amten ausspricht, der einen Dievstakil milder beurteilte«IS Betätigung sozialdemokratischer Gesinnung.Diese Aeußerung ist so unerhört, das; ich nicht annehmen kann, das;der Minister damit einverstanden ist.(Bravo! bei den Sozial-demokraten.)Abg. Hauß(3.) Wünscht eine Revision der Lohnverhältnisse derRottenarbeiter.Abg. Behrens(Wirtsch. Vg.): Die Hereinbeziehung der Eisenbahner in die Arbeitskammern wird nicht durchführbarsein, da die Regierung sie absolut ablehnt. Unter diesen Umständenhabe ich mich für eine Zentralisation der Arbeiterausschüsse ans-gesprochen.— Das Streikrecht hat für die Eisenbahner keinen prak-Aschen Wert, iu, cS kann zu einer Gefahr für sie werden. Er-scheinungen wie bei dem Eisenbahnerstrcik in Frankreich liegen nichtim Interesse der BolkSwirtschaft. des Staates und auch nicht derArbeiter. Das Wort„Generalstreik ist Generalnnsinn" stammtübrigens aus dem Wortschatz der sozialdemokratischen Bewegung.(Hört! hört! rechts.)Minister v. Brcitenbach: Herrn E m m e l fehlt jedes Berständniödafür, daß zwischen der Verwaltung und den Arbeitern ein V e r-traue 11 sverhältnis bestehen must. Daher ist es notwendig.daß die Verwaltung informiert wird, wenn die Arbeitersich in Versammlungen zusammenfinden. Der überwiegende Teilder Arbeiter hat dafür auch volles Verständnis. Enlsckiedenprotestieren mufi ich dagegen, dafi die Beamten, die in dieser Weiseihre Pflicht erfüllc«, als Spitzel bezeickmet werden.(Bravo! rechts.)Die Aeusterung des Beamten, der Betätigung sozialdemokratischerGesinnung und Diebstahl in Verbindung brachte, habe ich bereitsgeniigbilligt.Abg. Carstens(Vp.) schlicht sich in der Frage des Streikrechtsder Eisenbahner dem Abg. Behrens an. Die Majorität der Eisen-bahnarbeiter ist gegen ein Streikrecht.Abg. Emmel(Soz.):Abg. Behrens huldigt der sonderbaren Ansicht, daß wegendes französischen Eisenbahnerstreiks den deutschen Eifenbahnarbeiterndas Streikrecht genommen werden müsse. Es gibt gar kein be-sondercs Slreikrecht, das, was man so nennt, ist nur eine Kon-sequenz deS allgemeinen K 0 a l i t i 0 n s r c ch r s. Derselben irreführenden Verwechslung huldigt der Abg. Carstens.Die deutschen Eisenbahnarbeiter haben dasselbe Recht wie dieanderen Arbeiter auf volle und unumschränkte Koalitionsfreiheit.— Der Minister sprach in hohen Tönen von dem gegenseitigenVertrauen, das zwischen der Eisenbahnverwaltung und ihren Arbeiternbesteht. Wenn dem so ist. warum dann diese Ucberwachung, dieseBespitzelung der Arbeiterversammlungen? Wenn man glaubt, mitsolchen kleinlichen Maßnahmen die Sozialdemokraten aus denEisenbahnwerkstätten fernzuhalten, so irrt man sich. Und wenn derMinister sich über den Ausdruck„Spitzel" beklagt, so erwidere ich:so lange sich Leute finden, die sich zu Spitzeldiensten her-geben, so lange müssen sie sich auch gefallen lassen, als Spitzelbezeichnet zu werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Wir Sozialdemokraten werden uns jedenfalls das Recht nicht nehmenlassen, die Dinge beim rechten Namen zu nennen.Der Minister aber täte gut, mit diesem System der moralischenKorruption zu brechen.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Werner(Antis.) bittet um Besierstellung verschiedenerBeamtenkategorien, besonders der Beamten in den Abfertigungs-ämtern.