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Herr H u e bat gestern ton einem Artikel Kenntnis gegeben, der mir von liebevoller Seite gewidmet ist.(Heiterkeit.) Als ich ihm das WortLüge" zurief, bezog sich das nickt auf ihn, sondern auf die betreffende Stelle des Artikels. Wollte ich den Artikel so besprechen, wie ich es in meinem Innern empfinde, so würde das eine schauerliche Abrechnung werden. Ich verzichte darauf, weil ich hier unter dem Schutze der Immunität stehe. Wenn aber der Mann seine Kappe ablegt, und nicht mehr aus dem Busch herausschiebt, nicht unter der Marke ..von zuständiger Seite" schreibt, so werde ich ihm ohne Sentiments Antwort geben. In dem Artikel ist mir vorgeworfen, ich hätte »neine Pflicht als Abgeordneter nicht erfüllt. Der Artikelschreiber »nutz ganz genau wissen, dag ich in den Jahren, die er angeführt hat, in vielen Fällen beim besten Willen nicht hier sein konnte, das; ich im ganzen Jahre 1307 ein schwerkranker Mann war, der nicht gehen konnte, ohne geführt zu werden. Ich nehme an, daß der Artikelschreiber kein Jude ist, sondern ein sehr christlicher Mann.(Lebhaftes Sehr gutl links). Er nimmt keine Notiz davon, datz ich im Jahre 1908 fast noch in dem gleichen Zustande war, das; ich ferner vom Herbst 1909 an in der bayerischen Kammer nicht als gewöhnlicher Abgeordneter, sondern als Referent über die Steuergesetze festgehalten war; diese Arbeit hat mich auch außerhalb der Tagung in der Steuerausschußsitzung beschäftigt. Dann verreiste ich zur Erholung, weil hier der Kolonialetat verhan- delt wurde(Heiterkeit), und kam hierher, als die schwere Entscheidung der Reichsfinanzreform bevorstand. Es ist doch ein wesentlicher Unterschied, ob jemand in der glücklichen Lage ist. daß, wenn er fort ist. ein Supplementär seine Anstellung einnimmt oder ob jemand im bürgerlichen Leben stelzt.(Lebhafte Zustimmung links.) Bon diesen Gesichtspunkten hat diezuständige Seite" keine Notiz genommen, von der anzunehmen ist, daß sie mir nahe steht. Die Sache wurde aber noch zünftiger: ja. wie soll ich sagen, (Zuruf I) Sie sagen klobig. Das sagt zuviel.(Abg. Gröber. Z.: Saftig.) Jawohl, zünftig ist etwa saftig I(Heiterkeit.) Also, es heißt da, der Dr. Heim kommt immer nach Berlin , wenn er etwas hat, was ihm persönlich berührt, und auch hier ist er persönlich interessiert, als Vorsitzender seiner Bauerngenossenschaft. Ich stelle fest, daß diese Genossenschaft statutengemäß keinen Gewinn verteilt, sondern den Gewinn zu gemeinnützigen Unternehmungen verwendet. Wenn ich einmal mehr Geld habe, so trage ich mich mit dem kühnen Gedanken vielleicht gewinne ich einen reichen Wohltäter, das wäre das einzig Gute der Ausführungen der zuständigen Seite, eine Wanderbühne einzurichten.(Heiterkeit und Zuruf: Kaliabgabel) Weiter wurde in den, Artikel gesagt, der Dr. Heim ist auch als Aufsichtsrat an einem Kaliwerk beteiligt. ES ist richtig, daß ich für einen alten Besitzstand als AufsichtSrat tätig bin. Bevor ich dieses Amt annahm. erklärte ich der berreffenden Stelle, kategorisch, daß ich mich dadurch unter keiner Bedingung in meiner Haltung als Abgeordneter beeinflussen lassen würde, und Herr Hue hat ja auch gestenr konstatiert, daß meine Haltung dieselbe war wie im vorigen Jahre als ich diesen Besitzstand noch nicht vertrat. Ich danke dafür, daß wenigstens ei» Gegner mir diese Gerechtigkeit hat zuteil werden lassen. Bevor ich das Amt übernahm, habe ich