei uns in Kunst und Wissen- schaft eine Tendenz zur Amerikanisierung bemerkbar. Kunst und Wissenschaft stehen«in Dienste des Kapitals und werden ausgenützt zur Verbreitung der Gesinnungen und Anschauungen, die den Herr- schenden Klassen genehm sind. Den Fortschritt auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst vertritt allein die Sozialdemokratie. ES wird den finsteren Gewalten in Preußen nicht möglich sein, die geistige EntWickelung im Volke zu hemmen. Die Masse des Volkes. geführt von der Sozialdemokratie, wird auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft das erfüllen, was die größten Meister des Men- schengcschlcchts geträumt und gewünscht haben.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Eickhoff(Bp.) wünscht die Reformierung der Zustände an der Kunstgewerbeschule in Berlin . Abg. Heine(natl.) befürwortet die Bereitstellung größerer Mittel für die staatlichen biologischen Anstalten. Abg. Menke iVp) verlangt Vorlegung eines Gesetzes gegen die Zerstörung von Naturdenkmälern. Abg. Runze(Vp.) spricht sich für Erhaltung prähistorischer Denkmäler aus. Präsident v. Kröcher schlägt vor. die Weiterbcrahmg auf eine Abendsitzung zu vertagen. Auf Antrag des Abg. Eickhoff(Vp.) wird beschlossen, davon abzusehen und den sogenannten Professorenstreit noch zu erledigen. Abg. Schmedding(Z.): Wir sehen ab von der Frage, wer die Hauptschuld an dem peinlichen Streit trägt. Uns genügt es fest- tustelleii, daß wir gegen den Minister aus diesen Vorgängen keinen lorwurf erheben können, insbesondere auch nicht aus dem Grunde, weil er gegen den Herrn, dem wiederholt Wortbruch vorgeworfen ist, kein Disziplinarverfahren eröffnet hat. wenn wir auch für diesen Herrn wenig Sympathie empfinden. Es hat sich bei dieser Gelegenheit wieder das alte Cliquenwesen an der Universität offen- bart, gegen das der Minister energisch einschreiten sollte.(Bravo ! �bg. Eickhoff(Vp.): Nach unserer Auffassung hat das Mini- sterium m dieser Affäre nicht immer eine glückliche Hand bewiesen. Der dem Professor Bernhard vorgelegte Revers ist von chm unter- schrieben, aber in der Tat nicht gehalten worden. Das hat man ihm mit Recht alS Wortbruch vorgeworfen. Prof. Bernhard hat sich dann zuerst bereit erklärt, ein Schiedsgericht anzuerkennen, lehnte es dann aber am nächsten Tage ab. Man kann vermuten, daß er zu dieser nachträglichen Ablehnung durch das Ministerium veranlaßt worden ist. Wäre das nicht geschehen, so wäre der ganze Streitsall innerhalb der Mauern der Universität erledigt worden. Der Streit ist heute noch nicht beigelegt, ja, wird kaum noch zu schlichten sein. Wenn der Minister die Sache ernstlich prüfte wird sich sicher Herausstellen, daß der eine oder andere seiner Rate iw dieser Angelegenheit nicht richtig vorgegangen ist. Die Nichtein- Haltung des Reverse» durch Prof Bernhard beurteilt der Minister doch wohl zu milde. Ueber das Urteil der Fünferlommission, die aus Koryphäen der Wissenschaft besteht, durfte man nicht so leicht hinweggehen und ebensowenig über die Eingabe der gesamten Fa- kultät. ES ist mir unverständlich, daß danach Prof. Bernhard noch zweifeln konnte, daß feines Bleibens in der philosophischen Fakul« tat in Berlin nicht mehr sein tonnte. Ist doch auch seine B e» rufung seinerzeit gegen den Willen der Fakultät aus politischen Gründen erfolgt. Möge der Minister olles tun, um diese das Ansehen