Einzelbild herunterladen
 

Das..Verl . Tagebl." ist übrigens mit der Pcchmckcschcn Wahlstratsgie nicht einverstanden, ES schreibt: Es ist nicht ganz klar, welche Persönlichkeiten Herr Pachnicke alsA e st h e t e n" zu bezeichnen beliebt vielleicht meint er Friedrich Naumann , vielleicht auch andere Leute, aber in jedem Falle stört er durch seine Bemerkungen den Partei- frieden, der gerade von denAestheten " aufs peinlichste beob­achtet wird. Im übrigen lassen wir uns natürlich mit Herrn Pachnicke in eine Diskussion darüber, obStichwahlparolen zur Unzeit" ausgegeben worden sind und ob nicht sein Artikelzur Unzeit" erscheint, nicht ein. Wenn er die Konservativen um ihre Stimmen bitten will, mag er das tun. Ueber Geschmacksfragen soll man bekanntlich nicht streiten, und wir lasten Herrn Dr. Pachnicke gern seinen Geschmack,"-' Auch eine gottgcgebene Abhängigkeit, In der am Sonntag von uns mitgeteilten Aeußerung der Norddeutschen Allg. Zeitung" gegen den früheren Minister v. K ö l l e r heißt es, der Widerstand, den der Reichskanzler bezüglich der elsaß -lothringischen Verfassungsreforni auf feiten der Konservativen finde, werde ihn nicht davon abhalten,mit aller Entschiedenheit an einem Entwurf fest- zuhalten, von dessen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit er nach wie vorüber zeugt i st". Diese Anmaßung des Kanzlers, eine andere Absicht zu verfolgen, als denen um Heydcbrand und Roesicke genehm ist, scheint in den Reihen der konservativen Hauptmacher arg ver- schnupft zu haben; denn Herr Georg Oertel erläßt in der Deutschen Tageszeitung" eine ernste Verwarnung an den ungehorsamen Kanzler,"in der diesem klargemacht wird, daß er völlig vom blauschwarzen Block abhängig ist und deshalb als deren politischer Kommis die ihm ertellten Aufträge prompt auszuführen habe: Man mag in der Frage der elsaß -lothringischen Verfassung einen Standpunkt einnehmen, welchen man wolle: das wird aller« feitS zugegeben werben müssen, daß diese Kundgebung nicht sonder- lich glücklich und geschickt gefaßt ist. Ob die Parteien, auf deren Mitarbeit der Kanzler rechnet und rechnen muß, die gewünschte parteipolitische Bescheidung" bekunden und betätigen werden, steht vorläufig dahin. Mit Ausnahme der Nationalliberalen steht augenblicklich überhaupt keine Partei auf dem Boden des Entwurfes. Die Linksliberalen und die Sozialdemokraten find mit den gebotenen Zugeständnisten bei weitem nicht zufrieden. Das Zentrum war geneigt,"'sich' parteipolitisch zu bescheiden, bis der unglückselige Entwurf der Wahlkreiseinteilung der ReichStagSkommisfion zur Kenntnisnahme unterbreitet wurde. Wenn der Reichskanzler trotz alledem noch auf eine Partei- politische Bescheidung der Parteien hofft, so verrät er einen ziemlich starken Optimismus. Wenn aber die offiziöse Erklärung von dem Widerstände spricht, den er dabei auf feiten der Konservativen finde, so ist dieS nicht völlig richtig. Allerdings sind erfreulicherweise die Konservativen im Reiche und in Preußen nicht geneigt, sich zu bescheiden. Für sie kommen durchaus nicht parteipolitische Er- wägungen in Betracht, sondern sie fürchten mit Recht von der Einführung der Verfaffung nicht nur eine zunehmende Radikali- sterung der Reichslande, sondern auch eine schwere Schädigung der nationalen Jntereffen.. Die Anrempelung ist reichlich derbe; aber die konser- vativen Wortführer wissen, daß Herr v. Bcthmann Holllveg lich nach ruhiger Ueberlegung in diegottgegebcne Abhängig- keit" fügen und Order parieren wird. Basscrmann-Konkurrenz. Nach