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Ar. 90. 28. Aehrgaug. 3. ßdlMf des Jorüiilö" Knlim Jolkslilnlt ZollMg. 16, April 1911 Gerichts-Zeitung. Jugend von heute. Wegen Anstiftung zum Diebstahl, versuchten schweren Dieb- stahls bezw. Hehlerei hatte die 10. Strafkammer des Landgerichts I  unter Porsitz des Landgerichtsrats Kade gegen die sechzehn- bis acht- zehnjährigen Arbeitsburschen Otto Zamzow, Michael Glowatzky und Karl Tallming zu verhandeln. Der Angeklagte Zamzow war mit den noch schulpflichtigen Söhnen Paul und Otto des Hausver- Walters F. bekannt. Eines Tages erfuhr er von Paul F., daß dieser seine Sparbüchse ausgeplündert und das Geld ohne Wissen des Vaters vernascht hatte. Der erst sechzehnjährige Zamzow be- nutzte nun diese Kenntnis, um einen regelrechten Erpressungs- felbzug gegen den Schulknaben zu unternehmen. Er drohte dem Jungen, daß er seinem Vater die Geschichte mit der Sparbüchse mitteilen werde, wenn er ihm nicht auch Geld bringe. Paul F- ließ sich aus Furcht vor Strafe auch verleiten, seinem Vater aus einer Kassette, in welcher er als Hausverwalter größere Geld- betrüge aufbewahrte, die Summe von 60 M. zu entwenden. Dieses Geld teilte Z. dann mit seinen Mitangeklagten Spießgesellen. Die drei blutjungen Bürschchen verbrachten das Geld dann in einem Tage zum Teil auch in einer Kellnerinnenkneipe. Z. hatte sich vor allen Dingen einen Revolver gekauft. Mit dieser Waffe drohte er dem Paul F., daß er ihn erschießen und dann in die Spree werfen würde, wenn er ihm nicht nochmals Geld bringen würde. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrere Male, so daß der Vater des F. schließlich ein Manko von über KOO M. in seiner Kasse konstatieren mußte. Erst als die Mutter des Jungen eines Tages weinend erklärte, daß der Vater für das fehlende Geld aufkommen müsse, packte dann den jugendlichen Dieb die Reue. Er räumte seine Verfehlungen ein und erzählte auch, daß er durch die fort- gesetzten Drohungen des Zamzow zu den Diebstählen gezwungen worden sei. Da er mit dieser Angabe keinen Glauben fand, wurde folgendes Experiment gemacht. Paul F. mußte dem Angeklagten Zamzow erzählen, daß er den Schlüssel zu der Kassette nicht mehr finden könne. Zamzow erklärte sofort, daß er sich dann selbst das Geld holen wolle. Während einer angeblichen Abwesenheit der Eltern des F. erschien er auch in der Wohnung und machte sich mit aller Seelenruhe daran, die Kassette aufzubrechen, wobei er dann von den F.'schen Eheleuten überrascht wurde. Mit dem erbeuteten Gelde hatten die drei Angeklagten herrlich und voller Freuden gelebt, Glowatzky hatte sogar eine Vergnügungsreise nach Bonn  unternommen. Mit Rücksicht darauf, daß die Angeklagten ein sehr stark ausgeprägtes verbrecherisches Talent an den Tag gelegt hatten und die reinen Blutsauger gewesen waren, erkannte das Gericht gegen Zamzow auf ein Jahr Gefängnis bei sofortiger Ber- Haftung, gegen Glowatzky, der sich jetzt in Zwangserziehung be- findet, ebenfalls auf ein Jahr und gegen Tallming auf einen Monat Gefängnis.  _ Die Verpflichtung zum Festhalten beim Aussteigen aus der Eisenbahn. Wie auf einzelnen anderen Bahnsteigen Deutschlands  , so ist auch bei dem Zugverkehr der Berliner   Borortbahn der größten Be- quemlichkeit des Publikums Rechnung getragen. Besonders vor- teilhaft hat sich bei dem überaus regen und eiligen Verkehr die Anlage der Bahnsteige erwiesen, die es ermöglichen, ohne das umständliche Klettern in das gewünschte Abteil einzusteigen. Die Gefahr eines Unfalles beim Ein- und Aussteigen erscheint durch die hohe Lage der Bahnsteige wesentlich herabgemindert. Aber auch hier hält das Reichsgericht an der schon oft betonten Auffassung fest, daß der Eisenbahnrcisende beim Einsteigen wie auch beim Aussteigen die Hilfsvorrichtung in Anspruch