der deutschen Wissenschaft so un- gemein schädigende Angelegenheit endlich aus der Welt zu schaffen. (Bravo ! link».) Kultusminicher Trott zu Solz: Der Gesichtspunkt der Wah­rung de» Ansehens der Universität und der Professoren ist für mich von vornherein der ausschlaggebende gewesen. Daher mußte das Ziel die Herbeiführung einer Verständigung sein. Dies ist nach mühevollen Verhandlungen seinerzeit auch gelungen. Was ist nun nachher geschehen, daß dies Ergebnis wieder in«iroge gestellt wurde? ES ist ein Artikel ocr..Vossischcn Zeitung", der unter Mit- Wirkung des Prof. Bernhard zustande gekommen ist. Dieser Artikel war aber lediglich eine objektive Darstellung des Streitfalles, ein Vorwurf gegen die Herren Prof. Sehring usw. brauchte nicht her- ausgelesen zu werden. Die Herren haben sich zu empfindlich ge- zeigt, ihnen hätte das Ansehen der Universität höher stehen sollen. (Sehr richtig! rechts.) Ein Wortbruch des Prof. Bernhard ist von Fünferkommission nicht anerkannt worden, sonst wäre gegen Prof. Bernhard ein Disziplinarverfahren eröfftcet loorden. Das Recht Prof. Bernhard zu versetzen, steht mir nicht zu. Dies Er» suchen hätte daher die Fakultät nicht an mich richten dürfen.(Sehr richtig!) Unrichtig ist. daß das Ministerium sich irgendwie an der Preßpolemik beteiligt hätte, es hat auch nichts derartiges nachge- wiesen werden können. Ich hoffe, daß diese sachliche Debatte zur Beruhigung beider Teile beitragen wird und daß die Zeit heilen wtkd. wg»'jetzt noch zwischen ihnen steht. So eng sind doch die Pili sönlichen Beziehungen in einer Fakultät von 6» Mitgliedern nicht, daß ein Verbleiben Prof. Bernhards in der Fakultät für die Pro- fessoren v. Schmoller. Sehring und Wagner unerträglich wäre. Das Ziel muß die Verständigung bleiben.(Bravo ! rechts.) Abg. Rewold(frkons.): Ein begründeter Angriff gegen hie Re- gierung ist nicht erhoben worden. Auch bei der Anstellung Prof. Bernhards befand sich die Regierung auf dem Boden des Rechts. Es ist Sache der Professoren. Differenzen unter sich auszugleichen. Nicht haltbar ist die Eingabe der Fakultät mit dem Ersuchen um Versetzung Prof. Bernhards. Wir müssen von der Selbstzucht der Beteiligten erwarten, daß sie im Interesse der Universität und der Erziehung der Jugend den Streit aus der Welt schaffen.(Bravo ! rechts.) Abg. Lohmann(natl.): Der Professorenstreit bedeutet eine schwere Schädigung des Ansehens der Universität. �Entscheidend ist das Urteil der Fünferkommission, der das ganze Material vorge- legen hat und die überwiegend Prof. Beruhard die Schuld gibt. Indirekte Beeinflussung der Presse hat Prof. Bernhard nicht in Abrede stellen können. Das Kultusministerium hat die Fakultät zu sehr unter dem Gesichtswinkel der unterstellten Behörde in der ganzen Sache behandelt und es hätte die Unterwerfung Prof. Bernhards unter das Schiedsgericht nicht verhindern dürfen. Ein dauerndes Verbleiben Prof. Bernhards in einer Fakultät, die ihn einmütig ablehnt, dürfte nicht möglich sein. Kultusminister v. Trott zu Solz: Ein Widerspruch zwischen meinen Erklärungen besteht nicht. Ich habe in beiden Fällen be- stritten, daß sich das Ministerium an irgendlvclcher Polemik in der Presse beteiligt habe. Ich habe lediglich der Redaktion desLokal- Anzeigers" meinen W"nsch ausdrücken lassen, man möge die An- griffe gegen Prof. Semliig einstellen, was dann auch geschehen ist. Abg. Graf