ekiker Meldung auS Trier hat die ZeniruMMfei be- jschlofsen, dem Kandidaten Bassermann in Saarbrücken einen Ar- heiterkandidaten der Kölner Richtung entgegenzustellen. Bei der Hauptwahl 1907 wurden im Kreise Saarbrücken 20334 nationalliberale, 19183 Zentrums- und 2922 sozialdemo- kratische Stimmen abgegeben. Bei der Stichwahl entfielen 22 668 Stimmen auf den nationalliberalen und 21 220 Stimmen auf den Lentrumskandidaten._ Turchpeitschung der Reichsverstcherungsordnung. In derNationalliberalen Korrespondenz" veröffentlicht der dationalliberale Abgeordnete Horn eine Art Erläuterung gu seiner Unterhaltung über die Durchpeitschung der BersicherungS- vvdnung. Was er zu erklären bat. ist lediglich eine Bestätigung besten, was imVorwärt«" darüber gesagt worden ist, nur sucht <er möglichst abzuschwächen. Er stellt zunächst fest, daß er nicht direkt vomKuhhandel" gekommen sei; er halte es nicht fiü-r überflüssig, mitzuteilen, daß er nach Schluß des Reichstages mit Mitgliedern einer anderen Partei kein Wort gewechselt habe. Daß er sich mit einem Fraktionskollegen über die Aussichten und die etwaige ge- fchäftliche Behandlung des größten Gesetzes, das den Reichstag seit bem Bürgerlichen Gesetzbuch beschäftigt habe, unterhielt, könne nicht pls ein außergewöhnliches Ereignis betrachtet werden. Zur Sache selbst erklärt er: Daß man abschnitt- oder artikelweise vorgeht. 'ist nach Ansicht vieler älterer Parlamentarier, mit denen ich darüber gesprochen habe, nicht nur praktisch, sondern auch ge- schästsordnungSmäßig durchaus zulässig. Daß man sich dabei einen gewisten Geschaftsplan macht, über den selbstverständlich doch mit Vertretern sämtlicher Parteien zu verhandeln wäre, bedarf wohl kaum einer besonderen Begründung; zumal nach dem allgemein bekannten Beschluß deS Seniorenkonvents, daß die Reichsverstcherungsordnung in der Zeit von Ostern bis Pfingsten erledigt werden soll. Es kann also Weber von der Absicht eines Bruchs der Geschäftsordnung, noch von einer Durchpeitschung der Vorlage die Rede sein. Auch meine Aeußerung, daß eventuell nach Kvei Serien von Rednern(nicht nach zwei Rednern, wie der Emsendcr des Artikels fälschlich behauptet) die Diskussion ge- schloffen werden müsse, kann nicht als solche Absicht gedeutet werden; zumal da der betreffende Herr vergessen hat, einen Zusatz:wenn Obstruktion versucht werden sollte", mit zu ver- öffentlichen." Daß die Absicht besteht, die Reichsverstcherungsordnung in wildem Parforceritt zu erledigen, gibt also Herr Horn offen zu. Darüber zu streiten, ob dieses Beginnen den Namen Turchpeitschung verdient oder nicht, ist völlig zwecklos. Komisch wirkt es übrigens, daß die nationalliberale Presse«die Beröffentlichung deS DurchpeitschungSplans imVorwärts" zum Snlaß nimmt, um sich allerlei schöne Deklamationen gegen die »Parlgmentarische Obstruktion" zu leisten. Das entspricht freilich völlig der Anweisung desPolitischen Handbuchs der National- liberalen Partei"; denn dort steht Seite 773 zu lesen, mit der Obstruktion würdedie Axt an die Wurzel des deutschen Paria- rnentariSmus gelegt". Deshalb konnte d-nn auch nach der Versiche- rung des Handbuchs.1902kein Zweifel darüber bestehen, daß die nationalliberale Partei die Obstruktion um jeden Preis mit nieder- ringen mußte". Damals handelte es sich um den Zolltarif, jetzt u.V fctC PnfiHexrmseLzKnung. Werkwürdig ist nur, daß dis Natiottalliberalesi nur dann die Obstruktion so bedäbsche'uungS- i würdig finden, wenn sie im Kampfe zur Verteidigung wichtiger Interessen der