Einzelbild herunterladen
 

Nr. 90.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 3,30 Mt., monatl. 1,10 M., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage Die Neue Welt" 10 Bfg. Post­Abonnement: 1,10 Mart pro Monat. Eingetragen in die Post- Zeitungs Breisliste. Unter Kreuzband für Deutschland   und Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien  , Dänemark  , Holland  , Italien  , Luxemburg  , Portugal  , Rumänien  , Schweden   und die Schweiz  .

Ericheint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

28. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Kolonel zeile oder deren Raum 60 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins­und Bersammlungs- Anzeigen 30 Pfg. ,, Kleine Anzeigen", das fettgedruckte Wort 20 Pig.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pig. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erste Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Bfg. Worte über 15 Buch staben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Numiner müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Erpedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Oftergedanken.

Sonntag, den 16. April 1911.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

"

gemeiner Erziehungsfattor unbestreitbar Es ruht vor allem das Ansehen des Staates auf der Verordnung ift, eine maßgebende Mitwirkung einzuräumen, so Gottes. Das ist der lette Grund des ihm selbst würde dies auch einen sozialen Gewinn von unschätzbarer inne wohnenden ursprünglichen Ansehens". Seine ganze legitime Ordnung- Gesetz, Verfassung, Obrigkeit- hat Kraft bedeuten." daraus ihre bindende Macht. Insbesondere hat die Obrigkeit An­Ostern! Wieder wird, wie alljährlich, von allen Kanzeln Die Religion muß dem Wolfe erhalten fehen und Gewalt von Gott  . Sie ist von Gottes Gnaden. Wo über das christliche Auferstehungswunder gepredigt: über die bleiben!" Das ist, wie der Sinn dieser Episteln, auch der aber Obrigkeit ist, die ist von Gott   verordnet"( Röm. 13). Von sich im Lukas- Evangelium   gemeldete, dem älteren Markus- und aller übrigen Artikel, die regelmäßig zu den hohen christlichen selbst kann kein Mensch obrigkeitliche Gewalt über andere Menschen teilweise auch dem Matthäus- Evangelium noch unbekannte Festtagen an der Spitze der fonservativen wie flerifalen haben, auch nicht die Sämtlichen über den Einzelnen. Noch auch Sage von dem Gang der Maria Magdalena  , Maria Jakobi Blätter und Blättchen erscheinen. Es ist geradezu rührend tönnen die Menschen durch Vertrag obrigkeitliche Gewalt gründen, und des Petrus   nach dem Felsengrabe des Joseph von mitanzusehen, wie besorgt dieselben Kreise, denen die da sie über ihr Leben und ihre Freiheit nicht verfügen, daher nicht Arimathia und der noch desselben Tages durch die Jesus  - irdischen Lebensverhältnisse der Arbeiter so gleichgültig sind, iemandem Gewalt einräumen können. Das ist das göttliche Recht erscheinung zu Emmaus   bestätigte Entdeckung, daß Christus, daß sie diesen eine Steuer nach der anderen aufbürden und der Obrigkeit. Es hat seine Geltung in allen Staatsformen, für die Komitien und Magistraturen in der Republik   nicht minder der Messias  , auferstanden sei von den Toten. Und ihnen selbst die allernotwendigsten Lebensmittel durch als für den König in der Monarchie, für den Wahl- wie für den mit gleicher Sicherheit können wir darauf rechnen, heute, horrende Zölle und Abgaben verteuern, um das über Erbfönig. Denn, wenn auch die Personen für die Obrigkeit durch am Osterfeste, wieder in den Blättern des blauschwarzen irdische Seelenheil der Arbeiter sind. die Wahl bezeichnet werden, so gründet sich doch ihr Amt und An­Blocks die bekannten salbungsvollen Artikel zu finden, Während sie sich hier unten im irdischen Jammertal die sehen selbst nicht auf Willen und Ermächtigung der Wähler, son­in denen allerlei fromme Betrachtungen über die sich Arbeiter möglichst zwanzig Schritt vom Leibe zu halten dern allein auf Gottes Gebot und Ermächtigung. Die göttliche in der Hingabe des eingeborenen Sohnes offenbarende suchen und jede Gemeinschaft mit dem Gesindel" ablehnen, Institution des Staates und seiner Obrigkeit bedeutet nun zivar gewaltige Menschliebe Gottes angestellt werden und der sind sie geradezu fanatisch darauf erpicht, den Arbeitern bloß, daß das Ansehen derselben sich auf Gottes Gebot und Ord­Streuzestod als Erfüllung des in der Weihnachtsnacht an- Religion einzupaufen, damit deren Seelen gemeinsam mit gefündeten großen Erlösungswerkes gepriesen wird. Auch die ihren eigenen in die schönen Gefilde des Paradieses ein frommen gehässigen Lamentationen über den rationalistischen, gehen. pantheistischen   und atheistischen Unglauben der Zeit, über Sozialismus, Monismus und Materialismus werden nicht fehlen, und zum Schluß werden alle diese frommen Liebes­episteln wieder in die schöne Forderung ausklingen, daß der Staat dem umfichgreifenden monistischen und materialistischen Unglauben rücksichtslos entgegentreten und dem Volt die Religion erhalten möge zum eigenen Nutzen.