„Der Rest des ordentlichen Etats der Reichselsenbahnenwird nach unwesentlicher Debatte bewilligt.Beim außerordentlichen Etat wünschtAbg. Göring(Z.) Verbesserung der Bahnverbindungen zwischendem Reichslande und der baherischen Pfalz...Minister v. Brritenbach erklärt, daß bereits mehrere Limen pro-jektiert seien... �Abg. Haust(Z.) führt Klage darüber, daß bisweilen Wagen4. Klasse einfach dadurch in Wagen 3. Klasse verwandelt werden, daßman Schilder mit entsprechender Ausschiist anbringt.Abg. Dr. Spahn jim.- Warburg(Z.) wünscht Aenderungen imGütertarif. Es liegt in der Hand der ReichSeisenbahnverwaltung,durch geeignete Maßnahmen Straßburg die kommerzielle Hegemonieini Reichslande zuzuwenden, die ihm gebührt und die zurzeit vonMannheim okkupiert ist. Manche Klagen des Abg. B ö h l e sindübertrieben, aber wahr ist, daß es gut täte, wenn ein srt scherZ u g in die Verwaltung der Reichseisenbahnen käme.Minister v. Breitendach verspricht sein möglichstes zu tun, umUM die Interessen der Stadt Straßburg zu fördern.Abg. Gothein(Vp.): Wir wünschen gewiß Elsaß-Lothringen diemöglichste wirtschaftliche Entwicklung, aber einen solchen partiku-l a r i st i s ch e n Egoismus,»vie ihn Herr Spahn vertretenhat, können wir doch nicht billigen. Herr Spahn hat geradezueine Depossedierung Mannheim? zugunsten StraßburgS verlangt, einesolche Verkehrsverschiebung können wir nicht wünschen.Abg. Birkenmayer(Z.) polemisiert gleichfalls gegen den Abg.Spahn und verteidigt sein badisches Vaterland, das stolz daraufsei, die besten Bahnen zu haben.Abg. Dr. Spahn(Z.) betont, eS habe ihn, fern gelegen, irgendetwas gegen Baden zu sagen, er bewundere die badische VerkebrS-Politik. Aber Verkehrsverschiebungen kämen in der modernen Zeithäufig vor.Damit ist der Etat erledigt.Es folgen die Petitionen.Berichterstatter Abg. Will(Elf.) wendet sich gegen den AntragA lb r e ch t(Soz.). einige Petitionen von Eisenbahnarbeitern zurBerücksichtigung zu überweisen. DaS habe nur einen Sinn, wennman auch die nötigen Mittel bewilligen wolle.Abg. Böhle(Soz.): Auf diesen Gesichtspunkt haben wir noch beikeinem einzigen Etat Rücksicht genommen. Ich bitte Sie, unseremAntrage zuzustimmen.Der Antrag A l b r e ch t wird abgelehnt, die Petitionenwerden zur Erwägung überwiesen.Hierauf vertagt sich das Haus.Nächste Sitzung: Mittwoch 12 Uhr.(Reichseisenbahnamt, Reichs->. Zölle usw.)_ Schluß 7 Vi Uhr.!e beleidigte Polizei und der ab-geschnittene Blahrheitsbeweis.Nach den Feststellungen der dritten Strafkammer sind Polizei-beamie in Moabit in einer größeren Zahl von Fällen mit Säbeln,Knüppeln, Fäusten und rohen Schimpfworten gegen das Publikumvorgegangen. Aber„der Ehrenschild der Polize, ist blank" sagteHerr v. Jagow. Er hält eS deshalb für einen Frevel an der mitso blankem Ehrenschild einhcrgehenden Polizei, wenn jemand eineBemerkung macht, die als Beleidigung von Polizeibeamten aufgefaßtwerden könnte. Wer so den blanken Ehrenschild der Polizeizu trüben wagt, der muß ins Gefängnis, denkt offenbar derPolizeipräsident. Demgemäß hat er wegen öffentlicher Beleidi-gung von Kriminalbeamten Strafantrag gestellt gegen GenossenWerniuth als verantwortlichen Redakteur des»Vorwärts"....In einem am 2. November erschienenen Artikel über die Vor-g S n g e am W e d d i n g soll die Beleidigung enthalten