zu nehme» hat, die die Eisenbahn im Interesse des reisenden Publikums angebracht hat. Verschmäht es jemand, sich an den seitlich der Türen an- gebrachten Haltegriffen anzuhalten und passiert ihm durch Ab­rutschen ein Unfall, so ist er nicht berechtigt, die Eisenbahn in Anspruch zu nehmen, wie er es sonst auf Grund des unvcr- schuldeten Betriebsunfalles tun könnte. Zu diesen Ausführungen interessiert der im nachstehenden mitgeteilte, jetzt vor dem Reichsgericht zur Entscheidung gelangte Rechtsstreit: Die Klägerin, ein �räulein W. aus Charlottenburg  , erhebt Ansprüche gegen den Preußischen Eisenbahnfiskus aus einem Unfall, den sie am 31. Januar 1909 in Charlottenburg   beim Aus- steigen aus einem Zuge der Wannscc-Bahn erlitten hat. An diesem Tage benutzte sie die Wannsee-Bahn von Schlachtensee aus, wo sie Schlittschuhlaufen war. Das Abteil, in dem die Klägerin fuhr, war mit 14 Personen gefüllt. Das Aussteigen ging, infolge des stark besetzten KupeeS, sehr schnell vor sich. Die W. hielt sich deshalb beim Aussteigen nicht an, sondern betrat schnell das in gleicher Höhe des Bahnsteiges liegende Trittbrett. Auf dem Tritt- breit ist sie ausgeglitten und hingefallen, wobei sie sich einen Beinbruch zuzog. Die Heilung des Bruchs erfolgte so mangel- Haft, daß das Bein wieder gebrochen werden mußte; alsdann ist es besser verheilt, aber l'A Zentimeter kürzer geworden, als das andere. DaS Landgericht Berlin   hat die von der Klägerin auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes erhobenen Ansprüche als gerechtfertigt anerkannt. DaS Kammcrgericht zu Berlin   ist dem Landgericht beigetreten. Es führt aus, daß nach der üblichen Rechtsprechung auch die Unfälle beim Aussteigen auS der Eisenbahn mit unter den Begriff dcö Betriebsunfalles zu rechnen sind. Ein Mitver. schulden der Klägerin erblickt das Kammergericht nicht darin, daß sie sich beim Aussteigen nicht an den Handgriffen angehalten habe. Es erklärt, daß die Handgriffe bei den Vorortzügen so eingerichtet sind, daß sie das Einsteigen erleichtern. Beim Aus- steigen habe das Anhalten keinen Zweck, denn die Klägerin hätte, nachdem sie das Trittbrett betreten hätte, den Handgriff doch los- lassen müssen, um weitergehen zu können. Dieses Urteil des Kammergerichts ist vom Reichsgericht auf- gehoben und die Sache mit folgenden Erwägungen an das Kammer- gericht zurückverweisen worden: Der Angriff der Revision, daß kein Betriebsunfall vorliege, ist unbegründet. Dagegen ist die Meinung des Berufungsgerichts, daß man sich beim Aussteigen der vor- handenen Sicherungen nicht bedienen brauche, nicht gerechtfertigt. In zahlreichen Entscheidungen hat das Reichsgericht dies schon zum Ausdruck gebracht. Die Eisenbahnen haben verhältnismäßig steile Ansgänge; das weiß jeder. Deshalb muß sich der Reisende auch der Hilfsmittel bedienen, die ihm an die Hand gegeben werden, um die mit der Steilheit der Ausgänge verbundene Gefahr abzuwenden. Tut er das nicht, so trifft ihn ein Verschulden, wenn sich ein Unfall ereignet._ Hub aller Melt. Obcrbaycnfcbc Kultur. Einen interessanten Einblick in die kulturellen Zustände einer Zentrumsdomäne bot eine Verhandlung, die dieser Tage vor dem Münchener Landgericht II stattfand. Ein Bauer aus dem Dorfe Breitenlohe bei Erding   in Oberbayern   huldigte in starkem Matze den, Gotte GambrinuS. Die Bäuerin befürchtete, daß dabei HauS und Hof draufgehen könnte. Aber die Tagelöhnersfrau Elise Meyer von S ch i l t e r n wußte ein Mittel. Sie wollte gegen Geld und andere gute Sachen den durstigen Bauern totbeten. Der Handel war schnell abgemacht. Die Bäuerin zahlte fleißig. Ein Thaler nach dem andern wanderte zur tot» betenden Meyerin; auch Butter und Schmalz. Eier und gut ge- räuchertes Schweinefleisch wurden als Opfer auf den Betaltar der ge- schäftskundigen