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Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis ä Uhr nachmittags in der Expedition Abgegeben werden. Die Expedition ijt bis 7 Uhr abends geössnct, Telegramm-Adresse: SozUltttmoisrat ßeNin". Zentralorgan der rozialdemobrattfchen Partei Deutfchlands. Redaktion s SM. 68, Lindcnstraeac 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983. Donnerstag, den 30. März 1911. Expedition: SM. 68, Lindenstraaac 69. Fernsprecher: Amt 1"V, Nr. 1984. Die Stande Europas . (Schluß.) Wir haben gestem im allgemeinen die Schändlichkeiten in den Katorga-Gefängnissen geschildert. Heute werden wir dieses Vild durch die fürchterlichen Einzelheiten ergänzen, und so den Beweis liefern, daß kein Wort des Hasses und der Verachtung scharf genug sein kann, um das abscheuliche Henkersregiment des russischen Zaren zu brandmarken. In der letzten Zeit haben namentlich die Gefängnis- tragödien in W 0 l 0 g d a und S e r e n t u i Entsetzen erregt. In Wologda war es der neue Gefängnisinspektor, der auf Grund des speziellen Befehl des Chefs der Hauptgefängnis- Verwaltung C h r u l j 0 w, das Regime in diesem Gefängnis zu verschärfen, die im Dezember vorigen Jahres statt- gefundenenUnruhen" provozierte und hiernach 86 Gefangene durchpeitschen ließ. Die Jnsafjen von vier Zellen hatten sich geweigert, zur Arbeit zu gehen, wenn man ihnen statt der vorgeschriebenenKost die ganz abscheuliche Fastenkost geben würde, mit der die Gefangenen in Wologda 250 Tage im Jahre gefüttert werden. Am 14. Dezember wurden diese Gefangenen vor den In- spektor geführt, wo ihnen ein Telegramm Chruljows verlesen wurde, in dem es heißt, daß die Häftlinge ohne Ausnahme zu fasten haben. Nun wurde ihnen die Wahl zwischen Prügel und Arbeit überlassen. Jeder wurde namentlich vorgerufen und um seine Entschließung gefragt. Nach einer halben Stunde standen schon alle bei der Arbeit. Dies war für die nach einer Revolte lüsterne Verwaltung eine Enttäuschulig. Ihre Ungeduld wuchs. Ani folgenden Tage kam es zu einem Auftritt zwischen einem Häftling und einem Aufseher. Es entstand ein Lärm. Die beunruhigten Häftlinge begannen mit den Bänken gegen die Zellentüren zu schlagen. Das genügte. Der Chefgehilfe Merkurjew ließ die Wächter Feuer geben. Sofort wurde auch Militär requiriert, die Exekution ging los. 105 Häftlinge wurden ins Dampfbad gebracht, wo der Arzt begutachten sollte, wer von ihnen die Prügelstrafe ertragen könnten. Er fand 80 alsprügelfähig". Der In- spektor fand noch einige Fähige unter denUntauglichen". Sie wurden in einen separaten Raum geführt, wo bereits zwei Henkersknechte warteten. Diese legten ihren Opfern Hauben über den Kopf und hieben mit aus Ruten geflochtenen Peitschen auf sie ein. Der Oberaufseher G l u s ch i z k i zählte die Hiebe, Merkurjew führte die Liste der Geprügelten. Es wurden 86 Häftlinge gezüchtigt. Geschlagen wurde von früh morgens bis zum Abend. Am nächsten Tage besuchte der Inspektor alle Zellen und fragte höhnisch:Nun, wie fühlt Ihr Euch jetzt?" An diesem Tage erschien der Vizegouverneur im Gefängnis und erteilte dem Inspektor öffentlich seine Belobigung. Weit schlimmer noch als diese waren die Ereignisse in Serentui. Dort führte die Administration schon seit Jahren einen zähen Kampf gegen die von S s a s 0 n 0 ,v geführte Ge- fangenengruppe, die der Administration erklärt hatte, daß sie die Anwendung der Prügelstrafe gegen die Gefangenen mit Massenselbstmorden beantworten würde. Dank dieser Drohung und der peinlich