Clairon d'Haussonville(kons.): Meine Freunde billi- gen das Verhalten des Ministers. Daß ein Wortbruch des Prof. Bernhard vorliegt, erscheint uns nicht erwiesen. Auch wir hegen den Wunsch, daß eine Verständigung zwischen den Parteien ge­lingen möge. Auch die Fakultät sollte die Hand zur Versöhnung bieten. Abg. Korfanty (Pole): Meine Freunde haben ja gewissermaßen das Sprungbrett für die Karriere des Prof. Bernhard abgegeben. Wollten wir schadenfroh sein, könnten wir die Entmickelung dieses Falles nur begrüßen. Die Strafe für die Berufung Prof. Bern - hards aus politischen Gründen ist aus dem Fuße gefolgt. Besou- derc wissenschaftliche Leistungen hat Prof. Bernhard nickt aufzu- weisen. Er hatte aber gnte Protektion in den Oberpräsidentcn der Provinz Posen und Schlesien . Das Buch Bernhards über das Polentum hat lediglich feuilletonistischen Wert. Die Statistik hat er in dem Buche völlig entstellt. Unwahre Angaben hat er bis heute nicht berichtigt. Um Material zu erhalten, kam er zu den Führern unserer Genossenschaften, genoß tagelang ihre Gastfreundschaft und stellte sich als bester Freund der Polen hin. In seinem Buche hat er dann die Tätigkeit dieser Genossenschaften als staatsgefährlich bezeichnet.(Hört! hört! bei den Polen .) Wir müssen nach solchen Erfahrungen daran zweifeln, ob dieser junge Mann fähig ist, sein Wort zu halten.(Bravo ! bei den Polen .) Präsident v. Kröcher: Dieser Ausdruck geht zu weit. Ein Schlußantrag wird angenommen. Abg. Liebknecht stellt fest, daß seine Partei die einzige sei, der die Möglichkeit genommen werde, sich zu diesem Falle zu äußern. Die Weitcrberatung des Kultusetats wird auf Donnerstag 11 Uhr vertagt. Schluß: 6-/0 Uhr._ parlamentanlchee* Aus der Budnetkommission des Reichstages. Am Mittwoch setzte die Kommission die Kalidebatte fort. Unterstaatssekretär Richter erklärte, bei den Kaliabgaben handle es sich nicht um eine Steuer oder um Einnahmen, über die das Reich nach Gutdünken verfügen könne. Die Abgaben würden von der beteiligten Industrie aufgebracht und müßten nach dem Kali- aesetz zur Propaganda für den Kaliabsatz verwendet werden. Diese Verpflichtung, die Verwendung zu kontrollieren, erkenne die Regierung an. Bestimmt« Organisationen, wie z. B. den Bund der Landwirte, wegen ihres angeblichen politischen Charakters vom Empfang von Propagandageldern auszuschließen, sei nicht angängig. Es sei für die Regierung sehr schwer, festzustellen, was an solchen Verbänden politisch und nichtpolitisch sei. Abg. H u e führte dazu aus, die Regierung sei doch sonst nicht so zaghaft. Bei den Jugendvereinen und Gewerkschaften sei die Regierung immer sehr schnell mit einer Entscheidung da. die denpolitischen Charakter" ausspreche. Die Neuerrichtung von Werken müßte eigentlich vom Nachweis der Bedürfnisfraae ab- hängig gemacht werden. Nachdem die sozialdemokratischen Anträge auf Errichtung eines ReichsHandelsmonopols bei Schaffung des KaligesetzeS abgelehnt worden feien, müsse bei sachlicher Be- trachtung anerkannt werden, daß die Propaganda nur von den Organisationen betrieben werden könnte, die mit dem Absatz von Kali zu tun hätten oder ihn fördern könnten und wollten. Ihnen müßten dann die Propagandagelder aber auch unterschiedslos zu- fliegen. Abg. Hue stellte ferner fest, daß weder die Konservativen noch die Führer des Wundes der Landwirte beim Kaligesetz etwas versucht oder getan