breiten Volksmasten zur Anwendung kommt. In anderen Fällen haben sie eine ganz andere Beurteilung dafür. So liest man in demselben nationalliberalen Handbuch auf Seite 383 die folgenden Sätze: Nach dem Ableben des Freiherrn v. Stumm fiel namentlich im Preußischen Landtag die Führung der freikonservativen Partei dem Freiherrn v. Zedlitz und Neukirch zu, der sich bei der Kanal- und bei der Schulvorlage als ein überaus geschickter Taktiker erwiesen hat. Anfang? ein allerdings nicht ganz offen hervortretender Gegner des Kanalprojekts, hat er es ver- standen, durch Forderung von Auskünften, Erhebungen und Kompensationen für die Landwirtschaft die K o m m i s s i o n s- Verhandlungen so zu verschleppen, daß an eine Fertig st ellung der gesetzgeberischen Aufgabe nicht zudenken war." Ist das nun etwas anderes als Obstruktion? Was demnach die Nationalliberalen als den schlimmsten Frevel hinstellen, wenn wir Sozialdemokraten es zum Schutz des Volkes auch nur versuchen, ebendasselbe bewundern sie und loben sie überschwenglich, wenn ein anderer es für die Sonderinteressen einer kleinen Clique tut. Wie sie denn auch am Schluß dem Freiherrn v. Zedlitz das Zeugnis ausstellen:Die freikonserbative Partei hat durch diese nicht ungeschickte Steuerführung vielfach einen maßgebenden Einfluß auf die innerpolitischcn Verhältniste gewonnen, der unverhältnismäßig größer war, als ihre zahlen- mäßige Stellung im Parlament." Wenn also jetzt wieder so getan wird, als ob die Obstruktion nur bekämpft werden solle, um den Parlamentarismus vor angeb- lichem Ruin zu bewahren, so ist das eitel Geflunker. Nicht die Obstruktion hasten sie, sondern daS, was durch die gefiirHtete sozial- demokratische Obstruktion erreicht werden soll, Mehr Berufsstolz. In einem Aussätze in denMitteilungen der Deutschen Land- wirtschafts-Gesellsckiaft", in dem sich Oekonomierat Dr. Stieger- Berlin mit der Landarbeiterfrage beschäftigt, findet sich folgender erbaulicher Absatz: Deshalb muß es in den Kreisen der Landarbeiter erst wieder als Lebensziel erkannt und willig und freudig erfaßt werden, daß die Kinder grundsätzlich in demselben Beruf verbleiben, also daß aus den Arbeiterkindern noch tüchtigere und glücklichere Landarbeiter werden sollen, als es die Eltern gewesen. Dazu gehört allerdings nicht die Verachtung, sondern rechte Würdigung der eigenen Arbeit: ein echter, herzhafter Berufs st olz, den zu wecken, wo er fehlt, und den zu retten und zu stärken, Ivo er»loch da ist, unsere wichtigste und höchste Aufgabe sein muß I" Deshalb bemühen sich die Agrarier auch noch unablässig, im Landarbeiter echten und herzhasten Berufsstolz zu wecken: durch erbärmliche Hungerlöhne, durch die preußische Gesindeordnung, durch ostelbische Herrenbrutalität, durch Rechtlosmachung der Landarbeiter, durch sorgliche Behülung borsozialdemokratischem Gift', durch preußische Landräte und Polizisten und durch die geistige Kost der amtlichen Kreisblätter..._ Enquete über das zoll- und handelspolitische System. Die Aeltesten der Berliner Kaufinannschaft verlangen vom Reichskanzler die Einsetzung einer Enquetekommission über die Wir- klingen des bestehenden zoll- und handelspolitischen Systems. Dieser Kommission sollen hauptsächlich Vertreter der erwerbenden Kreise angehören, und zu ihren Beratungen sollen Sachverständige zugezogen werden. Die Leitung der Kommission könne in den Händen von Regierungsbeamten liegen. Offiziös wird das Verlangen der Ber - liner Kaufmannschaft nachdrücklich zurückgewiesen. DieBerliner Politischen