Kr. 79. 28. Iahrgllvg. i. SeilGt des LmSlls" Kcilm NcksdlÄ. SottMg, 2. MM Reichstag . 181. Sitzung. Sonnabend, den 1. April, vormittags 11 Uhr. Am BundeSratStisch: Mermuth , Dr. Delbrück, v. Linde- tzuist, v. Kiderlen-Wächter. Der Etat der Zölle, Steuer« und Gebühre». Hierzu liegen Resolutionen des Zentrums, der Konservativen und der Wirtschaftlichen Vereinigung vor, welche Schweden gegen- über wirksame Mahnahmen zum Schutz der heimischen Steinini�istrie, insbesondere der Pflastersteinindustrie verlangen. Abg. Speck(Z.): Die Einnahmen aus den Zöllen bieten ein erfreuliches Bild unserer gesamten wirtschaftlichen Entwickelung dar.— Zu bedauern ist, daß die Kosten, die bei der Er- Hebung der Zölle und Steuern den Einzelstaaten erwachsen, zum Teil größer find als die ihnen vom Reich zugewiesenen Beträge; das ist ein unhaltbarer Zustand, den ich den Reichsschatz- sekretär zu beseitigen bitte. Ferner bitte ich den Schatzsekretär, eine Aufstellung über die Belastung der Bevölkerung durch die Zölle und Steuern zu veranlafien.— In bezug auf den Schutz unserer Pflaster- steinindustrie, die durch die starke Einfuhr aus Schweden schwer ge- schädigt ist, muh jetzt, vor dem Abschluß des Handelsvertrages mit Schweden , der Reichstag ein deutliches Wort sprechen; wir verlangen, daß auf diesem Gebiet Erfolge erzielt werden, und wenn das nicht geschieht, werden meine Frennde eS sich sehr überlegen, ob sie dem Handelsvertrage ihre Zustimmung geben.(Hört! hört!) Abg. Brunstermann(Rp.): Die Einfuhr von schwedischen Pflastersteinen hat derartig zugenommen, daß unsere Industrie aufs schwer st e bedroht ist, deshalb ist es unbedingt nötig, in dem neuen Handelsverträge die schwedischen Pflastersteine mit einem starken Einfuhrzoll zu belegen, wie es die von mir gestellte Resolution Verlangt. Ich bitte, diese Resolution anzunehmen. Wg. Scheideman«(Soz.): Den Wünschen auf Einführung eines Pflastersteinzolles gegen- über verhalten wir uns ablehnend. Die Vorredner haben hier eine recht einseitige Darstellung gegeben, sie stützten sich nur aus Material von Unternehmen!(Zuruf im Zentrum: Auch von Arbeitern), wie daS zu bewerten ist, geht aus der Nr. K3 des„Steinarbeiters' hervor, wo mitgeteilt ist, wie in einem Betriebe die Unterschriften der Arbeiter zustande kamen; »er nicht unterschreibt, wird sofort entlasse«, dekretiert« die Betriebsleitung. Mit diesen Stimmen aus Arbeiterkreisen können Sie also keinen Staat machen. Gewiß befinden sich die Steinarbeiter in einer schwierigen Lage, weil die Städte vielfach zum Asphalt und zum Holiwflaster übergehen; aber im ganzen ist die Entwickelung der Steinindusttie eine glänzende, die Zahl der Betriebe, die Zahl der in ihr beschäftigten Arbeiter und damit die Lohnsumme hat in den letzten Jahren sich ganz beträchtlich erhöht. Nun zu etwas anderem. Die Zölle werden auf Grund des Zolltarifgesetzes von 1302 erhoben, und für den Fall, daß irgend jemand hier im Hause es vergessen haben sollte, will ich doch er- wähnen, daß dieser Zolltarif nur durch die Vergewaltigung der Minderheit, durch die Aenderung der Geschäftsordnung zustande kommen konnte.(Sehr richttg l bei den Soz.) Zu den Vorzügen des Zolltarifs soll die größere Spezialisierung gehören. Wir haben daS schon seinerzeit bestritten und unsere Behauptungen haben sich jetzt auch als vollständig richtig erwiesen, die Schwierigkeiten sind gewachsen, iu der Zeit von 1906 bis 1910 hat die Zentralbehörde nicht weniger als 3900 Tarifentscheidungen wessen müssen. Das Reichs fchatzamt hat selbst anerkennen müssen, daß auch jetzt noch einige der Vorschriften ganz ungenügend sind; tagelang find die Waren oft an der Grenze, was zu unglaublichen Scherereien für die Kauflente führt. Die Untersuchung erfolgt durch staatliche Chemiker und kostet manchmal mehr, als der ganze Zoll beträgt.