sein. InT,em Artikel mit der Ueberschrift„Am Wedding Ruhe und Regen"wird gesagt, pünktlich nach Schluß des Morgensternschen Geschäftsfänden sich immer noch die Knüppelgardisten ein, die sich als Doppel-Posten an dunklen Stellen, in Nischen und Fluren verteilten, un-genannt und doch wohlbekannt.Durch den Ausdruck. Kuüppelgardi st en" sollen dieKriminalbeamten beleidigt sein. Mermuth, der sich gestern des-wegen bor der 10. Straskammer zu verantworten hatte, sagte: Ge-meint sind mit der Bezeichnung„Knüppelgardisten" die Leute, welcheam Wcdding mit Knüppeln auf das Publikum einschlugen. Wennunter diesen Leuten Kriminalbeamte waren, dann sind diese natürlichauch gemeint.� Mermuths Verteidiger, RechtSanwaltWolfgangHeine,hatte eine größe Anzahl von Zeugen, etwa 30. geladen, die be-künden sollen, daß sich Kriminalbeamte am Wedding in der Tat sobenommen haben, daß die Bezeichnung„Knüppelgardisten" für sie nichtzu scharf ist. Derartige Borgänge sind in der vorhergegangenenNummer des„Vorwärts" geschildert und darauf bezieht sich derunter Anllage gestellte Ausdruck in der Nummer vom Tage darauf.Die von der Verteidigung geladenen Zeugen solltenin der Hauptsache die Richtigkeit dessen bestätigen, was in demArtikel vom 1. November behauptet worden ist, außerdem aber eineReihe genau angegebener ähnlichen Fälle. Auf Antrag des Rechtsanwalts Heine wurde auch dieser Artikel, soweit er für den vor-liegenden Fall in Frage kommt, verlesen.Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Krüger bemerkte, es handele sich darum, ob die Zeugen überhaupt vernommenwerden sollen.Rechtsanwalt Heine: Sie müssen gemäß ß 244 derStrafprozeßordnung vernommen werden, denn ich habe sie geladenund sie sind zur Stelle.Erster Staatsanwalt Stein brecht widersprach derZeugenvernehmung. Die Anklage sei nur wegen formaler Be-leidigung erhoben. In diesem Falle sei das Gericht, wie daS Reichs-gericht entschieden habe, nicht gezwungen, die von der Verteidigunggeladenen und erschienenen Zeugen zu hören. Es könne z u-gegeben werden, daß der Angeklagte geglaubt habe, Kriminal-beamte hätten von ihren Stöcken Gebrauch ge-m a ch t. Ob solche Verfehlungen wirklich vorgekommen sind, dassei für diesen Prozeß unerheblich.RechtSainvalt Heine beantragt die Vernehmung derZeugen und führt dazu aus: Ich weiß, daß das Reichsgericht ge-sagt hat. das Gericht dürfe„im Jmereffe seiner Würde" auch dieVernehmung der von der Verteidigung geladenen und er-schienenen Zeugen ablehnen, wenn deren Bekundungenin gar keinem Zusammenhange mit der Sache stehen.Im Interesse seiner Würde", das heißt also. wenn, wassich wohl denken läßt, Zeugen lediglich aus Unfug, um das Gerichtzu verhöhne», geladen werden sollten. Im vorliegenden Falle kanndas von der Staatsanwaltschaft angezogene Reichsgerichtsurteil nichtangewandt werden. Das hat da» Reichsgericht selbst mit größterEntschiedenheit ausgesprochen in dem Radbodprozeß gegenden Redakteur der.Bergarbeiterzeitung". Dort hatte die Straf-kammer, weil nur wegen einer einzelnen beleidigenden BehauptungStrafantrag gestellt worden war, den W a h r h e i t S b e w e i s fürdie Zustände in der Grube zuerst abgelehnt. Das Urteil wurdevom Reichsgericht aufgehoben und im zweiten Prozeß mußte derWahrbeitsbeweis in vollem Umfange stattfinden.