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|t. 71. 28.Iahtgmg. L KnlM des Jon W fittlinft Oolblilatt. Mag. 24. Mar; 1911. Relcbetag* 166. Sitzung. Donnerstag, den 23. März, nachmittags 1 Uhr. Alm BundesratStisch: Dr. Delbrück, v. Lindequisi. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Beratung des Etats des RcichSamts deS Innern. Hierzu sind nur noch zwei namentliche Abstimmungen vorzunehmen. Der Antrag Dr. Ablast(Vp.) u. Gen., der verhindern will, fc/st Organisationen, die politische Zwecke verfolgen, mittelbar oder umnittelbar Propagandabeihilfen aus dem Kalifonds erhalten. wird in namentlicher Abstimmung mit 197 gegen 130 Stimmen abgelehnt. . Zur namentlichen Abstimmung kommt dann folgende Resolution Alb recht lSoz.) u. Gen.: Die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstag  alsbald einen Gesetzentwurf zugehen zu lassen, der den§ 27 des Gesetzes über den Absatz von Kalisalzen dahin abändert, dast die dort genannte Abgabe mit der Mastgabe der Reichskasse zugeführt wird, dast der Ertrag derselben alljährlich zur Verwendung für sozialpolitische Zwecke in den Etat einzustellen ist. Die Resolution wird mit 237 gegen 83 Stimmen abgelehnt. Der Etat ist damit erledigt. Es folgen Petitionen, über die Abg. Hoch(Soz.) berichtet. Ein Antrag Alb recht und Genossen(Soz.) geht dahin, die Petition des Professors Dr. Albrecht in Berlin   namens der Deutschen Baugenossenschaftsverbände um Erhöhung deS Etats­titels zur Förderung der Herstellung von Klein- Wohnungen für Arbeiter usw. dem Reichskanzler zur B e- rücksichtigung zu überweisen. Der Antrag wird abgelehnt. Es folgt die zweite Lesung des Kolonialetats. Beim Titel: Gehalt deS Staatssekretärs findet eine allgemeine Aussprache statt. Abg. Erzbcrger(Z.): Wir haben seinerzeit als nächstes Ziel aufgestellt, dast die Kolonien die Ausgaben für ihre Zivilverwaltung selbst aufbringen. Dies Ziel ist erreicht mit Ausnahme von Neu- guinea. Wir müssen nun aber danach trachten, dast auch die Militärlasten von den Kolonien selbst aufgebracht werden. Die militärische Besatzung in Südwestafrika sollte im Jahre 1912 auf die Hälfte herabgesetzt werden, dann könnte sich der ReichSzuschust wesentlich vermindern. Der Etat liefert den Beweis, dast unsere Kolonien sich in ständig aussteigender EntWickelung befinden. Das bedauerliche Vorkommnis in Ponape   hat wieder bewiesen, dast die Entwaffnung der Eingeborenen dort dringend notwendig ist. Der zweite Zusammenstotz in Südwestafrika hat die Mängel der Zwangs- arbeit der Eingeborenen enthüllt. Die Anstellung von Eingeborenen- kommistaren ist eine sehr vernünftige Mastnahme. Die staatlichen Behörden sollten Hand in Hand gehen mit den Missionaren. Scharf zu rügen ist es. dast die Kolonialverwaltung in den Zollstreitigkeiten sich Eingriffe in schwebende Prozesse durch Verordnungen und Verfügungen geleistet hat. Der frühere Staatssekretär hat dies Vorgehen ausdrücklich gerechtfertigt.(Hört I hört I) Hoffentlich kommen solche Dinge unter dem Staatssekretariat L i n d e q u i st nicht vor. Beim Bahnbau muh grötzere Vorsicht in bezug auf die Vorarbeiten usw. walten. Mögen unter dem Regime Lindequist die Kolonien wachsen, blühen und gedeihen.(Bravo  ! im Zentrum.) Abg. Dröscher(k.) spricht dem Staatssekretär für seine treffliche, umsichtige, ausgezeichnete usw. Verwaltung und dem Abg. Erz- b e r g e r für seine erschöpfenden, tiefgründigen usw. Ausführungen seinen tiefgefühlten Danlaus und erklärt, dast er nach diesenAusführunaen eigentlich wenig oder nicht» zu sagen habe. Der Wunsch, die militärische Besatzung Südwestafrikas zu vermindern, sei zu unterstützen, aber keinesfalls dürfe diesem Wunsche dann nachgegeben werden, wenn dadurch die Sicherheit der Kolonie gefährdet werden sollte. Anläst- lich der Erörterung über die Diamantengewinnung ist meinen Freunden ganz zu Unrecht der Vorwurf gemacht worden, uns mangelle das Verständnis für die wirtschaftlichen Unter- nehmungen und die Betätigung des Grostkapitals in den Kolonien. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Wenn die Sozialdemokraten unter sich find, so geben sie auch zu, dast wir die Kolonien nicht mehr entbehren können. Offen wird daS natürlich von den Sozialdemokraten nicht gesagt. Wir sind große Freunde der großkapitalistischen Betätigung in den Kolonien. Wenn in letzter Zeit beim Grohkapital die Vorliebe da für nachgelassen hat, so bedauern wir das, aber wir sind daran nicht mitschuldig. Wir können uns nicht dafür erwärmen, dast von den Kolonien der eiuheimische Markt mit Fleisch versorgt wird. (HörtI hört! links.) Wir empfehlen dagegen, das Fleisch in den Kolonien selbst zu verwerten, etwa zur Fleischextraktfabrikation. Der Herr Staatssekretär sagte in seiner Programmrede: Es geht vorwärts mit unseren Kolonien! Wir unterstreichen dieses Wort und kleines feuitteton. Ribelungen-JubilSum. Die Geschichte der deutschen   Dichtung und die deutsche Bühne feiern in diesem Jahre eines der wichtigsten Fünfzigjahr-Jubiläen, denn vor fünfzig Jahren, 1861, ist Hebbels gewaltige Nibelungentrilogie in der für die Bühne geeigneten Ge- stalt fertig geworden und hat in Weimar   unter DiirgelstedtS Leitung und in Anwesenheit des Dichters ihre Feuertaufe erhalten. Der erste u»d zweite Teil wurden schon am 31. Januar 1861 mit unzweifelhaftem Erfolge gegeben:..eine Aufmerksamkeit und eine Totenstille", schreibt Hebbel  ,als ob nicht von der Vergangenheit, sondern von der Zukunft die Rede wäre, und eine fest zusammen- gehaltene Stimmung". Beendet wurde aber die Arbeit für die schlietzliche Bühnengestaltung vonKrimhibds Rache" in den März- tagen; am 14. März schreibt Hebbel   an Dingelstedt:Ich habe den dritten Nibelungenteil behandelt wie die Grönlandsfahrer den harpunierten Walfisch, auf dessen Rücken sie Feuer anmachen, und schicke Dir das behackte und behauene Monstrum... zu. Die Leistung meiner Hand oder vielmehr Faust wird Deine kühnsten Erwartungen übertreffen, denn ich habe nicht weniger als 380 Verse weggebracht und das lange Stück dadurch in ein so kurzes verwal.vrit. dast es die Schranken eines gewöhnlichen Theater- abends um nichts mehr überschreitet." Am 16. und 18. Mai fand oann oie erste Aufführung des Gesamtwerkes statt.Unter der genialen Leitung und liebevollen Pflege Franz Dingelstedts" hatte sieden vollständigsten Erfolg". Bei dieser Aufführung wirkte Christine Hebbel   als Kriemhild   und Brunhild   mit. Im nächsten Jahre folgte dann auch die Aufführung in Berlin  , 1863 in Wien  . Die Nibelungen   haben mehr Erfolg als je ein Stück von mir", lesen wir in Hebbels Tagebüchern,in der Presse wie aus dem Theater. Ganz gegen meine Erwartung, so sehr, dast sich auch nicht im letzten Winkel des Herzens eine stumme Hoffnung verbarg, die das ahnte.", Vomschwarzen Kabinett". Die von den Parisern so viel- geschmähte französische   Telephouverwaltung hat in ihrem Betriebe nun eine Neuerung eingeführt, die dazu bestimmt ist, den Verkehr der Beamten mit dem Publikum zu überwachen. Man hat auf dem Telcphonamt für daS Aufsichtspersonal sogenannteMithörapparate" eingerichtet; bisher konnten jie Aufsichtsbeamten ihre Tätigkeit fo» zusagen nur platonisch ausüben, sie traten immer erst in Wirksam- «it. wenn ein Streitfall zwischen Teilnehmer und Telephonfräulcin ausgebrochen war; nun werden sich die Kontrolleure durch Mithören davon überzeugen können, ob die Telephondamen es an der wünschen dem Staatssekretär zu diesem höchst erfreulichen und viel- versprechenden Anfang seiner Tätigkeit Glück.  (Beifall rechts.) Abg. Lcdebour(Soz.): Ich muß bekennen, dast ich immer Bewunderung empfinde, wenn ich den Vorredner höre und wahrnehme, welche austerordentliche Menge von Wonnegefühlen in der Brust eines einzelnen Mannes Platz haben, wenn er das Glück hat, einen neuen Staatssekretär an- schwärmen zu können.(Heiterkeit und Beifall.) Diese Lobeshymnen eines treuen deutschen   Untertanenherzen dürften dem Staatssekretär noch neu sein, ich will ihm deshalb sagen, daß die Dröschersche Lobrede unterschiedslos jedem Staatssekretär zuteil wird, dast sie seinen Vorgängern gewidmet worden ist und auch seinen Nachfolgern zuteil werden wird.(Heiterkeit.) Dr. D r ö s ch e r hat im wesentlichen die Ausführungen Erzbergers wiederholt, aber einen eigenen Gedanken hat er doch vorgebracht, denn er hat erklärt, dast er sich in die Seele der Sozialdemokraten, hineinphantasisren könnte, und aus dieser von ihm erkannten sozial- demokratischen Seele heraus hat er nun gesagt, dast auch wir Sozialdemokraten jetzt für die Kölonialpolitik gewonnen sind; wenn wir unbeobachtet seien, dann legten wir ein Bekenntnis zur Kolonialpolitik ob. Ich muß dem Abg. Dr. Dröscher jede Be- fähigung absprechen, in unsere Seelen sich hinein zu versetzen. Ich stehe noch heute auf dem ablehnenden Standpunkt den ich von jeher zur Kölonialpolitik eingenommen habe. Die sozial- demokratische Partei als solche steht gleichfalls der Kolonialpolitik grundsätzlich ablehnend gegenüber. Nur vereinzelte Mitglieder nehmen eine andere Stellung ein. Trotz dieser grundsätzlich ablehnenden Haltung haben wir natür- lich die Pflicht, für die nun einmal vorhandenen Kolonien eine mög- lichst gute Verwaltung zu schaffen. Ich möchte Dr. Dröscher warnen, sich der Illusion hinzugeben, als könnte die auch von uns ge- förderte B a u m w o II k u l t n r in den Kolonien irgend einen großen Einfluß aus den Weltmarkt oder deutschen   Baumwollmarkt ausüben. Als Dr. Dröscher von den Milliardenschätzen des Nalronsees schwärmte, dachte ich: ach, wenn das doch noch der gute alte Dernburg erlebt hätte, dast seine Phantasiepolitik, die sich in der Dattelkistenangelegenhcit zeigte, heute noch übertroffen wird.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Die Natronschätze in jenem schlecht zugänglichen Gebiet werden niemals die von Dr. Dröscher erwarteten Millionenerträge bringen. Ich muß die Niedcrschicßmlg von Eingeborenen in Südwcstafrika erörtern und stütze mich dabei auf die vom Staatssekretär selbst ge- gebene Darstellung. Die Firma Orenstein u. Koppel warb für einen Vahnbau eingeborene Arbeiter an. Der Vertrag, den die Firma Orenstein u. Koppel mit den eingeborenen Arbeitern abschliestt, ist ein unsittlicher Bertrag, ein Vertrag, der wider Treu und Glauben verstößt. Der Staats- sekretär sagt: die Verwaltung kann nichts gegen solche Verträge unternehmen, die austerhalb deS deutschen   Gebietes abgeschlossen werden. Aber bei gutem Willen ist die Verwaltung doch dazu im- stände. Weise sie nur die deutschen   Konsuln in Britisch-Südafrika an, auf Verträge zu achten, die mit dortigen Eingeborenen von deutschen   Firmen abgeschlossen werden.