Änsii'W CötüeFc fui Fal„T ö n) � r 5 3 H 5 c" üftS„5 n Tu plutokratische" Reichstagswahlrecht sind die Junker und ihre bäuerliche Gefolgschaft wieder zu den Wahlrechtsidealcn des jüdi- schen Renegaten und feudalen Staatsrechtsphilosophen Friedrich .Julius Stahl zurückgekehrt, der neben einem größtenteils vom Monarchen ernannten Herrenhaus eine zweite ständische Kammer verlangte, in der durch die Art des Stimmrechts dem ländlichen ArmMefih zwei Drittel aller Sitze gesichert würden, Klaffeniuftlz in Köln ! Das Kölner Schwurgericht hat am Sonnabendabend in dem Deutzer Landfriedensbrnchprozeß ein ungeheuerliches Urteil ge- 'fällt. Es hat sämtliche Schuldfragen nach Landfriedensbruch und die Annahme mildernder Umstände bejaht. Das Gericht hat darauf auf insgesamt 23 Jahre und zwei Monate Gefängnis gegen die 15 Angeklagten erkannt. Im einzelnen betrugen die Strafen gegen den Gowerkschaftsbeamten Fröhlich 2 Jahre 7 Monate, gegen Schulz 1 Jahr ü Monate, P e l tz e r 1 Jahr ö Monate, U e l p e- u i ch 1 Jahr 6 Monate, P r i e st e r 6 Monate, Kubitz« 1 Jahr, Küpper 1 Jahr 3 Monate, Emil Müller 9 Monate, B e r S- h« i m 7 Monate, Wechsler 1 Jahr 6 Monate, Ziemendorf 1 Jahr 3 Monate, Dörks 9 Monate, Strunden 1 Jahr 8 Monate, Jacob Müller 1 Jahr 6 Monate und Dipper 5 Jahre Gefängnis. Empörend ist die Verurteilung insbesondere de? Gewerk- fchaftsbeamten, Genossen Fröhlich, dessen völlige Schuldlosigkeit in der einwöchigen Verhandlung erwiesen ist. Eine große Reihe von Zeugen haben bekundet, daß Fröhlich stets, insbesondere aber auch in diesem Fall, außerordentlich besonnen vorgegangen sei. Vor dem Streik hat er darauf hingewiesen, daß e» keine Kleinigkeit sei, zu streiken, denn«S seien diele Unorganisierte da. Als der Streik dennoch einstimmig beschlossen wurde, hat er gewarnt, Alkohol zu trinken und dringend gebeten, nicht zuviel an der Baustelle zu stehen und der Polizei aus dem Wege zu gehen. Selbst der Leiter der christlichen Gewerkschaft, Becker. konnte dem Genossen Fröhlich nur das beste Zeugnis ausstellen und erklären, daß auch nach seiner Ueberzeugung der Unternehmer Tarifbruch begangen hatte. Ein Arbeitswilliger, Ber- kram, bekundete, es fei nicht wahr, daß Fröhlich ihn irgendwie mit Gewalttätigkeiten bedroht habe. Im Gegenteil: in anstän» diger Weife habe Fröhlich vor dem Zusammenstoß zwischen Polizei und Arbeiter,» ihn gefragt, warum er Streikbrecher spiele. Fröhlich fei stets, auch nach dem Zusammenstoß, zu ihm anständig gewesen und habe ihn gebeten, nicht in die Wirtschaft zu gehen, in der die Streikenden saßen. Hätte jeder so anständig geredet wie Fröhlich, dann hätten sie auch die Arbeit niedergelegt. So das Zeugnis eines als HauptbelastungS» zeugen der Anklage vorgeführten Mannes. An dem Zusammen- stoß zwischen Polizei und Arbeitern hat Fröhlich sich nicht beteiligt. Dennoch verlangte der Staatsanwalt ein Schuldig wegen Be- drohuug und wegen Anstiftung zum Landfriedensbruch. Und worauf baut sich dies Verlangen auf? Auf dem Zeugnis eines achtmal wegen Betruges vorbestraften Arbeitswilligen namenS Hauptmann! Zurzeit verbüßt dieser Kronzeuge der Staatsanwalt- schast zehn Monate wegen Betruges und Unterschlagung. Dieser Kronzeuge— und nur er— bekundete. Fröhlich habe gedroht, den Arbeitswilligen würden die Knochen zerschlagen werden, wenn sie weiter arbeiten. Ein Antrag der Verteidigung, einen Schutzmann darüber zu vernehmen, daß Hauptmann auch ihn wissentlich falsch anges ch u ld igt habe, wurde vom Gericht für„unerheblich" abgelehnt. Die AuS- sage eines solchen