mich an einige Kollegen gewandt, denen ich ein Urteil in der Beziehung wohl zutrauen kann, an Herrn Müller- Fulda und an Herrn Erzberger. (Hörtl hörtl links.) Herr Erzberger hat nichts daran gesunden und auch darin nichts, daß ich in die Budgetkommission zu kommen suchte, er hat sich sogar darum bemüht, und auch Herr Müller-Fulda wird mir bestätigen, daß er es gern gesehen hätte. Dann kommt der schwarze Punkt in dem Artikel, eS heißt:Wir nehmen an, daß Dr. Heim an den Erträgnissen seiner Zentral- genossenschaft mit Tantieme beteiligt ist". Wenn der Herr nicht gewußt hätte, daß es nicht so ist. so hätte er nicht angenommen", aber weil er gewußt hat, daß es nicht so ist, hat er eben nurangenommen".(Zuruf: Christliches Liebeswerk I) Die journalistische Pflicht hätte geboten, daß man eine derartige ver- dächtige Annahme nicht herausgibt, bevor man sich von ihrer Wahr- heit überzeugt. Ich konstatiere, daß ich niemals in meiner Genossenschaft Tantieme bezogen habe, noch beziehen werde, und der Artikelschreiber mußte das um so mehr wissen, als es dreimal vor Gericht festgestellt ist.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In meinem Geschäft gibt es kein Gehcimbuch. jeder ernsthafte Sachverständige kann alles bei mir einsehen, was er will. Diese Annahme ist ungesähr das perfideste, gemeinste und niedrigste, was man in der Polemik tun kann. Nur zwei Zentrums- b lütter haben diese Verdächtigung weiter verbreitet, dieKölnische Volkszcitnng" und dieSchlcsische Bolkszeitung". Was ich bis jetzt gesagt habe, habe ich auch drucken lassen und noch mehr. Ist der betreffende ein Mann und nicht bloß jemand, der den Hosenrock trägt, so wird er den Dr. Heim verklagen, und ist er kem Man», so ist es schade um die Tinte, die ich ihm noch widmen werde.(Beifall.) Abg. Leber(Soz.)(zur Geschäftsordnung) konstatiert, daß ihm durch Schluß der Debatte das Wort abgeschnitten sei. Es folgen die Abstimmungen. Teils einstimmig oder fast einstimmig, teils gegen einen Teil der fechten werden die Kom­missionsbeschlüsse sowie die Resolutionen über die Staffelung der Rabatte unb der Teil der Resolution Heim über die baldige Bestimmung der.Höhe der Abzüge angenommen. Die anderen Teile seiner Resolution zieht Abg. Heim zurück. Ueber den Ausschluß der politischen Organisationen wird namentlich abgestimmt werden, ebenso auf Antrag Hue(Soz.) über den sozialdemokratischei, Antrag auf Verwendung der Kali- abgäbe zu sozialpolitischen Zwecken. .Hierauf vertagt sich das Haus. Der Präsident teilt sodann mit, daß der deutsch -nationale Verband des österreichischen Abgeordnetenhauses und der zurzeit in Berlin tagende deutsche Schiffahrtstag Glückwünsche zum 40. Ge- burtstag des Reichstages gesmidt haben und daß er diese Glück- wünsche beantwortet habe. Der Präsident fährt sodann fort: Man hat mir n i ch t m i t U n r e cht vorgeworfen, daß ich m,ch gestern auf eine kalkulatorische Feststellung beschränkt habe. Ich habe das getan, weil auch der 30. Jahrestag vor 10 Jahren im Reichstag keine Erwähnung gefunden hat. Ich möchte nun aber doch noch folgende Bemerkung machen: Die gesetzgeberische Arbeit, die der deutsche Reichstag seit seinem Bestehen vollbracht hat, ist eine große, und die Entwickclung. die das Deutsche Reich auf Grund dieser Gesetzgebung erfahren hat, eine gewaltige, wie ich in meiner Kaiscr-Geburtstagsrede näher dargelegt habe. Nicht minder groß find die gesetzgeberischen Ausgaben, deren baldige Lösung das deutsche Vaterland vom Reichstag erhofft. Möge es der Arbeits- sreudigkeit und der Arbeiistreue vergönnt sein, die Hoffnungen unseres Vaterlandes zu erfüllen und die Arbeiten des Reichstages auch jetzt nickt minder fruchtbringend zu gestalten, als in den hinter uns liegenden 40 Jahren.