genauen Erfüllung aller Gefängnis- Vorschriften vermochte diese Gruppe bis zur letzten Zeit ihre Menschenwürde zu verteidigen. Es wurde nun zu anderen Mitteln gegriffen, um denWiderstand" dieser Gefangenen zu brechen. Seit dem Sommer 1909 wurde gegen die Zellen der politischen Gefangenen, vor allem gegen die Zelle Ssasonows systematisch von der Wache geschossen. Alles wies darauf hin, daß man es hier auf einen Meuchelmord des ver- haßten Feindes, dessen Frist bald ablief, abgesehen hatte. Es ist charakteristisch, daß selbst während der Anwesenheit Chruljows. der im Herbst die sibirischen Gefängnisse inspizierte. gegen die Zellenfenster geschossen wurde. Als der vom Jrkutsker Generalgouverneur zur Inspektion entsandte General P u til 0 w den Gefängnisdirektor Schmatschenko in Akawi wegen dieses ungesetzlichen Schießens zur Rede stellte, erhielt er von diesem die klassische Antwort: �Jch habe geheime Rundschreiben aus der Hauptgefängnisverwaltung I" Derselbe General Putilow äußerte sich den politischen Gefangenen in Serentui gegenüber, daß das Schießen der Wachtsoldaten gegen die Gefangencnzellcn in allen Fällen ungesetzlich sei. Das geschah im Frühjahr 1910, Anfang Dezember wurde zum Direktor der Katorga in Serentui der Bluthund W y s s 0 tz k i ernannt, von dem es bekannt ist, daß er als Chef der Arrestantenkorrektiansanstalt in N i k 0 1 a j e w (Perm) die Gefangenen mit glühendem Eisen folterte.*) (Welche Zustände in diesem Gefängnisse herrschen, ist aus dem soeben abgeschlossenen Prozeß gegen die frühere Gefängnis- administration von Nikolajew . den Cbef I u g u r t i n. seine Gehilfen Konjuchow und Palomoshnich und zwölf Aufseher, ersichtlich, die wegen schwerer Mißhandlung der Gefangenen zu Festungsstrafen und Polizcihaft verurteilt wurden. Die Aussagen zahlreicher Zeugen stellten fest, daß die Folterungen der Gefangenen im Karzer systematisch betrieben und nach irgendwelchen Klagen der Ge- marterten noch verstärkt wurden). Der Chef dieses Gefäng- nisses, Wyssotzki. wurde mit der speziellen Aufgabe nach *) aus der Rede des Genossen K u s n e tz 0 w am 14. März 1911 » der Duma. Serentui gesandt, das Regime dort zu verschärfen. Er nahm für diesen Zweck viererprobte" Aufseher aus Nikolojew mit und machte sich gleich nach seiner Ankunft an die ihm ge- stellte Aufgabe, indem er einige politische Gefangene heraus- griff und durchpeitschen ließ. Darauf beschlossen sieben Gefangene Selbstmord zu begehen. Ssasonow starb, indem er durch seinen Martertod gegen diese Scheußlichkeiten protestierte. Nach diesen Ereignissen wurden die Folterungen in Serentui auf Befehl des Chefs der transbaikalischen Katorga, Sabello, vorläufig eingestellt.*) Sie fanden aber ihre Fort- setzung im Gefängnis zu Wol'gatsch, wohin ein Teil der Gefangenen aus Serentui übergeführt worden war. Wie der Redner der sozialdemokratischen Dumafraktion, B e l 0 u s s 0 w, dieser Tage anläßlich des Etats der Gefängnisverwaltung in der Duma feststellte, nahm der Chef des Gefängnisses zu Wolgatsch, Garin, an dem Gefangenen Malinowski und anderen eine ähnliche Exekution vor/ wie in Serentui. Der kranke Malinowski, der von Serentui bis Wolgatsch 260 Werst zu Fuß zurücklegen mußte und darauf ins Spital gebracht wurde, wurde in den finsteren Karzer geschleppt, weil er sich als Dissident weigerte, bei dem bei ihm erschienenen Geistlichen das Abendmahl zu nehmen. Aus der Anklagerede des zweiten sozialdemokratischen Etatsredners, Kusnctzow, wollen wir nur die Schilderung der Gefängnisgreuel