Zeugen reichte aus, um gegen einen ehrenhaften Mann ein Schuldig auszusprechen, das im krassesten Gegensatz zu den Bekundungen aller anderen Zeugen stand! Möglich wurde der ungeheure Fehlspruch dadurch, daß, wie wir bereits in dem Bericht vom 9. d. M. hervorgehoben haben, die Geschworenen lediglich der Unternehmerklasie angehörten und daß die Anklage eine Behauptung gegen Fröhlich ausstellte, d i e in der Verhandlung als unwahr sich heraus» stellte. ES hatte nämlich die Anklage behauptet. Froh- lich habe ein Jnteresie am Streik, denn er bekomme für jeden Tag eine Streikzulage von vier Mark. Die Beweisaufnahme ergab, daß an diesem schmutzigen Anwurf nicht ein Atom Wahres sei. Fröhlich bekommt so wenig wie irgend ein anderer Gewerkschaftsbeamter trotz der erheblichen Arbeit, die ein Streik ihm verursacht, irgendeine Zulage. Im Gegenteil wurde erwiesen: Fröhlich hat wiederholt bei Streiks selbst Opfer gebracht, auf einen halben Monatslohn z. B. zugunsten der Streikkasse ver- zichtet. Der Staatsanwalt ließ freilich nach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme diese schmähliche Behauptung fallen. Aber die Aufstellung einer solchen Behauptung, die bei umsichtiger Führung der Voruntersuchung als eine elende Lüge schon vor Erhebung der Anklage in sich hätte zusammenbrechen müssen, hatte Stimmung gegen den Angeklagten gemacht. Dazu kamen dann von dem Staatsanwalt unerwiesene aber mit um so kräftigerer Stimme vorgetragene Behauptungen über einen Terrorismus des Verbandes. Das und die AuÄvahl 'der Geschworenen wie die Art der Leitung des Prozesses hat den Schuldspruch gegen einen erwiesen Unschuldigen zuwege gebracht. Mit Recht führte der Verieidiger an, daß mehr als zweifelhaft sei, ob überhaupt ein Landfriedensbruch vorlag. Polizeibeamte haben, wie die Verhandlung ergab, in einer Reihe von Fällen völlig Unbeteiligte, ruhig ihres Weges Gehende mit Säbeln trak- tiert. Bei einem Angriff aus Arbeiter ist einem Polizeibeamten Kassel der Säbel entrissen. Der Angeklagte Dipper will. selbst von mehreren Polizei säbeln bedroht, den Säbel ergriffen und in Notwehr gebraucht haben. Der Schutzmann Kassel wurde von einem Säbelhieb getroffen. Er ist nicht an der Folge des er- littenen Schlages, sondern wie die Sachverständigen begutachteten, an der Folge einer Infektion der Wunde gestorben. Und dennoch sünf Jahre Gefängnis gegen den Angeklagten Dipper, dessen Täterschaft zum mindesten zweifelhaft blieb. DaS Empörendste ist aber das Urteil gegen Fröhlich. AuS des Vorsitzenden, Landgerichtsrats Wcftermann, VerHand- lungsweise ging die wenn auch unbewußte Voreingenommen- heit dieses Richters gegen die Arbeiter und deren Organi- fationen klar hervor. Sonst ist beispielsweise die von ihm an Fröhlich gerichtete Frage, warum er sich um den Tarifbruch des Bauunternehmers TataS kümmere, das gehe ihn doch nichts an, da er dock) dort nicht gearbeitet habe, völlig un- verständlich. Tatas zahlte statt der tariflichen 58 Pf. Stundenlohn 42 bis 45 Pf. Das gab den Anlaß zum Streik. Während des Streiks wurden Arbeiter in ihrem Recht, Streikposten zu stehen. gehindert. Die überflüssige Heranziehung von Polizisten führte dann zu einem Zusammenstoß, der später juristisch als Land- friedensbruch konstruiert wurde. Man vergleiche gegenüber dieser Anschauung die Anklagen gegen Studenten, die mit vereinten Kräften Sachbeschädigung vornahmen, Polizeibeamte derbläuten, Eisenbahntransporte gefährdeten und schließlich nur wegen groben Unfugs zu Geldstrafen verurteilt wurden. Hier aber über L3 Jahr« Gefängnis