Meyerin gelegt. Der Bauer aber ging nicht. Schon hatte die gläubige Mission der Bäuerin 300 Mark gekostet, dem Bauern aber schmeckte daS Bier immer noch mehr. Inzwischen wurde gegen die Totbeterin Anzeige erstattet. Sie er- hielt wegen Gaukelei sechs Wochen Haft. Auf die Revision des Staatsanwalts hin hob das Reichsgericht das Urteil auf und wies die Sache zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht München II  zurück. Dieses verurteilte die Totbeterin jetzt wegen Betruges zu fünf Monaten Gefängnis. Sicherlich ist die Bäuerin eine fromme Christin, denn sonst hätte sie wohl nicht so fest auf die Wirkung des todbringenden Gebetes gehofft, daß sie 800 M. dafür auswarf. Schwere Fliegerabstiirze in Frankreich  . Am Freitagabend ist in der Nähe von Crigniöres der französische   Marineleutnant B y a s s o u bei einem Ueber- landfluge mit seinem Apparat aus beträchtlicher Höhe ab- gestürzt und wurde unter den Trümmern des Flugzeuges be­graben. Etliche Personen, die den Apparat beobachtet hatten, eilten zu Hilfe, fanden jedoch den Leutnant Vyassou leblos vor und transportierten ihn sofort nach einem benachbarten taufe. Ein Arzt>oar bald zur Stelle, konnte jedoch keine ilfe mehr leisten. Ein anderer schwerer Aeroplanunfall ereignete sich am Freitag auf dem Flugfelde von V e t h e n y. Bei einem Flug- versuche mit einem neuen Eindecker stürzte der Aviatiker Delange aus etwa 100 Meter Höhe mit seinem Apparat ab. Der Aviatiker wurde dabei am Kopfe, an derBrust und an den Beinen schwerverletzt. Auch am Sonnabend ereignete sich auf dem Flugfclde von B e t h e n y wieder ein schwerer Unglücksfall. Der Flieger Pierre Louis stürzte mit seinem Flugzeuge ab und erlitt schtvere Verletzungen. Ein Unfall derDentschlarfd". DaS neue Zeppelin- LuftschiffDeutschland  " stieß am Freitag- nachmittag in Düsseldorf   beim Herausbringen aus der Halle, weil die Bedienungsmannschaften auf ein mißverstandenes Kom- mando den Ballon nach der verkehrten Seite hm zogen, mit dem hinteren Propeller an der Steuerbordseite und dem Seitensteuer an der Backbordseite gegen die Ecken der Halle. Propeller und Steuer wurden erheblich beschädigt, so daß sie auS- gewechselt werden mußten. Bis die Ersatzteile auS Friedrichs- Hafen eingetroffen und montiert fein werden, dürfte» mehrere Tage vergehen._ Staubexplosion in einer Brikettfabrik. Wie die.Frankfurter Oderzeitung" meldet, fand am Sonnabend« morgen in der vierten Stund« in der Brikettfabril der Grube Präsident der Nicdcrlausitzer Kohlenwerke bei F ü r st e n b e r g a. O. eine Staubexplosion stall, wobei sechs Arbeiter, drei davon schwer, verletzt wurden. Sie wurden von der SanitätS- kolonne in das Krankenhaus Fürstenberg übergeführt. An dem Auf- lommen der Schwerverletzten wird gezweifelt. Deutsche   Flugrekorde. Am Freitag abend schlug in Darmstadt   der Einjährig-Freiwillige Reichardt auf einer Eulerflugmaschine(Militärtyp) den deutschen   Höhenrekord mit einem Passagier, der bisher 430 Meter betrug, und stellte mit blv Meter einen neuen Höhen- rekord mit einem Paffagier auf. Ein amtlicher Zeitnehmer deS deutschen   Luftschifferverbandes saß als Passagier im Flugzeug. Für die Höhenmeffung wurden zwei Höhenmesser benutzt, welche über< einstimmend die Höhe von 610 Meter anzeigten. » Der Münchcner Flieger Dr. Wittenstein machte am Freitag einen Flug von Kilometer über München   und Umgebung. Dies ist der längste bisher in Bayern   ausgeführte Ueber« landflug._ Zwischenhandel auf dem Wohnungsmarkte. Ms eine neue und nicht gerode willkommene Erscheinung auf dem Gebiete des Großstadtlebens ist es anzusehen, daß sich auch auf dem Wohnungsmarkte schon der Zwischenhandel be- merkbar macht. So pachtete eine Firma in München   die samt- lichen Wohnungen von größeren Herrschaftshäusern gegen ein