Nr. 68. 28. Zahrgaug.z. Mw Ks Jöruiris" Kerlim NckMIl.Dltustag. 21 Mar; MUms Franc» Wahl» echt.Der 19. März brachte unserer Partei einen vollen Erfolg und die sozialistische Frauenbewegung einen guten Schrittweiter. Die Beteiligung der Frauen an der Demonstrationfür ein gerechtes Wahlsystem auch für das weibliche Geschlechtübertraf alle Erwartungen und die Begeisterung der Er-schienenen war eine gewaltige und nachhaltige. Natürlichhatten auch die Gegner ihre Vorbereitungen getroffen.Die Polizei war in der Nähe des Berliner Schlossesstärker als sonst vertreten; einige fliegende Wachen hatte manerrichtet, zum Beispiel im Marstall. Fürchtete man, die sozial-demokratischen Frauen würden das Schloß stürmen? Diesedachten nicht daran. Sie hingen begeistert an den Lippender Redner und nahmen einstimmig die nachstehende Re-folution an:Die Forderung des Frauenwahlrechts ist die notwendigeFolge der durch die kapitalistische Produktionsweise be-dingten wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen, die dieStellung der Frau von Grund aus umgewandelt haben.Die zirka 19 Millionen Frauen, die im gesellschaftlichenProduktionsprozeß tätig sind, die Millionen Frauen, die alsMutter Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, die alsHausfrauen die schwersten Pflichten übernehmen, erhebenmit allem Nachdruck Anspruch auf soziale und politischeGleichberechtigung.Die Frauen fordern das Wahlrecht, um teilzunehmenan der Eroberung der politischen Macht zum Zwecke derAufhebung der Klassenherrschaft und Herbeiführung dersozialistischen Gesellschaft, die erst das volle Menschentumdem Weibe verbürgt. Damit gewinnt die Frage des Frauen-stimmrechts erhöhte Bedeutung für den Klassenkampf desProletariats, dem so ein mächtiger Bundesgenosse in seinemBefreiungskämpfe erwächst.Die Sozialdemokratie ist die einzige politische Partei, diejederzeit den Kampf für die volle politische Gleichberechtigungdes WeibeS geführt hat und führt.Die am 19. März Versammelten erklären deshalb,daß sie sich zur Erringung des FranenwahlrechtS in dieReihen der Sozialdemokratie stellen und mit aller Energieund Begeisterung für die Erobernng des allgemeinen,gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu allen öffent-lichen BertretnngSkörpern für alle über zwanzig Jahre altenStaatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts kämpfen. DieVersammelten erklären weiter, unablässig an der Stärkungder sozialdemokratischen Organisation und der Verbreitungihrer Presse zu arbeiten, da die wachsende Macht der sozial-demokratischen Partei die alleinige Gewähr ist für die De-mokratifierung aller öffentlichen Einrichtungen und für dieBefreinng der Arbeiterklasse von der Klassenherrschaft..vle LerUner Verlamrnlutiqfeii.Erster Wahlkreis.DräselS Festsäle in der Neuen Friedrichstraße tvaren derTreffpunkt der für die Erringung des Wahlrechts demonstrieren-den Frauen aus dem ersten Berliner Wahlkreis. Das heißt ausdemjenigen Bezirk, der nach der ganzen Zusammensetzung seinerBevölkerung wohl die kleinste proletarische Schicht hat. Die Vor-sammlung war trotzdem recht gut besucht. Das erfreulichste wardie Anwesenheit derjenigen, auf die es ankam, der Frauen. Min-destens zwei Drittel der Versammelten waren Frauen.— VorEintritt in die Tagesordnung erscholl ein Lied, das vom Vor-dringen zu einer besseren Zukunft handelt und somit auch Aus-druck gibt dem Wünschen und Wollen der um Vorenthalterle RechteKämpfenden.