gegen Arbeiter, die im schlimmsten LÄls pW mehr pjkbrochcn Ww slö AndalleksM Stuifjilin] llnki ünlee Siefen Arbeikern öetürleilk der GciverkschaftSbeamIe Fröhlich, dessen absolute Schuldlosigkeit die Ver- Handlung ergeben hatte. Dieser Fehlspruch der Klassenjustiz schreit danach, daß Ge- schworen« aus allen Teilen der Bevölkerung auf Grund einer allgemeinen Wahl gewählt, nicht aber ernannt werden und in der Regel allein oder überwiegend der Unternehmerklassc angehören. Unter den 28 zur Auslosung bestimmten Geschworenen befanden sich sieben Kaufleute� sechs Fabrikanten, drei Direktoren, drei Architekten, zwei Rentiers, zwei Ingenieure, ein Generalagent, ein Prokurist, ein Ziegeleibesitzer, ein Hauptmann a. D. und ein Landwirt, aber kein einziger der sozialen Stellung der Angeklagten Gleichstehender. Verächtlich meinte das Magdeburger Landgericht in einem Urteil gegen den Schuh- macher Genossen Märiens, ist eine Gesetzgebung, die b e st i m m t, daß die Geschworenen nur der herrschenden Klasse entnommen werden dürfen. Ist die Wirkung der Art der gesetzlichen AuS- Wahl der Geschworenen minder verächtlich, die zeitigt, daß gerade in Strafprozessen, die aus Anlaß von Arbeitsstreitjgkelten kon- struiert werden, lediglich Angehörige der herrschenden Klasse als Geschworene ftmgieren? Möglich, daß das Reichsgericht den zum Himmel schreienden Fehlspruch aufhebt und der Freisprechung des unschuldig Verur- teilten die Wege bahnt. Möglich, weil insbesondere der Beweis über die moralische Qualität de» Kronzeugen der Staatsanwaltschaft abgeschnitten war. Aber sei dem, wie ihm wolle: das Urteil im Deutzcr Landfricdensbruchprvzeß schreit gebieterisch danach, daß eine Berufung gegen Schwurgerichisurteile eingeführt wird, und daß bei der demnächst zur Beratung stehenden Strafprozehnovell« die Anträge angenomen werden, die seitens der Sozialdemokratie zur Organisation der Gerichte gestellt sind. poUtilcbe CCcbcrHcbt Berlin, den 20. März 1911. Ueberarbeit im Reichstag. Aus d'em Reichstag, 20. März. Am achten Tage der Beratung des Etats des Innen, ergriff Genosse Sachse das Wort, um mit bestimmten Angaben seine früheren Be- hauptungen von der Vergebung von Darlehen an Wohl- fahrtsgesellschaften zu belegen. Er wies darauf hin, daß der Fürst P l e ß zwar Geld zu anderen Zwecken habe, seine Beamtenvereme aber zum Reich gchen ließe, wenn sie Unter- stütznng brauchten. Beim Kanalamt rügte Genosse S e v e r i n g, daß die Verwaltung den Ausbau deS Nordostseekanals Vorzugs- weise durch ausländische Arbeiter besorgen lasse, und zwar weil sie b i l l i g e r zu haben sind als inländische. Wir müßten verlanigen, daß Ausländer nur unter den n ä m- l i ch e n Bedingungen beschäftigt würden wie deutsche. Wo bleibe denn da der vielgerühmte Schutz der natio- nalen Arbeit? Der Geheimrat v. Jonquidres be- hauptete daraufhin, daß geeignete deutsche Arbeiter in genügender Zahl nicht zu bekommen gewesen seien. Dann gab es weitschweifige Debatten über verschiedene Fragen, in deren Verlans der Konservative D i e d e r i ch Hahn in beständigem Kampf mit dem Präsidenten abermals eine agrarische Wahlrede einzuschmuggeln wußte. Eine wichtigere Auseinandersetzung gab es noch bei den einmaligen Ausgaben zwischen dem Staatssekretär Delbrück und dem Genossen Hoch darüber, ab nach dem Regierungs - vorschlage nur 2 Millionen Mark als Darlehen für Bau- gcnossenschaften in den Etat eingesetzt werden sollten oder 4 Millionen wie in früheren Jahren. Hoch wies nach, daß der Staatssekretär sich im Vorjahre so ausgedrückt