in Jekaterinoslaw hervorheben. Im Jahre 1908 fand in dem Gefängnis in Jekaterinoslaw ein Massaker statt, bei welchem 58 Gefangene getötet und verwundet wurden. Die Folterungen der politischen Gefangenen dauern dort bis auf den heutigen Tag fort. Ende 1910 wurde dort neben vielen anderenPolitischen " auch der 50jährige Arbeiter W a g a n 0 w, der bei den Wahlen zur dritten Duma als gemäßigter Wahl- mann der Arbeiterkurie von den Reaktionären unterstützt wurde, Folterungen und Mißhandlungen unterworfen. Auch der Etatsredner der Kadetten, R 0 d i t s ch e w, wies in seiner Rede auf die täglich stattfindenden Gefängnisgreuel hin.Es gab einst so rief er am Schluß seiner Rede aus bul­garische Greuel, die die ganze zivilisierte Welt in Empörung versetzten. Heute gibt es russische Greuel, deren Grau- samkcit nur der Schamlosigkeit der russischen Lüge gleichgestellt werden kann I" Wir zitieren aus dem uns vorliegenden Material noch einige der charakteristischsten Briefe. Aus dem Gefängnis zu T 0 b 0 l s k. das durch seinenheißen Karzer" berüchtigt ist, schreibt uns am 18. September 1910 ein Gefangener: .Der neue Chef Sinowjew revidierte die Häftlinge ganze Nächte hindurch: diese werden nackt ausgezogen, im Munde und dem After untersuiht. wobei dieser Körperteil in der schamlosesten Weise gcwaltsam gedehnt und die Häftlinge dabei in gebückter Stellung mit dem Kopfe beim Boden gehalten werden und ihnen besohlen wird, in dieser Stellung dreimal zu husten. Wer sich dieser Ope- ration widersetzt, wird in der schrecklichsten Weise mihhandelt. Diese Untersuchungen werden vom Gehilfen deS Chefs Pisteroff und den Oberauffchern Romanoff und Pietroff vorgenommen(auch der Schreiber dieser Zeilen wurde einer solchen Untersuchung unterzogen). Für die Außerachtlassung der neuen Vorschriften deS Sinowjew werden Prügelstrafen ausgeteilt, so daß fast täglich acht bis zehn Häftlinge mit ihrem Blute die Fußböden und Wände des Ge- fängnisses bespritzen und dumpfes Wehklagen das Haus erfüllt. 40 Gefangene hungern, 8 verübten Selbstmord." Die Komödie derärztlichen Fürsorge" in den Ge- fängnisscn, mit der sich die zarische Regierung gewöhnlich vor Europa brüstet, wird durch folgenden Brief aus AlexandrowLk (Sibirien ) grell illustriert: Wenn der Gefängnisarzt Dr. Golschuch dey Ncrvenzustand eines Gefangenen als nichtnormal findet, dann sperrt er ihn für einen ganzen Monat ohne jede Aussicht in Einzelhaft. Nach einem Monat wird eine Piüfung.zweiter Stufe" vorgenommen und er wird ganz nackt in eine kalte Zelle,.Isolator" genannt, gesteckt. Hier, wo im Winter die Temperatur nie mehr als 7 bis 8 Grad beträgt, mutz der nackte Kranke auf dem unbedeckten Fuß- boden ohne jedes Bettzeug schlafen. So werdenNervenkranke ärztlich behandelt. Aehnlich wie die Gcfängnisverwaltung achtet auch Golschuch darauf, daß der Kranke nicbtS Unerlaubtes bei sich hat und unterzieht ihn mit größter Sorgfalt der Leibesvisitation. An das Bett des kranken Gotula, der an Knochentuberkulose leidet, und seit zwei Jahren im Spital liegt, tritt der Arzt Golschuch.Vielleicht werden Sie mich. Herr Doktor, untersuchen" sagt der Kranke.daS Fieber ist gestiegen, ich habe 39,5, ich kann nichts essen." Der Arzt gibt dem Wärter ein Zeichen, die polizeiliche Untersuchung vorzunehmen und entfernt sich. Der im Sterben liegende Kosnira sagt dem Arzte, daß er das Fleisch nicht kauen kann und bitter um leichtere Speisen. Golschuch läßt ihm Kraut und Schrotbrot bringen. Ins Spital wird Jljin gebracht, mit Symptomen von