Nachrichten' erklären eine solche Kommission für völlig überflüssig, da der wirtschaftliche Ausschuß für die Vorbereitung handelspolitischer Maßnahmen ganz im Sinne der angestrebten Kommission arbeite, nur daß dieser wirtschaftliche Ausschuß andere Grundanschauungen über die heutige Zoll- und Handelspolitik habe wie die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft. ES sei nicht daran zu denken, daß eine Freihändlerkommission eingesetzt werde zur Vor- nähme derartiger Untersuchungen. Hamburg auf der Steuersuche. Die freie Republik Hamburg hat im November borigen Jahres eine Steuerkommission eingesetzt, die die Notwendigkeit einer Vermehrung der Staatseinnahmen Hamburgs prüfen und geeignete Vorschläge zu ihrer Vermehrung machen sollte. Anstatt nun in großzügiger Weise eine wirkliche ReformdeSSteuer. wesens vorzunehmen, hat sich die Kommission daraus beschränkt, in ganz kleinlicher Weise ein völlig ungenügendes Flick- werk vorzuschlagen. Während das veranschlagte Defizit Ham- burgS im Jahre 1911 12 bis 14 Millionen Mark beträgt und min bestens 8 Millionen Mark Mehreinnahmen notwendig sind, um für die nächste Zukunft den StaatShauShaltSetat im Gleichgewicht zu erhalten, bringen die Vorschläge der Kommission nur 7 Millionen Mark. Darunter befinden sich neue Steuern, die so recht dem reaktionären Charakter der Hamburger Pfeffersäcke entsprechen. So schlägt die Kommission die Einführung einer Besteuerung der Konsumvereine vor, die eine jährliche Einnahme von 180000 M. bringen soll. Anstatt die Hamburger Patrizier mit ihren RiesenvermSgen stärker zur Besteuerung heranzuziehen, be- müht man sich hier, die wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter- schaft nach Möglichkeit zu schröpfen. Dieser reaktionären Steuer durchaus ebenbürtig ist die geplante Besteuerung der Lust« barkeiten. Jährlich 1 100 000 M. möchten die Hamburger Staatsgewaltigen aus dieser bildungs- und kulturfeindlichen Steuer herauspressen. Die beiden Steuerarten zeigen den breiten Massen der Hamburger Bevölkerung, wie wenig soziales Verständnis bei ihren Regierenden zu finden ist. Hoffentlich gelingt eS noch recht­zeitig. durch intensive Agitation das geplante Steuerattentat ab» zuwehren._ Verlogene Hetze. Die hakatistische Presse schreckt in ihrem Bemühen, die Regie- rung zur Anwendung des unsinnigen Gesetzes zu zwingen, das die SwangSweise Enteignung der Polen in den Provinzen Posen und Westpreußen ermöglicht, vor keiner Verdrehung zurück. In den Berliner Neuesten Nachrichten" findet sich z. B. folgende Notiz: Im letzten Jähre hat die AnsiedlungSkonunission 1898 neue An- siedlerstellen in ihrem Berichte ausgewiesen. In Wirklichkeit ist indessen diese Zifer zu hoch, da hier 388 vergebene Stellen mit- gezählt sind, die bereits in früheren Jahren gebildet und vergeben waren, aber aus bestimmten Gründen nicht mitgezählt waren. Folg- lich sind 1910 nur 1240 neue Anfiedlerstellen gebildet worden. Diese Sachlage beweist," folgert das Blattdaß der Land­mangel tatsächlich wie schon 1909 so auch 1910 wieder zu einer Ein» schränkung der Besiedlung gezwungen hat.... So tritt das Bild der Zwangslage, das zur Enteignung drängt, wie uns dünkt, scharf genug hervor." Unterschlagen wird hier, daß im letzten Jahre die Kommission 20 Güter und 33 Bauernwirtschaften gekauft hat, während ihr 343 Güter und 628 Bauernwirtschasten zum Kaufe angeboten wurden,«fit einem Areal hgn übe» 132 ooo Heitsr, von im kW ein kleiner Teil als für die Zwecke dsr Kommission uMelgne't be­zeichnet wird. Das