„Dem Lenz entgegen!" So tönte es von derGalerie in die Versammlung hinein. Es war der Gesangvereinder im ersten Wahlkreis besonders stark vertretenen Schneider, derdie Versammlung derart stimmungsvoll einleitete. Das Referathatte Genosse Dr. Zadel. Seine Ausführungen, die unteranderm der geschichtlichen EntWickelung der Stellung der Frau inder menschlichen Gesellschaft gerecht wurden und in den Kampf-ruf des Tages ausklailgen, fanden lebhaften Beifall.Von der Polizei war während des Tagens der Versammlungauf der Straße nichts zu sehen. An der Brücke aber, welche dasvon der Polizei gefürchtete Cinfallstor nach dem Domplatz, demkaiserlichen Schloß und den„Linden" bildet, sah man einen Doppel-Posten, der besondere Bedeutung haben mußte, da hier der Verkehrbei dem häßlichen kalten Winde um diese Zeit gleich Null war.Im großen Saale der„Happoldt- Brauerei" hattenftch die Genossinnen und Genossen aus demzweiten Berliner Reichstagswahlkreisversammelt. Zur festgesetzten Stunde war der weite Raum schonlängst überfüllr, so daß die Genossen sich zum größten Teil in die»"liegenden Nebenräume zurückzogen, um den immer noch zahl-reich ankommeirden Frauen das Feld zu überlassen. So konntedenn Dr. H e r z f e l d vor einem festgekeilten Publikum dasThema des Tages behandeln, während am Haupteingang eineSchar von Polizeibeamten, Offiziere, Schutzleute zu Fuß und zuRade für Preußens Ruhe und Sicherheit sorgten. Im hinterenEingang hatte sich außerdem noch ein baumlanger Geheimerpostiert, der tiefsinnig durch die Scheiben der Flurtür stierte.Vielleicht dachte er an seinen hohen Vorgesetzten, Herrn Jagow,der es besser hatte und sich Sonntagnachmittags mit„Kunst-Problemen" beschäftigen kann.Im dritten Wahlkreisbildeten die Arminhallen in der Kommandantenstraße das Zielzahlreicher Frauen, unter denen auch Vertreterinnen der bürger-lichen Frauenbewegung zu bemerken waren. Je mehr die zweiteNachmittagsstunde vorrückte, je lebendiger wurde e» in der vorherfast toten Straße. Frauen kamen und wieder Frauen. Nur ver»hältnismäßig wenig Männer durchschritten das Tor. Gegen zweiÜhr bewegte sich langsam, einer dunklen Schlange gleich, eineSchar von mehr als hundert Frauen in geschlossenem Zuge dieStraße herunter. Sie kamen aus dem Gewerkschaftshause, wo siesich zusammengefunden hatten, um gemeinsam die Arminhallenaufzusuchen. Ein Photograph bannte gleich die„Frauenrevolution"auf seine Platte. Hoffentlich ist auch einer der Vertreter derheiligen Hermandad. die in größeren Zwischenräumen über dieStraße verteilt waren, mit auf dem Bilde, das demnächst in illu-strierten Blättern erscheinen wird. Der Photograph konnte dieUebung wiederholen. Eine Viertelstunde später zogen im Vierer-glied auf dem Straßendamm geschlossen annähernd zweihundertFrauen aus dem vierten Wahlkreis heran, die der Rest einergrößeren Menge waren, die zum Teil vergeblich Unterkunft in denVersammlungslokalen' der Waldemarstraße und der Naunynstraßegesucht hatte. Eine Anzahl Männer verließen den Saal, um fürdie neuen Ankömmlinge Platz zu machen. Mehr als 1200 Frauenund einige hundert Männer füllten Saal und Galerie bis zumletzten Platz. Genosse Grunwald hielt den Vortrag, derstürmischen Beifall auslöste. An der regen Diskussion beteiligtensich außer Genossen und Genossinnen die bekannten bürgerlichenFrauenrechtlerinnen Frl. Lischnewska, Frl. L ü d e r s undFrau Minna Cauer. Frau Cauer überbrachte die Grüßeder Frauen der Demokratischen Vereinigung und Frl. Lisch-n e w s k a die der liberalen Frauen. Auch sie würden den Kampfum das Frauenwahlrecht nach Kräften fördern helfen.Mit einem stürmischen Hoch auf das Frauenwahlrecht undunter den Klängen der Wahlrechtsmarseillaise ging die imposanteVersammlung auseinander.Die geschlossen gekommenen Frauen aus dem vierten Wahl-kreis zogen, soweit sie sich wieder zusammenfanden, gemeinsamwieder ab: durch die Alte Jakobstraße, Köpenicker Straße nach demSchlesischen Tor zu, um dort auseinander zu gehen.Augenscheinlich hatte die Polizei befürchtet, daß von der Kam-mandantenstraßc aus ein„Ausfall" nach dem Lindenviertel zu ge-macht werden würde. Dafür spricht das außerordentliche Auf-gebot