habe, daß die Baugenossenschaften diesmal die Einsetzung von 4 Millionen hätten erwarten können. Trotzdem wurde der sozial- demokratische Antrag abgelehnt. Mittlerweile war es 8V2 Uhr geworden. Der Präsident Spahn wollte noch weiter tagen lassen. Dagegen pro- testierten die Freisinnigen W i e m e r und M u g d a n und die Sozialdemokraten Ledebour und Hoch, die auf die unverantwortliche Ueberarbeitnng der Mitglieder und der Angestellten hinwiesen und geltend machten, daß wichtige Fragen durch die Fertigstellung des Etats zum 1. April un, möglich werden. Durch Anzweifelung der Be- schlußfähigkeit wurde die Vertagung erzwungen. Morgen kommt die K a l i f r a g e an die Reihe. Durchpeitschung des Etats. Ein mehr als unwürdiges Schauspiel ist eS, das sich jetzt täglich in der Prinz-Albrecht-Straße abspielt: in Anwesenheit einer Handvoll Abgeordneter wird unter allgemeiner Unaufmerksamkeit sechs bis sieben Stunden am Tage und drei bis vier Stunden am Abend der Etat beraten, Aber all daS, was daS Abgeordnetenhaus bisher auf diesem Gebtete geleistet hat, wird übertroffen durch die Beschlüsse vom Montag, denen zufolge wichtige Einzeletats zunächst einmal angenommen werden, daß aber die Debatte darüber bis nach Ostern oder Pfingsten vertagt wird. In dieser Weise verfuhr man zunächst beim Etat der AnsiedelungSkommifsion. Vergeben? wies Genosse Hirsch auf den Widersinn eines solchen Vorgehens hin, vergebens beantragte er die Vertagung, die Mehr- heit setzte ihren Willen durch. Beim Etat der Berg verwaltung wiederholte sich da» Spiel. Der Referent der Budgetkommifston beantragte, daß alle Beamten- und Arbeiterfragen aus der Erörterung auszuscheiden hätten, bis der Bericht einer von der Budget- kommission eingesetzten Uuterkommission über die Bergwerks- Verhältnisse vorläge. Wieder erhob namens unserer Fraktion Genosse Hirsch Einspruch, und in der Geschäflsordnungs« debatte, die sich nun entspann, mußten auch verschiedene Redner zugeben, daß eS so nicht geht, aber— so sagte man— man sei in einer Zwangslage, der Etat müsse fertig werden. Allseitig wurde verlangt, die Regierung solle in Zukunft den Landtag zeitiger einzuberufen. Diesem Verlangen stimmte auch unser Redner bei, der im übrigen die Vorwürfe der Rechten, daß die Sozialdemokraten dir ElatSberatung durch lange Reden aufhielten, scharf zurückwies. Der Antrag des Referenten gelangte zur Annahme, und nun begann die sogenannte Etarsberatung; man redete mancherlei und vertagte sich dann auf den Abend, wo gleich- zeitig Plenum und verschiedene Kommissionen arbeiten. Vorher hatte daS HauS den Etat der GrneralordenS- kommission beraten, der dem Abg. Gyßling sVp.) Ge- legenheit gab, über erhebliche Etatsüberschreilungen zu klagen. während Genosse Liebknecht eine Satire auf die Orden«- Verleihungen zum besten gab und in pointenreicher Rede sich lustig machte über die Bedeutung, die gewisse Schichten den Ordens- auSzeichimngen beimessen. In der Abendsitzung hielt Genosse Hoffmattn beim Bergetat überaus gründliche und wirksame Abrechnung mit der Regierung und den bürgerlichen Parteien. Gestützt auf reiches Material wies er zunächst nach, daß die Einnahmen in künstlicher M gejppltsgMr Mise rec|nerisdj zerahgedrückt ao&sß lindi ia» mit Sie privaken SchlotöarMd Recht mit ihrer BeRckllhftMg Bs« halten, daß die Staatsbetriebe auf dem Gebiete der Montan» industrie wenig rentabel seien. Diese überaus vorsichtige Verant- schlagung der Einnahmen diene auch dem Zwecke, die Geschäfts» läge derart ungünstig erscheinen zu lassen, daß die