(Lebhafter Beifall.) Mit diesen Hoffnungen schließe ich die Sitzung., Schluß 8% Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr nach- mittags. gbgeorclnetenkaus. 55, Sitzung vom Mittwoch, den 22. Marz. vormittags 11 Uhr. Am Ministertische: v. Dallwitz, v. Schorlemer-Liefer. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Gesetzentwurf über die Polizeiverwaltung in den Regierungsbezirken Düsseldorf , Arnsberg und Münster . Der Berichterstatter Abg. Dr. Lötz(st.) ist nicht erschiene» und hat sich telegraphisch entschnldigt. Der Gegenstand wird deshalb von der Tagesordnung abgesetzt. Ohne Debatte lverden in erster und zweiter Lesung angenommen der Gesetzentwurf über die Verlegung der Landesgrenze gegen das Königreich Bayern an der preußischen Gemeinde A ch- b e r g sowie der Gesetzentwurf über Verlegung der Landes- grenze an der Eisenbahn von Münster am Stein nach Scheidt. In dritter Lesung werden angenommen die Gesetzentwürfe betreffend Erweiterung der Stadtkreise Erfurt und Breslau . Abg. Viereck(fk.) begründet hierauf einen Antrag seiner Freunde auf Verdeutschung der Fremdwörter in der Ge- schäftsordnung des Abgeordnetenhauses. Abg. v. Ditfurth(k.) empfiehlt einen weitergehenden Antrag seiner Fraktion, wonach die vielfach mangelhafte Ausdrucksweise der Geschästsordnung durch einfache, klare, von Fremdwörtern freie Fassung der Vorschriften ersetzt werden soll. Nach kurzer Debatte wird der Antrag v. Ditfurth an- genommen. Der Antrag Viereck ist damit erledigt. Abg. Ecker-Winsen(natl.) begründet einen Anlrag, die Regierung zu ersuchen, die Schaffung eines norddeutschen Naturschutzparks durch den VereinNaturschutzpark" in der Lüneburger Heide durch Gewährung einer laufenden Beihilfe, sowie durch die Angliederung fiskalischer Forsten zu ermöglichen. Minister v. Schorlcmer- Lieser: Es walte» erhebliche Be- denken dagegen ob, ohne weiteres auf den Boden der Antrag- steller zu treten. Es ist zunächst zweifelhaft, ob daS in Frage kommende Gebiet sich besonder» für einen solchen Naturschutzpark eigner. Der Verein steht auch auf wenig sicherer finanzieller Grundlage. Es ist auch zu berücksichtigen, daß bei einen, Schutz des dort vor­handenen Wildes wir bald Klagen über Wildschaden höre» werden. An sich steht die Regierung der Sache sympathisch gegenüber, man sollte damit aber mindestens noch ein Jahr warten. Für den Antrag sprechen die Abgg. v. Wolff-Mttternich(Z.), Dr. Schepp(Vp.) und Hcckenrot(k.). Abg. Hoffmanu(Soz.): Wir haben so oft Gelegenheit, mit der Mehrheit deS Hauses i» Widerspruch zu stehen, daß es uns wirtlich wohltut, in dieser An- gelegenheit mit der Mehrheit einmal übereinzustimmen. Es liegt nicht an uns, daß es so selten borkommt.(Heiterkeit.) Wir be- dauern, daß in die Begeisterung des ganzen Hauses der Minister etwas Wermut geträufelt hat. Wenn der Minister gegen die finanzielle Sicherheit des Vereins Bedenken hat, dann sollte doch der Staat selbst die Sache in die Hand nehmen. Das wäre uns noch lieber. Auch die Bedenken bezüglich des Wildschadens können wir nicht teilen. Es gibt doch Mittel, die kleinen Landwirte vor Wildschaden zu schützen. Wir wünschen das am meisten. Vor allem wünschen wir, daß Mittel und Wege ge- fluiden werden, um dem Verlauf dieses Terrains einen Riegel vorzuschieben. In einem Jahre könnte es doch sehr leicht schon zu spät sein. ES sollte Vorsorge getroffen werden, um diese Aufgabe zu lösen, der wir. wie allen Kultur- aufgaben, sympathisch gegenüber stehen.