Brand am Fuße. Der Arzt stellt Brand fest, schiebt aber die Operation auf den gewöhnlichen Operationstag auf und nimmt dann nach 4 Tagen dem Sterbenden den Fuß ab. Auf die Typhusabteilung wird der Katorgasträfling W. in bewußtlosem Zu stände mit 40 Grad Fieber, an Händen und Füßen gefesselt, gebracht. Da der Arzt nicht den Auftrag zum Entfesseln gibt, so wissen die Wärter nicht, wie sie den Kranken umkleiden sollen. Schließlich schneiden sie ihm das schmutzige Hemd vom Leibe und ziehen ein frisches über den Körper des Kranken, ohne ihm die Bermel anzuziehen. Der Kranke streift nach einiger Zeit die Handketten ab und steckt instinktiv die Hände in die Bermel . Der Arzt kommt. Wo sind die Ketten? Die Wärter erklären. daß der Kranke sie abgestreift habe, denn anders war das Hemd nicht anzuziehen.Sofort die Ketten anlegen und wenn er sie noch- Wie aus den neuesten Meldungen ersichtlich ist, sucht der Blut- Hund Wyffotzki durch feine Repressionen und sein provokatorisches Borgehen ein Blutbad m Serentui hervorzurufen. mals abstreift, so ist er in den Karzer zu tragen I" dies der Auftrag deS Arztes." Ueber die Greuel in der Katorga zu O r e l, der fürchter- lichsten aller russischen Strafanstalten, liegt folgender Ve- richt vor: Jeder Transport politischer Gefangener wird im Dampfbad empfangen, wo man die nackt ausgezogenen niederwirft, mit Füßen tritt, ihnen F a u st s ch l ä g e WS Gesicht, an Brust und Bauch versetzt usw. Dieser Empfang soll eine Warnung sein und eine Ankündigung, daß man hier in Orel keine Späße versteht. An dieser Prozedur beteiligen sich alle, sowohl höhere als auch niedere Beamte der Verwaltung, jeder auf eigene Art. Einer der Aufseher versteht eS so kunstgerecht den Geprügelten mit der Faust aufs Ohr zu schlagen, daß ihm unfehlbar das Trommelfell gesprengt wird.(In Orel sind deshalb auch sehr viele Häftlinge mit zerrissenem Trommelfell, ihre Namen will aber Schreiber dieses Briefes nicht anführen, um das Los dieser Opfer nicht noch zu verschlimmern. Aus demselben Grunde kann auch über viele andere furchtbare Greuel nicht berichtet werden.) Graf Songailo, der Gehilfe des Gesängnischefs, pflegt Hiebe übers ganze Gesicht von unten bis oben zu verteilen, indem er beim Kinn anfängt und über den Augen aufhört. Der zweite Gehilfe deS Chefs, Amenko, haut mit ganzer Kraft geradeaus ins Gesicht..Da habt Ihr Eure Revolution I" sagt einer nach dem anderen bei diesen Prozeduren. Nach Beendigung desEmpfanges" werden die Häftlinge auf die Zellen verteilt, wo sie jeder Wächter, Aufseher, Soldat, Scherge bis zur Besinnungslosigkeit schlagen darf. ES ist unmöglich, alle Foltermethoden aufzuzählen. Eine ganz unheimliche Erfindungs- gäbe entfalten in dieser Richtung die tollen Bluthunde: Einer der Wächter zum Beispiel zwang einen Häftling wiederholt, das Gesicht in die Oeffnung der Tür zu stecken, und schlug ihn jedesmal mit der Faust auf die Nase.In Eurem Blute werde ich mich baden" erklärte den Häftlingen einer der grausamsten Wächter S a ch a r Koslenkow, dessen Prügelsystem darin besteht, den Gefangenen auf den Boden zu werfen, und ihn mit den Füßen in den Bauch zu stoßen. Selbstmorde der Gefangenen folgen unaufhörlich aufein- ander. Unter anderem hat hier auch der Student Sapotnißky Selbstmord begangen, der im Prozeß gegen die sozialdemnlratische Fraktion der zweiten Duma zur.Katorga" verurteilt worden war." Endlich sei noch ein Bericht über die Zustände in dem Moskauer ,.Butyrki"-Gefängnis zitiert, das von der Regierung stets