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Natürlich kommt auch St. Bureau- kratws dabei auf seine Kosten, monatelang dauert eS zuweilen, ehe eine Entscheidung getroffen ist, und dann fällt die Entscheidung so schutzzöllnerisch aus, daß die Einfuhr dadurch verhindert und die Waren zurückgeschickt werden.(Hört! hört! bei den Sozial- demolraten.) Z. B. existieren bei der Feststellung der Kleie ganz unglaubliche Vorschriften, die auf eine Erschwerung, ja auf die mög- lichste Verhinderung der Einfuhr ausländischer Kleie hinauslaufen. Begründet ist der Erlaß dieser Vorschriften mit dem Vorkommen von Zolldefraudationen, was aber von den deutschen Kleiehändlern entschieden in Abrede gestellt wird. Schließlich haben selbst die zu- ständigen Behörden eingesehen, daß der Kleieimport, dieses für oie Landwirtschaft so wichtigen Futtermittels, dadurch geradezu un- möglich gemacht wird, und haben die Bestimmungen wesenlrch ge- Rleines feiriUcton. Martin Greif ist am Sonnabend im Alter von 72 Jahren in Kufstein gestorben. Er war kein Großer im Reiche der Dichtung. keiner von den Eigenen, die die Grenzen des poetisch AuSdrück- baren und der Ausdrucksmittel kühn vordringend erweitert haben. Aber in den alten oft durchwanderten Bezirken, in denen die an Goethe und teilweis an Heine, Lenau und Platen anschließende, Stoffe und Formen wiederholende Epigonenlyrik heimisch war, gelang ihm manches innige stimmungswarme Lied. Hermann Frey , so hieß der Dichter mit seinem bürgerlichen Namen, ist 1839 in Rheinland geboren. In die militärische Karriere verschlagen, nahm er, noch nicht dreißigjährig, seinen Abschied und siedelte nach München über, wo in den S0er und«0er Jahren so viele der damals berühmten Dichter, darunter auch das größte lyrische Formtalent der Periode: Emanuel Gcibel. wohnten. Hier gab er 1868 eine Sammlung seiner Gedichte heraus, die seither, vielfach ergänzt und erwettert, in einer Reihe neuer Auflagen erschien. Der Abschnitt.Vaterländische Gedenkblätter' enthält im Ton. der nach dem 70cr Kiicge eine Zeitlang in der Lyrik grassierte, arg byzantinische Tiraden. Von dem aber. was als neue Kraft in den Tiefen die Zeit bewegt. sucht man vergebens einen Anklang in dem ganzen Buche. Einmal in den meist recht oberflächlichen»Sinngedichten", blitzt aller- dingS etwas wie eine Zeitbeziehung auf. Er zitiert da die»Welt- verbcsserer" herbei, aber nur um sie mit dem billigen Dutzend- sprüchlein:»Jeder erfülle schon jetzt seinen besonderen Zweck", komisch altklug abzutrumpfen. Ganz anders wirken da die»L i e d e r", die„N a t u r b i l d e r, die»Stimmen u n d G e st a l t e n". Was Greif als Dichter zu sagen vergönnt gewesen ist. das hat er hier gesagt. Man spürt den frischen Hauch des Sclbstempfundenen auch da. wo die Empfindung einen unvergleichlich klangvolleren Ausdruck in Gocthcschen und Heineschen Strophen bereits gefunden hat. �Einfach ist feine Lhru; den unmittelbaren Eindruck, den ein vorüberhuschender Moment in der Seele auslöst, will er ohne Reflexion, ja, ohne persönliche Nuancen im Worte festhalten. Tarin liegt der Reiz dieser Dich- tung. aber zugleich auch eine»hrer Schranken. Der Trieb zur raschen tagebuchartigcn Wiedergabe jeder aufschießenden Regung fuhrt nicht selten auch zur Ueberhastung. Aber wenn die Lieder auch in diesem Sinne nicht sättigra, so hallt doch etwas von dem ursprünglichen Gefühl nachzttternd in der Seele des Lesers wider. Als Lyriker ist Greif ein freundliches Gedächtnis sicher. Jen- seitS dieser Grenzen sind ihm Erfolge kaum zuteil geworden, vor allem nicht auf dem Gebiet der historischen Heldcndramcn, Die Entstehung einer neuen Insel. Ueber daS Thema, wie die Insel im ivegeksee(Provinz Brandenburg ) entstanden ist, sprach ändert. DaS Reichsschatzamt hat somit anerkannt, daß die Be- hauptungen, die ich seinerzeit über den Zolltarif