(Beifall bei den Sozial- demokrate».) Der Antrag wird der Agrarkommission überwiesen. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feuerbestattung. Minister v. Dallwitz: Schon seit Jahren beschäftigt die Frage der Feuerbestattung dieses Haus. Der Abg. Laiigerhaiis hatte immer wieder die Auffassung vertreten, daß jedem Einzelnen das Recht zu- stehen müsse, darüber verfügen zu könneu, ob nach seinem Tode für seine Leiche die Feuer- oder Erdbestattmig erfolgen soll. Von anderer Seite wurden gegen diese Auffassung erhebliche Bedenken geäußert, die teils aus religiösem Gebiet, teits aus jurislisch-kriminalistischein Ge- biete liegen. Die Bedenken vom kirchlich-religiöten Slandpunkt gipfeln darin, daß die Erdbestattung eine uralte, durch Jahrhunderte fest eingebürgerte kirchliche Sitte sei, deren Beibehaltung dem Empfinden der Mehrheit des Volkes entspreche. Aus diesen Gründen lehnt die katholische Kirche die Feuerbestattung aliminv ab, während die Vertreter der evangelischeu Landeskirche in ihrer Mehrheit sich auf dem Eisenacher Kongreß dahin misgesproche» haben, daß zwar die Erdbestattung fdie einzige kirchlich anerkannte, dem christ- lichen Empfinden entsprechende sei, daß aber Glaubenssätze und Dogmen der Feuerbestattung nicht entgegenstehen, so daß sie in be- schränktem Umfange als zulässig angesehen werden müsse. Auf diesen Standpunkt hat sich auch in der Hauptsache vor zwei Jahren die Evangelische Generalsynode gestellt, während die Vertreter der recht- gläubigen jüdischen Kreise in ihrer Mehrheit der Feuerbestattung durchaus ablehnend gegenüberstehen. Ich will die Berechtigung der Bedenken vom Standpunkt der uralten Sitte voll anerkeiiiien: man kann daraus meines ErachtenS aber nur den Schluß ziehen, daß das Empfinden weiter Volkskreise der StaatSregierung die Ver- pflichtung auferlegt, dafür Sorge zu tragen, daß unter allen Um- ständen die Feuerbestattung ausgeschlossen werden müßte in den Fällen, in denen sie de» religiösen Anschauungen und dem Willen deS Verstorbenen lviderspricht. Ich kann aber nicht aner- kennen, daß diese kirchlich-religiösen Bedenken auch gegen die fakultative Feuerbestattung sprechen. Von juristisch kriminalistischer Seite gehen die Bedenken gegen die Feuerbestattung hauptsächlich dahin, daß durch diese Bestattung die Spuren gewisser Verbrechen leichter beseitigt werden können, besonders wenn der Verbrecher in nahen Beziehungen zu dem Opfer gestanden habe. Diese an sich wohl begründete Befürchtung scheint einmal beseitigt zu werden durch die in der Vorlage für die Feuerbestattung vor- gesehene obligatorische Leichenschau, serner durch die Bestimmung, daß der Verstorbene die Feuerbestattung bei Lebzeiten selbst angeordnet haben inuß und durch weitere Kautel«». Für die Zulassung der Feuerbestattung in dem vorgesehenen beschränkten Umfange sprechen viele praktische Gründe.'Es läßt sich jetzt schon die Verbringung von Leichen aus Preußen nach den Nachbarstaaten zur Feuerbestattung nicht ver- hindern, während die vorgesehenen Kautelen im kriminalistischen Sinne dabei fehlen. Abg. Graf WartenSlek»(f.): Die Regierung stand bisher ebenso wie die Mehrheiten des Hauses der Feuerbestattung ab- lehnend gegenüber. NamenS deö größte» Teiles meiner Freunde spreche ich unser Bedauern über den Wechsel in der Haltung der Regierung aus. Man greift hier mit grauser Hand in das Empfinden weiter Volkskreise ein.(Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) DaS Verlangen nach der Feuerbestallung ist gar nicht au« dem Volke herausgekommen, sondern eS ist die Folge der Pro- paganda der Vereine für Feuerbestattung und der Freidenker. Der saliche AusdruckFeuerbestattung" ist nur gewählt, weil man nicht den unangenehmen aber richtigen AusdruckLeichenverbremiung" gebrauchen will.(Beifall rechts und im Zentrum.) Abg. Dr. Schmitt-Düsseldorf (Z.): Wir lehnen den Ge- setzen rwurf ab und bedauern seine Einbringung, weil wir in der Leichenverbrennung einen Verstoß gegen das Chtistentun, sehen. Die christliche Kirche kann die Leichenverbrennung nicht billigen. (Abg. Hoffmann: Sir haben die Ledcndige» verbrannt! Heiterkeit.! Tod und Verwesung betrachtet die kaiholische Kirche als göttliche Strafen und die Leichenverbrennung würde einen Eingriff in diese Lehre bedeuten. Auch die kriminalistischen Bedenken gegen die Feuerbestattung scheinen mir nicht widerlegt. Wir sehen in der Vortage die Legitimierung des Kampfes gegen das Christentum und lehnen sie deshalb ab.(Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Lieber(natl.): In der französischen Kammer ist seiner- zeit ei» Jesuitenpater für die Feuerbestaltuiig eingetreten, mit dem katholischen Glauben kann sie also nicht unvereinbar sein. Meine Freunde akzeptieren die Vorlage mit der Begründung der Re- gierung. Abg. Dr. Schröck(frk.): Aus christlichem Empfinden heraus fällt es einem Teil meiner Freunde sehr schwer, der Vorlage zuziistiminen, wir werden ihr aber zustinimen, un, den Wünschen weiter Kreise Stechnung zu tragen, wenn auch mit schwerem Herzen. Abg. Dr. Pachnicke(Bp.) bestreitet, daß religiöse oder kon- fessionelle Gründe emstlich gegen die Feuerbestattung sprechen könnten. Es handele sich hier höchsten? um Fragen der Sitte. Der Redner tritt namens semer Freunde warm für die Vorlage ein. Abg. Dr. Mizcrski(Pole) lehnt die Vorlage ab. von dem christlichen Stgndpilnkte aus, auf dem die polnische Bevölkerung stehe. Mg. Hoffmanu(Soz.): Das Gesetz ist so geworden, wie wir eS in Preußen zu erwarten hatten. Es ist mit so vielen Kautelen behaftet, daß eS einem Freund der Feuerbestattung schwer wird, sein Bedauem darüber auszusprechen, wenn diese Vorlage nicht Gesetz würde. Wir haben in Deutschland 13 Staaten, wo die Feuerbestattung besieht. Da würde es vielleicht, um eine Einheit zu schaffen, besser sein, wenn ein Reichsgesetz die Frage regelt, um endlich einmal mit den unglaublichen Zuständen auszuräumen, die im Bestattungswesen in Deutschland bestehen. Ich glaube, daß ein Reichs- gesetz unbedingt besser aussehen würde wie die Vorlage, die uns hier die Regierung gebracht hat. Die konservative Partei und ihre Presse hat ja besonders ihr schmerzliches Bedauern darüber ausgesprochen, daß diese Vorlage überhaupt gekommen ist. Ich meine, es hat lange genug gedauert. Schon im Jahre 186S kam an das Abgeordnetenhaus die erste Petition um Zu- lassung der Feuerbestattung und seitdem sind diese Wünsche Jahr für Jahr wieder an das Haus herangetreten. Ich will mich nicht auf den