— Hier liegt nundie Sache so: Am 1. November hat der„Vorwärts" unter derUeberschrift„Die Knüppelgarde" ganz konkrete Vorgänge mit-geteilt. Es ist recht charakteristisch, daß der Polizeipräsident wegendieses Artikels keinen Strafantrag gestellt hat. Ich habe inder Voruntersuchung auf diesen Artikel hingewiesen, um den Polizei-Präsidenten zur Stellung eines Strafantrages zu provozieren. Wenntrotzdem kein Strafanlrag gestellt wurde, so geschah das nicht ohneAbsicht. Nur wegen des Artikels vom 2. November, der auf denvorhergegangenen Artikel Bezug nimmt, ist Strafantrag gestelltworden, in der Hoffnung, daß nnS der Beweis dasiir,daß Kriminalbeamte am Wedding sich so benommenhaben, daß sie die Bezeichnung„ Knüppelgardisten"verdienen, abgeschnitten werden könnte. Glücklicherweise gibtdie Strafprozeßordnung noch Schutz gegen solche willlürlichen Ver-schiebungen der tatsächlichen und rechtlichen Grundlage eines Straf-Prozesses. Wenn bewiesen werden kann— und wir können es be-weisen— daß sich Kriminalbeamte so benommen haben, wie der„Vorwärts" angegeben hat, dann ist der Ausdruck„Knüppelgardisten"für diese Leute überhaupt keine Beleidigung. Wer mitKnüppeln grundlos und wahllos um sich haut, der ist eben einKnüppelgardist. ES mögen unter den Leuten, die aus daS Publikumeingehauen haben, auch Vigilanten ohne Beamtencharalter gewesensein. Aber sie standen doch im Dienste der Polizei. Ein Teil derLeute aber, die dort postiert waren, wo sich diese Dinge abspielten,waren Bcainte. ÄuS diesen Gründen kann uns der Wahrheitsbeweisgar nicht abgeschnitten werden. Sollte es dennoch geschehen.dann ist das Ergebnis lediglich, daß die Zeugen statt heute erst ineinigen Monaten vernommen werden, nachdem das Reichsgericht daSUrteil aufgehoben haben wird.Der Verteidiger überreicht dem Gericht das Original des Reichs-gerichtserkenntnisseS in Sachen des RadbodprozesfeS gegen die»Berg-arbeitcrzeitung".Gerichtsbeschluß.Nach längerer Beratung deS Gerichts verkündete der Vorsitzende:Die Vernehmung der Zeugen wird abg elehnt, weil die Tat-fachen, die sie bekunden sollen, in keinem Zusammenhang mit derunter Anklage gestellten Beleidigung stehen und auch für daS Straf-maß von keiner Bedeutung sind.Erster Staatsanwalt Steinbrecht führt aus, dasWort„Knüppelgardisten", auf Kriminalbeamte angewandt, sei un-bedingt beleidigend, denn es enthalte die Behauptung, daß Beamtemit Knüppeln geschlagen hätten. ES sei anzunehmen, daß der An-geklagte geglaubt habe, daß Kriminalbeamte mit Stöcken ge-schlagen haben, aber das gebe ihm kein Recht, sie al« Knüppel-gardisten zu bezeichnen. Der Ausdruck sei für die Kriminalbeamtenmn so mehr beleidigend, als sie dadurch denZHintzeschen Streikbrecherngleichgestellt werden, die der„Vorwärts" schon verher als Knüppel-gardisten bezeichnet habe. Der Staatsanwalt beantragte eine Geld-strafe von 200 Mark sowie Publikation des Urteils im„Vorwärts"und im„Lolal-Anzeiger". �_Rechtsanwalt Heine beanttagt Freisprechung. DerStaatsanwalt selbst habe die«nllage nur damit begründen kvimen,daß der Artikel die talsächliche Behauptung enihalte. die Kriminal-schutzleute, für die Strafantrag gestellt sei. hätten geprügelt. DieserBeweis hätte der Verteidigung obgelegen und sie hatte ihn fuhrenwollen. Nachdem die Vernehmung der Zeugen abgelehnt