und seine Speziali- sierung aufstellte, zutreffende waren. Noch auf eine andere Sache muß ich eingehen, auf die ich in der Kommission keine genügende Antwort erhalten habe. Wenn Kriegsschiffe ins Ausland gehen, bekommen sie den Proviant zoll- frei, das ist ganz selbstverständlich und beruht auf Bestimmungen aus dem Jahre 1372. Wenn aber Schiffe nur auf ein paar Stunden in See fahren zu einer Uebung, wobei sie gar nicht in fremde Ge- Wässer kommen, so ist es ein Skandal, wenn sie die Verzehrungs- gegenstände ebenfalls zollftei erhalten. Es sind daS Vergünstigungen für die Marineoffiziere, die sonst kein Mensch in Deutschland genießt. Auch diese Offiziere müssen das bezahlen, was durch Ihren Zolltarif und Ihre Finanz- rcform an Verteuerung der Preise herausgekommen ist. Hätte daS Reichsschatzamt keine Handhabe, diesem Zustand ein Ende zu machen, so müßten wir erneut die Frage prüfen, ob nicht die Zulage der Marineoffiziere erheblich zu kürzen sei.(Sehr wahr l bei den Sozial- demolraten.) Im Etat ist festgestellt, daß die Einnahmen der Zölle 680 Millionen Mark betragen. Wollte man hieran die Belastung des Volkes durch die Zölle ermessen und etwa sagen, bei 65 Millionen Einwohnern ergibt das rund 10 M. auf den Kopf, so wäre das ganz falsch. Die Einnahmen im Etat bilden ja nur einen ganz bescheidenen Teil dessen, was das deutsche Volt an den Zöllen wirklich bezahlen muß. Finanzzölle würden in die Reichslasse fließen, Schutzzölle aber fließen zum größten Teil in die Taschen der Interessenten, bei den Kornzöllen also in die Tasche der Großgrundbesitzer. Professor Brentano hat festgestellt, daß die Belastung des deutschen Volkes durch den Weizenzoll allein im Jahre 1909 236 Millionen betrug (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), wovon die Reichslasse nur 70 Millionen, in die Taschen der Großgrundbesitzer 165 Millionen geflossen sind.(Erneutes Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) An Roggenzoll hatten wir 363 Millionen zu bezahlen, wovon in die Reichskasse gar nichts floß.(Hört I hört I) Diese ganze Summe floß in die Taschen der Großgrundbesitzer, weil wir eine Ueberproduktion in Deutschland und daher gar keine Ein- fuhr hatten. Die Gesamtbelastung durch den Roggen-, Weizen-, Gerste- und Haferzoll betrug 988 Millionen Mark, wovon nur 108 Millionen in die Reichslasse kamen, dagegen in die Taschen der Großgrundbesitzer 880 Millionen. (Hört! hört!) Also nur ein Neuntel dessen, was das Volk bezahlt, steht hier in den Einnahmen, achtmal soviel bezahlt es an die Agrarier. Dazu kommen dann noch die Ausfuhrprämien, die Liebesgaben, die ermäßigten Eisenbahntarife, die Grenzsperren und vor allem daS famose System der Einfuhrscheine. 1894 gelang eS den Agrariern, den Identitätsnachweis aus der Welt zu schaffen und daS Volk da durch umsomehr zu belasten. Mit den Einsuhrscheinen wurden 1894 erst 6,7 Millionen Mark beglichen, im Jahre 1900 war die Zahl be« reitS auf 22 Millionen gestiegen, im Jahre 1905 auf 38 und 1910 auf III Millionen.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) DaS ist eine ungeheuerliche Belastung und durch diese« Mittel ist das Geld, das für die Witwen und Waisen bestimmt war, durch die nuersSttlichrn Agrarier in ihren Säckel gesteckt worden.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Am 22. April vorigen Jahres erklärte Herr von Bethmann Hollweg , wenn der Ueberfchuß der Ausfuhr an Roggen und Hafer, der wohl nur eine vorübergehende Erscheinung sei, sich als dauernd erweise, habe die Regierung die Handhabe, Stellung dazu zu nehmen. Es scheint aber bei dem Reichskanzler immer sehr lange zu dauern, bis er zur Klarheit komnit.