dienen.

"

-

"

-

nung, nicht daß es sich auf Gottes unmittelbare die Natur durch­brechende Tat gründet; es bleibt darum die völlige Freiheit der Menschen, in dieser oder jener Verfassung zu leben, unverkürzt. Aber jene göttliche Institution bedeutet wieder Jede Religion tut es freilich nicht, selbst nicht jede christ- nicht bloß, daß der Staat überhaupt Gottes Ge siche. Bei den Klerikalen muß es unbedingt die römisch- bot ist, sondern auch, daß überall die bestimmte katholische Religion sein, und zwar mit Einschluß aller firch erfassung und die bestimmten Personen der lichen Dogmen; und bei den Konservativen die sogenannte Obrigkeit Gottes Sanktion haben. Und vom Gottesgnadentum heißt es( II. Abschnitt, positive evangelische Richtung mit einer reichlichen Dosis von Bibelsprüchen und Gesangbuchversen. Eine Religion, die III. Kapitel): Die Gewalt des Königs ist bon Gottes Gnaden", ist ein nur erbauen, nur sittliche Bestrebungen wecken will, ist dazu Wer Gelegenheit hatte, seit Jahren dieses an allen christ- nicht zu gebrauchen. Vor allem darf die Religion nicht ver- göttliches Recht". Das gilt an sich von aller Staatsgelvalt, lichen Festen wiederkehrende Spiel zu beobachten, der fennt fehlen, in unseren heutigen Zuständen das Walten Gottes zu auch in der Republik  . Aber das göttliche Ansehen und die Majestät der Staatsgewalt stellen sich bei einem persönlichen Träger der­im voraus Lext wie Melodie. Er vermag mit ziemlicher erkennen und die heutigen Staatseinrichtungen und Klaffen selben, der in keiner Beziehung Untertan ist, sichtbarer und Gewißheit vorauszusagen, was Kreuz- 3tg." und" Deutsche schichtungen als im Willen Gottes begründet, das heißt als lebendiger heraus, und es kommt in der Erbmonarchie noch das Lagesztg."," Germania  " und" Reichsbote" je nach ihrer gottgegebene Institutionen hinzustellen. Das ist die Haupt- hinzu, daß der Inhaber der Staatsgewalt ohne menschliches Zuinn religionspolitischen Spezialität ihrer Leserschaft vorfehen werden, fache. Deshalb wollen auch unsere Positiven" von der in ihrem Besitz ist durch göttliche Fügung, welcher sich zumal den Blättern von der Eigenartigkeit der Kreuz- 8tg." Qualität der Kreuzzeitungsritter und der Reichsboten die Menschen in Ehrfurcht unterwerfen sollen. Hier ruht also das und der Deutschen Tagesztg." noch immer die frommen gegen leser von den sogenannten liberalen Errungenschaften der Ansehen des Herrschers nicht bloß auf einem allgemeinen Gebot den rohen, heidnischen Materialismus eifernden Ermahnungs- Reformation, der angeblichen evangelischen Lehr-, Glaubens- und der Ordnung Gottes, wie bei aller Obrigkeit, sondern zugleich artikel des feligen Freiherrn von Hammerstein zum Muster und Gewissensfreiheit, wie der Fall Jatho und die Be- auch noch auf einer speziellen, wiewohl keines. geisterung für das evangelische Irrlehrengeset", das Gegen- wegs einer unmittelbar persönlichen, die Ratur Ueberdies aber haben in diesem Jahr einzelne konservative stück zum katholischen   Antimodernisteneid, beweist, recht durchbrechenden, Beranstaltung Gottes. Das ist noch heute die Auffassung der Konservativen, Blätter durch ihre Artikel zum Palmsonntag und Karfreitag wenig wissen. Für sie liegt die Bedeutung der Reformation einen Vorgeschmad ihrer Ostergerichte geboten. So leistete sich lediglich darin, daß die Autorität der Papstkirche, die sich wie denn auch in den gelegentlichen staatstheoretischen zum Beispiel die Deutsche Tagesztg." zum Karfreitag einen über alle staatliche Autorität stellte, für große Bevölkerungs- Artikeln der konservativen Presse wir erinnern nur an von Herrn Georg Dertel in höchsteigener Person verfaßten, teile aufgehoben wurde, an die Stelle der Batholischen Welt- die letzten Dispute über das Gottesgnadentum- immer , das Kreuz im Mittelpunkte des Religions- firche protestantische staatliche Landeskirchen traten wieder bis ins einzelne die Gedankengänge Stahls zum Aus­unterrichtes" überschriebenen Artikel, in dem sie einen und die Geistlichen dieser Kirchen Kirchen zu Staatsdiener druck kommen. Nicht die Besorgnis um das Seelenheil der Armen und möglichst umfassenden Religionsunterricht in der Volksschule avancierten oder, wenn man will, herabsanken, die nun, forderte, und zwar feinen ,, Allerweltsreligionsunterricht", sondern völlig von dem Landesherrn abhängig, seinen Untertanen" Bedrückten; nicht der mittelalterliche famatische Trieb, fich einen tonfeffionellen Unterricht, in dessen Mittelpunkt, wie sie iene christliche Lebensführung beizubringen