in den fliegenden Wachen Kommandantenstraße 62, Kom-Mandantenstraße 24 und Neue Grünstraße 1 sowie die Tatsache,daß besonders viel Beamte auch in den Zugangsstraßen zum Dön-hoffplatz und zum Spittelmarkt zu sehen waren.Vierter Wahlkreis.Dergleichen hatte man noch nicht erlebt, daß die Frauen insolchen Massen mit der Forderung des allgemeinen Wahlrechts andie Oeffentlichkeit traten. Alle Säle waren überfüllt, und zwarvon Frauen. Die Männer mutzten das Feld räumen und wartetenmeist auf der Straße geduldig das Ende der Versammlung ab.Aber allein für die Frauen reichten die Säle nicht einmal aus. ImGesellschaftShaus Süd-Ost in der Waldemarstraße warlange nicht Raum genug; Hunderte blieben übrig, und ein ansehn-licher Zug von Frauen spazierte auf der Straße, während in demwegen Ueberfüllung abgesperrten Saale der Genosse Büchnersprach. Die Versammlung dauerte hier bis nach 4 Uhr; es hattensich noch mehrere zur Diskussion gemeldet, die auch einige Wortezur Forderung des Tages sagen wollten. Als die Versammlungzu Ende war und die Massen aus dem Saale strömten, wurde esnatürlich etwas lebhaft auf der Straße. Man brachte ein tausend-stimmiges Hoch auf das Frauenwahlrecht aus, und das verletzte,wie es schien, das zartbesaitete Gemüt der Polizei. Es waren andie 20 Mann aus einem naheliegenden Hause herausgekommen,um die berühmte Ordnung wieder einmal aufrechtzuerhalten. EineGenossin, die man offenbar für die Anstifterin des Wahlrechtshoch-rufes hielt, wurde sistiert, und ein Mann mußte auch mit zurWache. Die Polizei war derart nervös, daß u. a. der Schutz-mann 4886 einem Genossen das Schreiben verbot(!), als diesersich Zeugen des Vorfalls aufnotieren wollte. Eine große Massevon Frauen spazierte dann, der nicht immer freundlichen Auf-forderung der Polizei folgend, in der Richtung auf Treptow durchdie Straßen, und die Beamten konnten auch ihrer Wege gehen, indem stolzen Siegesbewußtsein, diesmal wenigstens noch den Staatvor dem Ansturm der Frauen gerettet zu haben.Graumanns Saal in der Naunynstraße war nichtminder überfüllt als„Süd-Ost", und die vielen Frauen, die sichvon der Waldemarstraße hierher begeben hatten in der Hoffnung,noch Einlaß zu finden, sähen schon an der großen Zahl der draußenwartenden Männer, daß das ein vergebliches Bemühen war. Eswar ihnen nicht vergönnt, mit der großen Masse im Saale dasReferat des Genossen P o e tz s ch zu hören und dort auch ihreStimmen für das Frauenwahlrecht zu erheben.Bei F r e y e r in der Koppenstraße war es schon lange ver-geblich, noch Einlaß zu suchen. Hier hatte die Polizei bereits aufder Straße abgesperrt. Ucbrigens hatte sich in dem großen Saal.der samt den Galerien bis auf den letzten Platz voll von Frauenwar, ein unangenehmer Zwischenfall ereignet. Ein Photographwollte Aufnahmen von der Versammlung machen, und Unglück-licherweise hatte man vergessen, die Versammlung vorher davonin Kenntnis zu setzen. Als der Mann nun sein Blitzlicht auf-leuchten ließ, rief das Bestürzung hervor. Man glaubte an eineFeuersgefahr. Viele drängten plötzlich nach dem Ausgang. EineFrau wurde ohnmächtig und mußte die Hilfe der Samariter inAnspruch nehmen. Zu alledem kam, daß irgend jemand dieFeuerwehr alarmierte, die dann auch gleich zur Stelle war, abernatürlich ohne weiteres wieder davonfahren konnte.