wordensei, gäbe es leine andere Möglichkeit als die Freisprechung des An»geklagten. Wenn das Gericht nicht auf dem Standpunll steht: Esist wahr, daß Kriminalbeamte geprügelt haben, dann �hätte es unsereBeweise nicht ablehnen kvimen. Der Verteidiger erklärte: Ich willnach dieser Beschränkung der Verteidigung hier nicht darüber reden,ob der Ausdruck„Knüppelgardisten" beleidigend ist. Ich hätte be-weisen können, daß tatsächlich„Knüppelgardisten" ai,dem fraglichen Ort tätig waren. Nachdem der Beweisfür diese Behauptung abgeschnitten ist. denke ich nicht daran, heutehierüber noch etwas zu sagen. Ich werde darauf zurückkommen,wem, wir wieder in dieser Sache vor dieser Instanz stehen, und nurnoch einige Bemerkungen über das Strafmaß machen.Die vom Staatsanwalt erwähnte Vorstrafe deS Angeklagtenwegen Beleidigung kann zur Begründung des beantragten Straf-maßeS nicht herangezogen werden. Hier liegt die Sache so: Essind Roheiten vorgekommen und der Angeklagte hat seineSchuldigkeit getan, indem er sie kennzeichnete. Wegen deS Artikels,in dem diese Roheiten im einzelnen angeführtwerden, ist kein Strafantrag gestellt. DaS Gericht sollte doch derPolizei nicht zu Hilfe konimen, wem» sie keinen Strafantrag stellte indem Falle, wo sie die Aufklärung polizeilicher AuSschreituiigenbefürchtet, sondern nur in dem Falle Bestrafung fordert, wo sieglaubt, diese Feststellung verhindern zu können. Das Verfahren derPolizei ist so durchsichtig, daß über den Zweck desselben sich keinMensch täuschen kann. DaS Gericht wird zu der Meinung kommenmüssen: Wenn die Polizei in dem ersten Artikel keinen Anlaß fand,Strafantrag wegen Beleldiguilg zu stellen, dann liegt erst recht keinAnlaß vor. in dem zweiten Artikel eine Beleidigung zu erblicken undden Angeklagten deswegen zu bestrafen.W e r m u t h, der das letzte Wort erhält, sagte unter anderem:Ich glaube nicht nur, wie der Staatsanwalt annimmt, daß Kriminal-beamte Leute aus dem Publikum geprügelt haben, sondem ich bindavon fest überzeugt durch Mitteilungen von Augenzeugcn und vonLeuten, welche Prügel bekoininen haben. Der Beweis der Wahr-heit ist angetreten. Weim ich das Treiben der Kriminalbeamtenmit zutreffenden Worten hätte bezeichnen wollen, dann hätte ichschärfere Ausdrücke als die Bezeichnung„Knüppelgardisten* ge«brauchen müssen. Daß ich diesen milden Ausdruck wählte, beweist,daß ich n i ch t die Absicht hatte, zu beleidigen, sondern tatsächlicheVorkommnisse zu kennzeichnen.Urteil.Das Gericht erkannte dem Antrage deS Staatsanwaltsgemäß auf zweihundert Mark Geld st rase und Publi-kation des Urteils im„Vorwärts" und im„Lokal-Anzeiger".Bei der Urteilsbegründimg sagte der Vorsitzende: Das Gerichthatte sich nur zu beschäsligen mit dem Artikel vom 2. November.AuS welchem Grunde der Polizeipräsident wegen des Artikels vom1. November keinen Strafantrag stellte, das geht das Gericht garnichts an. Es kann zu dem Artikel vom 1. November rnckit Stellungnehmen und den Polizeipräsidenten nicht zwingen, Strafantrag zustellen.