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) In der unL zugegangenen Denkschrift des Reichsschatzamtes ist in aller Klarheit nachgewiesen, daß unsere An- schauunge» richtig sind. Wenn trotzdem die Denkschrift sich die Mühe gibt, zu Schlüssen zu kommen, die mit den Wünschen derer um Heydebrand übereinstimmen, so muß ich doch fragen, ob diese Denk- schrift denn in einem Reichsamt gemacht ist oder in einem Bureau der Stipendiaten des Ka li s y n d ika tS und des Bundes derLandwirte.(Sehr wahr I bei den Sozial- demolraten.) Ich habe bisher nur von den Kornzöllen gesprochen und will auf die anderen nicht eingehen, ich erwähne nur. daß die Fleischzölle die Ernährung des Volkes ebenfalls um tausende Millionen Mark verteuert hat, also fleisch und Brot allein find mit 2 Milliarden belastet. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Nicht 10 M. pro Kopf be- trägt die Belastung des Volke» durch unsere Zölle, sondern für Fleisch und Brot ollein schon 30,77 M., daS macht für eine Familie etwa 150 bis 160 M.(Hört I hört I bei den Sozial- demolraten.) Ich kenne ja die Einwände der Agrarier, daß diese Professor Dr. H. P o t o n i ü in der Versammlung der.Deutschen Gesellschaft für volkstümliche Naturkunde". Dem Bericht über diese Versammlung, den die letzte(14.) Nummer der»Naturwissenschaft lichen Wochenschrift" bringt, wollen wir die wichtigsten Punkte ent nehmen. In der Nacht zum 23. Oktober deS verflossenen Jahres ist Plötz lich im Oegelsee bei BceSkow eine 70 Meter lange und 30 Meter breite Insel aufgetaucht. Daß dabei keine vulkanischen Kräfte im Spiele waren, versteht sich bei der ganzen Naturbeschaffenheit der fraglichen Gegend von selbst. Abrr es wird wohl bei manchem eine Verwunderung erregen, wenn er erfährt, daß dieses neue Stück Land buchstäblich auf den Leichen der unzähligen Kleinlebewesen entstanden ist. Bis etwa zur Zeit Friedrichs II. war der Oegelsee ein stagnierender See, ursprünglich 30 Meter tief. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich sein Boden mit den ungeheuer zahlreichen ab gestorbenen Kleinlebewesen deS Wassers bedeckt. Infolge mangelnder Sauerftoffzufuhr konnte die vollkommene Verwesung ihrer Reste nicht stattfinden, und so bildeten sie einen fauligen breiigen Schlamm, der de» Boden deS Sees mit einer Kruste von 26 Meter Dicke aus polsterte. Der See wäre auf diese Weise sicher zu einem Torfmoor geworden, wenn nicht vor etwa 200 Jahren die Spree ihre Richtung geändert und den See auS einem stagnierenden zu einem durchflossenen gemacht hätte. Die Bildung des Faulschlammes wurde dadurch verlangsamt; statt dessen aber wurde jetzt von der Spree viel Sand in den See hineingeführt. Dieser Sand bildete eine Art Deckel über den Faulschlamm und ver- hinderte auf diese Weise die bei der Fäulnis sich bildenden Gase am Entweichen. Der innere GaSdruck stieg immer mehr und mehr, bis endlich die Gase den Deckel emporhoben, an der schwächsten Stelle zerrissen und so die Insel bildeten. Ob diese Neubildung von dauernder Existenz sein wird, läßt sich vorläufig nicht sagen. Jetzt erscheint die Insel gut fundiert, denn beim Emporgehcn des Deckels wurde der entstandene Hohlraum vom Falschlammkalk ausgefüllt. Die Bohrungen haben ergeben, daß die neue Insel nirgends unter sich Wasser besitzt. Aber eS ist nicht ausgeschlossen, daß die Strömung des Flusses und das Treib ihrer Stelle Insel mit der Zeit abschleifen werden, um an mehr als eine Untiefe oder Sandbank zu lassen. nichts Das erste weibliche Mitglied der norwegischen Akademie. Kurz nachdem die erste Frau ihren Einzug in den norwegischen Reichstag gehalten, hat sich auch die Akademie der Wissenschaften zu Kristiania entschlossen, einer Frau den Zutritt in den bisher nur Männern zu- gänglichen Kreis threr Mitgeieder zu gewähren. Die also AuS- gezeichnete ist. wie Zeitung»Morgenbladet" berichtet, Frl. Kristine Bonnevie . KustoS am zoologischen Laboratorium der Universität zu Kristiania , und Verfasserin mehrerer größerer biologischer