hätten, den Lanltzvirten zu billigeren Kali- preisen zu verhelfen. Solche Bestrebungen hätten allein die Sozialdemokraten und Freisinnigen verfolgt. Abg. Erzberger warf der Regierung vor, bei der AuS- führung des Kaligesetzes habe sie nicht ihre Pflicht getan und dadurch die jetzige Situation verschuldet. Keineswegs sei das Zentrum umgefallen. Al>g. Heim wies darauf hin, daß die Neue Kali-Bezugsgenossenschast über ein Kapital von 250 000 Mk. verfüge, wovon die großen landwirtschaftlichen Verbände 177 000 Mark� 26 andere lcnrdwirtschaftliche Korporationen nur 123 000 Mark besäßen. Da für je 1000 Mark Stammkapital eine Stimme abgegeben werden könne, hätten die drei großen Verbände stets die Mehrheit. Auch aus den VertragSbestimungen dieser Gesellschaften gehen hervor, daß der Gewinn auch zu anderen(politischen) Zwecken verwendet werden könne. Die allgemeine Debatte ist damit erschöpft. Am Donnerstag wird über spezielle Fragen debattiert werden, außerdem soll die Abstimmung über die sehr zahlreichen Anträge erfolgen. Ingendbeweginig. Literatur. Im Verlag der Buchhandlung Borwärt«, Berlin , erschien: Der gesetzliche Arbeiterschutz für Jugendliche. Von Robert Schmidt. Herausgegeben von der Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands . Preis 40 Pf. Der wirtschaftliche Schutz der arbeitenden Jugend nimmt unter den Aufgaben, die unseren Jugendousschüssen gestellt sind, eine der ersten Stellen ein. Nach der letzten Berufs- und Gewerbezählung waren im Jahre 1907 nicht weniger als 8'/3 Millionen jugendlicher Erwerbstätiger im Alter von 1418 Jahren vorhanden. Diese breiten Massen jugendlicher Proletarier werde» wir erfahrungsgemäß am ehesten für die allgemeinen Ziele unserer Bewegung gewinnen, wenn wir ihnen zeige», daß wir uns auch um ihr materielles Wohlergehen energisch kümmern. Das geschiebt einmal, indem unsere Vertreter in den Parlamenten den gesetzlichen Jugendschutz kontrollieren und nach- drücklich auf die Verbesserung der geltenden Bestimmungen drängen. Noch wirksamer ober wird diese Aufgabe erfüllt durch die Ueber- wachung der Durchführung der bestehenden Schutzbestimmungen. Zu diesem Zwecke haben denn auch die Jugendausschüsse vielfach be- sondere Komnnisionen(Jugendschutzkommissioneni eingesetzt. Gerade diese« TätitgkeitSgebiet ist aber besonders schwierig zu bearbeiten. ES ist andererseits auch vielleicht das dankbarste Feld, insofern in all den einzelnen Fällen, in denen wir helfen können, ein unmittel- barer Erfolg unserer Bemühungen zu konstatieren ist. Unseren Jugend- ansschiissen diese schwierige, ober dankenswerte Aufgabe zu erleichtem, dazu soll die Schrift des Genossen Robert Schmidt dienen. Sie stellt die geltenden gesetzlichen Bestimmungen, die für den Jugendschutz in Betracht kommen, übersichtlich zusammen und erspart so den Ge- nossen das oft mühevolle Nachschlagen in den für den Jugendschutz in Betracht kommenden Gesetzen und Verordnungen. Ein eingehendes Sachregister erleichtert den Gebrauch des Büchleins. Kein Tag ohne Auflösung. Auflösung folgt auf Auflösung. Die Wirkung des an alle Negierungspräsidemen und» Polizei- Präsidenten vom Polizeiminister ergangenen Schreibens macht sich mehr und mehr bemerkbar. Die Freie Jugendorganisation Schöne- berg, die am Sonnabend noch durch dieses Blatt eine Versammlung publizierte, hatte dieser Bekaiintmacbung den Besuch der Polizei am