(Zustimmung bei den Soz.) Die Vorgange bei dem Streik der schwarzen Arbeiter bei Oren- stein u. Koppel sind im einzelnen nicht völlig aufgeklärt, zumal der Staatssekretär der Kommission keine sehr genaue Darstellung ge- geben hat. Soviel steht fest: Der Aufseher der Firma, ein gewisser Rüpel(Heiterkeit), gerät in ArbeitSzwistigkeiten mit den Schwarzen. Sofort requiriert er Militär! Also Militär wird requiriert bei einer das Arbeitsverhältnis betreffenden Streitigkeit. Es ist so, als ob Herr B u e ck vom Zentralverband der Industriellen das Kommando in Afrika   führe I(Sehr gut bei den Sozialdemokraten.) Der Hauptmann, an den der Geschäfts führer sich wendet, schickt zunächst einen Leulnant. Es wird nun behauptet, dieser Leuwant sei bedroht worden und habe einen Augenblick in Lebensgefahr geschwebt.(Heiterkeit.) Darauf wird ein Kommando geschickt, daS die Eingeborenen umzingelt. ES wird nun behauptet, die Soldaten seien provoziert worden. Umgekehrt I Die Schwarzen wurden provoziert. Sie mußten nach Lage der Dinge sich bedroht glauben. DaS Ende der Sache war. daß eine Reihe schwarzer Arbeiter teils getötet, teils verwundet wurden. Der Staatssekretär behauptete nun, die Untersuchung habe weder die Firma, noch die Offiziere belastet. Das ist wahrhaftig nicht unsere Auffassung I(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Die Firma hatte die Eingeborenen einfach getäuscht. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und wie kommt man dazu, sich mit militärischer Macht in Lohnstreitigkeiten zu mischen? Ein konservatives Mitglied der Kommission, das ich nach dem neuer- dingS eingerissenen unzweckmäßigen Gebrauch leider nicht mit Namen nennen kann, hat das Gemetzel gerechtfertigt mit der angeblichen Bedrohung und Beschimpfung der deutschell nötigen Aufmerffamkeit und Höflichkeit gegen die Abonnenten fehlen lassen, denn wie kürzlich auch in Deuffchland, so sind in Paris  Differenzen zwischen Fernsprechteilnehmern und Tclephondamen an der Tagesordnung. Aber daS Pariser Publikum ist mit dieser Neuerung nicht einverstanden, es sträubt sich gegen den Gedanken, dast die Aufsichtsbeamte» ganze Gespräche mit anhören und kon- trollieren können; man sträubt sich gegen dieseZensur" und fürchtet in denMithörern" eine Wiederkehr des ominösenschwarzen Ka- binetteS", das in früheren Zeiten die Inanspruchnahme der Post fo gefährlich machte. Denn als Ludwig XV.   1760 dem Herrn Piarron de Chamouset daS Privileg gewährte, in Paris  einen Postdienst einzurichten, behielt er sich daS souveräne Recht vor, in das Briefgeheimnis einzudringen; der Intendant der Post errichtete das berüchtigte schwarze Kabinett, und es gab damals fast keinen Brief, der in die Hände des Empfängers kam, ohne daß der König von dem Inhalt erfuhr. Jeden Morgen über- reichte der Intendant Jannel dem König die Abschriften der beför- derten Briefe, und wenn Staatsgeheimnisse fehlten, sorgte er westigstens für Unterhaltungsstoff, indem er auch alle pikanten Histörchen aus den Briefen dem Könige unterbreitete. Jannel hatte seine besonderen Geräte, um die KuvcrtS zu öffnen; waren sie nur gummiert, so genügt ein Becher mit heißem Wasser, um sie mühelos zu öffnen. Waren sie aber versiegelt. dann wurde die Operation schwieriger; dann schob Jannel eine in heißem Wasser erwärmte Eisenklinge in den Umfchlag. Von dem Siegel wurde vorher ein Abdruck genommen, der dann dazu benutzt wurde, nach Durchsicht des Briefes das Schreiben wieder zu verschließen. Die Briefe wurden am Morgen früh durch die 22 Boten den Empfängern zugestellt; zu gleicher Zeit aber er- hielt auch der König die Abschriften. Wenn das verderbliche fchwarze Kabinett von damals in seiner ursprünglichen Form auch längst nicht mehr besteht, so lebt es doch, schreibt derGaulois", wenn auch in anderer Form und unter andere», Namen, noch heute fort. Der moderne Telegrammverkehr unterliegt auch heute noch einer bedingten Zensur, und alle Drahtmeldungen, die für die Sicher- heit des Staates gefährlich oder verdächtig erscheinen, kommen zur Kenntnis des Postministeriums. Humor und Satire. Seid fruchtbar! Leute wünscht der Arbeitgeber Und Soldaten braucht das Heer! Der Prolet, der blöde Streber, Unterschätzt dies leider sehr. Uniform. Das ist ein charakteristischer Beitrag zu der militaristischen Verseuchung unserer herrschenden Klassen und paßt vortrefflich zu dem neuerdings aufgebrachten Begriff der Putativnotwehr.