Standpunkt derjenigen stellen, die die Feuerbestattung nun in den Himmel erheben und glauben, daß aus der Asche ein Phönix emporsteigt. Ich will auch nicht wie seinerzeit der frei- sinnige Pastor Schall die Krematorien mit Backöfen und die Erb« bestaltung mir Rieselfeldern vergleichen. Wir stehen der ganzen Frage sehr objektiv gegenüber. In den Kreisen meiner Freunde gibt es Freidenker, die für die Erdbestattung sind, und Christen, die die Feuerbestaltung bevorzugen. Ich persönlich bin allerdings für die Feuerbestattung, wenn ich auch keinem der hier bekämpften Feuer- bestattungSvereine angehöre. Wenn Abg. Dr. Schmitt bestritt, daß bei der Ausgrabung von Leichen so üble gesundheitsschädliche Aus- dünstungen vorkämen, so kann ich das aus meiner persön- lichen Erfahrung als Friedhofsinspektor der Frei- religiösen Gemeinde bestreiten, denn ich habe zwei solcher Ausgrabungen beigewohnt, bei denen der Geruch so ent» setzlichwar, daß wirauch zu den höchstenPreisen kaum Arbeiter dazu bekommen konnten. Nachdem selbst Spanien die Feuerbestattung zugelassen hat, sollten doch auch die Kaiholiken Preußens ihren Widerstand dagegen aufgeben. Sie schädigen sich selbst damit. wenn ihre Geistlichen an solchen Verbrennungen nicht teilnehmen. DaS Voll wird sich dann daran gewöhnen, daß es auch ohne die Beteiligung der Geistlichen geht. Daß die Friedhöfe in der Nähe menschlicher Woh- nungen gesundheitSgesährlich werden können, hat eine Autorität wie Rudolf Birchow anerkannt. Es ist fest- gestellt, daß Cholerakeime noch nach 21 und 28 Tagen bei ausgegrabenen Leichen lebensfähig waren, Milzbrandbazillen sogar noch nach 337 Tage». Die Leichenverbrennung braucht auch keineswegs ein Privileg der Besitzenden zu bleiben. Es ist nachgewiesen, daß die Verbren nungSko st en nur S bis8M. betragen br-auchen. Auch in den Kreisen deS Zentrums sind Freunde der Feuerbestattung vorhanden, die Zentrums- fraktion im Mainzer Stadiparlament hat sich mit ihr einverstanden erklärt. Einige Paragraphen der Vorlage find so reaktionär, wie es nur in Preußen möglich ist. So bestimmt der Z 3. daß die Aschenreste der verbrannten Leichen entweder in der Urnenhalle oder an einem anderen behördlich gestatteten Bestattungsraum bei- gesetzt werden. Das steht im Widerspruch zu den Gesetzen der übrigen deutschen BundeSstaateii und würde sich sehr einfach um- gehen lassen, wenn man die Leichenverbrennung in einem anderen Staat ausüben läßt. Man sollte es doch den einzelnen überlassen, ob sie die Unien in ihrem Heim oder anderswo aufbewahren wollen. Muß denn die Bevormundung des Staates den Bürgern gegenüber bis über den Tod hinausgehen? Muß denn überall dekretiert und reglementiert werden? Dann heißteS im § 7: die Verbrennung wird nur gestattet, wenn der Verstorbene sie bei Lebzeiten selbst angeordnet hat. Auch hier sollte man sagen, daß sie zulässig ist, wenn nicht der Vorstorbene auS- drücklich vorher das Gegenteil bestimmt hat. Der Abg. Dr. Schröck hielt da« Alter von 13 Jahren für zu niedrig zur selbständigen Verfügung über die BestattungSart. Die Gegner der Feuerbestattung führen doch aber in erster Linie daS christliche Empfinden als Argument dagegen an und Kinder von 14 Jahren gelten doch schon als vollwertige Chri sienach der Konfirmation, selbst gegen den Willen der Eltern. Den Eltern muß das Recht gegeben werden, jedenfalls für die Kinder unter 14 Jahren die BestaliungS« art zu bestimmen. Im allgemeinen