— Der Ausdruck„Knüppelgarde", auf die Kriminalbeamtenangewandt, ist„zweifellos" beleidigend. Was auch passiert sein mag,der Angeklagte durfte nicht die Kriminalbeamten niit diesem Ausdruckbelege». Weder für die Schuld- noch für die Strassrage kommt iuBetracht, was Polizeibeamte angeblich getan haben.».'Das Verfahren des Gerichts ist ein gröblicher Verstoß gegen dieGesetzesvorschrist, die von allen die wichtigste Garantie für die An»geklagten bildet.Wenn das Gericht mit seiner Auslegung recht hätte, würde jedeBeweiserhebung willkürlich abgeschnitten werden können, denn dieBehauptung, der Beweis, daß Schutzleute wie Kniippclhelden gehausthätten, stünde„in keinem Zusammenhang" mit ihrer Bezeichming als„Knüppelgardisten", wird doch keinem Menschen von gesundem undehrlichem Menschenverstände einleuchten.Uebrigens hat das Gericht ursprünglich selbst nicht so gedacht,denn der auf den 7. März, mittags 1 Uhr angesetzte Termin wurdeohne weiteres aufgehoben, als der Verteidiger anzeigte, daß er einegrößere Anzahl Zeugen direkt laden werde, und daß die Zeit vonMittag an zu ihrer Vernehmung nicht ausreichen würde. Damalsalso sah das Gericht offenbar ein, daß es die geladenen und er-schienenen Zeugen verhören müsse. DaS BeweiZthema war auchbereits angegeben, so daß das Gericht nicht im Zweifel sein konnte,welcher Zusammenhang zwischen der Anllage und dem ZeugenbeweiSbestände.Unter dem Einfluß welcher Gründe das Gericht inzwischen seineAbsicht geändert hat, können wir nicht wissen. Tatsache ist jedenfalls,daß schon vor dem Termin vom 23. März die Nichlvernebmung derZeugen abgemacht gewesen sein muß, denn für diese Sache mit30 Zeugen hatte daS Gericht eine ganze Viertelstunde Zeit angesetzt.Diese Beschränkung der Verteidigung wird einVersuch bleiben, denn das Reichsgericht müßte sich in Widerspruchmit der gesamten bisherigen Rechtsprechung und dem Gesetz setzen.wenn es das Verfahren des Landgerichts gut heißen wollte. Aberdaß schon jetzt ei» solcher Versuch ohne auch nur den Anschein einerstichhaltigen Begründung gewagt werden kann, ist ein Beweis, wessenman sich zu versehen hätte, wenn durch die Strafprozeßnovelle— wieKonservative und Zentrumsleute es wollen— das Recht auf Beweisaufnahme noch weiter in die Willkür— man nennt daS be»schönigend„billiges Ermessen"— deS Gerichts gestellt würde. Derheutige Prozeß»st ein schlagender Beweis gegen diejenige»», dieimmer von»Vertrauen in die Justiz" predigen.Hiid der parte!«Die italienische Partei und der Fall Bissolati.Der Gedanke GiolittiS, einen Sozialisten und zwar denGenossen Bissolati bei der Kabinettsbildung mit dem Postendes Ackerbauministers zu betrauen, hat in den italienischen Partei«kreisen bekanntlich großes Aufsehen erregt. Die dabei zutage ge-ttetene Mißstimmung hat wohl auf den Entschluß B i s s 0 l a t i Seingewirkt, das Portefeuille abzulehnen. Ueber die Stimmungin de» Parteikreisen vor der Ablehnung meldet uns unser römischerKorrespondent:Eine satirische Aeußerung fand die Stimmung bei dem Fest desAvanti", aus dem am LS. d. der IS. Jahrtag unseres Zenttal»organS feierlich begangen wurde. Die jungen Sozialisten führtenda nämlich eine Gruppe vor. deren Komik sich selbst die Reformistennicht entziehen konnten. Ein kleines Kerlchen in Generalsuniform,das inan sofort als Viktor Emanuel HI. erkannte, zog da an einerLeine einen langen hageren grauhaarigen Mann herum, durch dessengroße Bissolatische Nase ein Ring gezogen war. Während derKönig einen Band von Marxen«„Kapital" unter den,Arme trug, hatte Bissolatt, der in Ministeruniform prangte, einendürren