Enteiguungsgesetz �berechtigt die Regierung. höchstens 70 000 Hektar auf dem Wege der Zyvangsenteignung Mi kaufen, während hier weit mehr für ihre Zwecke geeignetes Land freiwillig angeboten wird. Damit purzelt die ganze Argumentation über den Haufen. i Die hakatistische Politik der Nationalitätenhetze ist von vorn- herein nicht nur eine Perfidie und ein Verbrechen an den Polen , sondern auch ein bodenloser Unsinn, ein Unsinn freilich, der preutzi- schen Agrariern sowohl als den polnischen Schlachtschitzcn enorme Gewinne bei Verkauf ihrer Güter auf Kosten der Gesamtheit zu- schanzt. DaS Geschrei nach der Enteignung beweist einzig und allein, daß bestimmte Kategorien von Besitzern in jenen Provinzen dabei einen neuen Rebbach erhoffen. Weil nämlich die Enteignung auf Grund des bestehenden preußischen Gesetzes erfolgen müßte, das eine sehr hohe Bewertung des zivangsweise enteigneten Bodens vorschreibt, wäre bei einem solchen Verfahren für die Großgrund- besitzer noch viel mehr herauszuschinden als beim freihändigen Verkaufe,_ Die Herren gegen das Volk. Wir erhalten folgende Zuschrift: In einem Artikel:Die Herren gegen das Voll' vom 9. April berichten Sie über die Herrenhaus-Verhandlungen der letzten Tage. ES findet sich dort der Satz:Auch Graf HoenSbroech eiferte gegen das allgemeine, gleiche Wahlrecht." Es liegt inir daran, festzustellen, daß dieser dort genannte Graf HoenSbroech mein Bruder ist, während ich durchaus für daS all« gemeine, geheime, gleiche und direkte Wahlrecht bin. Ich bitte Sie, diese Feststellung Ihren Lesern mitzuteilen. In vorzüglicher Hochachtung_ Graf Paul v. HoenSbroech . pratikreid?. Der Bericht der Wahlreformkommission. Genosse Groussier, der Beichterstatter der Kommission für Beratung des Proportionalwahlsystems, hat in einem Bericht von etwa 300 Seiten das Ergebnis der Vorberatungcn der Kammer unterbreitet Die Kommission hat nach der allgemeinen Debatte über die Notwendigkeit der Reform des bestehenden Wahl- systems die verschiedenen Proporzsysteme eingehend geprüft und schließlich ein Projekt gutgeheißen, das den vom gellenden Mehrheits- system großgezogenen Interessen und Vorurteilen in mancher Hinsicht Rechnung trägt, aber doch den entscheidenden Schritt zur Einführung de? neuen Grundsatzes der Wahlgerechtigkeit unter Zugrundelegung größerer Wahlbezirke tut. An die Stolle des Arrondistements als EinerwahllreiseS soll das Departement mit einer verschieden großen Zahl nach dem L i st e n s y st e m zu wählenden Abgeordneten treten. Die Verteilung der Abgeordneten auf die Listen der einzelnen Parteien erfolgt iin Verhältnis zu der auf die einzelnen Listen entfallenen Stimmenzähl. Dabei soll die Häufung mehrerer Stimmen auf einen Kandidaten(Kumulieren) uud die Abänoerung der vorgeschlagenen Listen, wie auch die Zusammenstellung eigener Listen(Panaschieren) gestattet sein. Ferner wird daSApparentement", die Bereinigung mehrerer einander nahestehender Listen zu einer einheitlichen, gestaltet. Und die bei der Aufteilung übrig bleibenden Mandate sollen der Mehrheit zufallen, die dadurch über ihr Stärkeverhälmiö hinaus, wenn auch nicht mehr so stark wie unter dem jetzt geltenden Mehrheit«- Wahlsystem, begünstigt wird. Auch die übrigen Zugeständniste der Vorlag« bedeuten Mängel. Doch sieht Groussier darin kein Bedenken, da sie die Widerstände gegen die neue Idee vermindern und jeder­zeit nach deren Einbürgerung beseitigt werden könnten. Die Haupt- zwecke der Wahlreform: die größeren Wahlkreise und damit die Zuriickdrängung