sollte das Alter für die Selbst- bestimmung der BestattungSart eher herab als hinauf gesetzt werden. Von den deutschen Bundessiaateii hat nur Bayern , wo das Zentrum ja die erste Geige spielt, sich mit dieser Frage noch nicht befaßt, außerdem noch Mecklenburg . Preußen steht aber noch mit Mecklenburg in einer Reihe. Mecklenburg wird sich ja nicht überstürzen und so sieht es auch bei uns aus. Unsere Zustimmung oder Ablehnung machen wir davon abhängig, wie das Gesetz aus der Kommission herauskommt. Wir werden ims dann entscheiden, ob wir nicht eS besser ablehnen und dadurch daS Reichsgesetz. das ja doch kommen muß. herbeiführen. Es dreht sich ja nicht mehr um die Frage, ob die Feuerbestaltung in Preußen gestaltet ist. Daß sie in Preußen nicht verboten ist, ist ja vom höchsten preußischen Gericht anerkannt worden. Wollen sie also ein solches Gesetz nicht machen, so hoffen wir auf das Reichsgesetz. Das wird hoffenttich a n d e r S ausschauen.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Müller-Koblenz(Z.) betont noch einmal den ablehnenden Standpunkt seiner politische» Freunde und weist besonders darauf hin. daß die Entdeckung von Kruninalverbrechen durch die Feuer- bestattung behindert werden können. Die Vorlage scheine nicht aus fachlichen, sodern aus polnischen Gründen eingebracht zu sein, da sie in der Thronrede nicht vermerkt sei. Minister de» Innern von Dallwitz: Die kriminalistischen Be- denken des Vorredners sind nach Ansicht der Regierung durch die in der Vorlage enthaltene» Kautelen beseitigt. In der Kommission wird auch ein Kommiffar des Justizministers diesen Standpunkt vertreten. Bielleicht kann man die Kautelen nach dieser Richtung auch noch etwas verschärfen. Die Vorlage geht an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr.(Dritte Lesung deS Etat?) Schluß i3U Uhr._ parwmentarilcbes. Aus der Budgetkommission des Reichstages- Die Kolonie Togo ist die einzige der deutschen Kolonien, die keines Reichszuschusses bedarf. Die Beratung de» Etats für Togo wurde ohne wesentliche Debatte erledigt. Zum Etat für Südwestafrika ist ein zweiter Nachtragsetat für 1910 eingegangen. An fortdauernden Ausgaben werden darin L,2 Millionen, an einmaligen Ausgaben 1,2 Millionen gefordert. An Einnahmen verzeichnet der Nachtragsetat aus Zöllen, Abgaben. Gebühren und Einnahmen aus der Bergverwaltung 2.7 Millionen, aus der Verpachtung von Verkehrsanlagen im Süden 303 000 M. Vor Eintritt in die Beratung gab es eine einstündige Geschäfts- ordnungsdebatte über folgenden Antrag Erzberger , Dr. Arendt, Dr. Arning. Dr. Voller, Gröber, Lattmann und Freiherr v. Nicht- Hofen-Damsdorf: Die Kommission wolle beschließen, eine sieben- gliedrige Subkom Mission einzusetzen, die alle auf die Gewinnung und den Verkauf der D i a m a n t e u bezüglichen Maß- nahmen und die gesamten bergrechtlichen Verhältnisse in Südwest- afrika zu prüfen und der Budgetkommission Bericht zu erstatten hat. Von der Einbringung des Antrages waren die sozialdemo- k r a t i s ch e n Kommtsswnsmitglieder und der Referent Abg. Scmler nicht verständigt worden. Die lebhaften Proteste mehrerer Kommissionsmitglieder bewirkten, daß schließlich der An- trag zurückgezogen wurde. Der Nachtragsetat wurde eu dloc au, genommen. Bei der Beratung des Etats für Südwcstafrika gab der Staats- fekretär auf Verlangen eine Darstellung der Vorgänge in Wilhelms- tgl. wobei eine KvzM tzer heim Brnj der IM Zgribib,