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich muß ferner auf die Angelegenheit der Eingeborenen- Ländereien zurückkommen, die ich hier schon oft vorgebracht habe. Der Reichstag hat schon mehrere Male eine Resolution an- genommen, die die Ausstattung der Eingeborenen mit soviel Land fordert als nötig ist, damit sie ihre gewohnte Wirtschaftsweise, das heißt die Viehzucht, fortsetzen können. Der Bundesrat hat dieser Resolution nicht zugestimmt, unter der Vorgabe, dast die Eingeborenen kein Vieh mehr haben, also auch kein Land nötig haben. Also zuerst nimmt man den Eingeborenen das Vieh und dann erklärt man, daß sie ohne Vieh kein Land mche brauchen!(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Der vergangene Staatssekretär scheint vielleicht nach den Gepflogenheiten der Börse diese Beraubung der Eingeborenen für so selbstverständlich gehalten haben, daß er gar keine weitere Erklärung dieses eigentümlichen Verfahrens für nötig hielt. Der jetzige Staatssekretär versucht wenigstens so etwas wie eine Recht« fertigung. Er sagt, nur den Eingeborenen sei die Viehhaltung ver- boten, denen sie nicht vom Gouverneur gestattet ist. Ein wunder- barer Schluß: Es ist nur verboten, was nicht gestattet ist.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Für unsere Resolution haben auch die Freisinnigen gestimmt. Wie stellen Sie sich zu der Nichtdurchführung der vom Reichstag mit großer Mehrheit erhobenen Forderung?(Zuruf des fortschritt- lichen Abg. G o l l e r.) Ich muß sagen, Herr Kollege Goller, daß ich die gleichgültige Haltung deS Freisinns gegenüber der wichtigen Frage des Eingeborenenschntzes sehr sonderbar finde. Es ist wahrlich nicht angebracht, über die unterjochten, ausgepowerten, ge- misthandelten Eingeborenen frivole Bemerkungen zu machen. (Vizepräsident Dr. Schultz: Sie dürfen Abgeordneten nicht vor- werfen, dast sie frivole Beinerlungen machen!) Wir protestieren dagegen, dast man die Eingeborenen Südwcstafrikas zu willenlosen, wehrlosen Objekten rücksichtsloser Ausbeutung macht. Wir verlangen, dast die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit auch gegenüber den Eingeborenen der deutschen Kolonien befolgt werden I(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Goller(Vp.): Der Vorredner litt offenbar an Stoffmangel, denn er griff eine frühere Aeusterung von mir auf und po- lemisierte gegen einen Reichstagskollegen, noch ehe dieftr ge- sprachen hatte. Ich hoffe, dast dieser Brauch nicht weiter ein- reißt. Der Staatssekretär ist ein trefflicher Kenner der Wirtschaft- lichen und sonstigen Verhältnisse der Kolonien, er ist vor allem auch ein guter Kenner des Negercharaktcrs, und wir können von seiner Tätigkeit manche Verbesserungen erhoffen. Auch ich halte eine Herabsetzung der südwestafrikanischcn militärischen Besatzung für notwendig. Heute brauchen wir doch für unsere Kolonien keinen Schutz gegen äußere Feinde mehr. Der Forderung neuer Beamtenstellen in den Schutzgebieten werden wir im wesentlichen zustimmen. In den Kolonien muß es heißen: Aerzte, Techniker, Postbeamte vor die Front! Der Neger muß der Arb(& zugeführt werden, wenn man ihn auch selbstredend