Arbeiten, darunter deS einzigen Lehrbuchs, das in Norwegen auf diesem Ge- biet für das Sbiturium offiziell eingeführt ist. UebrigenS hat Belastung notwendig sei im Interesse der Landwirtschast. Ich will hier auf eine Mannskriptsammlung deS Bundes der Landwirte hinweisen,„Material zur Zusammenstellung von Flugblättern, als Manuskript gedruckt", und zwar für die Vertrauensleute des Bundes. Unter diesen befinden sich ja eine Reihe zweifelhafter Elemente, und einer dieser Herren kam eines schönen Tages zu mir und fragte mich, ob ich daS Zeug nicht benutzen könne. Ich habe das Zeug natürlich dankbar angenommen und den Mann selbst als„Lumpen" zur Tür hinausgeschmissen.(Heiterkeit.) Es heißt da, die„indirekten Steuern und Zölle dienen zum Schutze der inländischen Produktion oder zur Vermehrung der Einnahmen der Reichskasse. Sie drücken viel weniger als die direkten, weil sie nicht auf einmal erhoben werden, wie diese, sondern sich fast unmerklich auf einen längeren Zeittaum und eine Reihe einzelner Vorgänge verteilen, sich im allgemeinen auch besser der Leistungsfähigkeit des einzelnen anpassen. So kann ein Armer sich der Zuckersteuer entziehen, wenn er seinen Zucker» verbrauch beschränkt. Freilich ist dieS bei notwendigen Lebensmitteln unmöglich; allein hier trägt in Wirklichkeit der Kon- sument nur einen Teil der Abgabe; der Rest, mitunter der ganze Zoll, trifft das Ausland und die inländischen� Zwischenpersonen."(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wenn wir also für Fleisch und Brot die Belastung einer Familie mit 150 bis 160 M. annehmen, so wird ihre Gesamt- belastutig durch die Zölle auf mindestens 300 Millionen Mark z u s ch a tz e n s e i n. Da die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung ein Einkommen von weniger als 900 M. hat, so ergibt sich, daß die Masse des Volkes mit einer Einkommensteuer von 33'/, Proz. ge- troffen wird.(Lebhaftes Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Bei dem Einkommen von 10000 M. macht diese Belastung nur 3 Proz. ans, also dem Neichen nehmen Sie nur 3 Proz., dem Armen 33 Proz. für die Erhaltung deS Heeres und der Marine.(Sehr richtig! bei den Sozialdem.) Nun sagt man, diese ganzen Zölle nützen der Landwirtschaft l DaS ist aber unwahr, sie nützen den Groß- grundbesitzern.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Zu tausend alten Beweisen könnte man immer neue hervorbringen dafür, daß der Reichskanzler Fürst Hohenlohe die Wahrheit sprach. als er feststellte, eine wie geringe Zahl von Landwirten Interesse an den Zöllen hat. Gewiß bekommt auch der kleine Bauer für leinen Doppelzentner mehr, aber die Zölle verteuern nicht bloß, was er verkauft, sondern auch, was er zukauft,(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) und lassen Sie mal den kleinen und mittleren Landwirt ausrechnen, was das ausmacht. Interessiert an den Zöllen ist tatsächlich die ganze Landwirtschaft, in« sofern, als die großen den Nutzen haben und die kleinen mitbezahlen müssen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dann sagen Sie, die Zölle sind nötig, zum Schutz der nationalen Arbeit. Dabei lassen Sie die Lebensmittel herstellen von billigen ausländischen Arbeitern(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten) und verkaufen Sie nach dem Auslande billiger und bewilligen sich Ausfuhrprämien. Ihr Schutz der nationalen Arbeit gipfelt in dem Wort:»im Notfall führen wir Kulis ein".(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß, daß Sie sich nicht belehren lassen wollen, wir haben aber ein Interesse daran, daß das deutsche Volk sich belehren läßt.(Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Mögen dem deutschen Michel endlich die Schuppen von den Augen fallen, damit er erkennt, wie er mit nationalliberalkn Phrasen eingeseift wird, damit er sich das Fell über die Ohren ziehen läßt. Hoffent- lich wird der deutsche Wähler bei den nächsten Wahlen dieses Haus gründlich ausschwefeln und ausräuchcnt.