hatten, die seinen durch die Mehrung des Gottesreiches selbst einen Platz im sagt, Jesus Christus   steht, der Sohn Gottes, der Absichten( und jenen der privilegierten Stände) entsprach. Himmel" zu erwerben, treibt demnach die Konservativen dazu, Heiland der Welt, der Auferstandene, der gen Um so mehr der Geistliche zu einem jederzeit abjezbaren das Bolt mit Religion tränken zu wollen. Ihnen ist lediglich Himmel Gefahrene und sein Kreuz". Eine Tirade, Staatsdiener wurde, um so mehr war er gezwungen, den die Religion Mittel zum Zweck: eine nübliche Doktrin, die in nüchterne Sprache übersetzt, nach Herrn Dertels eigenen jeweiligen Staat und seine Einrichtungen zu verteidigen und um die breite Boltsmasse in geistiger b. Angaben bedeutet, daß der Religionsunterricht streng dog- gewissermaßen die weltliche Polizei als geistlicher Gendarm hängigkeit zu erhalten und ihr die über. matisch erteilt und speziell das massenhafte Auswendig dadurch zu unterstützen, daß er die wechselnde Ordnung oder lebten Einrichtungen der heutigen GeseII. lernen von Bibelsprüchen und Gesangbuch Mißordnung immer wieder als Ausfluß des göttlichen schaftsordnung als notwendige Bestand. liedern aus der dem rationalistischen Aufkläricht" voraus- Willens hinstellte. Und man kann den Dienern der ver- teile der göttlichen Weltordnung erscheinen gegangenen Zeit, das heißt aus der Zeit des älteren Teufels- schiedenen evangelischen Staatskirchen zugestehen, daß sie die zu lassen, damit sie sich nicht einfallen lasse, diese ge. und Herenglaubens geübt werden soll. Als besonders ge- an sie gestellten Anforderungen ihrer Landeskirchenbäter im heiligte Ordnung anzutasten, sondern sich willig füge in eignete alte Stirchenlieder empfiehlt Herr Dertel jene, in ganzen sehr wohl zu genügen verstanden haben. Immer Gottes weise Ständeordnung, die kürzlich der Erzbischof denen vom Gekreuzigten, von dem Haupte voll Blut und wieder haben sie, gestützt auf das Evangelium, zu beweisen Henle von Regensburg dahin erläuterte: Wer Knecht Wunden, von der Auferstehung, Himmelfahrt usw. gesprochen gewußt, daß Unterdrückung und Ausbeutung notwendige ist, soll Knecht   bleiben." Diese Tatsache, daß den Herrschenden die Religion vielfach heilige Bestandteile der von Gott   gewollten und gegebenen Und die ehrfame ,, Streuz- Zeitung" geht in ihrer Nummer 171 Ordmung sind, daß es immer Reiche und Arme, Herrschende mur eine Art Polizeimittel ist zur Aufrechterhaltung ihrer noch einen Schritt weiter. Sie verlangt gar, daß die Pflicht- und Bedrückte, Hämmer und Ambosse gegeben hat, und jeder, Herrschaft und zur Niederhaltung der Arbeiter, ist auch dem fortbildungsschule nicht in erster Reihe ihre Aufgabe darin der sich gottergeben in die staatlichen Mißstände füge, im Jen- intelligenteren Teil der Arbeiterschaft zum Bewußtsein ge­suche, ihren Zöglingen eine fachlich gewerbliche Bildung seits die Belohnung für sein friedliches, demutvolles Ver- kommen daher ihre von den Dienern des Herrn" so viel zu vermitteln, sondern ihnen eine ethische Bildung halten finden werde. beklagte Religionslosigkeit oder religiöse Gleichgültigkeit. als Lebensgrundlage zuteil werden zu lassen, und zwar kann Den feudalen preußischen Junkern genügt allerdings Sie wollen nichts mehr wissen von einer Religon, die ihnen nach ihrer Ansicht diese sittliche Bildung nur durch den diese geistlich- polizistische Tätigkeit der kirchlichen Staats- die stille Ergebung in die gottgewollte heilige Ordnung des Religionsunterricht erreicht werden, welcher der sittlich ver- diener noch nicht; sie wollten nicht nur religiös, sondern heutigen Klassenstaates predigt. Die alte Auferstehungs­derblichen Sträfte" der Sozialdemokratie durch die Ver- auch staatstheoretisch bewiesen haben, daß der Staat eine und Erlösungsfage, die der Osterglocken Geläut verkündet, göttlichung des monarchischen Staates und der heutigen göttliche Institution sei, die jeweilige Staats- hat für sie keine Bedeutung mehr; denn ihnen ist aus ihrer Familie entgegenarbeitet. Wörtlich heißt es in dem be- ordnung als Verwirklichung des göttlichen Sittengefezes an- Mitte ein neuer Auferstehungsglaube erstanden: der Glaube treffenden Artikel: Wie die Erfahrung zeigt, ist auch in der zusehen sei, und der preußische König als Monarch von an ihre eigene Kraft und ihre geschichtliche Mission. Zat in den Bundesstaaten, die die Fortbildungsschule Gottes Gnaden gewissermaßen den Willen Gottes reprä­seit langem befizen, eine Abnahme der auf fentiere. Und sie fanden den geeigneten Mann für diese