human und gerecht behandeln muß. Herr Ledebour   sollte doch selbst einmal nach Afrika   gehen. Dann würde er auch nicht in jeder harmlosen Aeusterung. wie ich zum Beispiel eine solche heute morgen in der Kommission �getan habe, gleich eine fürchterliche Frivolität sehen. Die Adelslaste der H e r e r o S ist vernichtet, tvaS jetzt übrig ist von dem Stamme, gehörte früher schon zur dienenden Kaste und hat es jetzt nicht schlechter, sondern besser als früher. Südwestafrila schreitet in erfreulicher Weise fort. Das südwestafrikanische Rindvieh flötzt ja schon unseren Agrariern Konkurrenzschmerzen ein.(Heiterkeit und Sehr gut! links.) Im scharfen Gegensatz zu den Agrariern wünschen wir gerade, daß die Kolonien uns mit Fleisch versorgen mögen.(Lebhafter Beifall bei den Fortschrittlern.) Abg. Dr. Pansche snatl.): Wir bringen dem neuen Staatssekretär vollstes Vertrauen entgegen. Wir waren nicht in allen Fragen mit Dernburg einverstanden; aber wir zollen seiner großzügigen Kolonialpolitik höchste Anerkennung und wir sind stolz darauf, dast wir diese Politik schon unterstützt haben, als die, die sich jetzt als eifrige Kolonialfreunde ausgeben, sie aufs schärfste bekämpft haben. (Sehr gutl bei den Liberalen. Rufe: Erzbergerl) Geradezu unerhört ist eS, wenn ein Konservativer sich in einer Volksversammlung die Aeusterung leistet, der frühere Staats- sekretär Dernburg   habe eine Milliarde deutschen   National- Vermögens an seine Freunde, die Börsenspekulanten, ver- schenkt. Man soll den Leuten, die wagemutig in die Kolonien hinausgehen, doch nicht übelnehmen, daß sie tüchtig Geld verdienen wollen. Redner verweist sodann, bei seiner leisen Stimme vielfach unverständlich, auf die EntwickelungSmöglichkeit der deutschen   Ko- lonien, besonders auf die große Bedeutung deS Kautschuks.(Bravö I bei den Nationalliberalen.) Abg. v. Licbert(Rp.): Wir schaffen geradezu einen Welt- rekord, wenn wir für eine schnelle Verbindung bis zum Tan- Weil der Brotherr ihm nicht minder. Wie der Fiskus. Aerger schafft, Produziert er wen'ger Kinder. Hemmend seine Zengungskrast. Listig wagt er zu betrügen Den Privatmann wie den Staat! Doch schon hör' ich heftig rügen Solchen Trug den Bundesrat. Durch Gesetz, das nichts kann lindern, Regelt er die Konzeption; Keiner darf sie künstlich hindem l Sonst fliegt er ins Loch zum Hohn. Vorm Gesetz gehorsam beuge Deinen Starrsinn drum, Prolet! Lege dich ins Zeug und zeuge, Daß kein Kind verloren geht. Welche Fülle von Enrpfängen l Dennoch ist's kein leerer Wahn: Auch dem Bundesrat, dem strengen, Seh' ich das Verhängnis nah'n. Mit dem Kriegsruf:Wen'ger   Kinder Feucht   verstärkt durch kalten Guß, Treibt die Herrn Gesctz-Entbinder Ab Madam Vopelius l Michel. Nottze«. Ein Alt-Berliner Maler. In der Alt-Berliner Ab« teilung der Großen Berliner   Kunstausstellung wird dieses Jahr eine Kollektion Blechen scher Gemälde zu sehen sein. Eine große Anzahl von Werken und namentlich Studien dieses Meisters ist gesichert, so daß zum ersten Mal ein Einblick in sein künstlerisches Schaffen ermöglicht wird, wie er bisher noch nie ge- boten ist. DieFrau als Theaterdirektor. Norwegen  , das in diesen Tagen einen weiblichen Volksvertreter erhalten hat, erfreut sich nun auch zum ersten Male eines weiblichen TheaterdirektorS. In Deutschland  . Frankreich   und Italien   ist das allerdings schon keine Besonderheit mehr; in den skandinavischen Staaten war die Leitung des dramatischen Kunstbetriebes aber bisher ausschließlich den Männern vorbehalten. Diese erste Theaterdirektorin Norwegens   ist Frau Thora Hansson.   der die Leitung des Theaters in Drondhjem übertragen worden ist.