Ast aus der Schulter, als Anspielung auf seine Rede auf demMailänder Parteitag, in der er die Partei einen dürren Ast genannthat. Nachdem man die beiden herzlich ausgepfiffen hatte, umdrängtesie der Chor der Bittsteller, und sowohl die Majestät als dieExzellenz geruhten, allen Anstellungen und Unterstützungen zu der-sprechen.DaS Zentralkomitee der revolutionären und intransigenten Sozialisten, daS am 2S. d. MtS. über den Fall Bissolati beraten hat, hateine Resolution angenommen, die sich gegen den Einttitt BissolatiSin das Ministerium wendet, weil die direkte Beteiligung derPartei an den Regierungsorganen der Bourgeoisie außerhalb berge-sunden und folgerichtigen sozialistischen Betätigung liegt. Die HaltungBissolattS laufe der Parteidisziplin und den Kongreßbeschlüssen zu-wider, auch handele es sich um kein persönliches Erpcriment. sondernder beabsichtigte Eintritt sei eine logische Folge des Programmsund der praktischen Altion deS reformistischen Flügels der Partei.Im Schluß der Resolulion werden die Parteiinstanzen aufgefordert'zu der Frage klar und deutlich Stellung zu nehmen.AuS zahlreichen persönlichen Kundgebungen geht hervor, daß dieMehrzahl der Abgeordneten unserer Partei gegen den Eintritt vonSozialisten in das Kabinett ist. Erklärungen in diesem Sinne habenPrampolini. Morgari. Agnini, Marangoni undandere abgegeben. Tur ati, der zu Anfang gesagt hatte, daß manmindestens die Redultion der Militärausgaben auf die Hälfte ver-langen müßte, scheint sich langsam mit dem Experiment zu befreunden,allerdings ohne jeden Enthusiasmus.Was die Parteipresse betrifft, so spricht sich das Genueser„Lavoro" für Bissolati aus, die„Giustizia" von ReggioEmilia sehr energisch dagegen, desgleichen auch das Wochenblatt derMailänder Reformisten, die„Battaglia". Die zahlreichenWochenblätter der Provinzen sind in der Mehrzahl unzufrieden.Von Parteisektionen haben die von Neapel und Bologna be-reits gegen das Experiment Stellung genommen; die römische, beider Bissolati organisiert ist, wird am Donnerstag die Frage be»handeln._Aus den Organisationen.Im 19. sächsischen ReichStagSwahlkreise(Stell-berg-Schnceberg) wurde von der stark besuchten ParteiversammlungGenosse Georg Schöpflin-Leipzig, der jetzige Mandatsinhaber,einstinniiig als Kandidat zur bevoritehenden ReichstagSwahl wiederaufgestellt.— In derselben Parteiversammlung wurden die Partei-bciiräge, die bis jetzt monatlich auf 30 Pf. festgesetzt waren, mitgroßer Mehrheit aus wöchentlich 10 Pf. festgesetzt. Die Er-Hebung des ParteibeitraaeS in dieser Höhe soll ab 1. Juli 1011 ge-schehen. Run ist in Sachsen in allen 23 Wahlkreisen der Zehnpsennig-Wochenbeitrag einheitlich ein- und durchgeführt zum Nutzen derFinanzen, zum Besten der Agitation.Bei einer Gemeiuderats-Cesatzwahl in Bühl(Oberelsaß) fürdrei Mitglieder erzielten die Kandidaten der Sozialdemokratie160— 200 Stimmen, die Kandidaten des Zentrums 203—226 unddrei„unabhängige" bürgerliche Kandidaten 73— 118. Es findetnächsten Sonntags ein zweiter Wahlgang statt, bei welchem dasrelative Mehr entscheidet. Die Sozialdemokratie erzielte bei dieserWahl, bei der sie selbständig vorging, fast eben so vielStimmen, als ihre Kandidaten bei den Hauptwahlcn von 1908auf einer geineinsamen liheral-sozjgliftischen Kandidatenliste erhalten