von Kirchturinsinteressen und Einflüssen kleiner ort» licher Cliquen, ferner die Beseitigung de? widerwärtigen Stichwahl- wesenS und dabei auch eine bessere Berücksichtigung der Minder» heiten und Zuriickdrängung der persönlichen Kampsesweise, wären auch mit dem vorgeschlagenen System erreicht. I a u r ö s würdigt die Verdienste GroussierS, kündigt eine Reihe VerbesierungSanträge der Sozialisten an und ist hinsichtlich des Schicksals der Vorlage sehr hoffnungsvoll. Er rechnet auf eine Mehrheit von über 100 Stimmen und ist überzeugt, daß auch der Senat seine Zustimmung nicht werde verweigern können. Hoffen wir, daß er richtig rechnet. Es wäre feit langer Zeit die erste große Reform, die dem französischen Parlament gelänge. Dazu eine, deren Wirkung weit über die Grenzen Frankreichs hinaus der Verbesserung der Wahlrechte und Wahlsitten dienen würde. Znr Revision des Durand-ProzesseS. Während der arme Durand als Opfer des an ihm verübten Justizmordes in Geisteskrankheit verfallen ist und. hoffentlich nur zeitweilig, in der Irrenanstalt untergebracht ist. wird vom K a s s a t i o u S h o s der Antrag auf Revision de« Strafurteils ver- handelt. Bisher hat daS höchste Gericht sich noch nicht vor der Fülle der neuen Tatsachen, die zugunsten Durands angeführt werden tonnten, gebeugt Ein Belastungszeuge hat seine Aussage wesentlich geändert. Ein zweiter hat sie völlig widerrufe» und zugegeben. daß er sich durch die Machenschaften der Conwagnie gönörale trans- atlantique, die dem Streikleiter Durand Rache geschworen hatte, zu falscher Aussage hat verleiten lassen. Außerdem sagen vierzig am Streik beteiligte Hasenarbeiter aus. daß das Gegenteil der gegen Durand erhobenen Anschuldigungen wahr ist. Trotzdem hat die Revisionskammer in kurzer Beratung das vorliegende Material für unzureichend erllärt und eine weitere Untersuchung als notwendig bezeichnet. Italien . Fünf und eine halbe Millionen ueuer Wähler in Italien , Rom , 8. April 191l.(Eig. Bcr.) Die von Giolitti ver­heißene Wahlrechtserweiterung wird nach den Berechnungen desAvanti" die Zahl der Wähler von 3 Millionen auf 3,3 Millionen erhöhen. DerAvanti" macht darauf aus- merksam. daß die Wahlrechtserweiterung vom Jahre 1882, die als eine so große Errungenschaft gefeiert worden ist, nur eine Erhöhung der Wahlberechtigten von 641000 auf 2 Millionen brgchte. Marokko. Vom Kriegsschauplatz. Madrid '» 10. April. (W. T. B.) Ein im Ministerium des Aeußern eingegangenes Telegramm aus Tanger besagte, am 3. d. Vi. habe ein blutiger Kampf unter den Mauern V.0N Fes statt, gefunden, in dem die Mahalla unterlegen fej , Australien . Eine sozialistische Arbeiterpartei in Nc »-Tceland. Abseits der aus bürgerlichem Boden stehenden aristokratischen Gewerkschaftsbewegung der alten Trade Unions hat sich die New Zcaland Federaüon os Labor mit rund 10000 Mitgliedern als sozia» listische Orgamiation auf dem Boden des Klassenkampfes und deS mdustriellcu llnionismus(JndustneverbandSsysiemS, im Gegensatz zu den fachlich und örtlich zersplitterten Trade Unions) konstimiert Ihre Prmziplenecklarimg fordert die Abschaffung des Lohn» systemS:Der Reichtum der Well für die Arbeiter der WeltI" ST a"v t"e"t'brDer Arbeiter des MaorilandeS". der. als -io.ialSb.alt des WollschererverbandeS geschaffen, nun in ein Wochen- blatt des GesamtverbaudeS umgewandelt wurde. Redakteur ist Genosse R.«. R, bisheriger Redakteur d«S MelhournerSocialist ". Er ist Gegner des SchiedsgerichtSsystemS und Anhänger der polmschkv NUon auf dem Boden des Sozialismus.