— Der außer-ordentlich starke Andrang hatte es notwendig gemacht, drei Ver-sammlungen zu veranstalten. Im großen Saal sprach die GenossinZieh, im oberen, der ebenfalls von Frauen voll war, der GenosseZ e u n e r, und zu den auf dem Hofe versammelten Männern derGenosse Möller. Auf der Straße waren nach dem Anrückender Feuerwehr auch viele Kinder zusammengeströmt. Sie wurdenvon der Polizei zurückgodrängt und machten dann ein Gejohle.Die Markgrafensäle, im äußersten Osten Berlins,waren trotz Entfernung der Tische schon lange vor Beginn derVersammlung dermaßen voll, daß man die Swhlreihen immerenger zusammenrücken mußte, um mehr Raum für die vielenFrauen zu schaffen, die noch herbeiströmten. Die Männer wurdenauch hier cnis der Versammlung verdrängt. ES war die GenossinMartha Kaiser, die hier das Referat übernommen hatte.Fünfter Wahlkreis.Im„Schweizergarten" am Königstor war die Versammlungdes fünften Wahlkreises. Der Besuch übertraf alle Erwartungen.Frauen und Mädchen des Proletariats, die doppelt Entrechtetenim Klassenstaat waren es, die den Saal füllten. Auch Männerkamen in Scharen. Doch in diesem Falle verzichteten sie gern aufdie Gleichberechtigung und ließen den Frauen das Vorrecht aufdie Sitzplätze wie überhaupt auf den Saal. Dem Wunsche desVorsitzenden folgend zogen sich die Männer, soweit sie überhauptnoch Platz im Versammlungslokal fanden, in einen den Saal be-grenzenden Seitengang zurück. Das„Segment", in das polizeilicheAnordnung in der letzten Zeit des preußischen Vereinsgesetzes dieFrauen verwies, war wieder aufgelebt, doch diesmal freiwillig vondem männlichen Teil Ler Vcrsammlungsbesucher besetzt. DerReferent, Genosse Kaliski, führte den Frauen die Rechtlosig-keit, zu der sie unter der heutigen„Ordnung" verurteilt sind, vorAugen und begründete die Forderung des gleichen Rechts, ins-besondere des Wahlrechts, für das man am erfolgreichsten kämpft,wenn man den großen Befreiungskampf mitkämpft, den die Sozial-demokratie führt.— Lebhafter Beifall und einstimmige Annahmeder Resolution bekundeten den entschlossenen Willen der Versain-melten, für das Wahlrecht der Frauen zu kämpfen.— Einkerniges Schlußwort des Vorsitzenden, Genossen Frredländer,das in ein Hoch auf die Sozialdemokratie ausklang, bildete denSchluß der Versammlung.Sechster Wahlkreis.Im„Moabiter Gesellschafts haus" war die Ver-sammlung schon um 1% Uhr überfüllt; willig zogen sich daher auchdie in Begleitung ihrer Frauen erschienenen Genossen in denHintergrund zurück oder verließen gänzlich den Saal, um den nochimmer nachströmenden Frauenscharen Platz zu machen. Doch derSaal reichte nicht hin, alle Erschienenen zu fassen. So wurde dennauch noch im unteren Saale eine Versammlung abgehalten. DieAusführungen der Referenten Dr. Wehl und Dr. Moseswurden lebhaft applaudiert und die vorgeschlagene Resolution ein-stimmig angenommen. Die Zahl der Besucher, die zu einemgroßen Teile in den Nebenräumen und im Garten des Lokals Auf-enthalt nehmen mußte, kann auf etwa 6000 geschätzt werden. DiePolizei kümmerte sich um diese Versammlung nicht, sondern über-ließ es unseren Genossen, selbst die Ordnung aufrechtzuerhalten.In den„G erman ia- P rächt sä len" in der Chaussee-straße hatten sich etwa 2000 Teilnehmer versammelt, wovon gut% Frauen waren. Hier behandelte Genosse Dr. Oskar Cohnunter großer Aufmerksamkeit seiner Zuhörer das Thema desTages. Die Zugänge zum Saal und selbst zu den Nebenräumenwurden von der Polizei schon um 2 Uhr besetzt, um niemandenmehr hineinzulassen. So mußten denn auch viele der Nachkommen-den wieder umkehren.Ueberfüllt war auch die Versammlung, die in den„PharuS-Sälen" auf dem Wedding stattfand. Um 2 Uhr deuteten schondie Menschenansammlungen vor dem Lokal auf der Straße daraufhin, daß auch hier die Polizei ihr Absperrungswerk pünktlich inSzene gesetzt hatte. Fast ausschließlich waren es Männer, die auchhier der Aufforderung, den Frauen die Säle zu überlassen, gerngefolgt sind und sich nun im Garten und auf der Straße auf-hielten. Natürlich fehlte es auch nicht an Spätankömmlingen, diedaS gleiche Los teilen mußten, weil ihnen der Zutritt zu denSälen durch die Schutzleute verwehrt wurde. Nachdem derReferent, Landtagsabgcordneter Genosse Ströbel. seine Aus-führungen im großen oberen Saal beendet Hatte, mußte er, umdie Erschienenen