(Lebhaft, anhaltender Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Ortel(natl.) bemängelt die Zollabfertigung der Roggen- kleie. Das zur Verwendung gelangende Siebsystem sei völlig un» zulänglich; der Schatzsckretär möge für seine Ersetzung sorgen. Abg. Kaempf(Vp.): Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Verkehr zwischen den Nationen erleichtert werden muß, und deshalb treten wir für schrittweisen Ablxau unseres Schutzzollsystems ein. Ganz besonders schädigend für unsere Volkswirtschaft ist die Zündholzsteuer und der Scheck- st e m p e l. Auch den von den Herren Speck und Brunstermann befürworteten neuen Einfuhrzoll auf schwedische Pflastersteine lehnen meine Freunde als verkehrserschwerend ab und werden daher gegen sämtliche dazu gestellten Resolutionen stimmen. — Dem Preußischen Abgeordnetenhause liegt ein Gesetzentwurf über die Zuwachssteuer vor. der. soweit ich ihn verstehe, darauf hinausgeht, den Gemeinden den Anteil von 40 Proz., den'das ReichswertzuwachSsteuergesetz ihnen gewährt, zu verkürzen. Das widerspricht meines Erachtens dem von uns beschlossenen Reiche- Frl. Bonnevie auch Aussicht, der erste weibliche Professor Skandi» naviens zu werden, denn erst in diesem Winter wurde sie für das Professorat auf dem Gebiet der Biologie vorgeschlagen, nachdem sie bereits längere Zeit als Dozent an der Universität Borlesungen ge» halten hatte. Bemerkenswert ist dabei, daß. während in Frankreich Madame Curie von der Akademie der Wissenschaft abgewiesen wurde, die Mitglieder der norwegischen Akademie ohne Widerspruch in die Zulassung einer Frau einwilligten. Hnmor«nd Satire. 8000 Mark Belohnung. Der sozialdemokratische Parteivorstand hat eine Belohnung von 2000 Mark für die Ermittelung jener zwei Polizeibeamten auS» geschrieben, die mit gehässiger Beharrlichkeit als die.Mörder" eine» Proletariers Namens Herrmann bezeichnet werden. Diesen lächerlichen Versuch, sich in behördliche Angelegenheiten einzumischen, beantwortet daS Polizeipräsidium damit, daß es seiner» seitS eine Belohnung von 3000 M. für denjenigen ausschreibt, der glaubwürdig nachweist, daß der p. Herrmann überhaupt nicht er» mordet worden ist. ES besteht dieSseit» nämlich der Verdacht, daß Hermann, der in schlechten pekuniären Verhältnissen lebte, von den Sozialdemokraten, die eines neuen AgitationSstoffeS gegen die Polizei dringend be- nötigten, gegen angemessenes Honorar beauftragt worden ist, sich zwischen zwei zufällig erhobene Säbel zu stürzen. Die obige Belohnung fällt demjenigen zu, der UNS eine vor Zeugen getane Aeußerung deS p. Hermann nachweist, auS der her- vorgeht, daß der Mann sich in der ausdrücklichen Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, zwischen die jusällig! erhobenen Säbel gestürzt hat. Für den Fall, daß eS gelingt, diesen Nachweis zu erbringen, wird es auch diesseits möglich werden, das Gedächtnis der fraglichen Beamten soweit zu schärfen, daß sie sich jenes harmlosen Vorfalls entsinnen. I. 81.; Eft Ess. _(.Jugend'� Notizen. - Karl Weiß ist im Alter von 61 Jahren in Monte Carlo gestorben. Für den Berliner Lokalpatrioten bedarf dieser Name keiner werteren Bezeichnung. Karl Weiß war für ihn in den letzten 30 Jahren einer der beliebtesten Gesangölomiker und ersten Dar» steller ,n all' den Volksstücken und Gesangspossen, die in den acht» zrger und neunziger Jahren im Kleinoürgertunl ebenso populär waren. w,e sie heute vergessen sind. Als Berliner Kind wußte Karl »»-clß den Berliner Ton zu treffen. Seine Blütezeit hatte er unter Adolph Ernst. Von 1896 an führte er selbst die Direktion in dem g-y»« beuannten Ostendtheater, das er 1906 au Bernhard,
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