Sonntag zu verdanken. Unter polizeilicher Ueberwachung hörten die Jugendlichen einen Vortrag überHenrik Ibsen ". Du der Herr WactMneister nun wohl auch beim besten Willen nichts Politisches an diesem Vortrag finden konnte, mußte er ohne Feststellung von Jugendlichen das Feld räumen. Aber die Sache war damit nichc erledigt. Die Polizei hatte jetzt den Namen des Vorsitzenden ermittelt und was hinderte sie nun noch, ein Auflösungsdekret auf Grund des OberverwaltungSgcrichtsurteils an seine Adresse zu senden. Am Dienstagnachmittag ging dem Genossen Lauschke folgendes Schreiben zu: Der Polizeipräsident. Journ. Nr. 11. J. 25/11. Schöneberg , den 13. März 1911. Hauptstr. 107. Der VereinFreie Jugendorganisation Schöneberg" wird ge- maß ß 2 des ReicbsvereinsgesetzeS vom 19. April 1903 aufgelöst, weil lein Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft. Der Verein ist init Rücksicht darauf, daß er für die Be- strebungen der Sozialdemokratie unter der Jugend Propaganda macht, als ein solcher anzusehen, der eine Einwirkung auf politische Augclegrnheiten bezweckt. Da nach ß 17 des ReichsvereinsgesetzeS Personen, die da« 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht Miiglieder von politischen Vereinen sein dürfen und dies in§ 18 Ziffer 5 a. a. O. mit Strafe bedroht wird, dieFreie Jugendorganisation Schöneberg" aber junge Leute unter 13 Jahren als Mitglieder aufnimmt, so ist die Auflösung gemäß§ 2 a. a. O. gerechtfertigt. Sie werden in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß von jetzt ab jede weitere Vereins- tätigkeit eingestellt wird, widrigenfalls gegen Sie und die Vereins- Mitglieder mit polizeilichen Zwangsmaßregeln eingeschritten werden wird. gez. d. Lüdinghausen . Ebenso wie in den anderen AuflösungSorten wird die Polizei auch in Schöneberg erlebe», daß die fteie Jugendbewegung auch ohne Jugendorganisation weiter lebt und gedeiht. Dafür werden die Jugendgenossen und-Genossinnen, dafür werden auch die prole- rarischen Eltem sorgen!_ Huö Industrie und Kandel . Eine verhängnisvolle Formel. Am 7. Dezember 1909 ereignete sich auf dem damals noch im Bau befindlichen Gaswerk Grasbrook in Hamburg ein furchtbares Unglück. Der mit zirka 200 000 Kubikmeter gefüllte große Gas- behälter der größte des Kontinents dessen Herstellung die Berlin -Anhaltinische Maschine nbau-Aktien-Ge- s e l l s ch a f t in Gemeinschaft mit der Firma F. A. N e u m a n n in E s ch w e i l e r übernommen hatte, geriet plötzlich in Brand. Eine kolossale Flammensäule schlug empor. Zugleich mit der Flamine überschüttete eine riesige Wasserwelle den Platz, die aus dem Innern des Be- hälters hervorquoll. Innerhalb weniger Sekunden war die Zerstörung des großen Gasbehälters beendet. Die ungeheure Flamme setzte dann noch einen Holzschuppen und das Holzdach des kleinen Gasbehälters in Brand, worauf auch die darin enthaltenen 45 000 Kubikmeter Gas innerhalb weniger Sekunden herausbrannten, in der Dunkelheit eine riesige Feuersäule bildend. Durch die Ka- tastrophe wurden 20 Personen getötet. Die Staatsanwalt« schaft leitete eine Unlersuchung gegen Unbekannt ein, um die Ursachen und die eventuell Schuldigen der Katastrophe zu ermitteln. ES wurden mehrere Sachverständige vernommen, darunter Dr. K r 0 h n in Danzig und Gaswerksdirektor Schimming in Berlin . AuS deren Gutachten, die kürzlich erstattet wurden, geht nun hervor, daß