Aufbesserung der elenden Löhne der staatlichen Bergproletarier untunlich er- scheine. In Wirklichkeit nehme die ganze fiskalische Politir nur Rücksicht auf das Ausbeuterintcrcsse des privaten Grubenkap cials, das nicht durch höhere Löhne auf den fiskalischen Werken gle»ch» falls zu Lohnaufbesserungen gezwungen werden wolle. Redner schildert eingehend die traurige Lage der Bergarbeiterschaft im allgemeinen und der fiskalischen Grubensklaven im besonderen. Trotz der allgemeinen Lebensmittelverteuerung seien gewal- tige Lohnreduktionen zu verzeichnen. Dabei müßten sich die christlichen Bergarbeiter gefallen lassen, von den Unternehmern an ihre Führer und„Arbeitervertreter" in den Parlamenten ver» wiesen zu werden, die ja durch ihr Eintreten für Brot- und Fleisch- Wucher und den ganzen Steucrraub die allgemeine Lebensmittel- Verteuerung mitverschuldet hätten! Auch sonst konnte der sozral- demokratische Redner den„?ktbeitervertretern" des Zentrums rücksichtslos die Maske vom Gesicht reißen. Ms die gekennzeich- neten Zentrumsmannen über die Dauer der Ausführungen Hoff- manns murrten, sprach er ihnen sein ironisches Bedauern darüber aus. daß sie um die Genüsse ihres offiziellen Bierabends kämen, was ihn aber nicht von der Erfüllung seiner parlamentarischen Pflicht abhalten werde. Was unser Redner dann an der Hand zahlloser Einzelfälle an Akten des Terrorismus der Bergbehörden und der christlichen Organisationen festzunageln vermochte, war in der Tat geeignet, den Brust. Jmbusch und Konsorten höchstes Unbehagen zu erregen. Herr v. P a p p e n h e i m, der Schutzpatron der Schwarzen, wurde denn auch von einem wahren Entrüstungsanfall heimgesucht, der sich volle 5 Minuten lang in fortgesetzten Zwischenrufen Luft machte, ohne daß der sonst so interventionseifrige Präsident Jordan v. K r ö ch e r sich zum Ein- greifen veranlaßt gesehen hätte. Erst nach 2?L Stunden schloß Genosse Hoffmann seine wuchtige Anklagerede— daß er trotzdem nur in den größten Zügen ein Bild der Leiden und Beschwerden der Bergknappen zu geben vermochte, beweist die Trostlosigkeit der Zustände, in deren volle Tiefe ja nur die Sozialdemokratie hineinzuleuchten wagt. Den Bericht über die Abendsitzung erhalten unsere Leser ßn der nächsten Nummer des.Vorwärts". Liberale Parteikonfereuzen. Die Liberalen des linken und rechten Flügels haben am Sonntag Ausschußsitzungen abgehalten, um sich über ihre Taktik bei den nächsten ReichStagswahlen zu verständigen— natürlich hinter verschlosienen Türen. Die Zentralvorstände der nationalliberalen Partei und der Fortschrittlichen Volkspartei tagten nämlich gleich- zeilig im Reichstage, doch getrennt in verschiedenen Rämnm. Da die Sitzungen nicht öffentlich waren, liegen über sie nur die kurzen offiziellen Nachrichten der nationalliberalen und freifinnigen Partet- presse vor. In der Sitzung des Zentralvorstandes der nationalliberaken Partei vom 19. März 1911 wurde, nach der Meldung der.Nalionall.Korrrsp.', folgende Resolution angenommen: .Der Zentralvorstand, überzeugt, daß die Parteifreunde im Lande sich des Ernstes der politischen Lage und der Verantwortung bewußt find, die der bevorstehende schwere Wahlkampf ihnen zu- weist, spricht die Erwartung aus, daß die Wahlkreisorganisationen vor der endgültigen Ausstellung von Kandidatep und vor dem Eingehen taktischer Wahlablommen sich mir dem Geschäftsführenden Ausschuß deS Zentralvorstandes i»S Einvernehmen setzen. Wird auf Wunsch oder im Einverständnis von Landes organisattonen oder, wo solche fehle», von Wahlkreisen eine Verständigung mit anderen Gesamtparreien vom GeschäftSsührenden Ausschuß herbei- geführt, so find die hierbei getroffenen Vereinbarungen von den betreffenden Wahlkreisen oder Landesorganisationen als verbindlich anzuerkennen.