zufriedenzustellen, auch im unteren Saale nocheine längere Ansprache halten. In den gesamten Räumen desLokals dürften sich etwa 6000 Personen zusammengefunden haben,um ihrer Forderung der Gleichberechtigung der Geschlechter ver-nehmlichen Ausdruck zu verleihen. Nach Schluß der Versammlungbemühte sich die Polizei, die Teilnehmer der Versammlungen, diezum Teil als Paare gekommen, aber durch den Verlauf der Dingewieder auseinandergekommen waren und nun auf der Straße sichgegenseitig suchten, so schnell als möglich zu zerstreuen.Auf dem Gesundbrunnen reichte Ballschmieders großerSaal nicht aus. die Masse der Andrängenden zu fassen, obgleichdie große Mehrzahl mit Stehplätzen zufrieden waren. Die Männerwurden nach dem Garten gedrängt; heute hatten die Frauenüberall das Vorrecht. Und die Männer gingen gern; sie warenvon Herzen froh darüber, daß sie eine kleine Minderheit bildeten.Im Saale sprach Paula Thiede; eS herrschte eine Ruhe undAufmerksamkeit, daß die Stimme der Rednerin klar und vernehm«lich bis in den entferntesten Winkel drang. Ihr Appell an dieFrauen, für freie Menschenrechte einzutreten und sich gegen diebisherige Unterdrückung aufzulehnen, fand den lebhaftesten Wider.hall in der Versammlung.„Wir schüren das heilige Feuer", mitdiesem Gesang des Vereins Harmonie-Gesundbrunnen wurde dieVersammlung eröffnet und mit einem Gesang auch wieder ge-schlössen. Die vorgelegte Resolution hatte nur allgemeine Zustim-mung gefunden. Es dauerte lange, bis der große Saal sich leerte;in Ruhe zerstreute sich die große Menge; die Polizei, die natürlichnicht fehlte, blieb ruhig und zurückhaltend.In der Schönhauser Allee sah man zwischen ein undzwei Uhr die Frauen gruppenweise und in kleinen Zügen, dieimmer zahlreicher wurden, nach der Brauerei Königstadt strömen.Vor halb zwei Uhr blickte mancher Mann besorgt in den Saal undtröstete sich, daß schließlich noch genug Männer kommen würden,um den Saal zu füllen. Es dauerte aber nicht mehr lange, dadrängten die Frauen in den Saal, daß es plötzlich hieß: Me Tischeheraus! Und bald darauf erscholl die Aufforderung: Alle Männerzurück in die Seitengänge, in den Garten und auf die Straße.Der Saal war überfüllt von Frauen, und Dr. Alfred Bern»stein, der Redner, fand aufmerksame Hörerinnen, als er dieForderung des Tages, das Frauenwahlrecht, verteidigte. Mit Be-geisterung stimmten die Frauen für die vorgelegte Resolution. DerGesangverein„Solaritas" brachte zum Anfang und Schluß derVersammlung einige Lieder zum Vortrag. Unter Hochrufen aufdie Frauen und ihr Wahlrecht löste sich die Versammlung auf.Berliner Vororte.In Charlottenburg fanden zwei überfüllte Versammlungen, zumersten Male ohne polizeiliche Ueberwachung. statt.Referenten waren Genosse Eduard Bernstein und GenosseZempelburg.In Groß-Lichterfclde führte Genossin Walli Zepler der meistensanS Frauen bestehenden sebr gut besuchten Versammlung in einemvorzüglichen Referat die Notwendigkeit des FranenwahlrechtS vorAugen. In der Diskussion nahm ein junger Mann das Wort zurPolemik gegen da« Referat, die in dem bekannten Ausspruch be-schränkter Kopfe endete, daß die Frau hinter den Kochtopf gehöre.Eine Anzahl Redner und zum Schluß die Referentin nahmen denWeiberfeind auf dem Wahlrechtsgebiet vor und widerlegten unterstürmischer Zustimmung seine seichte Argumentation.Die Versammlung in Nowawes war leider seitens der Frauenund Mädchen nicht im erwarteten Maße besucht. Der Referent Ge-nosie Dr. Bruno Borchardt erntete für seine vorzüglichen Aus-führungen reichen Beifall. In der Diskussion forderte GenossinD r ö s ch e r die Anwesenden, namentlich die Frauen und Mädchen,in begeisternden Worten zum Kampfe für die Erringung des Fraucn-wahlrechts auf. Zur Aufnahme in den Wahlverein meldeten fich neunFrauen.Ein ganz kolossaler Andrang herrschte in