dem Haus- besitzer zu leistendes jährliches Fixum, um dann ihrerseits die einzelnen Wohnungen zu vermieten, natürlich zu Preisen, die einen m ö g- lichst hohen Ueberschuß über das an den Hausbesitzer zu zahlende Jahresfixum abwerfen. So werden die Häuser noch mehr zu Spekulationsobjekten und die schon schmerzlich empfundene Wohnungsteuerung dürfte auf diese Weise noch wesentlich verschärft werden._ Ein ungarisches Dorf in Flammen. In der Gemeinde Vizvir im Komitat Somogy   brach am Freitag ein Feuer aus, das, durch den herrschenden Sturm be- günstigt, bald sehr große Dimensionen annahm. Im Laufe des Vor­mittags wurden 20 Gebäude eingeäschert. Mehrere Kinder kamen in den brennenden Häusern ums Leben. Das Feuer ver- breitete sich immer weiter und bald stand die ganze Ortschaft in Flammen. Die eingeleitete Löschaktion hatte wegen des heftigen Sturmes leine» Erfolg. Kleine Notizen. Vom Spiel in den Tod. Zwei Söhne eines Spediteurs in Varel   in Oldenburg   spielten am Freitagabend in einer Sand- grübe der Umgegend. Als sie abends 11 Uhr noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren, begaben sich die Eltern und Nachbarn mit einem Hunde auf die Suche und fanden beide Knaben verschüttet. Sie wurden um Mitternacht tot ausgegraben. Großfeuer in Goslar  . Sonnabendabend gegen ö Uhr kam in dem Hotel Kurhaus Hahnenklee in Goslar  , einem der größten Kur« Häuser deS Harzes ein Brand aus, der bald das ganze drei- stöckige Gebäude erfaßte. Um das Ueberfpringen des Brandes auf ein naheliegende» anderes Hotel zu verhüten, ivurde ein die beiden Hotels vorbindendes Gebäude niedergerissen. Das Kurhaus Hahnenklee   wurde vollständig eingeäschert. Ein bei der Brandstätte als Zuschauer weilender Einwohner Goslars erlitt, als die ohnmächtig gewordene Frau des Besitzers deS Kurhauses von Männern aus dem Haufe getragen wurde, einen Herzschlag und starb auf der Stelle. Der Bock als Gärtner. In der englischen   Stadt Stoke upon Trent wurden zwei Agenten der städtischen Polizei um Mitternacht dabei überrascht, wie sie' in ein Kohlenlager einzudringen versuchten. Die Polisten, die schon längere Zeit im Verdacht standen, Einbrüche verübt zu haben, wurden durch einen Polizeiinspeltor beobachtet und in flagranti ertappt und festgenommen. Folgenschwere Explosion. In einer Niederlage pharmazeutischer Produkte in der Rue Blanche in Paris   fand eine Explosion statt, bei der fünf Personen verletzt wurden, darunter vier lebensgefährlich. Die Opfer der Erdbebenkatastrophe von Messina  . Die Zahl der Opfer der Erdbebenkatastrophe von Messina   wird jetzt amtlich be- kanntgegeben. Danach sind im ganzen bei der damaligen Katastrophe 317000 Menschen um« Leben gekommen. Attentat aus einen Eisenbahnzug in Japan  . In der Nähe der Ortschaft K i r t o wurde gestern durch Zerstörung der Eisenbahngleise mittels Dynamit ein Eisenbahnzug zum Entgleisen ge- bracht. Zwei Bahnbeamte wurden dabei schwer,»eh» Passagiere leicht verletzt. Marktpreise von Berlin   am»3. April»»»». nach Ermittelung de» Königlichen Polizeipräsidiums. Markthallenpreise,(Kleinhandel.) 100 Kilogramm Erbsen, gelb«, zum Kochen 30,0050,00. Spcisebohnen, weiße 30,00-50,00. Linsen 20.00-00.00, Kartoffeln 6,00-9,00. 1 Kilo. gramm Rindfleisch, von der Keule 1,002,40, Rindfleisch. Bauchfleisch 1.20 bis 1.70, Schweinefleisch 1,20-1,90. Kalbsleifch 1,50-2,40, Hammelfleisch 1,402.20. Butter 2,203,00, 00 Stilck Eier 3,004,40. 1 Kilogramm karpsen 1.10-2.40, Aale 1,00- 3,00, Zander 1,40-4,00, Hechte 1,30 bis 2,80. Barsch« 0,802,00. Schleie 1,40-3,10. Bleie 0,801,00. 60 Stück Krebse 2,25-28,00. Neu eröffnet: Tauentxienstr, 20 Leipxiyer Str. 65 Königstraße 34 Oranienilraße 34 Orarnenatraße 47a KüHentraße 3a Rixdorf, Berg$tr.7-8 Zentrale u. 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