alsmusterhaft" gepriesen wird: .In der letzten Zeit hat im Butyrki-GefängniS der AbteilungS- vorstand D r u s h i n i n ganz grausam gewütet. Diese entartete und wild gewordene Bestie findet seine Lust im Anhören der Schmerzens- schreie und im Anblick des unter den Rutenstreichen herum- spritzenden Blutes. Wochenlange Karzerhaft oder Prügelstrafe trifft jeden Häftling, an dessen Rock ein Knopf fehlt, der nicht genug höflich grüßt, einen Brief von einem Genossen erhält oder einen solchen schreibt usw. Es wird ohne Grund geschlagen, zum Vergnügen des GefängnisleiterS, aus Prinzip, aus Langeweile, aus Uebung. Spezialisten im Züchtigen sind hier die Aufseher Bondarjew und I e w's s e j e w, zwei Schüler DrushininS, die er aus dem Gefängnis in Jarosflaw mitgebracht hat. Alle älteren Aufseher sind frühere Gehilfen DrushininS ans Jarosflaw her. Wie die Häftlinge mitteilen, verstand es Drushinin in ganz virtuoser Weise, sich Gehilfen auszusuchen und abzurichten. Solche, die nicht schon früher in seiner Schule waren, können nicht lange die von ihm verübten Grausamkeiten und Morde mit ansehen und verlassen oft nach einigen Monaten den Dienst." Wir könnten den Bericht über die Greuel des Zaren- regimes noch fortsetzen, denn bergehoch haben sich die Sünden des blutigen Nikolaus II. aufgetürmt. Wir verweisen zum Schluß nur noch auf die bloß für das Jahr 1909 amtlich registrierte Zahl von 112 Selbstmorden der Gefangenen innerhalb und 37 S e l b st m 0 r d e n außerhalb der Gefäng- uisse I Diese Zahlen müßten von Rechts wegen auf der Stirne des verbrecherischen Herrschers Rußlands eingebrannt werden. Dieses ganze Regime, das einen Schandfleck Europas bildet, ist nur möglich geworden dank der Unter- stützung der internationalen Börse und der europäischen Re- gierungen. Mit dem Gclde der europäischen Kapitalisten hat der Zar seine Herrschaft gefestigt und die mächtige Volks- bewegung unterdrückt. Mit diesem Gelde hat er die Galgen, die Gefängnisse, die Folterkammern errichtet, die seit 1906 unalifhörlich in Arbeit sind, um überall die Ruhe des Kirch- Hofes herzustellen. Dank der moralischen Untcrschätzung der europäischen Regierungen, die in ihren diplomatischen Kon- kurrenzkämpfen um die Gunst des Zaren buhlen und seiner Regierung ein größeres politisches Gewicht verleihen, als sie eigentlich besitzt, dank dieser Unterstützung tritt der Zarismus frecher und schamloser auf, als das selbst unter Alexander III. je möglich gewesen wäre. Die kannibalischen Reden eines Markow, eines Purischkcwitsch in der Duma sekundieren nur den schamlosen Erklärungen der russischen Regierung. Die in Potsdam erfolgte Annäherung zwischen Deutsch- land und Rußland hat auch in dieser Beziehung zu traurigen Folgen geführt. Noch nie hat sich die russische Reaktion so siegessicher, so jeder Verantwortung bar gefühlt, wie in den letzten Monaten, wo sie, der Unterstützung der borussischen Reaktion gewiß, sich in aller ihrer Scheußlichkeit entfaltete. Parallel mit dem chauvinistischen Säbelgerassel im fernen Osten geht innerhalb des Zarenreiches eine Vernichtung der letzten Uebcrreste der Volksfreiheiten vor sich, eine Ver- schärfung des Blutregiments, die die Zeiten Iwans des Schrecklichen in den Schatten stellt. Um die Zukunft ist man in Petersburg nicht besorgt, seitdem in Potsdam die Koalition der osteuropäischen Unkultur ein- geleitet wurde. Und auch die Kosten dafür gedenkt man grotzmütigerweise Deutschland aufzubürden, dem in nächster Zukunft eine neue russische Millionenanleihe bevorsteht.