nicht, wie ursprünglich angenommen, eine Explosion deS GaseS statt» gefunden hat, sondern daß der große Gasbehälter zusammen- gebrochen ist. weil die Trägerkon st ruktion nicht wider st andsfähig genug war, um den Druck auSzuhalten. Ein strafbares Verschulden war jedoch nicht nachzuweisen, weil die Konstruktionsfehler auf der Anwendung der sogenannten Eulerschen Formel beruhen, die zwar von der technischen Wissenschaft als fehlerhaft erkannt ist, aber trotzdem allgemein Verwendung findet und unter anderem auch vom preußi- scheu Ministerium der öffentlichen Arbeiten für zu- lässig erklärt ist. Dem Konstrukteur der ausführenden Firma war deshalb kein Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Bau« kunst nachzuweisen, weShalb der Staatsanwalt selbst die Einstellung deS Verfahrens beantragte, die nun auch erfolgt ist. Es entsteht nun die Frage, ost die Behörden fernerhin noch bei derartigen Konstruktionen die Verwendung einer Berechnungsformel zulassen wolle», von der erwiesen ist, daß sie zu schwersten Katastrophe» Anlaß geben kann. Jlse-Divideude. Die Ilse, Bergbau-A.-G., hat es trotz der angeblich schlechten Lage deS Kohlenmarktes fertiggebracht, für das Jahr 1910 einen um fast 700000 M. höheren Rohgewinn zu erzielen, als das Jahr vorher erbracht hatte. Der Nettogewinn pro 1910 beträgt 2 805 493 Mark(2 629 554 M.) und erhöht sich durch den Vortrag aus dem Vorjahre, der 184 931 M.(167 044 M.) beträgt, auf 2 990 425 M. (2 797 499 M.) Hieraus sollen 24 Proz. 1 920 000 M. Dividende (wie im Vorjahre) auf das alte Aktienkapital von 8 Millionen Mark und 12 Proz. 240 000 M. auf 2 Millionen Mark junge Aktien ausgeschüttet werden. Neben dem LebenSmittelwucher ist der Kohlenwucher bei uns am üppigsten ins Kraut geschossen. Preußische Schmierölpolitik. Unter Berufung auf§ 11 des PreßgesetzeZ hat das Preußische Eiseubahn-Zentralamt der Welt verkündet, warum cS sich von neuem unter die Fuchtel des Ei senbahnachsenöl- Kartells gestellt hat. Das Zcntralamt versteigt sich dabei zu der Behauptung. die Beteiligung des KarlcllS an den Lieferungen fei erfolgt, weil von ihm Rohöl deutscher Herkunft verarbeitet werde, und die Staats» eisenbahnverwaltnng ein Interesse daran habe, die deutsche Oel- industrie lebensfähig zu erhalten. Durch die Berichtigung soll der Eindruck erweckt werden, als ob die Lieferung deutschen Rohöls nur durch das Kartell erfolgen könnte; die nationale Schleppe soll wieder verdecken helfen, was sachlich nicht zu verteidigen ist. Nach unwidersprochen gebliebenen Mitteilungen wurden bei der letzten Submission an die Mineralölwerke von Albrccht u. Co. in Ham» bürg und da« Eisenbahnachsenöl-Kartell Lieferungen von je 9 Millionen Kilogramm Schmieröl vergeben. Die Firma Albrecht u. Co. in Hamburg repräsentiert die sogenannte ruisische Gruppe, die sich mit der Lieferung russischer Oele befaßt. Mit Albreßbt u. Co. halte das Schmierölkartell im Jahre 1907 einen Vertrag gUchloffen, nach dem sich die russische Gruppe verpflichtete. bei den Submissionen der Staatsbahnen keinerlei Offerten für Mineralwaggonöle in Deutschland direkt oder indirekt abzugeben, noch Mineralöle, die zur Lieferung für diese Submissionen oder zur Anfertigung von für diese Submissionen bestimmten Oelen-dienen sollten, direkt oder indirekt zu liefern. Als Gegenleistung der- pflichtete sich sich das Kartell der Firma Albrecht u. Co.«inen be»