� Eine eingehende Debatte ergab Einverständnis de» versammelten ZentrolvorstandeS über den Inhalt dieser Resolution und der«. An- nähme gegen fünf Stimmen. Im Lauf« der Diskussion wurd« die politische Lage eingehend erörtert. Abgeordneter Bassermann wies darauf hin, daß nach der Haltung de? Bunde» der Landwirte und der von diesem abhängig gewordenen konservativen Partei, in deren Verhalten und ihrer der nationalliberalen Partei grundsätzlich feindseligen Politik sowie in dem immer enger werdenden Anschluß der Konservativen an das Zentrum die politische Lage gekennzeichnet und gleichzeitig die Richtlinien für die nationalliberale Politik be» stimmt find. In der ZentrakauSschuhsitzun g der Fortschritt- kichen Volkspartei erstattete Abg. Fischbeck zunächst Bericht über die Geschäftslage. Dann sprach Abg. Naumann über die nächsten ReichStagSwahlen, insbesondere über da« Verhältnis zu den Naiionalliberalen. Der Redner betonte, daß sich die Einigung der Linksliberalen so gut bewährt habe, wie e» auch die größten Optimisten nicht geglaubt hätten. Der Eindruck wirklicher Ge- schlossenheit sei da, SpaltungSgeist dürfe sich nicht geltend machen. AuS allgemeinen politischen Gründen trat Naumann für eine parteitaktische Verständigung mit den Rational » liberalen bei den nächsten Wahlen ein. Eine größere gentra» lisation in der Kandidatenaufstellung hielt Redner für nötig, die Wahlkreise dürften nicht ohne Verständigung mit der Parteileitung vorgehen. Die Versammlung stimmte diesen Ausführungen zu. Zur Psychologie des elsässischen NotabelntmaS. In dem Augenblick, in welchem der Reichstag in feiner Kom« Mission über eine RegienmgSvorlage berät, welche in Elsaß-Lothringen durcb die Einrichtung einer Ersten Kammer und durch die Verhunzung des Wahlrechtes zur Zweiten Kammer dem einheimischen NotabelnMm die überlegene Stellung vor der flulhi» irrenden Arbeiterbevölkerung neu garantieren will, ist ein Brief von doppeltem Interesse, der anläßlich deS Todes seine» Schreibers dieser Tage bekannt geworden ist. Bor kurzem starb m Straßburg der Vizepräsident des LaiideScniSschusieS und Präsident de» Staat«» r a t e S Landgerichtsrat Dr Gunzert. Ein Führender unter dem neuen Regime nach der Annexion Elsaß-Lothringen », eine der stärksten Stützen des DeutschttimS, wie man nach seinem Austreten bei mancherlei Gelegenheit allgemein annahm I Jetzt ergibt sich, daß er als Präsident des Weißenburger DenkmalkomiteeS einige Zeit nach den Weißenburger Feierlichleiten, bei welchen bekanntlich auch Frankreich vertreten war, an den Vertreter Frankreichs General Bonnal den folgenden Brief schrieb: ,S t r a ß b u r g , den 7. Januar 1910. Mit tiefer Bewegung Hobe ich Kenutni« genommen von der schmeichelhaften Widmung und der soeben eingetroffenen Karte, und ich spreche Ihnen dafür aus vollem Herzen meinen Dank aus. Grit den Weltzenburger Eesttagen haben Sie selbst urteilen können, wie lehr die lsässer das Andenken an die vergangenen Zeiten bewahrt haben, und wie ihr Herz noch immer blutet, sich von ihrem alten Vaterlande getrennt zu sehen. Sie haben sich auch Rechnung legen können von den wenig erbaulichen Kämpfen, welche wir mit der kleinmütigen und quälsüchligen Regierung führe» müssen, welche die Enlwickelung zu hemmen sucht. Dies» Quäle-
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