wird.

-

die materialistische Lebensanschauung ge- Beweisführung in Gerrn Friedrich Julius Stahl   Die Religion im Dienite der Zentrums­

1

richteten Tendenzen der Bevölkerung nicht in der ein ironischer Mit der Weltgeschichte ale jüdischer die Erscheinung getreten. Man wird fich deshalb Renegat zum geistigen Haupt Haupt der der judenfeindlichen borläufig damit begnügen müssen, den ethischen Bildungsstand preußischen Feudalpartei avancierte. weiter Boltskreise im Fortbildungsschulunterricht vor allem So heißt es zum Beispiel in der Stahlschen Staatslehre, durch Stärkung des Pflichtbewußtseins gegen I. Abschnitt, IV. Kapitel: Familie, Gemeinde und Staat auf eine höhere Wenn der Staat zunächst als ein sittliches Reich der mensch Stufe emporzuheben. Wenn es gelänge, hierbei dem Re- lichen Gemeinschaft sich darstellt, so ist er doch, tiefer betrachtet, ligionsunterricht, dessen Eigenschaft als all- zugleich eine göttliche Institution

politik.

Als die Sozialdemokratie mit ihren Wahlrechtsdemonstrationen die Feste des preußischen Dreiklassenwahlsystems zu bestürmen begann, da rief das Zentrum seine Arbeiter zu Bekenntnis. versammlungen" auf. Die fozialdemokratische Wahlrechts­agitation hatte auch unter der katholischen Bevölkerung gewirkt, hatte auch die sentrumstreuen Arbeiter an die Schmach der Ents